Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 903/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 4871/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes (im Folgenden Eingliederungsverwaltungsakt).
Der 1970 geborene Kläger bezog mit seiner minderjährigen Tochter von 2013 bis zum 31.12.2016 vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Seit 01.01.2017 erhalten sie keine Leistungen mehr.
Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs am 14.01.2015 erörterte die zuständige Arbeitsvermittlerin mit dem Kläger dessen familiäre und berufliche Situation. Nach den Akten des Beklagten äußerte der Kläger darin seine allgemein ablehnende Haltung gegenüber der Politik, schilderte Probleme mit seiner Tochter und führte an, dass er plane, nach Italien zu gehen. Er lehnte sowohl kommunale Eingliederungsleistungen als auch den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung ab. Nach dem Aktenvermerk der zuständigen Arbeitsvermittlerin war er zu dem Abschluss einer solchen nicht bereit, obwohl man den Inhalt einvernehmlich besprochen habe. Der Protest des Klägers habe sich allgemein gegen Eingliederungsvereinbarungen, die Rechtsfolgenbelehrung und die Hinweise und weniger gegen den Inhalt der Vereinbarung gerichtet.
Daraufhin erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakt vom 19.01.2015 für die Zeit vom 19.01.2015 bis zum 17.07.2015, in dem dem Kläger Folgendes auferlegt wurde: - bei weiterer Arbeitsunfähigkeit - Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erforderlich - Kontaktaufnahme zur ZAV (Zentralen Arbeits- und Fachvermittlung der Arbeitsagentur) - selbstständige Stellensuche und Nachweis dieser Eigenbemühungen beim nächsten Termin bei der Arbeitsvermittlung des Jobcenters Als Unterstützungsleistungen des Beklagten wurden genannt: - Beratungsangebot der Arbeitsvermittlung des Jobcenters - Unterstützung durch die Zentrale Arbeits- und Fachvermittlung (ZAV)
Mit Schreiben vom 16.02.2015 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch und trug vor, dass er dem Verwaltungsakt widerspreche und der Meinung sei, dass dieser ihn massiv in seinen Grundrechten einschränke. Es handle sich um einen Zwangsvertrag. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.03.2016 als unbegründet zurück.
Am 26.03.2015 hat der Kläger zur Niederschrift der Geschäftsstelle beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen. Mit Schreiben vom 11.05.2015 hat der Kläger weiter ausgeführt, dass der Zwang zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung gegen die in Art. 2 Grundgesetz (GG) geschützte Vertragsfreiheit verstoße. Mit Schreiben vom 22.08.2015 hat der Kläger zudem einen weiteren Eingliederungsverwaltungsakt vorgelegt, den der Beklagte am 20.07.2015 erlassen hatte. Er hat dazu ausgeführt, dass er aufgrund dieses neuen Verwaltungsaktes nun auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit aller zukünftigen Eingliederungsverwaltungsakte begehre. In einem weiteren Schreiben vom 18.10.2015 hat der Kläger über mehrere Seiten ausgeführt, warum eine Eingliederungsvereinbarung nach seiner Auffassung gegen das GG verstoße.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20.10.2015 nach mündlicher Verhandlung vom selben Tage abgewiesen. Der angegriffene Eingliederungsverwaltungsakt sei nicht zu beanstanden. Die näher dargelegten Voraussetzungen für den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes seien gegeben, und der Bescheid verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere könne kein Verstoß gegen das GG festgestellt werden. Soweit der Kläger allgemein die Verfassungswidrigkeit von Sanktionen als Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) rüge, sei zu beachten, dass eine solche bislang nicht erfolgt sei und es zumutbar sei, den Kläger gegen eine solche Minderung auf den Rechtsweg zu verweisen. Nicht ersichtlich sei, wie durch eine Eingliederungsvereinbarung die Freiheit der Religionsausübung gefährdet werden könne. Ebenso sei ein Verstoß gegen das Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nicht gegeben.
