L 10 R 1937/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 694/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1937/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.04.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Die am 1954 geborene, aus Ungarn stammende Klägerin erlernte keinen Beruf. Im Jahr 1977 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland über und war nachfolgend zunächst als Verpackerin und anschließend ab Februar 2001 als Metallarbeiterin tätig. Zum 09.10.2009 trat bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit ein.

Im Januar 2010 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Den Antrag begründete sie mit den Folgen eines im März 2009 erlittenen Verkehrsunfalls. Nach gutachtlicher Untersuchung durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. , der diagnostisch vor allem von einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode, einer somatoformen Schmerzstörung und einer Angststörung mit Panikattacken ausging und die Klägerin nicht für fähig erachtete, eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert auszuüben, bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung zunächst vom 01.05.2010 bis 31.10.2011 und anschließend weiter bis 30.11.2011.

Auf den im Juli 2011 gestellten Weiterbewilligungsantrag veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. , der die Klägerin im Oktober 2011 untersuchte, eine somatoforme Schmerzstörung diagnostizierte und die Klägerin für in der Lage erachtete, leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Überkopfarbeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Mit Bescheid vom 14.12.2011 lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag der Klägerin mit der Begründung ab, diese könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes wieder mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte Gutachten des Chirurgen Dr. G. und des Neurologen und Psychiaters Dr. G. ein, die die Klägerin im August 2012 untersuchten. Dr. G. ging diagnostisch von einem Wirbelsäulensyndrom aus, beschrieb eine gewisse Aggravation der Klägerin, sah von chirurgisch-orthopädischer Seite keine wesentliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit und bejahte ein Leistungsvermögen von täglich sechs Stunden und mehr. Dr. G. beschrieb eine Wurzelirritation C 6 rechts und erachtete die Klägerin für fähig, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr zu verrichten. Zu vermeiden seien das Heben von großen Lasten sowie Tätigkeiten in Zwangshaltungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 08.02.2013 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und auf ihre vielfältigen Beschwerden hingewiesen.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. hat von einem chronisch rezidivierenden HWS- und LWS-Syndrom, einer rezidivierenden Periarthritis humero scapularis rechts mit Impingement-Syndrom, einer Coxarthrose und einem chronischen Schmerzsyndrom berichtet und die Ausübung leichter berufliche Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet. Zu vermeiden seien schweres Heben und Tragen, Arbeiten in Zwangshaltungen, Kälte und Nässe, Arbeiten mit langem Sitzen, Gehen und Stehen sowie häufigem Bücken und Überkopfarbeiten. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. hat über Vorstellungen wegen Parästhesien der Hände beidseits berichtet und die Klägerin für fähig erachtet, körperlich leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Der Facharzt für Innere Medizin und Hausarzt B. hat über regelmäßige mindestens einmal monatliche Vorstellungen der Klägerin berichtet, zahlreiche Diagnosen mitgeteilt und wegen der Vielzahl der Erkrankungen eine berufliche Tätigkeit nicht mehr für möglich erachtet. Maßgeblich hierfür seien die orthopädischen Befunde mit anhaltender Wirbelsäulensymptomatik, die zunehmenden psychischen Störungen in Folge des chronischen Schmerzsyndroms sowie die neu diagnostizierte koronare Herzerkrankung mit Zustand nach Bypassoperation (April 2013). Der Internist und Kardiologie Dr. M. hat von der im März 2013, d.h. im Vorfeld der Bypassoperation erfolgten Vorstellung berichtet. Das SG hat sodann das internistische Gutachten des Dr. Weber, Chefarzt der Medizinischen Klinik im Kreiskrankenhauses Schorndorf, unter Berücksichtigung des neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. (Untersuchungen im November 2013 bzw. Januar 2014) eingeholt. Dr. W. hat eine koronare 2-Gefäßerkrankung mit 2-fach ACB (aorto coronarer Bypass) am 30.04.2013, cardiovaskuläre Risikofaktoren (= CVRF; arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2, Hyperlipoproteinämie, Nikotinabusus, familiäre Disposition), eine pAVK (= periphere arterielle Verschlusskrankheit) vom Beckentyp, Stadium IIa nach Fontaine, eine geringe Mitralinsuffizienz sowie eine geringe Trikuspidalinsuffizienz, eine Hypothyreose (substituiert) und eine ACE Abgangsstenose rechts beschrieben und unter Berücksichtigung der von Dr. P. diagnostizierten somatoformen Schmerzstörung (leichte berufliche Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich seien möglich; zu vermeiden seien Tätigkeiten mit Akkord, Heben und Tragen von Lasten über sechs Kilogramm, Fließbandarbeiten, Nachtschicht, erhöhter Zeitdruck, erhöhte nervliche Belastung) die Ausübung leichter beruflicher Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich für möglich erachtet.

