L 11 R 3031/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 634/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3031/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.05.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin als mitarbeitende Gesellschafterin bei der Beigeladenen zu 1) im Zeitraum 01.01. bis 10.06.2012 abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig in der Renten- und Arbeitslosenversicherung war.

Die Beigeladene zu 1) betreibt in der Rechtsform der GmbH die Vermittlung von Versicherungsverträgen für die S. S. Versicherung, deren Vertragsgesellschaften und Verbundpartner (Amtsgericht Stuttgart, HRB ...). Beteiligt am Stammkapital der Beigeladenen zu 1) iHv 25.000 EUR waren ab 01.01.2012 der Ehemann der Klägerin I. R. mit einem Anteil von 10.000 EUR (40%), die Klägerin mit 3.000 EUR (12%) sowie K. B. und S. T. mit jeweils 6.000 EUR (24%). Geschäftsführer waren I. R., K. B. und S. T ... Nach § 8 Abs 2 des Gesellschaftsvertrags idF vom 11.11.2011 wird nach Geschäftsanteilen abgestimmt. Je ein Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme. Nach § 8 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags können Gesellschafterbeschlüsse nur einstimmig gefasst werden.

Mit Anstellungsvertrag vom 02.01.2012 wurde die Klägerin ab 01.01.2012 bei der Beigeladenen zu 1) angestellt. Der Vertrag lautet auszugsweise wie folgt: § 1 Vertragsdauer 1 - Dieser Anstellungsvertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und gilt ab dem 1. Januar 2012. 2 - Er kann von beiden Seiten unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende gekündigt werden. § 2 Aufgaben und Pflichten 1 – Die Angestellte ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft zu führen. 2 – Die Angestellte hat für die wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Belange der Gesellschaft in bester Weise Sorge zu tragen. 3 – Bei allen Entscheidungen muss sich die Angestellte allein vom Wohl der Gesellschaft leiten lassen. 4 – Die Angestellte hat die ihr obliegenden Aufgaben und Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns unverzüglich nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrags und dieses Vertrags wahrzunehmen.

§ 3 Arbeitsleistung 1 – An eine bestimmte Arbeitszeit ist die Angestellte nicht gebunden; ebenso ist die Angestellte wegen ihrer Branchen- und Fachkenntnisse hinsichtlich Dauer, Ort und Umfang ihrer Tätigkeit nicht weisungsgebunden. 2 – Die Angestellte hat ihre Arbeitskraft und ihre Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. 3 – Weitere Tätigkeiten sind ausdrücklich erlaubt, soweit die Aufgaben und Pflichten gemäß § 2 nicht vernachlässigt werden. § 4 Bezüge 1 – Die Angestellte erhält ab 1. Januar 2012 als Vergütung für seine Tätigkeit: a) ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 3.700,00 Euro. b) eine monatliche Provisionsgarantie in Höhe von 400,00 Euro. Hierbei werden im Eigengeschäft 2,2% Lebens- und 3,5 Monatsbeiträge bei Krankenvoll- sowie 5 Monatsbeiträge bei Krankenzusatzversicherungen an Provision bezahlt. Es werden im Gemeinschaftsgeschäft 0,7% Lebens- und 1,5 Monatsbeiträge bei Krankenvoll- sowie 2 Monatsbeiträge bei Krankenzusatzversicherungen an Provision bezahlt. c) eine entsprechende Altersversorgung bei der S. Versicherung wird von der GmbH abgeschlossen. Die Aufwendungen für Steuer und eventuelle Sozialversicherungsbeiträge übernimmt die GmbH ... 2 – Bei Krankheit oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung bleibt der Gehaltsanspruch bis zur Dauer von 6 Wochen in vollem Umfang bestehen. § 6 Versicherungen 1 – Die GmbH verpflichtet sich, die Angestellte gegen Betriebsunfälle, Tod, Invalidität, Körper- und Sachschäden, bei Dienstausfall usw bei der zuständigen Berufsgenossenschaft auf ihre Kosten ausreichend zu versichern. § 7 Jahresurlaub 1 – Die Angestellte hat Anspruch auf einen Jahresurlaub von 28 Arbeitstagen.

