Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 1217/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2743/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 14. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt (zuletzt) die Erstattung der Kosten für die Durchführung von Liposuktionen in Höhe von insgesamt EUR 13.010,14.
Die Klägerin ist am 1979 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Sie beantragte am 30. Dezember 2015 bei der Beklagten unter Vorlage von Kostenvoranschlägen des Facharztes für Chirurgie, Lymphologe Dr. St. die Übernahme der Kosten für die Durchführung von Liposuktionen an den Hüften, Ober- und Unterschenkeln sowie den Armen als Sachleistung. Zur Begründung führte sie aus, bei ihr sei 2005 ein Lipödem diagnostiziert worden, das nur durch eine Liposuktion gelindert werden könne. Durch den vermehrten Umfang ihrer Extremitäten komme es zu starken Beeinträchtigungen im Alltag sowie bei ihrer beruflichen Tätigkeit als Bankangestellte. Ihre Oberschenkel rieben aneinander, die Hosen scheuerten. Die Innenseite ihrer Oberschenkel werde wund. Der Heilungsprozess werde immer wieder durch erneutes Aufscheuern verzögert. Zudem habe sie oft blaue Flecken an den Beinen, die nach leichten Berührungen und ohne ersichtlichen Grund aufträten. Es liege die Vermutung nahe, dass sich aus einer Venenentzündung eine Thrombose entwickelt habe. Eine Verbindung mit dem Lipödemen hätten die Ärzte nicht ausschließen können. Aufgrund des Umfangs der Oberarme sei die Manschette der beim Blutdruckmessen immer zu klein. Seit der (erstmaligen) Diagnose trage sie jeden Tag flachgestrickte Kompressionsstrümpfe und Hosen. Auch das Sitzen auf einem Bürostuhl sei mit Schmerzen und Druckstellen verbunden. Sie fürchte, berufsunfähig zu werden. Aus ärztlicher Sicht könnten die bestehenden Beschwerden durch konservative Therapie nicht behandelt und verbessert werden. Dies ergebe sich aus der beigefügten Stellungnahme des Dr. St. vom 3. November 2015. Ferner fügte sie Arztbriefe des Facharztes für Innere Medizin Dr. M. vom 17. Dezember 2014 (Diagnosen: Ausgeprägtes Lipödem-Syndrom mit orthostatischer Schwellneigung, beginnende Besenreiservaricosis, Adipositas Grad III, BMI 45 km/qm), der Fachärztin für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie PD Dr. G., B. Blutgerinnung U., vom 14. Juni 2011 (Diagnose: Lungenarterienembolie unter hormoneller Kontrazeption im Mai 2010 nach vorausgegangener Thrombophlebitis im April 2010), des Facharztes für Innere Medizin Chefarzt Dr. I., Kreiskliniken B., vom 21. Mai 2010 (Diagnosen: beidseitig ausgeprägte rechtsbetonte Lungenarterienembolien mit Betonung auf den Unterlappen, geringer aber auch in den Oberlappen und im Mittellappen, Adipositas permagna, Nikotinabusus) und vom 12. August 2010 (Diagnosen: Zustand nach Lungenembolie, Adipositas Grad II, eventuell Anithrombin-III-Mangel), des Facharztes für Chirurgie und Phlebologie Dr. H. vom 4. Mai 2010 (Diagnose: Lipödem, Varicosis links, Zustand nach Thrombophlebitis links), der Ärztin für Innere Medizin Dr. F. vom 23. August 2005 (Diagnosen: Ausgeprägtes Lipödem-Syndrom mit orthostatischer Ödemneigung, beginnende Besenreiservaricosis, Adipositas) sowie diverse Laborbefunde und einschlägige Fachliteratur bei.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. Br. (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg [MDK] Ulm) unter dem 15. Januar 2016 ein ärztliches Gutachten. Die Klägerin leide an einem ausgeprägten Lipödem-Syndrom, Adipositas permagna sowie einer beginnenden Besenreiservaricosis. Bei der Liposuktion handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Bei Lymphödemen stünden die Lymphdrainage und die Kompressionsbehandlung als vertragliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung und könnten vertragsärztlich erbracht werden. Im Vordergrund stehe auch die massive Adipositas. Hier sei ein Stufenprogramm mit multimodaler Therapie gemäß den Leitlinien der Deutschen Adipositas Gesellschaft vorrangig. Ob durch den Einsatz der Liposuktion eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe, sei streitig. Die von Dr. St. angegebene Veröffentlichung, die den Unterlagen beigefügt sei, stelle lediglich eine Expertenmeinung dar. Nach der Evidenzklassifikation des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) handele es sich bei dieser Stellungnahme um eine Veröffentlichung der Evidenzklasse V (Evidenzklasse: I hohe Evidenz bis V niedrigste Stufe). Für eine Methodenbewertung im GBA seien Meinungen von Einzelnen nicht relevant und auswertbar. Entscheidungsleitend könnten nur vergleichende Studien sein, möglichst prospektiv, randomisiert und verblindet. Eine akut lebensbedrohliche, notstandsähnliche Situation liege nicht vor. Diese trete auch bei Nicht-Anwendung der beantragten Methode nicht ein. Auch liege keine Entstellung vor. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass Dr. Sch., Leiter der Privatklinik "H.-Klinik, Fachklinik für Liposuktion" in L., bei massivem Übergewicht ("ab 120 kg in manchen Fällen auch darunter") von einer Liposuktion abrate. In diesen Fällen sei das Unterhautfettgewebe so stark vermehrt, dass für die Tumeszenz-Lokalanästhesie extrem große, eventuell sogar toxisch wirkende Betäubungsmittelmengen notwendig wären. Auch weise dieser darauf hin, dass es bisher nicht nachgewiesen sei, dass eine Progression der Erkrankung sicher verhindert habe werden können. Damit seien in der Folge weitere Liposuktionen erforderlich.