Mit Gerichtsbescheid vom 08.04.2014 hat das SG die Klage gestützt auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. W. und Dr. P. , die Auskünfte der behandelnden Ärzte Dr. B. und Dr. F. sowie das Gutachtens des Dr. G. abgewiesen.

Am 30.04.2014 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie hält die gutachtlichen Einschätzungen für unzutreffend und verweist auf den behandelnden Internisten B. , der sie in ihrem Begehren stütze. Sie könne nicht richtig gehen, habe Durchblutungsstörungen in den Beinen und Schmerzen im Hüftgelenk, weshalb sie beim Gehen ständig und sehr viele Pausen benötige, und könne nichts mehr tragen. Sie leide zudem unter starkem, immer wieder kehrendem psychischem Druck. Sie habe sich in die Behandlung des Nervenarztes Dr. H. begeben, der sie medikamentös behandle.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.04.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2013 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.11.2011 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Der Senat hat Dr. B. sowie den Internisten B. ergänzend und darüber hinaus den Neurologen und Psychiater Dr. H. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. B. hat von zwei weiteren Vorstellungen der Klägerin seit seiner Auskunft gegenüber dem SG im Juni 2013 berichtet und eine Änderung im Gesundheitszustandes der Klägerin verneint. Der Internist B. hat von neu diagnostizierten Erkrankungen (koronare 2-Gefäßerkrankung mit Bypassoperation, pAVK vom Beckenbeintyp), einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik sowie einer Zunahme der Wirbelsäulenbeschwerden berichtet und wiederum zahlreiche Diagnosen aufgelistet. Dr. H. hat im April 2015 von sieben Vorstellungen seit April 2014 und der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode berichtet, wobei durch die medikamentöse Behandlung seit Jahresbeginn eine deutliche Verbesserung der Stimmung eingetreten sei. Er hat die Ausübung leichter körperlicher Tätigkeiten ohne größere psychische Anforderungen drei bis weniger als sechs Stunden täglich für möglich gehalten und den Schwerpunkt der Beeinträchtigungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet gesehen.

