L 5 R 429/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3227/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 429/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16.11.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung fremdrentenrechtlicher Zeiten.

Die 1949 geborene Klägerin stammt aus R ... Ausweislich ihrer Geburtsurkunde war ihr Vater T. und ihre Mutter U ... Am 10.04.1984 heiratete sie einen 1941 in B. geborenen deutschen Staatsangehörigen. Nach der Eheschließung verlegte die Klägerin am 06.12.1984 ihren Wohnsitz in das Bundesgebiet. Zum Zeitpunkt der Einreise war sie s. Staatsangehörige sowie t. oder u. Volkszugehörige. Obwohl die Ehe bereits 1987 geschieden wurde, verblieb die Klägerin im Bundesgebiet und wurde am 20.03.1995 durch die Stadt F. eingebürgert. Im Rahmen der Kontenklärung im Jahr 1996 machte sie widersprüchliche Angaben hinsichtlich ihrer Vertriebeneneigenschaft und der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis. Mit Bescheid vom 16.01.1997 stellte die damalige Landesversicherungsanstalt Sch.-H. die im hierzu beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten bis 31.12.1990 als für die Beteiligten verbindlich fest (Kontenklärungsbescheid). Die in R. zurückgelegten Beitrags- und Anrechnungszeiten könnten nicht anerkannt werden, weil die Klägerin die persönlichen Voraussetzungen des § 1 Fremdrentengesetz (FRG; z.B. Anerkennung als Spätaussiedlerin) nicht erfülle. Einen Antrag der Klägerin vom 07.09.2010 auf Rücknahme dieser Entscheidung und Anerkennung der in der ehemaligen S. zurückgelegten Zeiten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.02.2011 ab. Die Klägerin sei nicht in eigener Person als Vertriebene oder Spätaussiedlerin anerkannt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch nahm die Klägerin zurück.

Am 20.03.2012 reichte die Klägerin erneut einen Kontenklärungsantrag bei der Beklagten mit der Bitte um Antragstellung auf die Vertriebeneneigenschaft beim B. ein. Die Beklagte, die den Antrag als Überprüfungsantrag wertete, wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 24.04.2012 an das B. mit dem Ersuchen um Feststellung der Vertriebeneneigenschaft. Mit Schreiben vom 05.06.2012 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, die Klägerin besitze die Vertriebenen- oder Flüchtlingseigenschaft nicht.

Mit Bescheid vom 21.06.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersrente für Frauen ab 01.08.2012 und lehnte gleichzeitig die Rücknahme des Bescheides, mit dem die Anerkennung der im Herkunftsgebiet zurückgelegten Zeiten abgelehnt worden war, ab (Anlage 10). Mit dem Begehren auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung oder einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen erhob die Klägerin nach Durchlaufen des Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 23.08.2012) Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG; S 14 R 756/12). Das Gericht wies mit Gerichtsbescheid vom 10.04.2013 die Klage hinsichtlich der Rente wegen Erwerbsminderung mangels Erwerbsminderung und hinsichtlich der Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit der Begründung ab, die erforderliche Wartezeit von 35 Jahren sei nicht erfüllt, da die Beschäftigungszeiten in der ehemaligen S. nicht als rentenrechtliche Zeiten zu berücksichtigen seien. Die hiergegen zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG; L 2 R 1794/13) eingelegte Berufung nahm die Klägerin am 29.08.2013 wieder zurück.

Mit einem am 18.08.2015 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben machte die Klägerin erneut die Anerkennung ihrer russischen Zeiten (15 Jahre, 11 Monate und 1 Tag) geltend. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 26.08.2015 ab. Die Überprüfung des Bescheides vom 16.01.1997 habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei.