Am 30.04.2012 beantragte die Klägerin die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status für die Tätigkeit als Versicherungsberaterin/Versicherungskauffrau bei der Beigeladenen zu 1). Nach Anhörung mit Schreiben vom 07.06.2012 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 01.08.2012 gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) fest, dass die Tätigkeit der Klägerin als mitarbeitende Gesellschafterin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestehe; in der Krankenversicherung bestehe keine Versicherungspflicht. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien: Es bestehe ein gesonderter Anstellungsvertrag, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regele; der Anstellungsvertrag enthalte arbeitnehmertypische Regelungen; für die Tätigkeit werde ein Grundgehalt von 3.700 EUR monatlich und damit ein übliches Arbeitsentgelt gezahlt; kraft ihres Anteils am Stammkapital könne die Klägerin keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben. Merkmale für selbstständige Tätigkeit seien: Hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit erhalte die Klägerin keine Weisungen; aufgrund der vom Geschäftserfolg abhängigen Tantiemenzahlung sei die Klägerin indirekt am Gewinn der Gesellschaft beteiligt. In der Gesamtwürdigung überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.

Mit ihrem Widerspruch vom 04.09.2012 machte die Klägerin geltend, der Anstellungsvertrag könne kein Kriterium sein, da auch die Mitarbeit der übrigen Gesellschafter über derartige Anstellungsverträge geregelt sei mit identischen Regelungen hinsichtlich Jahresurlaub und Lohnfortzahlung. Im Gesellschaftsvertrag sei geregelt, dass alle Entscheidungen nur einstimmig erfolgen könnten, so dass die Gesellschafter ebenbürtig seien. Mit einem Anteil von 12% des Stammkapitals stünden der Klägerin auch die Minderheitsrechte ua gemäß § 50 GmbHG zu (Einberufung einer Gesellschafterversammlung). Die Klägerin sei nicht den Geschäftsführern weisungsgebunden, sondern lediglich der Gesellschafterversammlung. Tatsächlich sei sie deshalb frei in der Gestaltung ihrer Tätigkeit. Inzwischen sei die Klägerin übrigens mit Wirkung vom 11.06.2012 zur Geschäftsführerin bestellt worden.

Auf einen weiteren Statusfeststellungsantrag vom 10.09.2012 hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin hat die Beklagte mit Bescheid vom 11.10.2012 festgestellt, dass die Klägerin ab 11.06.2012 nicht abhängig beschäftigt sei und keine Versicherungspflicht zur Sozialversicherung bestehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2013 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und für die Zeit vom 01.01. bis 10.06.2012 daran festgehalten, dass eine abhängige Beschäftigung mit Versicherungspflicht in der Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestanden habe.

Hiergegen richtet sich die am 25.02.2013 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Die von der Beigeladenen zu 1) am gleichen Tag erhobene Klage wird beim SG unter dem Aktenzeichen S 13 R 635/13 geführt und ruht im Hinblick auf den Ausgang des vorliegenden Verfahrens. Zur Begründung der Klage hat die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft.

Mit Änderungsbescheid vom 21.06.2013 hat die Beklagte festgestellt, dass in der Zeit vom 01.01. bis 10.06.2012 keine Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung bestand.