Im Mai 2015 ist die operative Behandlung einer asymptomatischen arteriosklerotischen Einengung der rechten Halsschlagader erfolgt. Der nach Angaben der Klägerin darüber hinaus erforderlich gewesene gefäßchirurgischen Eingriff im Becken-/Beinbereich ist nicht durchgeführt worden. Hierzu hat der Senat den Internisten B. ergänzend und die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie A. , Praxisnachfolgerin des Dr. H. , sowie den Chefarzt der Gefäß- und Thoraxchirurgie im S. S. G. Dr. Z. als sachverständige Zeugen angehört. Der Internist B. hat von einer zunehmenden depressiven Symptomatik und die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie A. von einer mittelgradigen depressiven Episode berichtet, die medikamentös mit Venlafaxin behandelt werde. Dr. Z. hat mitgeteilt, die Klägerin sei seitens der Halsschlagader beschwerdefrei. Der Senat hat schließlich das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. auf Grund Untersuchung der Klägerin im Mai 2016 eingeholt. Der Sachverständige hat eine somatoforme Schmerzstörung bei psychischen und organischen Faktoren sowie eine Verbitterungsstörung (in Gefolge des Unfalls wegen aus Sicht der Klägerin unzureichendem Schadensausgleich) bei akzentuierter Persönlichkeit diagnostiziert und die Klägerin für in der Lage erachtet, Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr zu verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten mit schwerem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten mit mehr als 15 kg, Arbeiten in Zwangshaltungen und mit Bücken, Überkopfarbeiten, Tätigkeiten mit Verantwortung für Personen und Maschinen, Arbeiten mit Publikumsverkehr, Arbeiten mit Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge, Tätigkeiten unter Zeitdruck und mit Akkord sowie Arbeiten unter erschwerten Bedingungen, wie Hitze, Zugluft, Nässe, Lärm, Einwirkungen von Staub, Gasen und Dämpfen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 14.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht über den 30.11.2011 hinaus die hier allein streitige Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu. Soweit das SG auch über die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, entschieden hat und einen Anspruch auf eine solche Rente ebenfalls abgelehnt hat, gehen die Ausführungen des SG ins Leere, weil eine solche Rente von der Klägerin nicht beantragt worden ist (vgl. § 123 SGG)

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das SG hat gestützt auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. W. und Dr. P. , das im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholte Gutachten des Dr. G. sowie die Auskünfte der behandelnden Ärzte Dr. B. und Dr. F. zutreffend ausgeführt und begründet, dass die Klägerin diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil sie leichte berufliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (ohne Akkordarbeiten, ohne Nachtschicht, ohne Heben und Tragen von Lasten über sechs Kilogramm, ohne Fließbandarbeiten, ohne Arbeiten unter erhöhtem Zeitdruck und mit erhöhter nervlicher Belastung) zumindest noch sechs Stunden täglich verrichten kann, die sog. Wegefähigkeit erhalten ist und mit diesem Leistungsvermögen keine volle Erwerbsminderung vorliegt. Der Senat teilt die vom SG insoweit getroffene Einschätzung, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Die vom SG aufgeführten qualitativen Einschränkungen sind um die von dem Sachverständigen Dr. S. aufgeführten weiteren Tätigkeiten, die - soweit sie das orthopädische Fachgebiet betreffen - auch der behandelnde Orthopäde Dr. B. ausweislich seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge nicht mehr für leidensgerecht erachtet hat, zu ergänzen. Dementsprechend kommen für die Klägerin Tätigkeiten mit Verantwortung für Personen und Maschinen, Arbeiten mit Publikumsverkehr, Arbeiten mit Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sowie Überkopfarbeiten, Tätigkeiten in Zwangshaltungen, mit häufigem Bücken und unter Einwirkung von Hitze, Zugluft, Nässe, Lärm, Einwirkungen von Staub, Gasen und Dämpfen ebenfalls nicht mehr in Betracht. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass für die Klägerin mit dem beschriebenen Leistungsvermögen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes in Betracht kommt.

