L 11 R 765/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 3051/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 765/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16.01.2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 8.264,13 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist eine von der Beklagten geltend gemachte Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung iHv 8.264,13 EUR (inkl. Säumniszuschläge) betreffend den Zeitraum 01.07.2007 bis 31.03.2008 und in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin abhängig beschäftigt war und Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung bestand.

Die Klägerin ist Ärztin und betreibt eine eigene Arztpraxis. Die Beigeladene zu 1) ist ebenfalls Ärztin und war ab 13.02.2007 für die Klägerin in deren Praxis zunächst als Praxisvertretung, später als angestellte Ärztin tätig. Sie arbeitete zunächst zweimal die Woche jeweils einen halben Tag in der Praxis. Ab April 2007 war sie dreimal pro Woche in der Praxis tätig. Die Klägerin und die Beigeladene zu 1) schlossen zum 01.07.2007 einen Anstellungsvertrag als Ärztin, der auszugsweise wie folgt lautet:

" § 1 Beginn und Dauer (1) Frau Dr. F. F. [im Folgenden "Praxisärztin"] wird ab 01.07.2007 als Ärztin angestellt. Das Anstellungsverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Einstellung erfolgt zum Zwecke der ständigen Mitarbeit. (2) Die Probezeit beträgt sechs Monate.

§ 2 Pflichten des Praxisarztes (1) Die Praxis Ärztin ist verpflichtet, den organisatorischen Weisungen der Praxisinhaberin Folge zu leisten und alle ihrer Fähigkeiten entsprechenden Leistungen zu erbringen. [ ]

§ 4 Arbeitszeit (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden wöchentlich. [ ]

§ 5 Vergütung (1) Die Praxisärztin erhält eine monatliche Vergütung von 2803,38 EUR. Die Vergütung ist nachträglich zum Monatsende zu zahlen.

§ 7 Fortzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit (1) Die Praxisärztin erhält als Krankenbezüge die Vergütung nach § 5 Abs. 1 a) im Falle einer durch Unfall oder durch Krankheit entstandenen Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Wochen, [ ]

§ 8 Erholungsurlaub Die Praxisärztin erhält einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Was sie weniger als zwölf Monate im Kalenderjahr beschäftigt, so erhält sie für jeden vollen Monat ihrer Tätigkeit anteiligen Urlaub. Der Zeitpunkt und die Dauer der einzelnen Urlaubsabschnitte sind in gegenseitigem Einvernehmen festzulegen."

Die Klägerin reichte den Anstellungsvertrag zur Genehmigung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KV) ein. Die Genehmigung wurde zum 01.04.2008 erteilt. Deshalb schlossen die Beteiligten zum 01.04.2008 erneut einen Anstellungsvertrag, der nur bezüglich des Einstellungsdatums (01.04.2008) vom vorhergehenden Vertrag abweicht.

Für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.03.2008 wurde die Beigeladene zu 1) von der Klägerin für Praxisvertretungen nach tatsächlich verrichteten Sprechstunden bezahlt. Die Zahlbeträge beliefen sich auf monatlich zwischen 1.500 EUR und 1.750 EUR (875 EUR im September 2007 und 1.125 EUR im Dezember 2007). Ab April 2008 erhielt sie das vereinbarte monatliche Gehalt. Die Klägerin buchte die Vergütungen bis März 2008 auf ein separates Sachkonto in der Buchhaltung und führte gleichzeitig in der Personalbuchhaltung ein Lohnkonto für die Beigeladene zu 1). Dort wurde diese als kurzfristig Beschäftigte geführt (Personengruppe 110).

Für die Zeit ab 01.04.2008 wurde die Beigeladene zu 1) von der Beklagten von der Rentenversicherungspflicht befreit (Antrag vom 03.04.2008, Bescheid vom 23.04.2008).