Die Beklagte lehnte daraufhin die Kostenübernahme mit Bescheid vom 20. Januar 2016 ab. Da es sich bei der Liposuktion um ein noch nicht ausreichend erprobtes neues Verfahren handele, für das der GBA noch keine Empfehlung abgegeben habe, scheide eine Kostenübernahme aus. Therapiemaßnahmen für die beim BUB-Ausschuss noch kein Antrag auf Prüfung gestellt worden sei, dürfe sie nicht über nehmen. Auch liege kein Ausnahmefall entsprechende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vor.
Hiergegen erhob die Klägerin am 5. Februar 2016 Widerspruch und führte aus, der GBA habe im Mai 2014 ein Beratungsverfahren zur operativen Behandlung des Lipödems mittels Fettabsaugung eingeleitet. Dieses Prüfverfahren dauere nunmehr schon mehrere Monate an. Mangels Einblick in die Arbeitsweise des GBA und den Stand des dortigen Verfahrens müsse davon ausgegangen werden, dass hier ein sogenanntes Systemversagen vorliege. Im Übrigen sei aufgrund einer grundrechtsorientierten Auslegung nach dem Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, juris) ein Anspruch auf Kostenübernahme gegeben. Die Erkrankung sei zumindest wertungsmäßig mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbar. Die vorgesehene Liposuktion habe eine spürbare positive Auswirkung auf das Krankheitsbild und lindere nachweislich die damit verbundenen Beschwerden. Die vom MDK vorgeschlagene Gewichtsabnahme sowie die empfohlene Lymphdrainage eigneten sich nur zur Linderung, nicht aber zur Beseitigung der Beschwerden. Auch die Fettvermehrung könne dadurch nicht beeinflusst werden.
Dr. B. vom MDK F. erstellt im Auftrag der Beklagten unter dem 4. März 2016 ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage. Die Klägerin leide an einem Lipödem-Syndrom sowie einer Adipositas permagna (BMI 45 kg/qm). Ein behandlungsbedürftiger Zustand sei nicht ableitbar. Auch Arbeitsunfähigkeit sei durch das attestierte Lipödemen nicht nachweisbar. Organpathologische Veränderungen mit Funktionsdefiziten seien nicht dokumentiert. Geschildert werde ein Wundreiben an den Oberschenkeln, dermatologische Behandlungen fänden jedoch nicht statt. Die geschilderten Venenentzündungen seien nicht ursächlich auf das Lipödemen zurückzuführen. Aus subjektiv gutachterlicher Sicht sei nach den eingereichten Bildern von einer Normvariante der Natur zu sprechen, eine Entstellung liege nicht vor. Die Präsentationsflächen der Persönlichkeit wie Gesicht und Hände seien nicht betroffen, der Befund könne durch geeignete Kleidung verdeckt werden, eine negative Auswirkung auf soziale Kontakte sei nicht zwingend zu erwarten. Aus der Aktenlage sei nicht ersichtlich, ob spezielle schulmedizinische/vertragsmedizinische Therapien angeboten und ausgeschöpft worden seien. Nach Durchführung einer Literatur-Recherche zur Liposuktion und Sichtung der Präsenz der Liposuktion in Leitlinien sowie der Auswertung von Risiken und Nebenwirkungen der Liposuktion führte Dr. B. aus, die Aussagen zur Liposuktion in den nicht evidenzbasierten Leitlinien seien als Beleg einer etablierten Standardtherapie im Sinne der Verfahrensordnung des GBA ungeeignet. Es liege auch kein Systemversagen vor. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) selbst festgestellt (Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – juris), so dass nicht von einer Leistungspflicht der Beklagten auszugehen sei. Im Übrigen liege eine lebensbedrohliche notstandsähnliche Situation unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben des BVerfG nicht vor. Eine solche trete auch nicht ein, sofern die beantragte Behandlungsmethode nicht gewährt werde. Vielmehr sei die begehrte Liposuktion eine Therapieform der ästhetischen oder plastischen Chirurgie.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin unter Bezugnahme auf die Gutachten des MDK von Dr. Br. und Dr. B. mit Widerspruchsbescheid vom 12. April "2015" (gemeint wohl 2016) zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 19. April 2016 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrags führte sie aus, das Verfahren vor dem GBA sei nicht zeitgerecht durchgeführt worden. Bei Ablehnung des Widerspruchs sei die Beklagte hierauf nicht eingegangen. Ebenso habe sich die Beklagte mit dem Einwand, dass es sich bei dem Lipödem um eine Erkrankung handele, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbar sei, nicht beschäftigt. Im Übrigen ergebe sich aus dem vorgelegten Rechtsgutachten des Dr. Björn Diering (Die Liposuktion bei einem Lipödem als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung), dass eine demokratische Legitimation des GBA nicht bestehe. In der Folge käme es letztlich bei der Beurteilung des Falles nicht darauf an, welche Behandlungsmethoden der GBA empfohlen oder abgelehnt habe. Entscheidend dürfte dann lediglich sein, ob es sich bei dem zu behandelnden Lipödem um eine behandlungsbedürftige Krankheit handele, für die es eine Behandlungsmethode gebe. Diese sei die Liposuktion.