L 7 SO 2952/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 2892/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2952/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Gestalt eines Zuschusses zum Kauf eines Kraftfahrzeugs wegen fehlender Mitwirkung.

Der 1957 geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie die Nachteilsausgleiche "G" und "aG" festgestellt sind und der pflegebedürftig ist, beantragte erstmals am 7. November 2008 beim Beklagten eine "einmalige Beihilfe als Darlehen" zum Kauf eines Kraftfahrzeugs mit Automatik im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII. Mit diesem Begehren blieb er sowohl im seinerzeitigen Verwaltungsverfahren (Ablehnungsbescheid vom 5. Dezember 2008, Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2009) als auch im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) erfolglos (Gerichtsbescheid vom 7. Juli 2010 – S 3 SO 1839/09). Die Berufung des Klägers wies der Senat mit Urteil vom 14. April 2011 (L 7 SO 3373/10) zurück, da dem Kläger, der sich zwischenzeitlich ein Fahrzeug der Marke Hyundai beschafft hatte, eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch den vom beklagten Landkreis bereitgestellten Behindertenfahrdienst ausreichend ermöglicht werde. Das Urteil des Senats wurde rechtskräftig, nachdem das Bundessozialgericht (BSG) die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision mit Beschluss vom 1. Juni 2011 (B 8 SO 22/11 B) als unzulässig verworfen hatte.

Mit Schreiben vom 15. April 2013 beantragte der Kläger bei seiner Krankenkasse, der D.-Gesundheit (im Folgenden: D.), einen "Zuschuss für den Kauf eines schwerbehindert gerechten Fahrzeugs". Bei seinem "alten Fahrzeug" (Marke Hyundai, Typ Trajet 2.0 CRDI) gehe langsam alles kaputt und die Kosten überstiegen sein Budget. Auch für seine Ehefrau wäre ein neues, behindertengerechtes Fahrzeug "eine große Lebenshilfe". Als neues Fahrzeug habe er sich einen Ford Kuga ausgesucht, u.a. weil dieser genügend Platz für seinen Rollstuhl biete. Dem Antrag waren zwei entsprechende Angebote des Autohauses e.+k. GmbH vom 5. März 2013 (Preise: 22.980,00 Euro bzw. 24.295,00 Euro) beigefügt.

Mit Schreiben vom 26. April 2013 – beim Bürgermeisteramt R.-W. am 30. April 2013, beim Beklagten am 2. Mai 2013 eingegangen – leitete die D. den klägerischen Antrag gemäß § 14 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zuständigkeitshalber an den Beklagten weiter, da ein Kraftfahrzeug grundsätzlich keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. der Pflegeversicherung sei. Auf die Nachfrage des Beklagten, welche wesentliche Änderung sich seit dem vormaligen Verfahren ergeben habe, teilte der Kläger u.a. mit, dass er das Fahrzeug namentlich "für die Fahrten zum Einkaufen, Frisör, Freunden, Theater, Kino, Wildgehege, zu den Verwandten, Kleidung kaufen, Schwimmen, Vereinstreffen, Kirche, Kirchenkreis etc." benötige. Außerdem beantrage er "besondere Bedienungseinrichtungen und Zusatzgeräte für Kraftfahrzeuge".

Mit Schreiben vom 15. Mai 2013 forderte der Beklagte beim Kläger diverse Unterlagen an. Mit weiterem Schreiben vom 10. Juni 2013 gab der Beklagte dem Kläger auf, das – neben dem Formantrag vom 21. Mai 2013 eingereichte – Formblatt "HB/A" vollständig auszufüllen, nachdem der Kläger zunächst keine Einwilligung zur Einholung von ärztlichen Auskünften/Untersuchung und zur Übermittlung von Daten an den Träger der Sozialhilfe erteilt hatte. Die Einwilligung sei erforderlich, damit das Gesundheitsamt des Landkreises mit der Feststellung einer wesentlichen Behinderung beauftragt werden könne. Sollte das ergänzte Formblatt nicht bis zum 25. Juni 2013 vorliegen, könnten die Leistungen gemäß § 66 Abs. 1 und 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) versagt werden.

Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte (Schreiben vom 12. Juni 2013), dass er zu keiner Untersuchung beim Gesundheitsamt erscheinen werde, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11. Juli 2013 den "Antrag auf Zuschuss zum Kauf eines Kraftfahrzeugs und auf Übernahme der Kosten für den behindertengerechten Umbau wegen fehlender Mitwirkung ab". Durch die Ablehnung einer Untersuchung durch das Gesundheitsamt fehle eine Voraussetzung (Vorliegen einer wesentlichen Behinderung) zur weiteren Prüfung der Gewährung von Eingliederungshilfe.

Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch vom 16. Juli 2013 machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass er "sicherlich" zur Untersuchung im Gesundheitsamt erscheinen werde. Am 12. August 2013 legte er sodann erneut das Formblatt "HB/A", dieses Mal mit ausgefüllter Rückseite, vor.

Daraufhin beauftragte der Beklagte mit Schreiben vom 12. August 2013 das Amt für Gesundheit und Versorgung R. (im Folgenden: Gesundheitsamt) mit der Feststellung der Vorliegens einer wesentlichen Behinderung beim Kläger. Seitens des Gesundheitsamtes wurde sodann mit E-Mail vom 23. Oktober 2013 mitgeteilt, dass der Kläger den zunächst angesetzten Untersuchungstermin am 26. September 2013 wegen einer angegebenen Wirbelsäulenoperation nicht wahrgenommen habe; dem Untersuchungstermin am 22. Oktober 2013 sei der Kläger unentschuldigt fern geblieben. Mit weiterer E-Mail vom 22. November 2013 berichtete das Gesundheitsamt über weitere Kontakte mit dem Kläger, der sich in medizinischer Rehabilitation befinde. Man werde den Kläger für Ende Januar 2014 erneut einbestellen. Im anschließend erstatteten Gutachten der Ärztin Dr. W. (Gesundheitsamt) vom 12. März 2014 gelangte diese nach Untersuchung des Klägers am 4. Februar 2014 zu folgenden Gesundheitsstörungen: Zustand nach knöcherner Dekompression des Spinalkanals LWK 4/5 rechts bei Spondylolisthesis L4/5, Zustand nach 4-facher Revision eines Knie TEPs sowie Anpassungsstörung mit depressiver Verstimmung bei chronischem Schmerzsyndrom. Es liege eine körperliche Behinderung mit eigener Fortbewegungsfähigkeit mit Unterarmgehstützen beidseits und insgesamt eine wesentliche Behinderung bzw. eine drohende wesentliche Behinderung i.S.d. Eingliederungshilferechts vor. Am 10. April 2014 teilte Dr. W. dem Beklagten telefonisch mit, dass der Kläger zur Untersuchung nicht mit einem Rollstuhl, sondern mit Unterarmstützen erschienen sei. Er könne indes nur wenige Meter ("max. 100 Meter") gehen. Eine telefonische Nachfrage des Beklagten bei der D. ergab ferner, dass der Kläger über einen mechanischen Rollstuhl verfüge.

Mit Bescheid vom 25. April 2014 hob der Beklagte seinen Bescheid vom 11. Juli 2013 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf, da der Kläger der fehlenden Mitwirkung ("Untersuchung beim Gesundheitsamt") nachgekommen sei. Über den "ursprünglichen Antrag" vom 21. Mai 2013 erhalte er einen gesonderten Bescheid.

Mit Bescheid vom 6. Mai 2014 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf einen Zuschuss zum Kauf eines Kraftfahrzeugs und auf Übernahme der Kosten für den behindertengerechten Umbau ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen lägen nicht vor, da die vom Kläger angegebenen Fahrten durch die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes im Landkreis K. entsprechend der derzeitig gültigen Richtlinie ausreichend sichergestellt werden könnten. Außerdem habe der Kläger die Möglichkeit, den öffentlichen Personennahverkehr zu nutzen.

Mit seinem Widerspruch vom 14. Mai 2014 machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass er nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren könne. Mit seinem Rollstuhl sei es ihm nur möglich, kurze Wege – im Allgemeinen nur in der Wohnung – zurückzulegen. Mit einem Elektromobil wären zwar kurze Strecken machbar, er könne aber schließlich seine Tochter oder Ehefrau "nicht auf den Schoß nehmen". Einkäufe seien so ebenfalls nicht möglich.