Auszuführen ist weiter, dass auch die im Berufungsverfahren vom Senat durchgeführten Ermittlungen nicht bestätigt haben, dass der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auch noch nach dem 30.11.2011 zusteht. Die weitere Sachaufklärung hat vielmehr die Richtigkeit der Leistungsbeurteilung der Beklagten, der sich das SG zu Recht angeschlossen hat, aufgezeigt. Danach steht fest, dass die Klägerin in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit in erster Linie durch Gesundheitsstörungen von nervenärztlicher Seite eingeschränkt ist und den von ihr beklagten Schmerzzuständen im Bereich des gesamten Bewegungsapparates nicht primär krankhafte organische Veränderungen zu Grunde liegen. So ist schon der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren hinzugezogene Gutachter Dr. M. angesichts der von der Klägerin beklagten Schmerzsituation und des von ihm anlässlich seiner Untersuchung erhobenen Befundes, der sich klinisch im Wesentlichen unauffällig zeigte, von einer somatoformen Schmerzstörung ausgegangen, und auch der vom SG hinzugezogene Sachverständige Dr. P. hat bei im Wesentlichen unauffälligem neurologischen Befund eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. In diesem Sinne hat sich auch der vom Senat hinzugezogene Sachverständige Dr. S. geäußert, der für den Senat überzeugend herausgearbeitet hat, dass bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung bei psychischen und organischen Faktoren vorliegt, die sich zum einen auf Grund einer langjährigen ehelichen Problematik und zum anderen durch den im März 2009 erlittenen unverschuldetem Verkehrsunfall entwickelt hat, in dessen Folge sich die Klägerin unzureichend materiell entschädigt und vom Sozialsystem gewürdigt fühlte. So hat sie gegenüber dem Sachverständigen angegeben, der Unfall habe ihr Leben grundsätzlich verändert und durch diesen habe sie "alles verloren". Sie habe einen "schlechten Rechtsanwalt" gehabt, "alle Prozesse verloren" und Schmerzensgeld lediglich in Höhe von 5.500 EUR erhalten. Zudem habe die Krankenkasse von ihr verlangt, bereits nach sechs Wochen wieder arbeiten zu gehen und sogar damit gedroht, "das Krankengeld zu entziehen". Berufliche Wiedereingliederungen seien gescheitert und später habe sie vom Arbeitsamt die Mitteilung erhalten, sie sei nicht mehr vermittelbar und solle einen Rentenantrag stellen, wobei sie das Gefühl gehabt habe, das Arbeitsamt wolle sie "loshaben". Soweit Dr. S. aus diesem Erleben der Klägerin auch auf die Entwicklung einer Verbitterungsstörung geschlossen hat, ist dies für den Senat gleichermaßen überzeugend.

Die unabhängig von der somatoformen Schmerzstörung bestehenden krankhaften Veränderungen im Bereich des Bewegungsapparates und hier insbesondere die als Folge degenerativer Veränderungen immer wieder auftretende Wurzelirritation im Bereich der Halswirbelsäule erreichen ebenso wenig wie die Lendenwirbelsäulen- und Schulterbeschwerden ein Ausmaß, das eine rentenrelevante Leistungsminderung begründen könnte. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des von der Beklagten im Widerspruchsverfahren hinzugezogenen Chirurgen Dr. G. , der bei seiner klinischen Untersuchung mit Ausnahme einer Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk und der Halswirbelsäule im Wesentlichen unauffällige Befunde erhob und ebenso den Gutachten des Dr. M. und des Dr. P. , die - wie bereits dargelegt - im Rahmen ihrer Untersuchungen im Bereich des Bewegungsapparates gleichermaßen im Wesentlichen unauffällige Befunde erhoben haben. In diesem Sinne hat sich auch der Sachverständige Dr. S. geäußert, der bei der körperlichen Untersuchung gleichermaßen einen weitgehend normalen Befund und auch einen unauffälligen psychomotorischen Befund dokumentiert hat. Während die Klägerin bei er Anamnese ruhig und entspannt auf ihrem Stuhl gesessen ist und sich typische Symptome für starke Schmerzzustände, wie psychomotorische Unruhe und Umherrutschen oder gar Aufstehen, nicht gezeigt haben, ist es lediglich bei der körperlichen Untersuchung einmalig - so Dr. S. - zu einer kurzen Schmerzäußerung gekommen. Im Hinblick auf die beklagten Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule hat der Sachverständige klinisch keine Ausfälle objektiviert und die vom Nervus medianus und tibialis abgeleiteten Nervenbahnen seitengleich regelrecht befundet. Auch im Hinblick auf die geklagten Sensibilitätsstörungen in den Finger 2 und 3 rechts hat er neurographisch weder eine periphere Nervenstörung noch Hinweise für radikulär, der Nervenwurzel C 6 zuordenbare pathologische Befunde objektivieren können. Insgesamt hat damit auch der Sachverständige Dr. S. die von der Klägerin geltend gemachten mittelgradigen bis starken Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates bei der Untersuchung klinisch nicht nachvollziehen können. Davon dass die bei der Klägerin vorliegenden degenerativen Veränderungen im Halswirbelsäulen-, Lendenwirbelsäulen- und Schulterbereich nicht zu derart ausgeprägten Beschwerdezuständen führen, ist schließlich auch der behandelnde Orthopäde Dr. B. ausgegangen, der zwar schweres Heben und Tragen, Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen, Kälte und Nässe ebenso wie Arbeiten mit langem Sitzen, Gehen oder Stehen und häufigem Bücken nicht mehr für leidensgerecht erachtet hat, bei Beachtung dieser Einschränkungen leichte Tätigkeiten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich jedoch für zumutbar erachtet hat.