Die Klägerin legte hiergegen am 31.08.2015 Widerspruch ein und bezog sich auf ein von ihr an die Beigeladene gerichtetes Schreiben. Hierin führt sie u. a. aus, sie sei nie s. Staatsangehörige gewesen. Sie sei immer wie ihre Mutter U. gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 26.10.2015 erhob die Klägerin Klage zum SG. Zur Begründung trug sie nunmehr insbesondere vor, ihre Mutter habe den Mädchennamen W. getragen und deutsche Verwandte gehabt. Sie könne zwar keine Geburtsurkunde der Mutter vorlegen, sei aber der Auffassung, dass mit den von ihr vorgelegten Unterlagen die deutsche Abstammung nachgewiesen sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf die Feststellungen des B.

Mit Beschluss vom 17.03.2016 lud das SG die B. D. - B. - zum Rechtsstreit gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei.

Die Beigeladene stellte keinen ausdrücklichen Antrag. Sie verwies darauf, die Klägerin habe die ehemalige S. weder als deutsche Volkszugehörige noch als deutsche Staatsangehörige verlassen. Die Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) seien daher auf sie nicht anwendbar.

Mit Urteil vom 16.11.2016 wies das SG die Klage ab. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, in Abänderung des Bescheides vom 16.01.1997, die von der Klägerin in der ehemaligen S. zurückgelegten Beschäftigungszeiten als rentenrechtliche Zeiten nach Maßgabe des FRG anzuerkennen. Die Klägerin gehöre nicht zu dem Personenkreis, auf den das FRG gemäß dessen § 1 FRG Anwendung finde. Sie sei insbesondere weder Vertriebene im Sinne des § 1 BVFG noch Spätaussiedler im Sinne des § 4 BVFG. Die Klägerin sei im Dezember 1984, also nicht mehr im Zusammenhang mit den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges, aus der ehemaligen S. in das Bundesgebiet eingereist. Anlass sei die Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen gewesen. Zum Zeitpunkt der Ausreise nach Deutschland sei die Klägerin keine deutsche Staatsangehörige gewesen. Die Klägerin sei darüber hinaus auch nicht deutsche Volkszugehörige, so dass sie eine Rechtsstellung nach dem BVFG nicht erlangen könne. Deutscher Volkszugehöriger im Sinne dieses Gesetzes sei, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt habe, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt werde (§ 6 BVFG). Eines Hervortretens der Bekenntnislage nach außen bedürfe es im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Ablegung eines Bekenntnisses nach Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen nicht. Die Bekenntnislage sei somit eine Bewusstseinslage, die innerhalb der Familie auf das spätgeborene Kind überliefert werde; das Kind wachse in sie hinein, was bewirke, dass auch bei ihm das Bewusstsein vorhanden sei, dem deutschen Volke zuzugehören (so Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 02.12.1986, - 9 C 6/86 -, in juris). Der Begriff des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum werde vom Gesetzgeber in einem wertungsfreien Sinne verstanden. Sein Zweck beschränke sich auf die Ermöglichung einer tatbestandsmäßigen Abgrenzung desjenigen Personenkreises, der im Vertreibungsgebiet in der maßgebenden Zeit kurz vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen aufgrund seines damaligen Verhaltens der jeweiligen deutschen Volksgruppe zugerechnet worden sei (BVerwG, Urteil vom 17.10.1989, - 9 C 18/89 -, in juris). Die Klägerin berufe sich zur Begründung des Bekenntniszusammenhanges zunächst auf das Vorhandensein eines Verwandten, Herrn R. W., der wohl ein Cousin von ihr gewesen sei. Ihre Mutter sei sich aber auch nicht genau