Gegen das dem Kläger am 26.10.2015 zugestellte Urteil hat dieser am 24.11.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, sich zur Begründung zunächst auf den Vortrag im Verfahren vor dem SG berufen und ergänzend vorgetragen, dass das Recht falsch angewendet worden sei, und die Entscheidung gegen höherrangiges Recht verstoße. Eingliederungsvereinbarungen verstießen gegen die Menschenwürde, da auf ihrer Grundlage die Leistungen unter das Niveau des Existenzminimums gekürzt oder gestrichen werden könnten.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Oktober 2015 und den Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2015 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2015 rechtswidrig war sowie dem Beklagten zu untersagen, an den Kläger gerichtete eingliederungsvereinbarungsersetzende Verwaltungsakte zu erlassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid vom 19.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2015 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Das Begehren des Klägers, der im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt hat, ist ausgehend von seinem in der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2015 vor dem SG gestellten Antrag dahingehend auszulegen, dass er zunächst mit seinem Hauptantrag die Aufhebung des die nicht zustande gekommene Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts des Beklagten vom 19.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2015 begehrt. Hilfsweise hat er dort die Feststellung begehrt, dass dieser Bescheid rechtswidrig war, sowie beantragt, den Beklagten dahingehend zu verurteilen, dass dieser es unterlassen soll, zukünftig weitere an ihn gerichtete Eingliederungsverwaltungsakte zu erlassen.
1) Die Anfechtungsklage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 19.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2015 ist durch Zeitablauf unzulässig geworden.
Zwar ist grundsätzlich die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG die zulässige Klageart gegen Eingliederungsverwaltungsakte nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II (in der bis 31.07.2016 geltenden Fassung), wenn wie hier eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1Satz 1 SGB II nicht zustande gekommen ist.
Die hier zunächst zulässige Anfechtungsklage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt ist jedoch durch Zeitablauf unzulässig geworden, denn der Eingliederungsverwaltungsakt war auf die Zeit vom 19.01.2015 bis 17.07.2015 beschränkt. Der Kläger kann daher nicht mehr geltend machen, durch die darin getroffene Regelung beschwert zu sein (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Denn gemäß § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bleibt ein Verwaltungsakt nur wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Mangels hierzu ergangener Sanktionsbescheide wegen etwaiger Pflichtverletzungen aus dem Eingliederungsverwaltungsakt und da nach § 31b Abs. 1 Satz 5 SGB II die Feststellung einer Minderung nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig ist, mithin eine Sanktionierung etwaiger Verletzungen der dem Kläger im Eingliederungsverwaltungsakt auferlegten Pflichten auch nicht mehr möglich ist, hat sich der auf den Zeitraum bis zum 17.07.2015 beschränkte Eingliederungsverwaltungsakt spätestens mit Ablauf weiterer sechs Monate, also am 17.01.2016 erledigt und entfaltet keine Rechtswirkung mehr (siehe dazu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.04.2015 – L 3 AS 2118/14 –, Rn. 19 m.w.N., juris). Der am 20.07.2015 erlassene weitere Eingliederungsverwaltungsakt, der den Zeitraum bis 19.01.2016 regelte, ist nicht nach § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden.
2) Auch mit seinem Hilfsantrag hat der Kläger keinen Erfolg. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist ebenfalls unzulässig (geworden).
Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG kann mit einer solchen Klage die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder auf andere Weise erledigten Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität, der Wiederholungsgefahr oder der Geltendmachung einer tiefgreifenden Grundrechtsverletzung bestehen. Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht und der Kläger daher ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes hat (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 195/11 R - juris).
Der Beklagte hat hier zwar bereits mit Bescheid vom 20.07.2015 einen weiteren Eingliederungsverwaltungsakt gem. § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II a.F. erlassen. Eine Wiederholungsgefahr besteht vorliegend dennoch nicht mehr, weil der Kläger seit 01.01.2017 keine Leistungen mehr vom Beklagten bezieht. Durch die während des laufenden Berufungsverfahrens eingetretene Beendigung des Leistungsverhältnisses besteht keine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit mehr, dass der Beklagte gegen den Kläger in der kommenden Zeit erneut einen Eingliederungsverwaltungsakt erlässt. Die hypothetische Möglichkeit, dass der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt wieder Leistungen von dem Beklagten erhält, genügt jedenfalls nicht, um eine konkrete Gefahr zu begründen. Der Kläger hat überdies weder eine tiefgreifende Grundrechtsverletzung dargelegt, noch sind Hinweise für eine Präjudizialität für andere Rechtsverhältnisse, etwa zur Durchsetzung von Folgeansprüchen, ersichtlich. Wie bereits das SG kann der Senat keine tiefgreifende Grundrechtsverletzung durch den Erlass des Eingliederungsverwaltungsaktes erkennen und nimmt insoweit auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Mangels zum streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakt bereits ergangener Sanktionen und der fehlenden Möglichkeit, eine solche Sanktionierung jetzt noch vorzunehmen (s.o.), scheidet auch ein besonderes Feststellunginteresse aufgrund einer Präjudizialität für andere Rechtsverhältnisse aus.