Das SG hat mit Urteil vom 10.05.2016 die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei auch unter Berücksichtigung ihrer Stellung als Gesellschafterin im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung tätig geworden. Trotz der ihr eingeräumten Sperrminorität sei sie in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) eingegliedert gewesen. Ihre Rechtsmacht als Gesellschafterin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern oder initiieren zu können, habe nicht soweit gereicht, dass sie jegliche Einzelanweisung im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit jederzeit hätte verhindern können. Vorbehaltlich abweichender Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag sei die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung, nicht der Gesellschafterversammlung. Einschränkungen dieses Weisungsrechts sehe der Gesellschaftsvertrag nicht vor, insbesondere habe sich die Gesellschafterversammlung keine Weisungsrechte gegenüber Beschäftigten vorbehalten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 3 Abs 1 des Anstellungsvertrags. Ein Beschluss der Gesellschafter über die Beschränkung der Geschäftsführer in ihrer Vertretungsbefugnis gemäß §§ 37, 47 GmbHG liege dem Gericht nicht vor. Eine schuldrechtliche Abbedingung des Weisungsrechts der Geschäftsführer als Bestandteil des Anstellungsvertrags erscheine äußerst zweifelhaft und sei auch nicht geeignet, bei einem Minderheitsgesellschafter einen Status als nicht versicherungspflichtiger Selbstständiger zu begründen. Auch ein Unternehmerrisiko sei zu verneinen. Der Beurteilung als abhängige Beschäftigung stehe auch weder entgegen, dass die Klägerin mit einem der Geschäftsführer verheiratet sei, noch dass sie das Geschäft nach eigenem Gutdünken geführt habe.

Gegen das ihr am 13.07.2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.08.2016 eingelegte Berufung der Klägerin. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass die übrigen Gesellschafter ebenso arbeitnehmertypische Anstellungsverträge hätten; es handele sich insoweit um ein neutrales Kriterium. Die Klägerin habe auch eine Sperrminorität und sei in Bezug auf ihrer Arbeit ausschließlich den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung unterstellt. Da sie jegliche Beschlüsse insoweit verhindern könne, sei sie damit faktisch weisungsfrei. Die Geschäftsführer seien nicht befugt gewesen, der Klägerin Weisungen zu erteilen. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, während der Geschäftszeiten persönlich anwesend zu sein. Sie habe frei auswählen können, ob sie von zu Hause aus arbeite über eine VPN-Verbindung oder an der Geschäftsstelle. Lediglich aus eigenen Antrieb habe sich die Klägerin entschlossen, im Wesentlichen ihre Tätigkeit aus dem Büro in K. zu verrichten, es entspreche auch ihrer persönlichen Arbeitseinstellung, möglichst umfassend während der Geschäftszeiten anwesend zu sein. Die einzige Einschränkung der Klägerin gegenüber den anderen Gesellschafter-Geschäftsführern bestehe darin, dass sie nicht berechtigt gewesen sei, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Für die hier zu beurteilende Frage spiele das jedoch keine Rolle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.05.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 01.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.02.2013 und des Änderungsbescheids vom 21.06.2013 aufzuheben und festzustellen, dass sie vom 01.01. bis 10.06.2012 ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren inhaltlich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Mit Schreiben vom 16.01.2017 und – nach Eingang der Berufungsbegründung – nochmals mit Schreiben vom 09.03.2017 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt ist. Die Beteiligten hatten zuletzt Gelegenheit zur Stellungnahme bis 10.04.2017.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 01.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2013 und des Änderungsbescheids vom 21.06.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig, er ist nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte hat auch die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 ff; BSG 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris), und nicht nur eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung "dem Grunde nach", sondern auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in einzelnen Zweigen der Sozialversicherung getroffen.

Auch materiell-rechtlich ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Die Klägerin übte ihre Tätigkeit als mitarbeitende Gesellschafterin (Versicherungskauffrau) bei der Beigeladenen zu 1) vom 01.01. bis 10.06.2012 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus und unterlag der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Abs 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I S 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs 14/185 S 6).

Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat die Klägerin am 30.04.2012 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeitraum in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht, § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). In der gesetzlichen Kranken- und in der sozialen Pflegeversicherung hat die Beklagte keine Versicherungspflicht festgestellt, so dass hierüber auch nicht zu befinden ist.

Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).

Ob ein Gesellschafter und/oder Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht, ist ebenfalls nach den oben dargelegten Grundsätzen zu beurteilen (vgl zum Minderheitsgesellschafter einer GmbH: BSG 11.11.2015, B 12 KR 2/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 27). Entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ist dabei, ob die rechtliche Möglichkeit besteht, als beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter(-Geschäftsführer) nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (Zum Ganzen BSG 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 28 mwN). Ein GmbH-Gesellschafter, der von der GmbH angestellt und nicht einmal zum Geschäftsführer bestellt wurde, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung nicht regelmäßig zugleich auch die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder auch nur abzuschwächen. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (stRspr; vgl BSG 17.05.2001, B 12 KR 34/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57 f; BSG 19.08.2015, B 12 KR 9/14 R, juris).

Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt hat und deshalb Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.

Der Anstellungsvertrag, der als Ausgangspunkt heranzuziehen ist, enthält Regelungen, wie sie für eine abhängige Beschäftigung typisch sind (laufendes monatliches Grundgehalt, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, bezahlter Urlaub). Auch die Gewährung einer Provision ist besonders im Rahmen leitender Tätigkeiten auch bei abhängig Beschäftigten nicht unüblich (vgl Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 R 2662/13 mwN). Dieser Vertrag spricht ganz klar für eine abhängige Beschäftigung. Die Vereinbarungen im Anstellungsvertrag wurden auch weder nur zum Schein getroffen, noch wurden sie ausdrücklich oder konkludent abgeändert. Dies macht auch die Klägerin selbst nicht geltend. Soweit sie der Auffassung ist, die Gestaltung des Anstellungsvertrags sei deshalb als neutrales Kriterium zu werten, weil die übrigen Gesellschafter, die zugleich Geschäftsführer waren, über gleichartige Verträge verfügten, trifft dies nicht zu. Abgesehen davon, dass hier allein das Verhältnis der Klägerin zur Beigeladenen zu 1) zu beurteilen ist, spricht auch bei den übrigen Gesellschaftern der Anstellungsvertrag für eine abhängige Beschäftigung. Lediglich die Stellung als Gesellschafter-Geschäftsführer verbunden mit einer Sperrminorität führt dazu, dass besondere Umstände vorliegen, die einer abhängigen Beschäftigung entgegen stehen. Entsprechend hat die Beklagte auch die Tätigkeit der Klägerin ab 11.06.2012 gewürdigt.

Im hier streitigen Zeitraum bestehen hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin jedoch gerade keine Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung dieser Tätigkeit als selbstständig zuließen. Die Klägerin übte iSv § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung aus und war in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers, der Beigeladenen zu 1), eingegliedert. Sie war in einem fremden Unternehmen tätig. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus § 3 Abs 1 des Anstellungsvertrags gerade nicht, dass sie von Weisungen der Geschäftsführung völlig frei gewesen wäre. Ausgeschlossen sind schon nach dem Wortlaut lediglich Weisungen organisatorischer Art (Arbeitszeit, Dauer, Ort und Umfang der Tätigkeit), nicht jedoch inhaltliche bzw fachliche Weisungen. Das Weisungsrecht der drei Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) ist auch im Gesellschaftsvertrag nicht eingeschränkt. Es bleibt daher dabei, dass die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung ist (BSG 19.08.2015, B 12 KR 9/14 R, juris). Die Klägerin war aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung bei der Beigeladenen zu 1) im Übrigen auch nicht in der Lage, die Geschäftsführer gegen deren Willen nach § 46 Nr 5 GmbHG abzuberufen und sich gegebenenfalls auf diesem Weg deren Weisungen zu entziehen. Da Gesellschafterbeschlüsse nach § 8 des Gesellschaftsvertrages nur einstimmig gefasst werden konnten, hätten alle Gesellschafter der Abberufung zustimmen müssen. Selbst wenn man insoweit eine mittelbare Beeinflussung des Geschäftsführers durch die Klägerin in der Form in Erwägung ziehen wollte, dass sie als Mitgesellschafterin über die Möglichkeit verfügte, dem Geschäftsführer die - ebenfalls einstimmig zu erteilende - Entlastung nach § 46 Nr 5 GmbHG zu verweigern, würde dies an der rechtlich bestehenden persönlichen Abhängigkeit der Klägerin von der Beigeladenen zu 1) in Bezug auf ihren sozialversicherungsrechtlichen Status nichts ändern (BSG 19.08.2015, aaO).