klar gewesen, wie das Verwandtschaftsverhältnis gestaltet gewesen sei. Nähere Feststellungen zu diesem Verwandten hätten nicht mehr getroffen werden können, da er in S. verstorben sei. Das sogenannte Bestätigungsmerkmal der ethnischen Abstammung von einem sogenannten volksdeutschen Elternteil sei damit nicht erfüllt. Es lasse sich auch nicht über die Mutter der Klägerin begründen. Insoweit lasse das Ergebnis der Beweisaufnahme eine deutsche Abstammung lediglich als möglich erscheinen. Die Klägerin behaupte zwar, ihr Großvater mütterlicherseits sei Deutscher gewesen. Er sei allerdings bereits in den Wirren der Oktoberrevolution erschossen worden, da er ein sogenannter "weißer" Offizier gewesen sei. Eine als wahr unterstellte Zugehörigkeit zur sogenannten weißen Armee oder weißen Garde belege aber lediglich eine Gegnerschaft zu den b. Kräften während des r. Bürgerkriegs und nicht etwa eine Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum. Die Darstellung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 16.11.2016, ihre Mutter habe ihr bereits im Alter von vier Jahren von deutschen Vorfahren berichtet und habe auch bereits in der ehemaligen S. mit ihr Deutsch gesprochen, erscheine zweifelhaft. Die Mutter der Klägerin habe nach deren Darstellung ihren Vater bereits im Alter von drei Jahren verloren. Ihre Mutter sei U. gewesen. Es erscheine kaum vorstellbar, dass die u. Großmutter der Klägerin nach dem frühen Tod ihres Ehemannes ihrer Tochter (der Mutter der Klägerin) ein Bekenntnis zur deutschen Sprache, Abstammung, Erziehung und Kultur vermittelt haben soll, das dann in der ehemaligen S. an die Klägerin weitergegeben worden sei. Weitergehende Schlussfolgerungen ergäben sich auch nicht aus der Schilderung der Klägerin, ihre Eltern seien 1941 von der K. zwangsweise nach U. umgesiedelt worden. Die Klägerin habe eine Kopie ihrer Geburtsurkunde vorgelegt, wonach ihre Mutter U. und ihr Vater T. gewesen sei. Die K. habe seit 1941 unter deutscher Besatzung gestanden, wobei die T. teils mit den deutschen Besatzern kollaboriert hätten. Eine deutsche Abstammung der Mutter der Klägerin hätte 1941 dementsprechend wohl kaum zur Deportation geführt. Es scheine eher wahrscheinlich, dass die Familie im Rahmen der allgemeinen Deportation der K.-T. nach Z. im Mai 1944 nach Rückeroberung der K. durch die Rote Armee verschleppt worden sei. Zusammenfassend ließe sich dem gesamten schriftlichen und mündlichen Vorbringen der Klägerin gegenüber der Beklagten, gegenüber der Beigeladenen und im Gerichtsverfahren lediglich die unbestimmte Ahnung entnehmen, dass wohl die Mutter der Klägerin und einzelne Vorfahren eine deutsche Volkszugehörigkeit gehabt haben könnten. Hierzu passe, dass sich die Klägerin bereits bei erstmaliger Kontenklärung im Jahre 1996 damit schwer getan habe, eindeutige Angaben zur Vertriebeneneigenschaft und zur Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis zu machen. Nachdem die Klägerin auch auf entsprechendes Befragen im vorliegenden Verfahren keine Möglichkeit gesehen habe, weitergehende Erkenntnisquellen zu benennen, ließen sich diese Unklarheiten letztlich nicht ausräumen. Im Ergebnis sei daher die Klägerin als ehemals r./s. Staatsangehörige zu behandeln, die erst nach einigen Jahren Aufenthalt in Deutschland eingebürgert worden sei. Mangels Zugehörigkeit R. zur Europäischen Union und mangels eines entsprechenden Sozialversicherungsabkommens zwischen Deutschland und R. könnten daher ihre in R. zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht im Rahmen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden.

Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 11.01.2017 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 25.01.2017 beim SG eingelegte Berufung, die dem Landessozialgericht Baden-Württemberg am 02.02.2017 zur Entscheidung vorgelegt wurde. Zur Begründung wiederholt die Klägerin ihren Vortrag aus dem Klage- und Verwaltungsverfahren und legt ergänzend verschiedene Kopien von Fotografien von bereits verstorbenen Personen vor, die zu Lebzeiten in der Lage gewesen wären, den Bezug zu Deutschland zu belegen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16.11.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 26.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 16.01.1997 abzuändern und ihre in der ehemaligen S. zurückgelegten Beschäftigungszeiten als rentenrechtliche Zeiten nach Maßgabe des Fremdrentengesetzes anzuerkennen,

hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16.11.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 26.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2015 aufzuheben sowie den Bescheid vom 21.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.08.2012 unter Anrechnung ihrer in der ehemaligen S. zurückgelegten Beschäftigungszeiten als rentenrechtliche Zeiten nach Maßgabe des Fremdrentengesetzes eine höhere Altersrente für Frauen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung des SG sei in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des SG in den Verfahren S 12 R 3227/15 und S 14 R 756/12 sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen und die Gerichtsakten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens im Hauptantrag ist der Bescheid vom 26.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2015 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Korrektur des Bescheids vom 16.01.1997 und die Anerkennung von der Klägerin in der ehemaligen S. zurückgelegten Beschäftigungszeiten als rentenrechtliche Zeiten nach Maßgabe des Fremdrentengesetzes abgelehnt hat. Zwar hat die Klägerin in ihrem Schreiben, welches am 18.08.2015 bei der Beklagten einging, nicht explizit auf die Entscheidung vom 16.01.1997 Bezug genommen. Nachdem die Beklagte jedoch in den streitgegenständlichen Bescheiden ausdrücklich die Überprüfung des Bescheids vom 16.01.1997 abgelehnt hat, hat die Klägerin dieser Auslegung nicht widersprochen, sondern sowohl im Widerspruchs- als auch im Klage- und Berufungsverfahren ihre Anträge hierauf ausdrücklich bezogen.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Bescheid vom 26.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung von ihr in der ehemaligen S. zurückgelegten Beschäftigungszeiten als rentenrechtliche Zeiten nach Maßgabe des Fremdrentengesetzes.

Verfahrensrechtliche Grundlage für das Überprüfungsbegehren der Klägerin ist die Bestimmung des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Hiernach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Soweit der zu überprüfende Bescheid allerdings gegenstandslos ist, scheidet eine Überprüfung aus.

Vorliegend ist der Bescheid vom 16.01.1997 durch den Rentenbescheid vom 21.06.2012 über die Zuerkennung einer Altersrente ersetzt worden. Damit kann der Bescheid vom 16.01.1997 bereits kein tauglicher Antragsgegenstand gem. § 44 SGB X sein. Zwar handelt es sich bei der Feststellung des Tatbestands einer rentenrechtlichen Zeit einerseits und der Rentenwertfestsetzung unter Berücksichtigung auch dieser Zeit andererseits nicht um Verwaltungsakte mit identischem Regelungsgehalt, doch stehen beide hinsichtlich ein und desselben Rechtsverhältnisses in einem Verhältnis sachlicher und zeitlicher Exklusivität zueinander. Während nämlich der Rentenversicherungsträger erstmals mit der "Feststellung einer Leistung" über Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten entscheidet (§ 149 Abs. 5 S. 3 SGB VI) und den Rentenwert bestimmen darf, bedarf es mit diesem Zeitpunkt umgekehrt keines diese Entscheidung nur vorbereitenden Verfahrens über die Feststellung einzelner wertbestimmender Umstände mehr. Hierzu ergangene Verwaltungsakte erledigen sich ungeachtet ihrer Anfechtung "auf andere Weise" (§ 39 Abs. 2 SGB X) und dürfen durch weitere Feststellungen einzelner wertbestimmender Elemente von vornherein nicht mehr ersetzt werden (LSG, Urteil vom 16.06.2015, - L 9 R 4225/11 -, in juris).

Darüber hinaus hat die Klägerin aber auch keinen Anspruch auf Anerkennung der in der S. zurückgelegten Beitragszeiten. Gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Voraussetzung hierfür ist, dass der Versicherte von dem in § 1 FRG genannten Personenkreis erfasst ist.