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2016 ab. Eine Liposuktion im Rahmen der ambulanten ärztlichen Krankenbehandlung scheitere schon daran, dass es sich bei der nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) enthaltene vertragsärztlichen Leistungen um eine neue Behandlungsmethode handele, die nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden darf, wenn der GBA in den Richtlinien entsprechende Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben habe, woran es bei der Liposuktion fehle (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – juris; BSG, Beschluss vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 78/11 B – juris; Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Februar 2015 – L 5 KR 199/14 – juris). Die Klägerin könne die Leistung auch nicht aufgrund der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) beanspruchen. Abgesehen davon, dass die Beklagte nach Einholung eines MDK-Gutachtens über den am 30. Dezember 2015 eingegangenen Antrag am 20. Januar 2016, und damit innerhalb der Fristen entschieden habe, sei auch der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V nicht eröffnet. § 13 Abs. 3a SGB V greife nämlich nicht bei jeglichen Leistungsanträgen ein, sondern nur dann, wenn sich der Antrag auf Leistungen beziehe, die grundsätzlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörten, von den Krankenkassen also allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen seien (LSG Baden- Württemberg, Beschluss vom 29. April 2016 – L 4 KR 4368/15 – juris m.w.N.), was hier gerade nicht der Fall sei. Ein Ausnahmefall, in welchem die positive Empfehlung entbehrlich sei, liege nicht vor, insbesondere bestehe der geltend gemachte Systemmangel nicht. Ein solcher könne angenommen werden, wenn das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde, was zunächst voraussetze, dass neue oder schon vorhandene, aber bislang nicht berücksichtigte Erkenntnisse vorlägen, die die antragsberechtigten Stellen zu einem Tätigwerden veranlassen. Schon hierfür bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte, wie sich zusammenfassend aus der Aktualisierung des Primärgutachtens vom 6. Oktober 2011 "Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe SEG 7 "Methoden- und Produktbewertung" vom 15. Januar 2015 ergebe. Darüber hinaus habe der GBA am 22. Mai 2014 beschlossen, den Antrag auf Bewertung der Liposuktion bei Lipödem anzunehmen, das Beratungsverfahren durchzuführen und den Unterausschuss Methodenbewertung zu beauftragen, was ebenfalls gegen einen Systemmangel spreche (Thüringer LSG, Beschluss vom 20. April 2015 – L 6 KR 1935/12 B – juris). Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 2 Abs. la Satz 1 SGB V. Insoweit habe der MDK nachvollziehbar beschrieben, dass weder eine lebensbedrohliche, noch eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliege und der Eintritt einer solchen auch nicht drohe. Weiterhin habe der MDK überzeugend dargelegt, dass dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen zur Verfügung stünden, die in Anspruch zu nehmen seien. Im Übrigen setze sich die Klägerin nicht damit auseinander, dass der MDK darauf hingewiesen habe, dass eine Liposuktion bei einem BMI von über 30 kg/qm als kontraindiziert erscheine. Beide Erwägungen des MDK würden durch die Sl-Leitlinie Lipödem der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (Stand 10/2015) gestützt. In dieser würden zum einen die physikalischen Maßnahmen in Form der kombinierten physikalischen Entstauungstherapie (KPE) beschrieben (Ziffer 8.1) und zum anderen ausgeführt, dass eine Liposuktion dann angezeigt sei, wenn trotz konsequent durchgeführter konservativer Therapie noch Beschwerden bestünden bzw. wenn eine Progredienz von Befund und/oder Beschwerden bestehe (Ziffer 8.2). Letztlich werde dort auch ausgeführt, dass zu einer kritischen Indikationsstellung bei einem Körpergewicht ) 120 kg oder einem BMI ) 32 kg/qm zu raten und dass eine begleitend bestehende morbide Adipositas vor einer Liposuktion therapeutisch anzugehen sei. Die Liposuktion erweise sich auch nicht als Methode zur Gewichtsreduktion, wobei bei ausgeprägtem Lipödem bzw. Lipolymphödem nach erfolgreicher Entstauung und Gewichtsreduktion große, schlaffe Gewebesäcke zurück bleiben könnten, bei denen eine anschließende plastisch-chirurgische Dermolipektomie unter Schonung der Lymphgefäße sinnvoller sein könne, als eine Liposuktion (Ziffer 8.2 am Ende). Aus dem vorgelegten Gutachten ergebe sich nichts anderes. Es bestünden zudem keine Bedenken, dem GBA die Befugnis zu übertragen, den Leistungsumfang durch Richtlinien nach § 92 SGB V zu regeln. Bemerkenswert sei, dass die Klägerin einerseits eine fehlende demokratische Legitimation bemängele, andererseits aufgrund der Beachtung umfangreicher Beteiligungs- und Anhörungsrechte, die gerade der Legitimierung dienten, in der unvermeidlichen zeitlichen Dauer des GBA-Verfahrens einen Systemmangel begründet sehen möchte.