In der Folgezeit forderte der Beklagte den Kläger wiederholt (Schreiben vom 17. Juni 2014, 24. Juli 2014) auf, Angaben zum Verbleib seines Kraftfahrzeugs Hyundai Trajet (vermutliches amtliches Kennzeichen) sowie zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie zu denen seiner Ehefrau und seiner Tochter zu machen, und diverse weitere Unterlagen bzw. Nachweise vorzulegen, namentlich Nachweise über die Bewilligung und den Erhalt von Stiftungsgeldern im Jahre 2008, mit denen der seinerzeitige Erwerb des Hyundai Trajet ausweislich der Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) im Urteil vom 14. April 2011 (L 7 SO 3373/10) finanziert worden sei.

Der Kläger reagierte hierauf mit Schreiben vom 23. Juni 2014 und vom 25. Juli 2014.

Die Halteranfrage des Beklagten bei der eigenen Straßenverkehrszulassungsbehörde vom 24. Juli 2014 ergab, dass ein Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen seit dem 21. Juni 2011, ein weiteres mit dem amtlichen Kennzeichen seit dem 16. Juni 2014 sowie ein Anhänger seit dem 11. Juni 2014 auf den Kläger zugelassen sind; ein weiterer PKW sei vom 3. Februar bis 16. Juni 2014 auf den Kläger zugelassen gewesen (Auskunft vom 29. Juli 2014).

Daraufhin forderte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 5. August 2014 auf, bis zum 12. September 2014 u.a. Kopien der Zulassungsbescheinigungen der Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen und sowie des Anhängers und die entsprechenden Kaufverträge respektive Nachweise über die Kaufpreiszahlungen, Kopien der klägerischen Kontoauszüge betreffend näher bezeichneter Bankkonten und Zeiträume (Kontoauszüge oder vollständige Umsatzliste der Konten 4397113 und 4591095 der Sparkassen S.-R. für die Zeiträume vom 1. Mai 2013 bis zum 31. Juli 2013, vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014 und vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Mai 2014) sowie Nachweise bezüglich der angeblich von Stiftungen zugewandten Geldmittel und deren Verwendung bis zum 12. September 2014 vorzulegen. Zudem belehrte der Beklagte den Kläger darüber, dass er nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB I verpflichtet sei, die geforderten Unterlagen vorzulegen und verwies wegen der angeforderten Kontoauszüge in der Sache mit weiteren Erläuterungen auf die Rechtsprechung des BSG. Bei fruchtlosem Fristablauf müsse der Kläger damit rechnen, dass sein Widerspruch wegen fehlender Mitwirkung zurückgewiesen werde.

Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 6. August 2014, dass der Beklagte von ihm "nichts mehr" bekomme und verwies auf seine Schwerbehinderung. Das Kfz, ein "alter" Daihatsu Cuore ("100 Euro"), sei nicht mehr in seinem Besitz. Sein Ford Focus sei 15 Jahre alt und bringe ihn wegen der Beschädigung des Kfz zurzeit zu den jeweiligen Orten, wo er hin wolle. Der Anhänger, den er geschenkt bekommen habe, stamme aus dem Jahr 1939. Der Beklagte begehe seit 2009 "unterlassene Hilfeleistung".

Der Beklagte verwies sodann erneut auf die Mitwirkungspflichten, erinnerte an deren Erfüllung und wies darauf hin, dass die klägerische Schwerbehinderung keinen wichtigen Grund i.S.d. § 65 Abs. 1 SGB I darstelle (Schreiben vom 11. August 2014).

Der Kläger entgegnete, dass er alle Unterlagen bereits im Jahr 2013 übersandt habe; er werde keine Korrespondenz mehr mit dem Beklagten führen (Schreiben vom 12. August 2014). Mit Schreiben vom 9. September 2014 bekräftigte der Kläger sein Vorbringen gegenüber dem Landrat des Beklagten.

Mit Anhörungsschreiben vom 18. September 2014 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, den klägerischen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 6. Mai 2014 aus weiteren Gründen, nämlich wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I, zurückzuweisen, wenn der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht bis zum 17. Oktober 2014 nachkomme. Er wiederholte zugleich im Einzelnen unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 5. August 2014, welche Unterlagen und Erklärungen vom Kläger abzugeben seien, setzte sich erneut mit dem klägerischen Vorbringen auseinander und wies darauf hin, dass für die Prüfung eines Anspruchs auf Leistungen der Eingliederungshilfe die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Anspruchstellers und seines nicht getrennt lebenden Ehegatten relevant seien. Gegen dieses Schreiben erhob der Kläger am 30. September 2014 (Schreiben vom 25. September 2014) "Widerspruch und Beschwerde" und verwies im Wesentlichen auf Vorgänge im Jahr 2005.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 6. Mai 2014 und seinen Widerspruch gegen das Anhörungsschreiben vom 18. September 2014 zurück. Hinsichtlich des begehrten Zuschusses zum Kauf eines Kfz und Kostenübernahme für den behindertengerechten Umbau komme eine Bewilligung wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 SGB I nicht in Betracht. Der Kläger habe die mit Schreiben vom 5. August 2014 angeforderten Unterlagen und Erklärungen trotz Hinweis auf die Folgen bei ausbleibender Mitwirkung nicht abgegeben. Es mangele insbesondere weiterhin an Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen, die für die begehrten Leistungen entscheidungserheblich seien. Die getroffene Entscheidung sei ermessensgerecht und verhältnismäßig, nachdem unter Berücksichtigung des vorangegangenen Schriftwechsels und des Verhaltens des Klägers keine entgegenstehenden Anhaltspunkte bestünden. Der klägerische Widerspruch vom 30. September 2014 (Schreiben vom 25. September 2014) gegen das Anhörungsschreiben vom 18. September 2014 sei unzulässig, weil es sich bei diesem Schreiben mangels Regelungswirkung schon nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X handele.

Hiergegen hat der Kläger am 14. November 2014 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben, mit dem er sein Begehren auf "Hilfe zum Kauf eines Kfz" weiter verfolgt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen unter Wiederholung seines Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren – soweit verfahrensbezogen und verständlich – geltend gemacht, dass er einen PKW für die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zur Gleichstellung und Selbstbestimmung benötige. Das eingeholte Gutachten des Gesundheitsamtes stütze sein Begehren ebenso wie die vorgelegten "Atteste" seiner Ärzte ("Fachärztlich-sozialmedizinisches Attest" des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. K. vom 28. Juli 2015; "Fachärztliches Attest" des Dr. K. vom 7. Januar 2009; Bescheinigung des Dr. K. vom 4. November 2008) und die Einschätzung der J.-U.-H. e.V. (Auskunft der Mitarbeiterin H. vom 20. Januar 2009). Er hat ferner u.a. die Wohngeldbescheide vom 16. Juli 2013 (Leistungszeitaum vom 1. September 2013 bis 31. August 2014), 23. Juli 2014 (Leistungszeitraum vom 1. September 2014 bis 31. Juli 2015) und 8. Juli 2015 (Leistungszeitraum vom 1. August bis 31. Oktober 2015) des Landratsamtes K. – Wohngeldbehörde – und PKW-Kaufangebote aus dem Internet zur SG-Akte vorgelegt. Im Erörterungstermin beim SG am 17. Juni 2015 hat der Kläger u.a. angegeben, dass er und seine Frau Rente bezögen sowie er selbst noch Pflege- und Wohngeld. Kontoauszüge seien "für diesen Zeitraum" nicht vorhanden, da "das Konto" bei der Bank nicht mehr bestehe. Auf die gerichtliche Verfügung vom 5. August 2015 zur Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Kläger neben anderen Unterlagen einzelne Kontoauszüge des Kontos 4397113 bezüglich verschiedener Zeiträume ab September 2014 vorgelegt.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Aus den eingereichten Unterlagen und Nachweise seien die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kläger, insbesondere über sein Einkommen und Vermögen, nicht nachzuvollziehen. Sie habe auch ihr Ermessen richtig ausgeübt. Es seien schlichtweg keine Anhaltspunkte ersichtlich gewesen, die eine andere Entscheidung ermessenssachgerecht erscheinen ließen. Es könne von einer Ermessensreduktion auf Null ausgegangen werden.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Juli 2016 abgewiesen. Soweit der Kläger die Gewährung einer Eingliederungshilfe für Kraftfahrzeuge begehre, sei sie unzulässig. Gegen einen Versagungsbescheid, wie er hier vorliege, könne lediglich die isolierte Anfechtungsklage erhoben werden. Die von dem Beklagten zunächst getroffene Sachentscheidung mit Bescheid vom 6. Mai 2014 sei mit Widerspruchsbescheid vom 24. Okotber 2014 aufgehoben worden. Der Widerspruchsbescheid stütze sich ausschließlich auf die Versagung wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 Abs. 1 SGB I. Die isolierte Anfechtungsklage sei jedoch unbegründet. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Er habe, obwohl er einkommensabhängige Leistungen begehre, seine Kontoauszüge nicht (vollständig) vorgelegt. Der Beklagte habe auch sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Die Klage gegen das Aufforderungsschreiben vom 18. September 2014 sei unzulässig, da es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt handele.