Hier kommt allein die Anwendbarkeit des § 1 Buchst. a FRG in Betracht. Danach findet das FRG auf Vertriebene im Sinne des § 1 BVFG sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 BVFG, die als solche in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt sind, Anwendung. Die Vertriebenen- oder Flüchtlingseigenschaft wird, wenn ein Antrag auf Ausweiserteilung nach § 15 BVFG nicht bis zum 01.01.1993 gestellt worden ist, gem. § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG nur noch auf Ersuchen einer Behörde, die für die Gewährung von Rechten und Vergünstigungen an Vertriebene oder Flüchtlinge zuständig ist, vom B. festgestellt. Hier hat die Klägerin vor dem 01.01.1993 keine Ausweiserteilung beantragt. Erst im Rahmen des Kontenklärungsverfahrens 1996/97 hat die Beigeladene die Anerkennung der Klägerin als Vertriebene geprüft. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung beim Senat hat die Beigeladene die Anerkennung der Klägerin als Vertriebene versagt.

Diese Feststellung der Beigeladenen kann nur im sozialgerichtlichen Verfahren auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.2006 - B 5 RJ 54/04 R -, juris). Aufgrund der Regelung in § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG entfällt jegliche unmittelbare Rechtsbeziehung des Betroffenen zur Vertriebenenbehörde; die Feststellung erfolgt vielmehr auf Ersuchen der Leistungsbehörde als verwaltungsinterne Mitwirkungshandlung ausschließlich dieser gegenüber und stellt mangels unmittelbarer Rechtswirkung im Verhältnis zum Bürger keinen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X dar. Die Entscheidung über die Anerkennung als Vertriebener ist nach der ab dem 01.01.1993 geltenden Rechtslage ein unselbstständiger Teil des Verfahrens bei der Leistungsbehörde (BSG, Urteil vom 31.03.2006 - B 5 RJ 54/04 R, juris Rn 18). Hieraus folgt, dass die Entscheidung der Vertriebenenbehörde zur Anerkennung des Vertriebenenstatus im sozialgerichtlichen Verfahren voll umfänglich überprüft werden kann. Anderenfalls wäre die Gesetzesanwendung durch die Vertriebenenbehörde jeglicher gerichtlicher Kontrolle entzogen. Das Gesetz bietet dafür, dass diese Rechtswirkung beabsichtigt sein sollte, keinerlei Anhaltspunkte; sie wäre auch nicht mit Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) zu vereinbaren (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.2006, a.a.O. Rn 21).

Die hier allein in Betracht kommende Anerkennung der Versicherten als Vertriebene ist von der Beigeladenen rechtmäßig abgelehnt worden. Die Klägerin ist keine deutsche Staatsangehörige im Sinne des § 1 BVFG, da sie die deutsche Staatsangehörigkeit erst in Deutschland erworben hat, und auch nicht deutsche Volkszugehörige, da die Voraussetzungen des § 6 BVFG nicht erfüllt sind. Gem. § 6 BVFG ist deutscher Volkszugehöriger im Sinne des BVFG, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird. Der Begriff des deutschen Volkszugehörigen in § 6 BVFG ist ein Rechtsbegriff, und zwar in erster Linie ein Bekenntnisbegriff (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.06.1995 - 9 C 392/94 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr 78 und juris Rn 21 m.w.N.). Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum, das Bekenntnisfähigkeit voraussetzt und kurz vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen vorgelegen haben muss, setzt sich zusammen aus einer inneren Tatsache, nämlich dem von einem entsprechenden Bewusstsein getragenen Willen, ausschließlich dem deutschen Volk als einer national geprägten Kulturgemeinschaft anzugehören, und einer äußeren Tatsache, nämlich der Verlautbarung dieser Bewusstseinslage nach außen. Lässt sich dies unmittelbar feststellen, genügt es, wenn nur eines der in § 6 BVFG genannten Bestätigungsmerkmale vorliegt, wobei die ethnische Abstammung von nur einem deutschen Elternteil ausreicht, um die Verbindung zum deutschen Volkstum zu verdeutlichen und die subjektive Bekenntnislage als ernsthaft auszuweisen. Wenn sich ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht unmittelbar feststellen lässt, kommt der deutschen Sprache als Muttersprache oder bevorzugter Umgangssprache ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.06.1995, a.a.O., juris Rn 21).