Gegen den ihr am 15. Juni 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15. Juli 2016 Berufung eingelegt. Gestützt auf diverse sozialgerichtliche Urteile verfolgt sie ihr Begehren weiter. Zwischenzeitlich habe sie die geplanten Liposuktionen durchführen lassen. Die Behandlungen sind ausweislich der vorgelegten Rechnungen des Dr. St. am 15. März, 12. April und 9. Mai 2016 ambulant erfolgt. Hierfür sind Kosten in Höhe von EUR 5.004,55, EUR 5.004,55 und EUR 3.001,04 (insgesamt EUR 13.010,14) angefallen. Gerügt werde ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 14. Juni 2016 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2016 zu verurteilen, ihr EUR 13.010,14 zu zahlen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Insbesondere sei ein Systemversagen nicht erkennbar.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A. Die gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da die Klägerin Leistungen von mehr als EUR 750,00 begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), nämlich einen Betrag von EUR 13.010,14.
B. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2016 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat rechtmäßig die Gewährung der Liposuktion als ambulante Sachleistung abgelehnt; der Klägerin steht nach Durchführung der operativen Maßnahmen im März, April und Mai 2016 kein Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Kosten zu. Dies gilt mit Blick sowohl auf § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Var SGB V (dazu unter 1.) als auch auf § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V (dazu unter 2.).
1. Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin folgt nicht aus § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Var. SGB V. Nach dieser Norm sind dem Versicherten die für eine von ihm selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, die Leistung notwendig und die Ablehnung für die Entstehung der Kosten ursächlich war.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin eine Liposuktion der Hüften, Ober- und Unterschenkel sowie der Arme zu gewähren. Deshalb kann die Klägerin auch nicht beanspruchen, dass ihr die Kosten, die durch die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind, von der Beklagten erstattet werden.
Da der Anspruch auf Kostenerstattung nicht weiter reicht als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch, setzt der Kostenerstattungsanspruch nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 16/07 R – juris, und 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R – juris). Daran fehlt es hier (dazu unter a). Ein Anspruch folgt auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V (dazu unter b).
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V). Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Der Anspruch eines Versicherten auf (ambulante) Behandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R –, 28. September 2010 – B 1 KR 5/10 R – und 11. September 2012 – B 1 KR 9/12 R – alle juris). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R – und 6. März 2012 – B 1 KR 17/11 R – beide juris; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 – L 4 KR 3386/08 – nicht veröffentlicht; Hessisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 15. April 2013 – L 1 KR 119/11 – juris).
Bei der Klägerin bestand eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V. Sie litt an einem Lipödem-Syndrom der Hüften, beider Ober- und Unterschenkel sowie der Arme. Dies ergibt sich aus den Gutachten des Dr. Br. vom 15. Januar 2016 sowie der Dr. B. vom 4. März 2016. Das Beschwerdebild stellt eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V dar, denn der insoweit bei der Klägerin vorliegende körperliche Zustand war mit Blick auf die geklagten Schmerzen, die eine Beeinträchtigung von Körperfunktionen darstellen, ein regelwidriger Zustand, der einer körperlichen Behandlung bedarf.
Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der ihr durch die ambulant durchgeführten Liposuktion entstandenen Kosten (vgl. z.B. Urteil des Senats vom 12. Februar 2014 – L 4 KR 4163/11 – nicht veröffentlicht und Beschluss des Senats vom 25. Januar 2016 – L 4 KR 3825/15 – nicht veröffentlicht; vgl. auch Urteil des Senats vom 1. März 2013 – L 4 KR 3517/11 – und Beschluss vom 13. September 2016 – L 4 KR 320/16 – beide juris). Der Behandlungsanspruch eines Versicherten bei Vorliegen einer Krankheit unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Beschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein (zum Ganzen: z.B. BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –, 3. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R – und 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R – alle juris). Zu beachten sind schließlich auch die Regelungen des Leistungserbringerrechts (Viertes Kapitel des SGB V, §§ 69 bis 140h SGB V), insbesondere auch die Regelungen über die Qualitätssicherung.
a) Für den ambulanten Bereich ist insoweit das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu beachten. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zulasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch nur dann zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R –, 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 R –, 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –, 3. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R – und 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R –, alle juris). Die entsprechende Richtlinie ist seit 1. April 2006 die Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung (Methoden-Richtlinie), zuvor die Richtlinien zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien). An die Entscheidungen des GBA sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R – juris). Ohne befürwortende Entscheidung des GBA kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (BSG, Urteile vom 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 R –, 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –, 3. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R – und 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R – alle juris).
aa) Der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V ist vorliegend einschlägig. Eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode in diesem Sinne ist die auf einem theoretisch-wissenschaftlichen Konzept beruhende systematische Vorgehensweise der Untersuchung und Behandlung einer Krankheit (BSG, Urteile vom 23. Juli 1998 – B 1 KR 19/96 R – und 28. März 2000 – B 1 KR 11/98 R – beide juris). Neu in diesem Sinne ist eine ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethode dann, wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im EBM aufgeführt wird und somit nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist (vgl. § 9 Abs. 1 Buchst. a der Verfahrensordnung des GBA; auch BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 12/06 R – juris).