3) Soweit der Kläger zudem begehrt, es dem Beklagten (vorbeugend) zu untersagen, weitere Eingliederungsverwaltungsakte zu erlassen, bleibt die Berufung ebenfalls ohne Erfolg.
Dieses Begehren des Klägers richtet sich auf die künftige Unterlassung eines hoheitlichen Verwaltungshandelns des Beklagten. Dieses Klageziel kann er grundsätzlich im Wege einer sogenannten vorbeugenden Unterlassungsklage verfolgen, deren Zulässigkeit als besondere Form der Leistungsklage über den Wortlaut des § 54 Abs. 1 S 1 SGG hinaus allgemein anerkannt ist (BSG Urteile vom 05.02.1985 - 6 RKa 40/83 - und Urteil vom 27.01.1977 - 7 RAr 17/76 - jeweils juris). Das für eine vorbeugende Unterlassungsklage geforderte qualifizierte Rechtsschutzinteresse hat der Kläger jedoch nicht dargelegt. Für das Bestehen eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses muss ein erneutes, als widerrechtlich beurteiltes Vorgehen der Gegenseite ernstlich zu befürchten sein (BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 17/95 - juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, Vor § 51 Rdnr 17a und § 54 Rdnr 42a). Es muss dargelegt werden, dass das Abwarten einer für die Zukunft (möglicherweise) zu gewärtigenden Beeinträchtigung mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre bzw. ein gerade auf die Inanspruchnahme eines vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse besteht, das regelmäßig nicht gegeben ist, wenn und solange der Kläger auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2015 – B 4 AS 39/14 R –, juris m.w.N.). Beides ist hier zu verneinen. Es zum einen in Bezug auf Eingliederungsverwaltungsakte nicht ersichtlich, dass durch diese sowie nachfolgende Sanktionen unzumutbare Nachteile entstehen könnten, die nicht im nachträglich möglichen Rechtsschutz, ggf. im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, geltend gemacht werden können. Zum anderen fehlt es hier an der Wiederholungsgefahr, da der Kläger vom Beklagten seit dem 01.01.2017 keine Leistungen mehr bezieht (s.o.).
Da die Klage in Haupt- und Hilfsanträgen bereits unter allen denkbaren Gesichtspunkten unzulässig ist, war die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Eingliederungsverwaltungsaktes nicht mehr zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes (im Folgenden Eingliederungsverwaltungsakt).
Der 1970 geborene Kläger bezog mit seiner minderjährigen Tochter von 2013 bis zum 31.12.2016 vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Seit 01.01.2017 erhalten sie keine Leistungen mehr.
Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs am 14.01.2015 erörterte die zuständige Arbeitsvermittlerin mit dem Kläger dessen familiäre und berufliche Situation. Nach den Akten des Beklagten äußerte der Kläger darin seine allgemein ablehnende Haltung gegenüber der Politik, schilderte Probleme mit seiner Tochter und führte an, dass er plane, nach Italien zu gehen. Er lehnte sowohl kommunale Eingliederungsleistungen als auch den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung ab. Nach dem Aktenvermerk der zuständigen Arbeitsvermittlerin war er zu dem Abschluss einer solchen nicht bereit, obwohl man den Inhalt einvernehmlich besprochen habe. Der Protest des Klägers habe sich allgemein gegen Eingliederungsvereinbarungen, die Rechtsfolgenbelehrung und die Hinweise und weniger gegen den Inhalt der Vereinbarung gerichtet.
Daraufhin erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakt vom 19.01.2015 für die Zeit vom 19.01.2015 bis zum 17.07.2015, in dem dem Kläger Folgendes auferlegt wurde: - bei weiterer Arbeitsunfähigkeit - Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erforderlich - Kontaktaufnahme zur ZAV (Zentralen Arbeits- und Fachvermittlung der Arbeitsagentur) - selbstständige Stellensuche und Nachweis dieser Eigenbemühungen beim nächsten Termin bei der Arbeitsvermittlung des Jobcenters Als Unterstützungsleistungen des Beklagten wurden genannt: - Beratungsangebot der Arbeitsvermittlung des Jobcenters - Unterstützung durch die Zentrale Arbeits- und Fachvermittlung (ZAV)
Mit Schreiben vom 16.02.2015 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch und trug vor, dass er dem Verwaltungsakt widerspreche und der Meinung sei, dass dieser ihn massiv in seinen Grundrechten einschränke. Es handle sich um einen Zwangsvertrag. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.03.2016 als unbegründet zurück.
