L 5 KR 2950/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1044/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2950/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.06.2016 wird zurückgewiesen. Die Klage der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 13.01.2017 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf eine Einmalzahlungen der D. W. (D.).

Der ehemalige Arbeitgeber der 1949 geborenen Klägerin, die F. E. GmbH, E. und E., schloss als Versicherungsnehmer (auf den 01.07.1989 beginnend und mit dem Endalter 65 Jahre endend) zu Gunsten der Klägerin als versicherter Person am 23.05.1989 einen Versicherungsvertrag mit der D. ab. Auf den 01.07.2010 übernahm die Klägerin den Versicherungsvertrag. Eine Beitragszahlung erfolgte im Anschluss nicht mehr (Schreiben der D. vom 14.12.2015).

Seit dem 01.06.2010 ist die Klägerin als versicherungspflichtige Rentnerin Mitglied der Beklagten zu 1) und 2).

Im Juli 2014 teilte die D. der Beklagten zu 1) die Auszahlung eines Betrags von 49.399,86 EUR an die Klägerin zum 01.07.2014 mit. Mit (auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem) Bescheid vom 28.07.2014 stellte die Beklagte zu 1) daraufhin die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen aus der Kapitalzahlung der D. fest. Als monatlicher Zahlbetrag gelte für längstens 120 Monate ein Betrag i. H. v. 1/120 der Kapitalzahlung (49.399,86 EUR/ 120 = 411,67 EUR). Die aus der Kapitalzahlung der D. ab 01.07.2014 zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wurden auf insgesamt 73,28 EUR (Krankenversicherung: 63,81 EUR; Pflegeversicherung: 9,47 EUR) festgesetzt.

Die Klägerin legte am 27.08.2014 hiergegen Widerspruch ein. Es handle sich vorliegend um eine Lebensversicherung. Versicherungsbeginn sei der 01.07.1989 bei einer festen Laufzeit von 25 Jahren bis zum 30.06.2014 gewesen. Es handle sich daher vorliegend bei der Kapitalzahlung nicht um einen Versorgungsbezug, der beitragspflichtig sei.

Mit Bescheid vom 20.01.2015 wurden die von der Klägerin aus der Kapitalzahlung der D. ab 01.01.2015 zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wegen geänderten Beitragssatzes zur Pflegeversicherung (ab 01.01.2015 2,35 %) auf insgesamt 74,52 EUR (Krankenversicherung: 63,81 EUR; Pflegeversicherung: 10,71 EUR) neu festgesetzt. Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Bescheid vom 20.01.2016 wurden die von der Klägerin aus der Kapitalzahlung der D. ab 2016 zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auf insgesamt 75,75 EUR (Krankenversicherung: 65,04 EUR; Pflegeversicherung: 10,71 EUR) neu festgesetzt.

Mit (auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem) Widerspruchsbescheid vom 22.02.2016 wies die Beklagte zu 1) den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 23.03.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhob. Eine Begründung der Klage erfolgte nicht.

Die Beklagte zu 1) trat der Klage entgegen.

Mit Schreiben vom 06.06.2016 wies das SG auf die Absicht hin, den Rechtsstreit nach § 105 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mittels Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen. Das Schreiben wurde der Klägerin am 08.06.2016 mittels Postzustellungsurkunde (PZU) zugestellt.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.06.2016 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, bei versicherungspflichtigen Rentnern seien der Beitragsbemessung u.a. der Rente vergleichbare Einnahmen zugrunde zu legen (§ 237 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)), wozu Renten der betrieblichen Altersversorgung gehörten (§ 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V). Schließe ein Arbeitgeber zugunsten eines Arbeitnehmers einen Vertrag über eine Direktversicherung, seien die hieraus resultierenden Leistungen grundsätzlich der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen. Die Kapitalzahlung aus der Direktversicherung bei der D. stelle danach eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung dar, auf die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu erheben seien. Anderes gelte nur für Kapitalzahlungen, die auf Beiträgen beruhten, die für Zeiten gezahlt worden seien, in denen der Arbeitnehmer Versicherungsnehmer gewesen sei. Vorliegend seien die Versicherungsbeiträge ausschließlich in der Zeit gezahlt worden, als der Arbeitgeber der Klägerin Versicherungsnehmer des Lebensversicherungsvertrags gewesen sei. Die Beitragshöhe sei ebenfalls nicht zu beanstanden.