Diese Voraussetzungen sind für die Liposuktion gegeben. Bei der Liposuktion handelt es sich um eine eigenständige Behandlungsmethode. Diese Behandlungsmethode ist auch neu. Denn sie ist im EBM nicht als abrechnungsfähige Leistung erfasst. Eine Empfehlung des GBA für die Liposuktion liegt nicht vor. In der hier maßgeblichen Methoden-Richtlinie in der Fassung vom 17. Januar 2006 ist eine Prüfung und positive Bewertung der Liposuktion nicht enthalten.
bb) Ihren Anspruch auf Kostenerstattung der erfolgten ambulanten Behandlung mit Liposuktion kann die Klägerin auch nicht auf ein Systemversagen stützen. Ein solches liegt nicht vor.
Eine Leistungspflicht der Krankenkasse kann ausnahmsweise bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BSG, Urteile vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R –, 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 R – und 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R –, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor (ebenso etwa LSG Bayern, Beschluss vom 8. April 2015 – L 5 KR 81/14 – juris). Das BSG hatte in seinem Urteil vom 16. Dezember 2008 (B 1 KR 11/08 R – juris) und in seinem Beschluss vom 10. Mai 2012 (B 1 KR 78/11 B – juris) keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles gesehen. Inzwischen hat der GBA mit Beschluss vom 22. Mai 2014 die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens beschlossen; auch dies steht der Annahme eines Systemversagens entgegen (ebenso LSG Thüringen, Beschluss vom 20. April 2015 – L 6 KR 1935/12 B – juris). Im Übrigen könnte sich die Klägerin auf eine Positivempfehlung des GBA nicht stützen, denn maßgeblich ist, ob ein Anspruch zum Zeitpunkt der Behandlung - im März, April und Mai 2016 - bestanden hat (LSG Bayern, Beschluss vom 8. April 2015 – L 5 KR 81/14 – juris, m.w.N.).
cc) Auch um einen sogenannten Seltenheitsfall, in dem sich eine Krankheit und ihre Behandlung einer systematischen Erforschung entzieht und bei dem eine erweiterte Leistungspflicht der Krankenkassen in Betracht zu ziehen wäre (BSG, Urteil vom 27. März 2007 – B 1 KR 17/06 R –juris), handelt es sich vorliegend nicht. Die bei der Klägerin vorliegende Krankheit (Lipödem der Hüften, Ober- und Unterschenkel sowie der Arme) ist keine seltene Erkrankung.
b) Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 2 Abs. 1a SGB V, eingefügt durch Art. 1 Nr. 1 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2983) mit Wirkung vom 1. Januar 2012, berufen. Nach § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Diese Vorschrift setzt die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 – juris) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG (z.B. BSG, Urteile vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R – und Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – alle juris) zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden, die Untersuchungsmethoden einschließen würden, in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung um. Der vom BVerfG entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen GBA bisher nicht anerkannt sind, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (BSG, Urteile vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R –, vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – und vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 26/12 R – alle juris). Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten Off-Label-Use formuliert ist (BSG a.a.O.). Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen u.a. nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 BvR 2056/12 – juris). Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten.
Einen solchen Schweregrad erreichte das Lipödem-Syndrom der Klägerin nicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – juris). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob konservative Therapien für die Klägerin als allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungen erfolgsversprechend zur Verfügung gestanden haben.
c) Dass das Begehren der Klägerin keinen Erfolg hat, ergibt sich auch aus dem von ihr vorgelegten Rechtsgutachten des Dr. Diering. Danach ist die Liposuktion als ambulante Behandlung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (S. 4 des Gutachtens): Auch liegen danach die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V nicht vor (S. 7 des Gutachtens).
2. Ein Anspruch der Klägerin folgt auch nicht aus § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V. Denn die Beklagte entschied vor Ablauf der dreiwöchigen Frist.
Gemäß § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V, der mit Wirkung zum 26. Februar 2013 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013 (BGBl. I S. 277) eingefügt worden ist, hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs. 3a Satz 3 SGB V). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse gemäß § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.
Ein Antrag im Sinne des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V lag mit dem Schreiben der Klägerin vom 28. Dezember 2015, das ausweislich des Eingangstempels am 30. Dezember 2015 bei der Beklagten einging, vor. Die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V begann damit am 31. Dezember 2015 zu laufen (§ 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]; vgl. BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R – juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Mai 2014 – L 5 KR 222/14 B ER –juris; Noftz, in: Hauck/Noftz [Hrsg.], § 13 SGB V Rn. 58i [März 2014]). Die dreiwöchige Frist endete damit am 21. Januar 2016 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Die (ablehnende) Entscheidung erfolgte mit Bescheid vom 20. Januar 2016.