Am 26.03.2015 hat der Kläger zur Niederschrift der Geschäftsstelle beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen. Mit Schreiben vom 11.05.2015 hat der Kläger weiter ausgeführt, dass der Zwang zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung gegen die in Art. 2 Grundgesetz (GG) geschützte Vertragsfreiheit verstoße. Mit Schreiben vom 22.08.2015 hat der Kläger zudem einen weiteren Eingliederungsverwaltungsakt vorgelegt, den der Beklagte am 20.07.2015 erlassen hatte. Er hat dazu ausgeführt, dass er aufgrund dieses neuen Verwaltungsaktes nun auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit aller zukünftigen Eingliederungsverwaltungsakte begehre. In einem weiteren Schreiben vom 18.10.2015 hat der Kläger über mehrere Seiten ausgeführt, warum eine Eingliederungsvereinbarung nach seiner Auffassung gegen das GG verstoße.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20.10.2015 nach mündlicher Verhandlung vom selben Tage abgewiesen. Der angegriffene Eingliederungsverwaltungsakt sei nicht zu beanstanden. Die näher dargelegten Voraussetzungen für den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes seien gegeben, und der Bescheid verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere könne kein Verstoß gegen das GG festgestellt werden. Soweit der Kläger allgemein die Verfassungswidrigkeit von Sanktionen als Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) rüge, sei zu beachten, dass eine solche bislang nicht erfolgt sei und es zumutbar sei, den Kläger gegen eine solche Minderung auf den Rechtsweg zu verweisen. Nicht ersichtlich sei, wie durch eine Eingliederungsvereinbarung die Freiheit der Religionsausübung gefährdet werden könne. Ebenso sei ein Verstoß gegen das Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nicht gegeben.
Gegen das dem Kläger am 26.10.2015 zugestellte Urteil hat dieser am 24.11.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, sich zur Begründung zunächst auf den Vortrag im Verfahren vor dem SG berufen und ergänzend vorgetragen, dass das Recht falsch angewendet worden sei, und die Entscheidung gegen höherrangiges Recht verstoße. Eingliederungsvereinbarungen verstießen gegen die Menschenwürde, da auf ihrer Grundlage die Leistungen unter das Niveau des Existenzminimums gekürzt oder gestrichen werden könnten.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Oktober 2015 und den Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2015 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2015 rechtswidrig war sowie dem Beklagten zu untersagen, an den Kläger gerichtete eingliederungsvereinbarungsersetzende Verwaltungsakte zu erlassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid vom 19.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2015 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Das Begehren des Klägers, der im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt hat, ist ausgehend von seinem in der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2015 vor dem SG gestellten Antrag dahingehend auszulegen, dass er zunächst mit seinem Hauptantrag die Aufhebung des die nicht zustande gekommene Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts des Beklagten vom 19.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2015 begehrt. Hilfsweise hat er dort die Feststellung begehrt, dass dieser Bescheid rechtswidrig war, sowie beantragt, den Beklagten dahingehend zu verurteilen, dass dieser es unterlassen soll, zukünftig weitere an ihn gerichtete Eingliederungsverwaltungsakte zu erlassen.
1) Die Anfechtungsklage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 19.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2015 ist durch Zeitablauf unzulässig geworden.
Zwar ist grundsätzlich die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG die zulässige Klageart gegen Eingliederungsverwaltungsakte nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II (in der bis 31.07.2016 geltenden Fassung), wenn wie hier eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1Satz 1 SGB II nicht zustande gekommen ist.
Die hier zunächst zulässige Anfechtungsklage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt ist jedoch durch Zeitablauf unzulässig geworden, denn der Eingliederungsverwaltungsakt war auf die Zeit vom 19.01.2015 bis 17.07.2015 beschränkt. Der Kläger kann daher nicht mehr geltend machen, durch die darin getroffene Regelung beschwert zu sein (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Denn gemäß § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bleibt ein Verwaltungsakt nur wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Mangels hierzu ergangener Sanktionsbescheide wegen etwaiger Pflichtverletzungen aus dem Eingliederungsverwaltungsakt und da nach § 31b Abs. 1 Satz 5 SGB II die Feststellung einer Minderung nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig ist, mithin eine Sanktionierung etwaiger Verletzungen der dem Kläger im Eingliederungsverwaltungsakt auferlegten Pflichten auch nicht mehr möglich ist, hat sich der auf den Zeitraum bis zum 17.07.2015 beschränkte Eingliederungsverwaltungsakt spätestens mit Ablauf weiterer sechs Monate, also am 17.01.2016 erledigt und entfaltet keine Rechtswirkung mehr (siehe dazu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.04.2015 – L 3 AS 2118/14 –, Rn. 19 m.w.N., juris). Der am 20.07.2015 erlassene weitere Eingliederungsverwaltungsakt, der den Zeitraum bis 19.01.2016 regelte, ist nicht nach § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden.