Gegen den ihm an 3. August 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. August 2016 Berufung eingelegt. Er sei seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen. Er habe die Kontoauszüge zweimal komplett an den Beklagten geschickt. Ersichtlich seien die monatlichen Einnahmen von Rente und Pflegegeld sowie Wohngeld und Ausgaben für Strom und Versicherungen. Seine privaten Ausgaben habe er geschwärzt. Seit Oktober 2016 sei er privatinsolvent.

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Juli 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verweist darauf, dass sie mit am 6. August 2014 zugestelltem Schreiben vom 5. August 2014 den Kläger aufgefordert habe, Kopien der Kontoauszüge oder der vollständigen Umsatzliste der Konten 4397113 und 4591095 der Sparkasse S.-R. für die Zeiträume vom 1. Mai 2013 bis zum 31. Juli 2013, vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014 und vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Mai 2014 vorzulegen. Die geforderten Unterlagen seien bis zum 12. September 2014 nicht vorgelegt worden. Während des Klageverfahrens habe der Kläger vom Konto 4591095 keinerlei Kontoauszugskopien und vom Konto 4397113 nur Kontoauszüge für andere Zeiträume vorgelegt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurften insbesondere nicht der Zulassung, da der Kläger Leistungen von mehr als 750,00 Euro begehrt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden.

2. Die Berufung des Klägers ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2014 ist rechtmäßig.

a) Allein diese Bescheide sind – wie das SG zu Recht aufgeführt hat – zulässiger Streitgegenstand. Soweit der Kläger im Klageverfahren noch die Verpflichtung des Beklagten, ihm eine Eingliederungshilfe zu gewähren, begehrt hat, ist dies vom SG zu Recht als unzulässig erachtet worden, nachdem der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014 eine Versagungsentscheidung nach § 66 Abs. 1 SGB I getroffen hat und sich damit die ursprüngliche Sachentscheidung im Bescheid vom 6. Mai 2014 erledigt und die Gestalt einer Versagungsentscheidung erhalten hatte. Zwar ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Verfügungssatz des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2014, aber aus dessen Begründung, die bei der Auslegung des Verfügungssatzes heranzuziehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 30/09 R – juris Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 6. Februar 2007 – B 8 KN 3/06 R – juris Rdnr. 38; Mutschler, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 33 SGB X Rdnr. 5 [Dezember 2013]). Die Änderung des Ablehnungsbescheides in einen Versagungsbescheid war im Übrigen auch jedenfalls deswegen zulässig, weil sie sich nicht als Verböserung zu Lasten des Klägers darstellt (vgl. zum umgekehrten Fall Beschluss des Senats vom 6. März 2006 – L 7 SO 96/06 PKH-B – n.v.). Die bloße Versagung ist gegenüber der Ablehnung ein Minus.

Mit einem solchen Bescheid nach § 66 Abs. 1 SGB I wird nicht über den materiellen Anspruch entschieden, sondern über Pflichten des Antragsstellers oder Leistungsempfängers im Verwaltungsverfahren (BSG, Urteil vom 17. Februar 2004 – B 1 KR 4/02 R – juris Rdnr. 12); § 54 Abs. 4 SGG ist hier nicht anwendbar (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 SB 3/13 R – juris Rdnr. 11), weswegen der Kläger sein Leistungsbegehren im vorliegenden Verfahren nicht zulässigerweise geltend machen kann (vgl. dazu – und zu den hier nicht vorliegenden Ausnahmen – Urteil des Senats vom 22. September 2016 – L 7 AS 3613/15 – juris Rdnr. 17).

b) Die streitgegenständlichen Bescheide finden ihre Grundlage in § 66 Abs. 1 SGB I.

aa) Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird, ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung der Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Zu den Mitwirkungspflichten gehört die Pflicht des Antragstellers und Beziehers von Sozialleistungen, die Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I), sowie Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I). Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist (§ 66 Abs. 3 SGB I).

bb) Diese Voraussetzungen lagen hier vor.