Vor dem Hintergrund all dessen und dem weiteren Umstand, dass die Klägerin - so Dr. S. - keinerlei Analgetika einnimmt, sich nicht in ambulanter Schmerztherapie befindet und auch in ihren Lebensalltag völlig unabhängig ist, selbstständig ihren Haushalt versorgt, Spaziergänge und Radfahrten unternimmt, überzeugt den Senat auch die Einschätzung des Sachverständigen, dass die Klägerin bei zumutbarer Willensanstrengung in der Lage ist, einer zumindest sechsstündigen beruflichen Tätigkeit, die den oben dargelegten qualitativen Einschränkungen Rechnung trägt, nachzugehen. Soweit die Klägerin - so die Einschätzung des Sachverständigen - sich in ihrem Lebensalltag auch ohne berufliche Tätigkeit eingerichtet hat, die finanziellen Einschränkungen zwar bedauert, jedoch nicht als gravierend erlebt und keine erkennbaren eigenen Anstrengungen unternimmt, um sich aus dieser sozialen Situation zu lösen, um wieder in einen Alltag mit beruflicher Tätigkeit zurückzukehren und sich daher mit dem aktuellen Leben arrangiert und dem mit einer Erwerbstätigkeit verbunden Leben abgeschlossen hat, rechtfertigt dies die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht.

Soweit die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie A. im Rahmen ihrer dem Senat erteilten Auskunft als sachverständige Zeugin berichtet hat, auf Grund der erfolgten zwei Vorstellungen einerseits im Januar und andererseits März 2016 eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert zu haben, hat sich eine solche Erkrankung anlässlich der Untersuchung bei dem Sachverständigen Dr. S. im Mai 2016 nicht (mehr) feststellen lassen. Insoweit hat der Sachverständige ausgeführt, dass sich eine depressive Symptomatik weder nach der Anamnese noch im psychopathologischen Befundes und auch nicht im Hamilton-Depressions-Score gezeigt hat. Auch die Klägerin selbst hat eingeräumt - so Dr. S. - , dass keine Depression oder Ängste bestanden haben. Damit lässt sich eine rentenrelevante Leistungsminderung auch nicht aus einer depressiven Erkrankung herleiten. Anscheinend hat die von dem Neurologen und Psychiater Dr. H. begonnene und von der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie A. fortgeführte medikamentöse Behandlung zusammen mit den erfolgten stützenden Einzelgespräche zu einer Rückbildung der Symptomatik geführt, wie dies Dr. H. auch schon für den Zeitraum ab Beginn des Jahres 2015 beschrieben hat. Soweit er gleichwohl von einem allenfalls drei bis weniger als sechsstündigen beruflichen Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten ausgegangen ist, überzeugt dies nicht.