Der Vertriebeneneigenschaft der Klägerin steht nicht bereits entgegen, dass sie erst im Jahre 1949 geboren worden ist und damit in dem maßgebenden Zeitpunkt kurz vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen ein nach § 6 BVFG erforderliches Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht hat ablegen können. Die fehlende Bekenntnisfähigkeit der Klägerin hat indes zur Folge, dass es auf die volkstumsmäßige Bekenntnislage innerhalb ihrer Familie zu diesem Zeitpunkt ankommt, die ihr zugerechnet wird. Sie wäre volksdeutsch, wenn beide Elternteile kurz vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen infolge eines zuvor abgelegten Bekenntnisses zum deutschen Volkstum deutsche Volkszugehörige waren oder der dem deutschen Volkstum zugehörende Elternteil für die Bekenntnislage in der Familie prägend war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.02.1997 - 9 B 634/97 -, juris Rn 4; Urteil vom 15.05. 1990 - 9 C 51/89 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr 64 und juris Rn 13). Da der Vater der Klägerin unbestritten kein deutscher Volkszugehöriger war, kommt als maßgebende Bezugsperson nur die Mutter in Betracht, die das Familienleben geprägt und ein bis zum Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen aufrechterhaltenes Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgelegt haben müsste. Ein Bekenntnis in diesem Sinne kann sich unmittelbar aus Tatsachen ergeben (unmittelbare Feststellung eines Bekenntnissachverhalts). Das ist zum einen dann der Fall, wenn jemand bei Volkszählungen oder bei anderen Gelegenheiten im Heimatstaat seine Volkszugehörigkeit mit Deutsch angegeben hat (ausdrückliches Bekenntnis). Es liegt weiter vor, wenn sich jemand zum deutschen und keinem anderen Volkstum zugehörend angesehen, sich in seiner ganzen Lebensführung entsprechend dieser Einstellung nach außen erkennbar verhalten hat und dementsprechend im Vertreibungsgebiet von seiner Umgebung als Volksdeutscher angesehen worden ist (Bekenntnis durch schlüssiges Gesamtverhalten). Schließlich kann ein Bekenntnis mittelbar aus hinreichend vorhandenen Indizien, namentlich den in § 6 BVFG genannten objektiven Bestätigungsmerkmalen gefolgert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1989 - 9 C 18.89 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr 62 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Aus den vorhandenen Unterlagen lässt sich im Falle der Mutter der Klägerin ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht herleiten. Ausweise oder andere Urkunden, aus denen sich unmittelbar das Bekenntnis zum deutschen Volkstum ergibt, liegen nicht vor. Ferner liegen keine Indizien vor, aus denen die namentlich in § 6 BVFG genannten objektiven Bestätigungsmerkmalen gefolgert werden können.

Lässt sich anhand äußerer Umstände ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht unmittelbar feststellen, kommt der deutschen Sprache als Muttersprache oder bevorzugter Umgangssprache wesentliche Bedeutung zu. Hier hat die Klägerin als Muttersprache der Mutter jedoch nicht allein die deutsche Sprache als Muttersprache angegeben, so dass kein Indiz zur Zugehörigkeit ausschließlich zum deutschen Volkstum daraus abgeleitet werden kann. Eine solche erscheint auch vor dem Hintergrund fraglich, dass nach dem Vorbringen der Klägerin die Volkszugehörigkeit auf den Großvater mütterlicherseits zurückzuführen sei. Dieser starb jedoch nach den Angaben der Klägerin als ihre Mutter 3 Jahre alt war. Eine Prägung der Familie nach dem frühen Tod des Vaters der Gestalt, dass dieser auch weiterhin für die Bekenntnislage in der Familie prägend war und diese an die Tochter weitergegeben hat, erscheint wenig wahrscheinlich. Die Darstellung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 16.11.2016, ihre Mutter habe ihr bereits im Alter von vier Jahren von deutschen Vorfahren berichtet und habe auch bereits in der ehemaligen S. mit ihr Deutsch gesprochen, erscheint ebenfalls zweifelhaft. Es erscheint kaum vorstellbar, dass die u. Großmutter der Klägerin nach dem frühen Tod ihres Ehemannes ihrer Tochter (der Mutter der Klägerin) ein Bekenntnis zur deutschen Sprache, Abstammung, Erziehung und Kultur vermittelt haben soll, das dann in der ehemaligen S. das Familienleben der Klägerin geprägt hat und an sie weitergegeben worden sein soll. Weitere Indizien für die Verwendung der deutschen Sprache, z.B. in deutscher Sprache abgefasste Briefe aus der Zeit der Vertreibungsmaßnahmen, liegen im Übrigen nicht vor.