Vom 27.01.2012 bis zum 30.05.2012 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch. Mit Schreiben vom 30.05.2012 hörte sie diese zu einer beabsichtigten Nachforderung zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 17.409,90 EUR für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.12.2011 an. Zur Begründung gab die Beklagte unter anderem an, dass aus ihrer Sicht die Beigeladene zu 1) ab 01.07.2007 unbefristet beschäftigt sei, jedoch Sozialversicherungsbeiträge für sie erst ab 01.04.2008 entrichtet worden seien. Die erst zum 01.04.2008 erteilte Genehmigung der KV habe keinen Einfluss auf den Beginn der Beitragspflicht. Es bestehe für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.03.2008 Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung. Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht wirke erst ab 01.04.2008. Die Beiträge seien nicht verjährt. Es gelte die 30-jährige Verjährungsfrist, weil es spätestens zum 01.04.2008 unter Berücksichtigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt geboten gewesen sei, sich über ein Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV Klarheit über den sozialversicherungsrechtlichen Status zu verschaffen. Weiter seien in den Jahren 2009 bis 2011 an die Beigeladene zu 1) Gewinnbeteiligungen im Rahmen der Beschäftigung gezahlt worden, für die bisher keine Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen entrichtet worden seien. Im Übrigen seien für einen geringfügig beschäftigten anderen Arbeitnehmer Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung zu beanstanden.

Im Anhörungsverfahren führte die Klägerin aus, dass die Beigeladene zu 1) und sie einen Arbeitsvertrag zum 01.07.2007 abgeschlossen hätten, um einen Antrag auf Genehmigung zur Führung eine Berufsgemeinschaft stellen zu können. Diese Genehmigung hätten sie erst zum 01.04.2008 erhalten, so dass sie offiziell erst ab 01.04.2008 die Gemeinschaftspraxis (Jobsharing, angestellt) hätten führen dürfen.

Mit Bescheid vom 15.08.2012 forderte die Beklagte von der Klägerin insgesamt 23.231,60 EUR (inkl. 5.821,50 EUR Säumniszuschläge) nach. Die Begründung deckt sich im Wesentlichen mit der des Anhörungsschreibens. Aus den Buchungen in der Finanzbuchhaltung und im Lohnkonto sei ersichtlich, dass die Beigeladene zu 1) in der Zeit ab dem 01.07.2007 Entgelte für die Arbeitsleistung erhalten habe. Es habe somit bereits zum 01.07.2007 ein vertraglich geregeltes Arbeitsverhältnis gegen Arbeitsentgelt bestanden.

Den nicht begründeten Widerspruch gegen den Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2013 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 05.07.2013 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Bescheid insoweit rechtswidrig und aufzuheben sei, als für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 31.03.2008 ein mit der Beigeladenen zu 1) bestehendes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit einer daraus folgenden Beitragspflicht in der Sozialversicherung angenommen worden sei. Für den Zeitraum ab 01.04.2008 seien die Feststellungen und Berechnungen im angefochtenen Bescheid nicht zu beanstanden.