2) Auch mit seinem Hilfsantrag hat der Kläger keinen Erfolg. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist ebenfalls unzulässig (geworden).
Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG kann mit einer solchen Klage die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder auf andere Weise erledigten Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität, der Wiederholungsgefahr oder der Geltendmachung einer tiefgreifenden Grundrechtsverletzung bestehen. Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht und der Kläger daher ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes hat (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 195/11 R - juris).
Der Beklagte hat hier zwar bereits mit Bescheid vom 20.07.2015 einen weiteren Eingliederungsverwaltungsakt gem. § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II a.F. erlassen. Eine Wiederholungsgefahr besteht vorliegend dennoch nicht mehr, weil der Kläger seit 01.01.2017 keine Leistungen mehr vom Beklagten bezieht. Durch die während des laufenden Berufungsverfahrens eingetretene Beendigung des Leistungsverhältnisses besteht keine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit mehr, dass der Beklagte gegen den Kläger in der kommenden Zeit erneut einen Eingliederungsverwaltungsakt erlässt. Die hypothetische Möglichkeit, dass der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt wieder Leistungen von dem Beklagten erhält, genügt jedenfalls nicht, um eine konkrete Gefahr zu begründen. Der Kläger hat überdies weder eine tiefgreifende Grundrechtsverletzung dargelegt, noch sind Hinweise für eine Präjudizialität für andere Rechtsverhältnisse, etwa zur Durchsetzung von Folgeansprüchen, ersichtlich. Wie bereits das SG kann der Senat keine tiefgreifende Grundrechtsverletzung durch den Erlass des Eingliederungsverwaltungsaktes erkennen und nimmt insoweit auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Mangels zum streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakt bereits ergangener Sanktionen und der fehlenden Möglichkeit, eine solche Sanktionierung jetzt noch vorzunehmen (s.o.), scheidet auch ein besonderes Feststellunginteresse aufgrund einer Präjudizialität für andere Rechtsverhältnisse aus.
3) Soweit der Kläger zudem begehrt, es dem Beklagten (vorbeugend) zu untersagen, weitere Eingliederungsverwaltungsakte zu erlassen, bleibt die Berufung ebenfalls ohne Erfolg.
Dieses Begehren des Klägers richtet sich auf die künftige Unterlassung eines hoheitlichen Verwaltungshandelns des Beklagten. Dieses Klageziel kann er grundsätzlich im Wege einer sogenannten vorbeugenden Unterlassungsklage verfolgen, deren Zulässigkeit als besondere Form der Leistungsklage über den Wortlaut des § 54 Abs. 1 S 1 SGG hinaus allgemein anerkannt ist (BSG Urteile vom 05.02.1985 - 6 RKa 40/83 - und Urteil vom 27.01.1977 - 7 RAr 17/76 - jeweils juris). Das für eine vorbeugende Unterlassungsklage geforderte qualifizierte Rechtsschutzinteresse hat der Kläger jedoch nicht dargelegt. Für das Bestehen eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses muss ein erneutes, als widerrechtlich beurteiltes Vorgehen der Gegenseite ernstlich zu befürchten sein (BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 17/95 - juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, Vor § 51 Rdnr 17a und § 54 Rdnr 42a). Es muss dargelegt werden, dass das Abwarten einer für die Zukunft (möglicherweise) zu gewärtigenden Beeinträchtigung mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre bzw. ein gerade auf die Inanspruchnahme eines vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse besteht, das regelmäßig nicht gegeben ist, wenn und solange der Kläger auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2015 – B 4 AS 39/14 R –, juris m.w.N.). Beides ist hier zu verneinen. Es zum einen in Bezug auf Eingliederungsverwaltungsakte nicht ersichtlich, dass durch diese sowie nachfolgende Sanktionen unzumutbare Nachteile entstehen könnten, die nicht im nachträglich möglichen Rechtsschutz, ggf. im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, geltend gemacht werden können. Zum anderen fehlt es hier an der Wiederholungsgefahr, da der Kläger vom Beklagten seit dem 01.01.2017 keine Leistungen mehr bezieht (s.o.).
Da die Klage in Haupt- und Hilfsanträgen bereits unter allen denkbaren Gesichtspunkten unzulässig ist, war die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Eingliederungsverwaltungsaktes nicht mehr zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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