Der Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. August 2014, das diesem am 6. August 2014 zugestellt worden ist, aufgefordert, Kopien der Kontoauszüge oder der vollständigen Umsatzliste der Konten 4397113 und 4591095 der Sparkasse S.-R. für die Zeiträume vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014, vom 1. Mai 2013 bis zum 31. Juli 2013 und vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Mai 2014 vorzulegen. Der Kläger ist zugleich darauf hingewiesen worden, dass die begehrte Leistung wegen fehlender Mitwirkung versagt werden kann, wenn er seiner Mitwirkungspflicht nicht binnen der gesetzten Frist nachkommt.

Der Kläger war zur Vorlage der Kontoauszüge seines eigenen Kontos auch verpflichtet. Bei der von ihm begehrten Eingliederungshilfe (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX sowie § 8 EinglHV) handelt es sich um bedarfsabhängige Leistungen, die nach § 19 Abs. 3 SGB XII nur erbracht werden, wenn die Betroffenen nicht über hinreichendes Einkommen und Vermögen verfügen. Zur Prüfung dieser Voraussetzungen kann die Vorlage auch von Kontoauszügen verlangt werden (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 45/07 R – juris Rdnr. 13 ff.). Dabei kann der Senat offen lassen, in welchem zeitlichen Umfang der Kläger zur Vorlage der Kontoauszüge verpflichtet war. Jedenfalls die Vorlage von Kontoauszügen für Mai bis Juli 2013, also für die drei Monate nach Antragstellung bei dem Beklagten, zu verlangen, ist nicht zu beanstanden.

Der Kläger ist seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Er hat bis zum Erlass des Widespruchsbescheides vom 24. Oktober 2014 die verlangten Kontoauszüge nicht vorgelegt. Die gegenteilige, nicht näher substantiierte Behauptung des Klägers im Berufungsverfahren ist nicht nachvollziehbar. Dies gilt zumal – der Beklagte hat hierauf zu Recht hingewiesen – mit Blick darauf, dass der Kläger mit Schreiben vom 8. August 2014 – also gerade in Reaktion auf das Schreiben des Beklagten vom 5. August 2014 – gegenüber dem Beklagten selbst zum Ausdruck gebracht hat, dem Beklagten keine Unterlagen mehr vorzulegen.

Auf die Frage, ob der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nach Erlass des Widerspruchsbescheides nachgekommen ist, kommt es nicht an. Für die Beurteilung der angefochtenen Bescheide kommt es im Rahmen der vorliegenden, allein zulässigen isolierten Anfechtungsklage auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 SB 3/13 R – juris Rdnr. 19; Urteil des Senats vom 22. September 2016 – L 7 AS 3613/15 – juris Rdnr. 23 m.w.N.; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 7. März 2012 – L 10 AS 97/09 – juris Rdnr. 45). Im Übrigen ist aber auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger die verlangten Kontoauszüge im späteren Verlauf des Verfahrens vollständig vorgelegt hätte. Im Erörterungstermin vor dem SG am 17. Juni 2015 hat der Kläger selbst bezüglich seines eigenen Kontos Kontoauszüge nur lückenhaft vorgelegt.

Der Beklagte hat auch das bei einer Entscheidung nach § 66 Abs. 1 SGB I auszuübende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Ausführungen zur Ermessensausübung sind zwar – auch hierauf hat das SG bereits hingewiesen – knapp gehalten. Sie lassen aber hinreichend erkennen, dass sich der Beklagte bewusst war, Ermessen ausüben zu müssen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3. März 2010 – L 12 AS 15/08 – juris Rdnr. 59), so dass dahinstehen kann, ob sogar von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X erforderliche Darlegung von Ermessensgesichtspunkten in einem Ermessensverwaltungsakt kein Selbstzweck ist, sondern voraussetzt, dass ernsthafte Ermessenserwägungen auch anzustellen waren, was in Fällen der vorliegenden Art gerade nicht der Fall ist (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 7. März 2012 – L 10 AS 97/09 – juris Rdnr. 66). Der Beklagte konnte mangels Mitwirkung des Klägers nicht feststellen, ob dieser hilfebedürftig ist. Auch ein alternativer Weg, das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit zu überprüfen, kam nicht in Betracht. Gesichtspunkte, die im Rahmen der Ermessensausübung zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen wären, sind damit nicht erkennbar (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. September 2015 – L 13 AS 170/13 – juris Rdnr. 22).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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