Für den vorliegenden Fall ist es damit unerheblich, ob der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V bei Anträgen wegen einer Liposuktion überhaupt eröffnet ist (verneinend Beschluss des Senats vom 29. April 2016 – L 4 KR 4368/15 – juris und Beschluss vom 13. September 2016 – L 4 KR 320/16 – juris).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
D. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt (zuletzt) die Erstattung der Kosten für die Durchführung von Liposuktionen in Höhe von insgesamt EUR 13.010,14.
Die Klägerin ist am 1979 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Sie beantragte am 30. Dezember 2015 bei der Beklagten unter Vorlage von Kostenvoranschlägen des Facharztes für Chirurgie, Lymphologe Dr. St. die Übernahme der Kosten für die Durchführung von Liposuktionen an den Hüften, Ober- und Unterschenkeln sowie den Armen als Sachleistung. Zur Begründung führte sie aus, bei ihr sei 2005 ein Lipödem diagnostiziert worden, das nur durch eine Liposuktion gelindert werden könne. Durch den vermehrten Umfang ihrer Extremitäten komme es zu starken Beeinträchtigungen im Alltag sowie bei ihrer beruflichen Tätigkeit als Bankangestellte. Ihre Oberschenkel rieben aneinander, die Hosen scheuerten. Die Innenseite ihrer Oberschenkel werde wund. Der Heilungsprozess werde immer wieder durch erneutes Aufscheuern verzögert. Zudem habe sie oft blaue Flecken an den Beinen, die nach leichten Berührungen und ohne ersichtlichen Grund aufträten. Es liege die Vermutung nahe, dass sich aus einer Venenentzündung eine Thrombose entwickelt habe. Eine Verbindung mit dem Lipödemen hätten die Ärzte nicht ausschließen können. Aufgrund des Umfangs der Oberarme sei die Manschette der beim Blutdruckmessen immer zu klein. Seit der (erstmaligen) Diagnose trage sie jeden Tag flachgestrickte Kompressionsstrümpfe und Hosen. Auch das Sitzen auf einem Bürostuhl sei mit Schmerzen und Druckstellen verbunden. Sie fürchte, berufsunfähig zu werden. Aus ärztlicher Sicht könnten die bestehenden Beschwerden durch konservative Therapie nicht behandelt und verbessert werden. Dies ergebe sich aus der beigefügten Stellungnahme des Dr. St. vom 3. November 2015. Ferner fügte sie Arztbriefe des Facharztes für Innere Medizin Dr. M. vom 17. Dezember 2014 (Diagnosen: Ausgeprägtes Lipödem-Syndrom mit orthostatischer Schwellneigung, beginnende Besenreiservaricosis, Adipositas Grad III, BMI 45 km/qm), der Fachärztin für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie PD Dr. G., B. Blutgerinnung U., vom 14. Juni 2011 (Diagnose: Lungenarterienembolie unter hormoneller Kontrazeption im Mai 2010 nach vorausgegangener Thrombophlebitis im April 2010), des Facharztes für Innere Medizin Chefarzt Dr. I., Kreiskliniken B., vom 21. Mai 2010 (Diagnosen: beidseitig ausgeprägte rechtsbetonte Lungenarterienembolien mit Betonung auf den Unterlappen, geringer aber auch in den Oberlappen und im Mittellappen, Adipositas permagna, Nikotinabusus) und vom 12. August 2010 (Diagnosen: Zustand nach Lungenembolie, Adipositas Grad II, eventuell Anithrombin-III-Mangel), des Facharztes für Chirurgie und Phlebologie Dr. H. vom 4. Mai 2010 (Diagnose: Lipödem, Varicosis links, Zustand nach Thrombophlebitis links), der Ärztin für Innere Medizin Dr. F. vom 23. August 2005 (Diagnosen: Ausgeprägtes Lipödem-Syndrom mit orthostatischer Ödemneigung, beginnende Besenreiservaricosis, Adipositas) sowie diverse Laborbefunde und einschlägige Fachliteratur bei.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. Br. (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg [MDK] Ulm) unter dem 15. Januar 2016 ein ärztliches Gutachten. Die Klägerin leide an einem ausgeprägten Lipödem-Syndrom, Adipositas permagna sowie einer beginnenden Besenreiservaricosis. Bei der Liposuktion handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Bei Lymphödemen stünden die Lymphdrainage und die Kompressionsbehandlung als vertragliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung und könnten vertragsärztlich erbracht werden. Im Vordergrund stehe auch die massive Adipositas. Hier sei ein Stufenprogramm mit multimodaler Therapie gemäß den Leitlinien der Deutschen Adipositas Gesellschaft vorrangig. Ob durch den Einsatz der Liposuktion eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe, sei streitig. Die von Dr. St. angegebene Veröffentlichung, die den Unterlagen beigefügt sei, stelle lediglich eine Expertenmeinung dar. Nach der Evidenzklassifikation des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) handele es sich bei dieser Stellungnahme um eine Veröffentlichung der Evidenzklasse V (Evidenzklasse: I hohe Evidenz bis V niedrigste Stufe). Für eine Methodenbewertung im GBA seien Meinungen von Einzelnen nicht relevant und auswertbar. Entscheidungsleitend könnten nur vergleichende Studien sein, möglichst prospektiv, randomisiert und verblindet. Eine akut lebensbedrohliche, notstandsähnliche Situation liege nicht vor. Diese trete auch bei Nicht-Anwendung der beantragten Methode nicht ein. Auch liege keine Entstellung vor. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass Dr. Sch., Leiter der Privatklinik "H.-Klinik, Fachklinik für Liposuktion" in L., bei massivem Übergewicht ("ab 120 kg in manchen Fällen auch darunter") von einer Liposuktion abrate. In diesen Fällen sei das Unterhautfettgewebe so stark vermehrt, dass für die Tumeszenz-Lokalanästhesie extrem große, eventuell sogar toxisch wirkende Betäubungsmittelmengen notwendig wären. Auch weise dieser darauf hin, dass es bisher nicht nachgewiesen sei, dass eine Progression der Erkrankung sicher verhindert habe werden können. Damit seien in der Folge weitere Liposuktionen erforderlich.