Mit Urteil vom 16.01.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die abhängige Beschäftigung für den Zeitraum ab dem 01.04.2008 (von den Beteiligten unbestritten) aus dem Anstellungsvertrag vom 01.04.2008 ergebe. Darin seien ein organisatorisches Weisungsrecht der Klägerin, eine feste Wochenarbeitszeit, ein festes Monatsgehalt sowie Ansprüche auf Lohnfortzahlung und Erholungsurlaub geregelt. Aber auch für den Zeitraum vor dem 01.04.2008 sei die Beigeladene zu 1) in ihrer Tätigkeit als Praxisvertretung nicht selbstständig tätig, sondern abhängig und damit sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Zwar habe ein nur eingeschränktes Weisungsrecht der Klägerin bestanden. Denn Ärzte würden in ihrer eigentlichen ärztlichen Tätigkeit keinen Weisungen unterliegen. Da das Weisungsrecht bei Diensten höherer Art jedoch erheblich eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein könne, komme es vorliegend entscheidend darauf an, ob und inwieweit die Beigeladene in eine fremde Arbeitsorganisation eingebunden gewesen sei. Jedenfalls in organisatorischer Hinsicht sei sie einem vollumfänglichen Weisungsrecht der Klägerin unterworfen und damit hinreichend in deren Betriebsablauf eingebunden gewesen. Der nahezu nahtlose Übergang von der Tätigkeit ohne Anstellungsvertrag zum Beschäftigungsverhältnis mit Anstellungsvertrag, ohne dass sich hierdurch erkennbare Änderungen in der konkreten Tätigkeit der Beigeladenen ergeben hätten, spreche ebenfalls für eine Eingliederung in den Arbeitsablauf der Klägerin. Ein Unternehmerrisiko für die Beigeladene sei nicht erkennbar. In der Gesamtschau habe nicht nachvollziehbar dargelegt werden können, worin konkret der Unterschied zwischen der Tätigkeit der Beigeladenen vor und nach dem Abschluss des Anstellungsvertrages gelegen haben soll. Der Zeitpunkt der Genehmigung der KV habe keinen Einfluss auf die statusrechtliche Beurteilung. Im Übrigen sei die Beigeladene auch nicht als klassische Praxisvertreterin im Sinne der sozialgerichtlichen Rechtsprechung tätig geworden. Denn sie habe keine Arbeits- und Abrechnungsgenehmigung gehabt. Bedingter Vorsatz habe vorgelegen, so dass die Beitragsforderungen nicht verjährt seien.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 28.01.2015 zugestellte Urteil hat dieser am 12.02.2015 Berufung eingelegt. Er hat sie trotz mehrfacher Aufforderung nicht begründet.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 29.11.2016 erörtert. In diesem Termin hat die Beigeladene zu 1) erklärt, dass sich inhaltlich zwischen der Tätigkeit von Februar 2007 bis April 2008 und für die Zeit danach nichts geändert habe. Sie sei dreimal pro Woche halbtags in der Praxis gewesen. Bis April 2008 habe sie jeweils die halben Tage aufgeschrieben und sei dann von der Klägerin pro Sprechstunde bezahlt worden. Ab April 2008 habe sie ein festes Gehalt bezogen. Nach ihrer Erinnerung hätte es bezüglich dieser beiden Entgelte pro Monat keinen großen Unterschied gegeben. Die Dienstzeiten der Praxis habe sie mit der Klägerin vorab festgelegt. Diese hätten sich auch an den Sprechstundenzeiten orientiert. Die Urlaubszeiten seien gemeinsam abgesprochen worden. Die von ihr behandelten Patienten seien ihr von der Sprechstundenhilfe zugeteilt worden.

Die Klägerin macht geltend, dass die Regelungen im Anstellungsvertrag, wie sie ab dem 01.07.2007 vorgesehen gewesen waren, nicht zustande gekommen seien. Die Beigeladene zu 1) habe im Zeitraum vom 01.07.2007 bis 31.03.2008 auch keine Tätigkeit als festangestellte Ärztin in der Praxis der Klägerin ausgeübt. Der Anstellungsvertrag sei nur zum Zweck des Antrags auf Genehmigung bei der KV geschlossen worden. Erst mit Genehmigung sei der Anstellungsvertrag auf den 01.04.2008 abgeändert worden. Die Beigeladene zu 1) habe im hier maßgeblichen Zeitraum gelegentlich zeitweise Vertretungen im Umfang von wöchentlich durchschnittlich 14 Stunden freiberuflich und selbstständig erbracht und unter Vorlage einer Stundenliste ein ärztliches Stundenhonorar abgerechnet. In den betrieblichen Ablauf der Klägerin sei sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht integriert gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16.01.2015 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2013 aufzuheben, soweit für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.03.2008 Beiträge zur Sozialversicherung nachgefordert werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine eigenen Sachanträge gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtenen Bescheid der Beklagten rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.

Gegenstand des Berufungsverfahrens (wie schon vorab des Klageverfahrens) ist nur die Frage, ob die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 01.07.2007 bis 31.03.2008 bei der Klägerin abhängig beschäftigt war und die sich daraus ergebenden Sozialversicherungsbeiträge. Nicht Gegenstand ist die Nacherhebung von Beiträgen für die ausgeschütteten Gewinnanteile an die Beigeladene zu 1) für die Zeit ab 01.04.2008.