Nachweise für eine deutsche Abstammung der Klägerin gibt es ebenfalls nicht. Der Vater der Klägerin war T. und die Mutter U ... Soweit die Klägerin auf ihren Großvater mütterlicherseits verweist, begründet sie dies lediglich mit dem Hinweis, dass dieser ein sogenannter "weißer" Offizier gewesen sein. Zutreffend weist das SG jedoch darauf hin, dass diese Behauptung nicht nachgewiesen ist und zum anderen keine Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum nachweist. Weitergehende Schlussfolgerungen ergeben sich auch nicht aus der Schilderung der Klägerin, ihre Eltern seien 1941 von der K. zwangsweise nach U. umgesiedelt worden. Die K. stand 1941 unter deutscher Besatzung, wobei die T. teils mit den deutschen Besatzern kollaborierten. Eine deutsche Abstammung der Mutter der Klägerin hätte 1941 dementsprechend wohl kaum zur Deportation geführt.

Zutreffend hat das SG im Übrigen auch in einer Gesamtschau des Vorbringens der Klägerin keinen Nachweis deutscher Volkszugehörigkeit entnommen. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei angemerkt, dass auch die im Berufungsverfahren eingereichten Fotografien nicht in der Lage sind, einen entsprechenden Nachweis zu liefern. Diesen kann keine für den Prozess relevante Information entnommen werden. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergänzend darauf hingewiesen hat, dass keine weiteren Informationen über die Volkszugehörigkeit vorgelegt werden könnten, da alle Verwandten und Bekannten zwischenzeitlich verstorben seien und die deutsche Volkszugehörigkeit nicht gelebt worden sei, um eine Verfolgung zu vermeiden, kann auch dies nicht als Nachweis genügen. Vielmehr spricht dies gerade gegen eine deutsche Volkszugehörigkeit der Klägerin, wie sie nach der oben zitierten Rechtsprechung und der Gesetzesfassung erforderlich wäre.

Auch die Anerkennung als Ehegattin eines Vertriebenen (§ 1 Abs. 3 BVFG) kommt nicht in Betracht, da der ehemalige Ehemann der Klägerin 1941 in B. geboren wurde und nach Kriegsende seinen Wohnsitz im späteren Bundesgebiet hatte. Auch der Ehemann ist kein Vertriebener.

Soweit die Klägerin mit ihrem Hilfsantrag die Gewährung einer höheren Rente begehrt, dürfte dies bereits deshalb ausscheiden, da der Bescheid vom 21.06.2012 bestandskräftig wurde und nicht vom Antrag der Klägerin gem. § 44 SGB X erfasst sein dürfte. Dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da nach den obigen Ausführungen die Anerkennung der begehrten Zeiten nach dem FRG nicht in Betracht kommt. Die Gewährung einer höheren Rente unter Berücksichtigung dieser Zeiten nach dem FRG scheidet damit aus. Anderweitige Gründe für die Gewährung einer höheren Altersrente für Frauen sind weder dargelegt noch ersichtlich.

Damit ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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