Die Beklagte lehnte daraufhin die Kostenübernahme mit Bescheid vom 20. Januar 2016 ab. Da es sich bei der Liposuktion um ein noch nicht ausreichend erprobtes neues Verfahren handele, für das der GBA noch keine Empfehlung abgegeben habe, scheide eine Kostenübernahme aus. Therapiemaßnahmen für die beim BUB-Ausschuss noch kein Antrag auf Prüfung gestellt worden sei, dürfe sie nicht über nehmen. Auch liege kein Ausnahmefall entsprechende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vor.
Hiergegen erhob die Klägerin am 5. Februar 2016 Widerspruch und führte aus, der GBA habe im Mai 2014 ein Beratungsverfahren zur operativen Behandlung des Lipödems mittels Fettabsaugung eingeleitet. Dieses Prüfverfahren dauere nunmehr schon mehrere Monate an. Mangels Einblick in die Arbeitsweise des GBA und den Stand des dortigen Verfahrens müsse davon ausgegangen werden, dass hier ein sogenanntes Systemversagen vorliege. Im Übrigen sei aufgrund einer grundrechtsorientierten Auslegung nach dem Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, juris) ein Anspruch auf Kostenübernahme gegeben. Die Erkrankung sei zumindest wertungsmäßig mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbar. Die vorgesehene Liposuktion habe eine spürbare positive Auswirkung auf das Krankheitsbild und lindere nachweislich die damit verbundenen Beschwerden. Die vom MDK vorgeschlagene Gewichtsabnahme sowie die empfohlene Lymphdrainage eigneten sich nur zur Linderung, nicht aber zur Beseitigung der Beschwerden. Auch die Fettvermehrung könne dadurch nicht beeinflusst werden.
Dr. B. vom MDK F. erstellt im Auftrag der Beklagten unter dem 4. März 2016 ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage. Die Klägerin leide an einem Lipödem-Syndrom sowie einer Adipositas permagna (BMI 45 kg/qm). Ein behandlungsbedürftiger Zustand sei nicht ableitbar. Auch Arbeitsunfähigkeit sei durch das attestierte Lipödemen nicht nachweisbar. Organpathologische Veränderungen mit Funktionsdefiziten seien nicht dokumentiert. Geschildert werde ein Wundreiben an den Oberschenkeln, dermatologische Behandlungen fänden jedoch nicht statt. Die geschilderten Venenentzündungen seien nicht ursächlich auf das Lipödemen zurückzuführen. Aus subjektiv gutachterlicher Sicht sei nach den eingereichten Bildern von einer Normvariante der Natur zu sprechen, eine Entstellung liege nicht vor. Die Präsentationsflächen der Persönlichkeit wie Gesicht und Hände seien nicht betroffen, der Befund könne durch geeignete Kleidung verdeckt werden, eine negative Auswirkung auf soziale Kontakte sei nicht zwingend zu erwarten. Aus der Aktenlage sei nicht ersichtlich, ob spezielle schulmedizinische/vertragsmedizinische Therapien angeboten und ausgeschöpft worden seien. Nach Durchführung einer Literatur-Recherche zur Liposuktion und Sichtung der Präsenz der Liposuktion in Leitlinien sowie der Auswertung von Risiken und Nebenwirkungen der Liposuktion führte Dr. B. aus, die Aussagen zur Liposuktion in den nicht evidenzbasierten Leitlinien seien als Beleg einer etablierten Standardtherapie im Sinne der Verfahrensordnung des GBA ungeeignet. Es liege auch kein Systemversagen vor. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) selbst festgestellt (Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – juris), so dass nicht von einer Leistungspflicht der Beklagten auszugehen sei. Im Übrigen liege eine lebensbedrohliche notstandsähnliche Situation unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben des BVerfG nicht vor. Eine solche trete auch nicht ein, sofern die beantragte Behandlungsmethode nicht gewährt werde. Vielmehr sei die begehrte Liposuktion eine Therapieform der ästhetischen oder plastischen Chirurgie.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin unter Bezugnahme auf die Gutachten des MDK von Dr. Br. und Dr. B. mit Widerspruchsbescheid vom 12. April "2015" (gemeint wohl 2016) zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 19. April 2016 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrags führte sie aus, das Verfahren vor dem GBA sei nicht zeitgerecht durchgeführt worden. Bei Ablehnung des Widerspruchs sei die Beklagte hierauf nicht eingegangen. Ebenso habe sich die Beklagte mit dem Einwand, dass es sich bei dem Lipödem um eine Erkrankung handele, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbar sei, nicht beschäftigt. Im Übrigen ergebe sich aus dem vorgelegten Rechtsgutachten des Dr. Björn Diering (Die Liposuktion bei einem Lipödem als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung), dass eine demokratische Legitimation des GBA nicht bestehe. In der Folge käme es letztlich bei der Beurteilung des Falles nicht darauf an, welche Behandlungsmethoden der GBA empfohlen oder abgelehnt habe. Entscheidend dürfte dann lediglich sein, ob es sich bei dem zu behandelnden Lipödem um eine behandlungsbedürftige Krankheit handele, für die es eine Behandlungsmethode gebe. Diese sei die Liposuktion.