Für den Senat steht fest, dass zwischen der Beigeladenen zu 1) und der Klägerin zumindest im hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.07.2007 bis 31.03.2008 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestand. Dieses begründete Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Abs 1 Nr 1 SGB VI), der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V), der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs 1 SGB III). Die hierauf entfallende festgestellte Beitragsnachforderung samt Nacherhebung der Umlagen U1 und U2 iHv 8.282,13 EUR (inkl. Säumniszuschläge) ist nicht zu beanstanden.

Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs 2 SGG). Nur ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Die Beigeladene zu 1) hat im Erörterungstermin vom 29.11.2016 schlüssig und glaubhaft auf der Grundlage ihrer Unterlagen ausgeführt, dass sich bezüglich der Umstände der Tätigkeit in der Praxis der Klägerin für sie vor April 2008 und danach kein Unterschied ergeben hat. Ein solcher ist auch für den Senat in keiner Weise erkennbar. Die Beigeladene zu 1) war dreimal pro Woche halbtags in der Praxis und arbeitete dort mit. Die von ihr behandelten Patienten wurden ihr von der Sprechstundenhilfe zugeteilt. Die Dienstzeiten wurden mit der Klägerin vorab festgelegt und orientierten sich an den Sprechstundenzeiten. Urlaubszeiten wurden gemeinsam abgesprochen. Daraus ergibt sich für den Senat unzweifelhaft eine organisatorische Eingliederung in den Betrieb der Klägerin. Für die Zeit ab 01.04.2008 nahmen die Beteiligten unstreitig eine sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) an. Grundlage war der geschlossene Anstellungsvertrag. Der Senat hat jedoch keinen Zweifel daran, dass auch für die Zeit vor dem 01.04.2008 die im Vertrag getroffenen Regelungen bereits gelebt worden sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vertrag, der schon zum 01.07.2007 geschlossen worden ist, tatsächlich bereits zu diesem Zeitpunkt rechtswirksam geworden ist. Wäre dies der Fall, ergäbe sich die abhängige Beschäftigung schon aus den darin getroffenen Regelungen. Jedenfalls aber ergibt sich die abhängige Beschäftigung ohne Zweifel aus der tatsächlich gelebten Vertragsbeziehung, auch wenn kein wirksamer schriftlicher Vertrag vorliegen sollte.

Denn Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, BSG 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist.

Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände mit dem SG im vorliegenden zu beurteilenden Einzelfall zu der Überzeugung, dass die Gesichtspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen deutlich überwiegen.

Dafür sprechen die vom SG bereits aufgeführten Umstände der betrieblichen Eingliederung und des fehlenden unternehmerischen Risikos. Insbesondere ist die Zuweisung von Patienten durch die Sprechstundenhilfe ein eindeutiges Indiz für eine betriebliche Eingliederung. Zudem spricht für eine abhängige Beschäftigung auch die von der Klägerin selbst vorgenommene Beurteilung im Rahmen der Lohnbuchhaltung. Denn die Beigeladene zu 1) wurde ihm Lohnkonto als kurzfristig Beschäftigte mit der Personengruppe 110 geführt. Zwar rechnete die Klägerin in der Finanzbuchhaltung die Vergütung als Praxisvertretung in einem separaten Sachkonto ab. Daraus ergibt sich jedoch hier kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Denn die Erinnerung der Beigeladenen zu 1) bezüglich des fehlenden Unterschieds der Höhe der Vergütung vor und nach April 2008 deckt sich mit den ihm Lohnkonto aufgeführten Beträgen. So erhielt sie im Januar 2008 1.625 EUR sowie im Februar und März 2008 jeweils 1.500 EUR als Honorar ausgezahlt. Im April 2008 betrug der Auszahlungsbetrag ohne Berücksichtigung der Steuerabzüge rund 1.660 EUR. Auch bezüglich der Bezahlung liegt demnach (ohne Berücksichtigung der Gewinnbeteiligung) kein wesentlicher Unterschied der Tätigkeit vor und nach dem 01.04.2008 vor.

Bezüglich des bedingten Vorsatzes wird auf die Gründe des Urteils verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 1 Abs 2 Nr 3, 47 Abs 1 und 2, 52 Abs 3 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers wie vorliegend eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs 3 S 1 GKG), soweit der Verwaltungsakt angegriffen wird.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved