L 4 KR 408/17 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 36/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 408/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen begehren im einstweiligen Rechtsschutz die Gewährung einer Mutter-Kind-Maßnahme als Leistung zur Rehabilitation.

Die am 1976 geborene, verheiratete, bei der Beklagten krankenversicherte Antragstellerin zu 3 ist die Mutter der am 2006 und 2011 geborenen, bei der Beklagten familienversicherten Antragstellerinnen zu 1 und 2 sowie eines weiteren älteren Kindes. Sie ist als Dentalhygienikerin im Umfange von 18 Stunden wöchentlich berufstätig.

Vom 12. August bis 2. September 2015 absolvierte die Antragstellerin zu 3 gemeinsam mit den Antragstellerinnen zu 1 und 2 eine stationäre Mutter-Kind-Maßnahme in der Klinik N., Cuxhaven. Im Abschlussbericht vom 15. September 2015 beschrieb Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. W.-H. bei der Antragstellerin zu 3 einen psycho-physischen Erschöpfungszustand, eine Panikstörung, eine rezidivierende Cephalgie und ein Halswirbelsäulen (HWS)-Syndrom. Die Therapieziele (Abstand von der belastenden Alltagssituation; psycho-physische Stabilisierung) seien erreicht worden. Zum Zeitpunkt der Abschlussuntersuchung sei die Antragstellerin zu 3 erholt und beschwerdefrei gewesen. Empfohlen wurden neben der hausärztlichen Weiterbetreuung die Fortführung der Entspannungstherapie, regelmäßige sportliche Betätigung und Eheberatung.

Am 10. Oktober 2016 beantragte die Antragstellerin zu 3 für sich und die Antragstellerin zu 1 eine erneute Mutter-Kind-Maßnahme zur Rehabilitation unter Begleitung durch die Antragstellerin zu 2, da eine Trennung von der Mutter für die Dauer der Kur nicht zumutbar sei. Als belastende Kontextfaktoren gab sie Erziehungsschwierigkeiten (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS] der Antragstellerin zu 1), Rauchen und Eheprobleme an. Neben Krankengymnastik/Massagen habe sie von Oktober 2015 bis März 2016 Psychotherapie in Anspruch genommen, des Weiteren drei Monate eine Paarberatung sowie mit der Antragstellerin zu 1 psychologische Hilfe. Weitere Möglichkeiten am Wohnort habe sie aus Zeitmangel nicht genutzt. Besonders wies sie darauf hin, die Situation in der Familie mit einem ADHS-Kind sei sehr schwierig; es gebe mit den Geschwistern täglich Auseinandersetzungen, die für sie (die Antragstellerin zu 3) belastend seien. In manchen unklaren Alltagssituationen käme es nach langer Zeit wieder zu Panikattacken.

Im beigefügten hausärztlichen Attest vom 8. September 2016 beschrieb Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S. bei der Antragstellerin zu 3 eine Panikstörung, eine HWS-Blockierung mit radikulärer Symptomatik, ein Lendenwirbelsäulen (LWS)-Syndrom sowie Ein-Durchschlafstörungen. Es bestehe eine Doppelbelastung durch Familie und Beruf mit zusätzlicher familiärer Belastung durch ADHS der Antragstellerin zu 3. Bisher sei sie mit Sedativa, Antidepressiva, Krankengymnastik und Traktion behandelt worden; ambulante Maßnahmen am Wohnort seien ausgeschöpft. Empfohlen wurden physiotherapeutische Maßnahmen, Rückenschule, psychologische Beratung, Entspannungstraining und Klimawechsel. Nötig sei eine Rehabilitation, um eine Erkrankung zu heilen, zu bessern oder deren Verschlimmerung zu verhüten (§ 41 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]).

Arzt für Kinder- und Jugendmedizin K. attestierte der Antragstellerin zu 1 unter dem 15. September 2016 eine ADHS und eine Entwicklungsstörung der Fein- und Grobmotorik. Bisher sei sie mit Ritalin behandelt worden; ambulante Maßnahmen am Wohnort seien nicht erfolgversprechend. Im Kleinkindalter seien wegen motorischer und sprachlicher Defizite Ergotherapie und Logopädie durchgeführt worden. Nach erfolglosem verhaltenstherapeutischem Versuch werde die 2015 diagnostizierte ADHS seit April 2016 mit Stimulationstherapie behandelt. Empfohlen wurden neben pädagogischer Betreuung, Entspannungstraining und Motologie eine Komplexbehandlung ADHS. Wegen des eigenen behandlungsbedürftigen Erkrankungsbildes sei eine Rehabilitation nötig, um eine Erkrankung zu heilen, zu bessern oder deren Verschlimmerung zu verhüten. Beigelegt wurde ein Arztbrief der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Dr. Sch. vom 16. Oktober 2015 über die Behandlung der Antragstellerin zu 3 (Diagnosen: ADHS, Entwicklungsstörung der Fein- und Grobmotorik, leichte soziale Beeinträchtigung).

In einem Attest vom 22. September 2016 gab Arzt K. bei der Antragstellerin zu 2 einen Verdacht auf hyperreagibles Bronchialsystem bei rezidivierenden bronchialen Infekten an. Eine Trennung von Mutter und Schwester während der Maßnahme sei nicht zumutbar, die Betreuung nicht gesichert.

Mit Bescheid vom 3. November 2016 lehnte die Antragsgegnerin eine medizinische Vorsorgeleistung für Mütter und Väter gemäß § 24 SGB V ab, weil diese vor Ablauf von vier Jahren seit der letzten Durchführung einer ähnlichen Leistung (Mutter-Kind-Maßnahme vom 12. August bis 2. September 2015) durchgeführt werden solle und die hierfür erforderliche medizinische dringende Notwendigkeit nicht vorliege.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches führten die Antragstellerinnen aus, es lägen Erkrankungen und Kontextfaktoren (mangelnde Unterstützung und Anerkennung; Partner /Eheprobleme; Erziehungsschwierigkeiten/mangelnde Erziehungskompetenz; gesundheitliche Probleme des Kindes, die zu einer Gesundheitsgefährdung der Mutter führen könnten; Schwierigkeiten bei der Problembewältigung, insbesondere denen des Alltags) vor, die nach der einschlägigen Begutachtungsrichtlinie Vorsorge und Rehabilitation der Medizinische Dienste der Spitzenverbände der Krankenkassen von Oktober 2005 die Bewilligung der Kur zwingend indizierten. Eine "Vorfristigkeit" liege nicht vor. Die 2015 durchgeführte Vorsorgemaßnahme nach § 24 SGB V könne bei der Vier-Jahres-Frist für die vorliegend begehrte Rehabilitationsmaßnahme nicht berücksichtigt werden. Die beantragte Leistung gelte des Weiteren wegen Nichteinhaltung der dreiwöchigen Bescheidungsfrist nach § 13 Abs. 3a SGB V als genehmigt. Beigelegt wurde ein Attest von Dr. S. vom 29. November 2016, wonach bei der Antragstellerin zu 3 eine absolute Dringlichkeit zur Durchführung einer Kur bestehe, da wegen der bereits attestierten Erkrankungen eine Verschlimmerung bzw. eine Chronifizierung zu erwarten sei.

Am 4. Januar 2017 beantragten die Antragstellerinnen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und begehrten die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bewilligung der beantragten Mutter-Kind-Maßnahme. Über ihr Vorbringen im Widerspruch hinaus führten sie aus, die erforderliche Dringlichkeit i.S.e. Anordnungsgrundes ergebe sich aus der drohenden Zweckverfehlung der "Vorsorgemaßnahme" und einer deutlichen gesundheitlichen Verschlechterung bei längerem Zuwarten. Sie seien in ihren Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit und Schutz der Familie gemäß Art. 2 Abs. 2 und Art 6 Abs. 1, 4 Grundgesetz (GG) betroffen. Ihre gesamte Familienstruktur sei derzeit nachhaltig erschüttert und krisenhaft zugespitzt. Sie seien nicht in der Lage, die Gesamtkosten der beantragten Rehabilitationsmaßnahme von ca. EUR 2.500,00 vorzustrecken. Im Rahmen der Folgenabwägung müsse diesen ihren grundrechtlich geschützten Interessen Vorrang vor dem rein wirtschaftlichen Interesse der Antragsgegnerin eingeräumt werden.

Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung würde eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache darstellen. Es sei nicht erkennbar, weshalb den Antragstellerinnen ein Abwarten eines Klageverfahren nicht zumutbar sei. Die Voraussetzungen für eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V lägen nicht vor. Da sie, die Antragsgegnerin, innerhalb der Drei-Wochen-Frist die Antragstellerinnen über die beabsichtigte Einbeziehung des MDK unterrichtet habe, gelte eine fünfwöchige Entscheidungsfrist, die eingehalten worden sei. Ergänzend legte sie das Gutachten von Dr. P, MDK, vom 10. Januar 2017 vor, wonach die medizinischen Voraussetzungen für eine medizinische Vorsorgemaßnahme nach § 24 SGB V nicht erfüllt seien. Dringende medizinische Gründe, die den komplexen Ansatz einer Vorsorgeleistung unter Berücksichtigung der besonderen Belange von Müttern und Vätern in Erziehungsverantwortung vor Ablauf des Mindestabstandes von vier Jahren erforderlich machten, seien nicht ersichtlich. Ein erneuter Schulungsbedarf sei nicht erkennbar. Die beschriebenen Gesundheitsstörungen wie Panikattacken und Angststörungen seien ausreichend ambulant zu behandeln, z.B. im Rahmen ambulanter Psychotherapie.

Mit Beschluss vom 23. Januar 2017 lehnte das SG den Antrag ab. Ob die Voraussetzungen einer Mutter-Kind-Maßnahme nach § 24 oder § 41 SGB V erfüllt seien, sei offen und bedürfen nähere medizinischer Feststellungen. Beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand spreche aber mehr gegen als für einen Anspruch und die erforderliche Interessenabwägung erfordere den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht. Den Antragstellerinnen sei zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Es bestünden nicht unerhebliche Bedenken, ob die Anforderungen einer Mutter-Kind-Maßnahme gegeben seien. Zwar sei eine Ausschöpfung ambulanter Behandlungsmöglichkeiten vor einer solchen Maßnahme nicht erforderlich. Voraussetzung sei jedoch, dass die Maßnahme notwendig und das Vorsorge- bzw. Rehabilitationsziel nicht durch zweckmäßigere bzw. wirtschaftliche Maßnahmen erreicht werde. An dieser Notwendigkeit bestünden nicht unerhebliche Zweifel. Den Attesten von Dr. S. vom 8. September und 29. November 2016 seien keine medizinischen Befunde zu entnehmen. Es sei weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Antragstellerin zu 1 (gemeint Antragstellerin zu 3) die angegebenen psychischen orthopädischen Beschwerden durch fachärztliche Behandlungen oder therapeutische Maßnahmen überhaupt zu lindern versucht habe. Überdies habe Dr. P. ausgeführt, dass die Gesundheitsstörungen ausreichend ambulant zu behandeln seien. Die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V lägen aus den von der Antragsgegnerin vorgetragenen Gründen nicht vor.

Gegen diesen ihnen am 30. Januar 2017 zugestellten Beschluss haben die Antragstellerinnen am 1. Februar 2017 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2017 hat der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. November 2016 unter Verweis auf das Gutachten von Dr. P. als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen ist am 5. April 2017 Klage vor dem SG (S 14 KR 1117/17) erhoben worden.

Zur Begründung ihrer Beschwerde haben die Antragstellerinnen ausgeführt, der Vorrang ambulanter Leistungen sei durch die gesetzlichen Regelungen in §§ 24, 41 SGB V gerade nicht gegeben. Das SG habe daher den Antrag nicht unter Verweis auf zunächst auszuschöpfende ambulante Behandlungsmöglichkeiten ablehnen dürfen (Verweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. April 2011 – L 4 KR 10/12 B ER – juris). Mit seiner Argumentation verkenne das SG auch Sinn und Zweck der beantragten Leistung. Es gehe bei einer dreiwöchigen Kurmaßnahme nicht um eine Komplettbehandlung auf psychischen oder orthopädischem Gebiet. Eine gutachterliche Stellungnahme des MDK zu den Voraussetzungen des § 41 SGB V liege nicht vor, da dieser eine solche Leistung gar nicht geprüft habe. Der Verweis der Antragsgegnerin auf den Rentenversicherungsträger sei nach § 14 Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) unzulässig.

Die Antragstellerinnen beantragten (sachdienlich gefasst),

den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen eine Mutter-Kind-Maßnahme als Rehabilitationsmaßnahme nach § 41 SGB V zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Es sei zwar zutreffend, dass eine Anrechenbarkeit von Leistungen nach § 24 SGB V auf solche nach § 41 SGB V nicht gegeben sei. Ungeachtet der vom MDK in seinem Gutachten vom 10. Januar 2017 nicht attestierten Dringlichkeit sei jedoch festzustellen, dass gutachtlicherseits die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Leistung als nicht erfüllt angesehen würden. Außerdem sei bei einer Antragstellung nach § 41 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 4 SGB V eine vorrangige Leistungserbringung über den Rentenversicherungsträger zu prüfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie der Verfahrensakten des Senats und des SG Bezug.

II.

1. Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerinnen ist zulässig, insbesondere statthaft. Sie ist nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, da der Wert der begehrten Sachleistung EUR 750,00 übersteigt.

2. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der Antragstellerinnen, die Antragsgegnerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zur Gewährung der Sachleistung einer Mutter-Kind-Maßnahme als Rehabilitationsmaßnahme für Mütter und Väter nach § 41 SGB V zu verpflichten. Nicht vom Begehren umfasst ist die Gewährung einer Mutter-Kind-Maßnahme als Leistung der medizinischen Vorsorge für Mütter oder Väter nach § 24 SGB V. Bei noch offenem Wortlaut im Antragsschreiben vom 10. Oktober 2016 ("Antrag auf eine Vorsorge-/ Rehabilitationsmaßnahme nach §§ 24/41 SGB V") ergibt sich aus den vorgelegten Attesten von Dr. S. vom 8. September 2016 für die Antragstellerin zu 3 und von dem Arzt K. vom 15. September 2016 für die Antragstellerin zu 1, dass eine Rehabilitationsmaßnahme nach § 41 SGB V befürwortet wird: Angekreuzt wurde jeweils die Rehabilitation nach § 41 SGB V, gerade nicht die Vorsorge nach § 24 SGB V. Bereits dies lässt eine entsprechende Auslegung anhand des erkennbaren Begehrens zu. In der Widerspruchsbegründung stellten Antragstellerinnen nochmals ausdrücklich klar, dass eine Rehabilitationsmaßnahme begehrt werde. Dem steht nicht entgegen, dass sie in ihrer Begründung im sozialgerichtlichen Verfahren vereinzelt – und unspezifisch – von einer "Vorsorgemaßnahme" gesprochen haben. Gerade die maßgebliche Begründung, dass die 2015 durchgeführte Vorsorgemaßnahme nicht bei der Vier-Jahres-Frist für die "begehrte Rehabilitationsmaßnahme" zu berücksichtigen sei (Seite 5 der Antragsschrift vom 3. Januar 2017), zeigt das auf eine Rehabilitationsmaßnahme nach § 41 SGB V beschränkte Begehren. Auf den entsprechenden richterlichen Hinweis im Beschwerdeverfahren haben auch die Antragstellerinnen nichts Anderes geltend gemacht.

3. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit – wie hier – nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache können auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden, solange jedenfalls nicht schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Kammerbeschlüsse vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris, Rn. 23 ff. und vom 25. Februar 2009 – 1 BvR 120/09 – juris, Rn. 11). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

b) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist bereits ein Anordnungsanspruch i.S.e. materiell-rechtlichen Leistungsanspruches nicht ausreichend glaubhaft gemacht.

aa) Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen gilt die begehrte Maßnahme nicht bereits wegen Nichteinhaltung der in § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V geregelten Entscheidungsfristen als genehmigt. Der Gesetzgeber hat bewusst Leistungen zur medizinischen Rehabilitation aus dem Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V ausgeklammert. Die Vorgaben für die Zuständigkeitsklärung bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 14 SGB IX) würden zur gesetzlichen Regelung der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V) nicht passen. Sie wären mit dem aufgezeigten Fristenregime des § 13 Abs. 3a SGB V nicht kompatibel (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R – juris, Rn. 14 f.).

bb) Die Voraussetzungen der begehrten Mutter-Kind-Maßnahme als Rehabilitationsmaßnahme sind derzeit nicht erfüllt. Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen (Abs. 1 Satz 2 Nr. 6). Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte unter den in § 27 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche Rehabilitationsleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung; die Leistung kann in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbracht werden.

Vorliegend fehlt es bereits an der notwendigen vertragsärztlichen Verordnung für die begehrte Rehabilitationsmaßnahme.

(1) Nach § 15 Abs. 1 SGB V wird die ärztliche Behandlung von Ärzten erbracht. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt angeordnet und von ihm verantwortet werden. Die Erforderlichkeit ärztlicher Verordnungen für die Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation ist durch § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 und 7 SGB V (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bzw. Behandlung in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen) noch einmal ausdrücklich bestimmt worden. Die Notwendigkeit der vertragsärztlichen Verordnung von Rehabilitationsmaßnahmen und weitere Anforderungen an die Verordnung und an den verordnenden Arzt ergeben sich aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Rehabilitations-Richtlinien – RehaRL –) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 SGB V vom 16. März 2004, zuletzt geändert am 15. Oktober 2015. Rehabilitationsleistungen nach § 41 SGB V werden vom Anwendungsbereich nicht nur des § 73 Abs. 2 SGB V, sondern auch dem der RehaRL ausdrücklich erfasst (§ 2 Abs. 3 RehaRL), die in § 2 Abs. 5 RehaRL die Notwendigkeit der Verordnung wiederholt. Erst durch die vertragsärztliche Verordnung wird das dem Versicherten durch § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V gewährte Rahmenrecht auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu einem Anspruch auf die vom Vertragsarzt bestimmte Rehabilitationsmaßnahme konkretisiert. Daraus folgt, dass dem Versicherten ohne vertragsärztliche Verordnung (noch) kein Anspruch auf die begehrte Rehabilitationsmaßnahme zusteht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – L 9 KR 463/16 B ER – juris, Rn. 8 f. sowie Urteil vom 19. Dezember 2007 – L 9 KR 150/03 – juris, Rn. 16 ff.).

(2) Weder die Atteste von Dr. S. vom 8. September und 29. November 2016 (bzgl. der Antragstellerin zu 3) noch das Attest des Arztes K. vom 15. September 2011 (bzgl. der Antragstellerin zu 1) enthalten Verordnung in diesem Sinne. Dagegen spricht bereits die jeweilige Bezeichnung als Attest und gerade nicht als Verordnung. Auch dem weiteren Inhalt der Atteste lässt sich lediglich entnehmen, dass diese Ärzte aus den dort genannten Gründen eine Mutter-Kind-Maßnahme als Rehabilitationsmaßnahme für sinnvoll oder erforderlich erachten. Es ist aber nicht erkennbar, dass sie diese Maßnahme auch tatsächlich anordnen und für die Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Maßnahme sowohl gegenüber dem Versicherten als auch gegenüber den Krankenkassen die Verantwortung übernehmen (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Bloße Empfehlungen oder gutachtliche Äußerungen genügen für eine Verordnung nicht. Für die Antragstellerin zu 2 wurde schon kein eigenständig zu behandelndes Erkrankungsbild angegeben, sondern lediglich die Unzumutbarkeit der Trennung von der Mutter geltend gemacht. Schon inhaltlich stellen die Atteste daher keine Verordnung dar. Die Verordnung hat des Weiteren – nach vorausgegangenen Beratungsgespräch – auf dem Verordnungsformular Muster 61 Teil B bis D zu erfolgen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 RehaRL). Dieser Form mit den dort vorgesehenen Angaben genügen die Atteste ebenfalls nicht.

cc) Ein Anspruch auf die begehrte Mutter-Kind-Maßnahme kommt auch nicht aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten in Betracht.

(1) Nach § 14 Abs. 1 SGB IX stellt der Rehabilitationsträger, wenn Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 SGB V. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu.

Eine Weiterleitung des bei ihr eingegangenen Rehabilitationsantrags vom 10. Oktober 2016 durch die Antragsgegnerin ist nicht erfolgt. Sie hat daher den Antrag unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, d.h. auch unter Beachtung der Leistungsgesetze anderer Rehabilitationsträger zu prüfen und gegebenenfalls danach Leistungen zu erbringen (Luik in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 81). In Betracht kommt vorliegend allein ein Anspruch nach dem für den Rentenversicherungsträger geltenden Leistungsrecht des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), auf dessen grundsätzlichen Vorrang nach § 40 Abs. 4 SGB V in § 14 Abs. 1 SGB IX ausdrücklich Bezug genommen wird.

(2) Ein Anspruch der Antragstellerinnen auf die begehrte Rehabilitationsmaßnahme nach den Vorschriften der §§ 9 ff. SGB VI ist nicht glaubhaft gemacht.

(a) Der Senat kann offen lassen, ob medizinische Rehabilitation für Mütter bzw. eine Mutter-Kind-Maßnahme vom Leistungsumfang der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt umfasst ist (so aber Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand März 2016, § 41 Rn. 15 m.w.N.).

(b) Leistungen zur Teilhabe – wie die hier begehrte medizinische Rehabilitation – nach dem für den Rentenversicherungsträger geltenden Leistungsrecht setzen nach § 10 SGB VI voraus, dass die Versicherten die persönlichen Voraussetzungen erfüllt haben. Dies erfordert u.a., dass deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Erwerbsfähigkeit ist die Fähigkeit, seinen bisherigen Beruf oder eine seiner Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit angemessene Erwerbs- oder Berufstätigkeit dauernd auszuüben. Maßgeblich ist die gegenwärtig oder zuletzt tatsächlich ausgeübte Tätigkeit, ohne dass es auf mögliche Verweisungstätigkeiten ankäme (Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 10 Rn. 31).

Eine erhebliche Gefährdung oder eine bereits eingetretene Minderung der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin zu 3 in ihrer beruflichen Tätigkeit als Dentalhygienikerin ist derzeit nicht erkennbar. Im Attest von Dr. S. vom 8. September 2016 wird lediglich auf eine Doppelbelastung durch Familie und Beruf verwiesen. Auswirkungen der von ihm beschriebenen Gesundheitsstörungen und Belastungssituationen gerade auf die berufliche Leistungsfähigkeit und die dauerhafte Erwerbsfähigkeit werden aber nicht angegeben. Nötig sei eine Rehabilitation, um eine Erkrankung zu heilen, zu bessern oder deren Verschlimmerung zu verhüten. Eine Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit wird nicht angeführt. Anderes ergibt sich auch nicht aus seinem weiteren Attest vom 29. November 2016. Die Antragstellerin zu 3 selbst hat in ihrer ausführlichen Selbstauskunft im Rahmen des Antrags vom 10. Oktober 2016 keine Angaben über Einschränkungen in ihrer beruflichen Tätigkeit gemacht, die eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit erkennen ließen. Auch im Beschwerdeverfahren wurde solches trotz des eigenen Hinweises auf § 14 SGB IX nicht geltend gemacht.

c) Einen Anordnungsgrund i.S.e. besonderen Eilbedürftigkeit haben die Antragstellerinnen nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Ihnen ist es zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Welche für sie nachteiligen Folgen konkret eintreten sollen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache abgewartet wird, haben die Antragstellerinnen nicht substantiiert dargelegt. Ihr Vorbringen erschöpft sich in der pauschalen Behauptung einer drohenden familiären Zerrüttung und einem allgemeinen Hinweis auf eine ebenfalls nicht konkretisierte Verletzung von Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 und Art 6 Abs. 1 und 4 GG. Den vorliegenden Attesten ist ebenfalls nicht zu entnehmen, welche konkreten gesundheitlichen Folgen bei einem erst späteren Einsetzen der begehrten Maßnahme einträten. Die Atteste des Arztes K. enthalten hierzu keinerlei Angaben. Gleiches gilt für das Attest von Dr. S. vom 8. September 2016. In seinem Attest vom 29. November 2016 beschränkt er sich auf die Annahme einer drohenden, aber nicht näher umrissenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes. In welchen zeitlichen Rahmen er mit einer solchen Verschlechterung rechnet, ist ebenfalls nicht erkennbar. Zwar spricht er eingangs des Attests von einer "absoluten Dringlichkeit". Am Ende bezieht er sich aber allein auf eine Notwendigkeit der Maßnahme "vor Ablauf der 3-Jahres-Wartezeit". Weshalb einer solchen Verschlechterung bis zu einem späteren Einsetzen der Maßnahme nicht durch ambulante ärztliche Behandlungen oder sonstige therapeutische Maßnahmen begegnet werden könnte, ist dem Attest nicht zu entnehmen. Ohnehin werden Befunde, die die behauptete Dringlichkeit stützten, nicht mitgeteilt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Begehren mittlerweile in der Hauptsache bereits im Klageverfahren vor dem SG anhängig ist. Es ist den Antragstellerinnen daher zumutbar, die Entscheidung in der bereits anhängigen Hauptsache abzuwarten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SSG).
Rechtskraft
Aus
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