Gegen den ihr am 29.06.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29.07.2016 Berufung beim SG eingelegt, das diese dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 08.08.2016 zur Entscheidung vorgelegt hat. Darüber hinaus hat sie eine mündliche Verhandlung vor dem SG beantragt. Im Hinblick auf die Einlegung der Berufung und den Antrag auf mündliche Verhandlung sei das Verfahren vor dem SG fortzusetzen. Da das SG im Übrigen die Frist zur Stellungnahme hinsichtlich der Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht abgewartet habe, sei der Rechtsstreit zumindest an das SG zurückzuverweisen. Auf Anforderung hat sie den Antrag auf Kapitalversicherung vom 23.05.1989 vorgelegt, wonach unter D angekreuzt ist, dass es sich bei der Versicherung um eine Direktversicherung gegen Gehaltsumwandlung handele.

Zuletzt hat die Klägerin die Anordnung des Ruhens des Verfahrens im Hinblick auf eine beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfassungsbeschwerde (- 1 BvR 188/16 -) beantragt und um Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung gebeten.

Mit auch im Namen der Beklagen zu 2) ergangenem Bescheid vom 13.01.2017 hat die Beklagte zu 1) die von der Klägerin aus der Kapitalzahlung der D. zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wegen geänderten Beitragssatzes auf insgesamt 76,57 EUR (Krankenversicherung: 65,04 EUR; Pflegeversicherung: 11,53 EUR) neu festgesetzt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.06.2016 aufzuheben und den Rechtsstreit zu erneuten Verhandlung an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuweisen,

hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.06.2016 und die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 28.07.2014, 20.01.2015 und 20.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.02.2016 sowie den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 13.01.2017 aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen sowie die Klage gegen den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 13.01.2017 abzuweisen.

Sie halten den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten zu 1), des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Der Senat ist zur Entscheidung auch berufen. Gegen den Gerichtsbescheid vom 27.06.2016 des SG konnte gem. § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG das Rechtsmittel eingelegt werden, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Das ist hier - da die Berufung uneingeschränkt statthaft ist (§ 144 Abs. 1 SGG) - nur die Berufung. Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG - ggf. vorrangig vor einer Berufung (§ 105 Abs. 2 Satz 3 SGG) - kommt nur in Betracht, wenn die Berufung nicht gegeben ist (§ 105 Abs. 2 Satz 2 SGG - vgl. auch Meyer/Ladewig, SGG § 105 Rdnr. 16). Eine Abgabe zur Entscheidung an das SG und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht ist daher nicht möglich.

Der Senat konnte über die Berufung in der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2017, zu der die Klägerin ordnungsgemäß geladen worden ist trotz Abwesenheit der Klägerin entscheiden, da auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden ist (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Weder das Vorbringen, das Ruhen des Verfahrens sei anzuordnen, noch die beantragte Terminsaufhebung rechtfertigen ein Absehen von der Entscheidungsfindung. Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens ist nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 251 Zivilprozessordnung (ZPO) nur möglich, wenn dies auch von den Beklagten beantragt wird, was vorliegend jedoch nicht geschehen ist.