Vor dem Hintergrund all dessen überzeugt letztlich auch die Einschätzung des Hausarztes B. in seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge, wonach die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund der Vielzahl ihrer Erkrankungen keinerlei Tätigkeit mehr verrichten könne, nicht. Ohnehin lässt sich ein aufgehobenes Leistungsvermögen nicht aus der Auflistung einer Vielzahl von Erkrankungen ableiten. Denn bei der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit ist maßgeblich, ob aus einer Erkrankung überhaupt funktionelle Einschränkungen resultieren und falls dies der Fall ist, inwieweit diese sich auf das Leistungsvermögen auswirken. Soweit der behandelnde Hausarzt B. seine Leistungsbeurteilung dann weiter mit den orthopädischen Erkrankungen begründet hat, steht diese Einschätzung in Widerspruch zu der Beurteilung des behandelnden Orthopäden Dr. B. und den eingeholten Gutachten, insbesondere des Chirurgen Dr. G. sowie der neurologischen Befunde der nervenärztlichen Gutachten, insbesondere des Sachverständigen Dr. S. und überzeugt daher nicht. Entsprechendes gilt auch insoweit, als er von zunehmenden psychischen Störungen in Folge des chronischen Schmerzsyndroms berichtet hat, die sich - so seine weiteren Ausführungen gegenüber dem Senat - bis hin zur Entwicklung einer latenten Suizidalität entwickelt hätten. Denn über psychische Störungen in einem derartigen Ausmaß haben weder Dr. H. noch dessen Praxisnachfolgerin A. berichtet und auch die seit April 2014 in nur unregelmäßigen und in größeren zeitlichen Abständen erfolgten Vorstellungen weisen nicht auf ein schwergradiges psychiatrisches Krankheitsbild hin. Schließlich hat Dr. H. gegenüber dem Senat auch von einer leichten Besserung der depressiven Symptomatik nach Aufnahme der medikamentösen Behandlung einschließlich stützender Gespräche berichtet, wobei er für den Zeitraum ab Beginn des Jahres 2015 sogar eine deutliche Besserung der Stimmung angegeben hat. Dass die Klägerin von nervenärztlicher Seite nicht unter Gesundheitsstörungen leidet, die eine rentenrelevante Leistungsminderung begründen könnten, ergibt sich entsprechend den obigen Darlegungen im Übrigen aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S ... Dass letztlich auch die von dem behandelnden Internisten B. aufgeführte koronare Herzerkrankung mit Zustand nach Bypass-Operation, die zusätzlich limitierend sei, der Ausübung einer leichten beruflichen Tätigkeit im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen nicht entgegen steht, ist schließlich durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. W. bestätigt worden.

Soweit der Internist B. in seiner dem Senat erteilten Auskunft schließlich auf eine neu diagnostizierte pAVK vom Becken-Bein-Typ hingewiesen hat, ist diese Erkrankung bereits vom Sachverständigen Dr. W. berücksichtigt worden. Insoweit haben die weiteren Ermittlungen des Senats ergeben, dass die Klägerin den vereinbarten Termin zu dem vorgesehenen gefäßchirurgischen Eingriff nicht wahrgenommen hat. Anhaltspunkte für eine dadurch bestehende rentenrelevant eingeschränkte Gehfähigkeit der Klägerin sieht der Senat nicht. Im Übrigen hat schon das SG in der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Klägerin dem Sachverständigen Dr. P. von Spaziergängen mit Freundinnen und "Bummeln" in der Stadt berichtet hat, was nicht auf eine schwerwiegend eingeschränkte Gehfähigkeit hinweist. Über entsprechende Unternehmungen hat die Klägerin schließlich auch dem Sachverständigen Dr. S. berichtet und angegeben, dass sie gerne in der Umgebung spazieren gehe und Spaziergänge von ein bis eineinhalb Stunden unternehme. Aus der nach wie vor unbehandelten pAVK vermag der Senat daher keine relevante Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin herzuleiten. Im Übrigen verfügt die Klägerin - dies hat das SG im Zusammenhang mit der Wegefähigkeit zutreffend dargelegt - über einen PKW.

Die Berufung der Klägerin kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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