Ohne eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, welche die Klägerin in die Lage versetzte, ihr unangenehme Weisungen zu verhindern, schließt auch die faktische Weisungsfreiheit im Alltagsgeschäft die Annahme von Beschäftigung nicht von vornherein aus. Diesbezüglich hat das BSG, dem sich der Senat anschließt, in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass eine vertraglich eingeräumte Rechtsmacht die tatsächlichen Verhältnisse prägt. Angesichts dieser rechtlichen Rahmenbedingungen kann allein aus der faktischen Nichtwahrnehmung gesellschaftsrechtlicher Befugnisse nicht auf deren stillschweigende Abbedingung geschlossen werden (BSG 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, juris). Eine sog "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht anzuerkennen (BSG 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, BSGE 119, 216, SozR 4-2400 § 7 Nr 24, 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R, BSGE 111, 257, SozR 4-2400 § 7 Nr 17). Mangels einer solchen Rechtsmacht rechtfertigt zudem weder familiäre Rücksichtnahme noch die behauptete Stellung der Klägerin als "Kopf und Seele" des Unternehmens eine andere Beurteilung (zur Aufgabe der "Kopf und Seele"-Rechtsprechung durch das BSG vgl BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, BSGE 111, 257, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 32 und BSG 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, BSGE 119, 216). Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum nicht die Rechtsmacht gehabt, sich ihr nicht genehmer Weisungen der Geschäftsführer hinsichtlich der Ausübung ihrer Tätigkeit zu erwehren. Als Minderheitsgesellschafterin der Beigeladenen zu 1) verfügte sie nicht über eine vergleichbare Stellung, wie sie ein mit Sperrminorität ausgestatteter Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer innehat.

Die Klägerin trägt auch kein die Selbständigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko, was der Senat neben der Festvergütung als wichtigen Gesichtspunkt für das Vorliegen abhängiger Beschäftigung wertet. Ein Unternehmerrisiko trägt, wer eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes einsetzt und somit der Erfolg des Einsatzes der sachlichen und persönlichen Mittel ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist zudem nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R; 28.05. 2008, B 12 KR 13/07 R). Ein Unternehmerrisiko kann nur dann angenommen werden, wenn eine Gefahr vorliegt, die über diejenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Dies ist der Fall, wenn bei Auftragsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern auch zusätzliche Kosten für betriebliche Investitionen brach liegen (LSG Sachsen 04.03.2014, L 5 R 425/12). Freie Mitarbeiter tragen ein Unternehmerrisiko, wenn der Erfolg des Einsatzes ihrer Arbeitskraft ungewiss ist; das gilt namentlich, wenn ihnen kein Mindereinkommen garantiert ist. Der Selbständige kann eine Vergütung nur beanspruchen, wenn er eine bestimmte Leistung auch erbringt, wogegen dem abhängig Beschäftigten ein Lohnanspruch schon dann zusteht, wenn er sich arbeitsbereit hält (Senatsurteil vom 17.01.2012, L 11 R 5683/09, juris) Der Erfolg des Einsatzes der Arbeitskraft der Klägerin für die Beigeladene zu 1) war nicht ungewiss. Denn sie schuldete nur den Einsatz ihrer Arbeitskraft und erhielt hierfür ein Festgehalt. Sie setzte keine eigenen Betriebsmittel oder Kapital in wesentlichem Umfang ein.

Insgesamt überwiegen damit ganz klar diejenigen Umstände, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen gegenüber denjenigen, die auf eine selbstständige Tätigkeit schließen lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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