Die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung erfordert nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 227 ZPO das Vorliegen erheblicher Gründe. Solche wurden von der Klägerin nicht vorgetragen; die klägerische Bezugnahme auf eine anhängige Verfassungsbeschwerde ist insofern nicht ausreichend.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Entscheidung des SG und Zurückverweisung an das SG. Gem. § 159 Abs. 1 SGG kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn (1.) dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, (2.) das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Da das SG in der Sache entschieden hat, kommt lediglich § 159 Nr. 2 SGG in Betracht. Zwar hat das SG die von ihm gesetzte 3-Wochen-Frist (Zustellung Hinweis: 08.06.2016 - Gerichtsbescheid: 27.06.2016) zur Stellungnahme nicht eingehalten und damit § 105 Abs. 1 S. 2 SGG verletzt. Eine umfangreiche und aufwändige Beweiserhebung ist durch den erkennenden Senat freilich nicht notwendig. Allein wegen des Verfahrensfehlers kommt eine Aufhebung und Zurückverweisung nicht in Betracht.

Das SG hat die Klage im Übrigen auch zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen; der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist anzumerken:

Streitgegenstand des Klageverfahrens sind die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 28.07.2014, 20.01.2015 und 20.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.02.2016. Die Beitragsbescheide vom 20.01.2015 und 20.01.2016 sind nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Der während des Berufungsverfahrens ergangene Beitragsbescheid für 2017 vom 13.01.2017 ist Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden (§§ 153 Abs. 1, 96 SGG); insoweit entscheidet der Senat auf Klage (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urt. v. 25.02.2010, - B 13 R 61/09 R -, in juris). Da die Klägerin sowohl die Festsetzung von Kranken- wie von Pflegeversicherungsbeiträgen angefochten hat, richten sich Klage und Berufung auch gegen die bei der Beklagten zu 1) errichtete Pflegekasse (Beklagte zu 2)).

Die Klägerin ist entgegen ihrer Auffassung nicht durchgehend Versicherungsnehmer des in Rede stehenden Lebensversicherungsvertrags gewesen. Versicherungsnehmer eines Lebensversicherungsvertrags ist derjenige, der mit dem Versicherer (hier: die D.) den Versicherungsvertrag abgeschlossen hat. Das ist hier der Arbeitgeber der Klägerin im Jahr 1989 und damit die F. E. GmbH, E. und E., gewesen. Dies ergibt sich aus dem Antrag vom 23.05.1989. Aus dem Antrag ergibt sich auch, dass es sich um eine Direktversicherung handelte. Auch die D. hat bestätigt, dass es sich bei dem in Rede stehenden Lebensversicherungsvertrag um eine vom Arbeitgeber der Klägerin abgeschlossene Direktversicherung gehandelt hat. Damit handelt es sich um eine betriebliche Altersversorgung. Dass die Klägerin die Versicherungsbeiträge (wie bei Direktversicherungen zur betrieblichen Altersversorgung üblich) allein aus ihrem Arbeitsentgelt (im Wege der Gehaltsumwandlung) aufgebracht hat, macht sie nicht zum Versicherungsnehmer des Lebensversicherungsvertrags (vgl. auch BSG; Beschl. v. 20.08.2014, - B 12 KR 110/13 B -, in juris). Die dem Beschluss des BVerfG vom 28.09.2010 (1 BvR 1660/08; auch BSG, Urt. v. 30.03.2011, - B 12 KR 16/10 R -, beide juris) zugrunde liegende Fallgestaltung (Zahlung von Versicherungsbeiträgen durch den Arbeitnehmer nach Beendigung des Erwerbslebens unter Übernahme des vormaligen Direktversicherungsvertrags als privaten Versicherungsvertrag durch Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers) liegt bei der Klägerin nicht vor.

Aufgrund der zu verbeitragenden Beträge von monatlich 411,67 EUR hat die Beklagte zu 1) die monatlichen Beiträge zur Krankenversicherung und für die Beklagte zu 2) die monatlichen Beiträge zur Pflegeversicherung unter Berücksichtigung der jeweils geltenden Beitragssätze zutreffend berechnet. Einwände sind insoweit von der Klägerin nicht erhoben worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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