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2016 ab. Eine Liposuktion im Rahmen der ambulanten ärztlichen Krankenbehandlung scheitere schon daran, dass es sich bei der nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) enthaltene vertragsärztlichen Leistungen um eine neue Behandlungsmethode handele, die nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden darf, wenn der GBA in den Richtlinien entsprechende Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben habe, woran es bei der Liposuktion fehle (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – juris; BSG, Beschluss vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 78/11 B – juris; Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Februar 2015 – L 5 KR 199/14 – juris). Die Klägerin könne die Leistung auch nicht aufgrund der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) beanspruchen. Abgesehen davon, dass die Beklagte nach Einholung eines MDK-Gutachtens über den am 30. Dezember 2015 eingegangenen Antrag am 20. Januar 2016, und damit innerhalb der Fristen entschieden habe, sei auch der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V nicht eröffnet. § 13 Abs. 3a SGB V greife nämlich nicht bei jeglichen Leistungsanträgen ein, sondern nur dann, wenn sich der Antrag auf Leistungen beziehe, die grundsätzlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörten, von den Krankenkassen also allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen seien (LSG Baden- Württemberg, Beschluss vom 29. April 2016 – L 4 KR 4368/15 – juris m.w.N.), was hier gerade nicht der Fall sei. Ein Ausnahmefall, in welchem die positive Empfehlung entbehrlich sei, liege nicht vor, insbesondere bestehe der geltend gemachte Systemmangel nicht. Ein solcher könne angenommen werden, wenn das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde, was zunächst voraussetze, dass neue oder schon vorhandene, aber bislang nicht berücksichtigte Erkenntnisse vorlägen, die die antragsberechtigten Stellen zu einem Tätigwerden veranlassen. Schon hierfür bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte, wie sich zusammenfassend aus der Aktualisierung des Primärgutachtens vom 6. Oktober 2011 "Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe SEG 7 "Methoden- und Produktbewertung" vom 15. Januar 2015 ergebe. Darüber hinaus habe der GBA am 22. Mai 2014 beschlossen, den Antrag auf Bewertung der Liposuktion bei Lipödem anzunehmen, das Beratungsverfahren durchzuführen und den Unterausschuss Methodenbewertung zu beauftragen, was ebenfalls gegen einen Systemmangel spreche (Thüringer LSG, Beschluss vom 20. April 2015 – L 6 KR 1935/12 B – juris). Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 2 Abs. la Satz 1 SGB V. Insoweit habe der MDK nachvollziehbar beschrieben, dass weder eine lebensbedrohliche, noch eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliege und der Eintritt einer solchen auch nicht drohe. Weiterhin habe der MDK überzeugend dargelegt, dass dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen zur Verfügung stünden, die in Anspruch zu nehmen seien. Im Übrigen setze sich die Klägerin nicht damit auseinander, dass der MDK darauf hingewiesen habe, dass eine Liposuktion bei einem BMI von über 30 kg/qm als kontraindiziert erscheine. Beide Erwägungen des MDK würden durch die Sl-Leitlinie Lipödem der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (Stand 10/2015) gestützt. In dieser würden zum einen die physikalischen Maßnahmen in Form der kombinierten physikalischen Entstauungstherapie (KPE) beschrieben (Ziffer 8.1) und zum anderen ausgeführt, dass eine Liposuktion dann angezeigt sei, wenn trotz konsequent durchgeführter konservativer Therapie noch Beschwerden bestünden bzw. wenn eine Progredienz von Befund und/oder Beschwerden bestehe (Ziffer 8.2). Letztlich werde dort auch ausgeführt, dass zu einer kritischen Indikationsstellung bei einem Körpergewicht ) 120 kg oder einem BMI ) 32 kg/qm zu raten und dass eine begleitend bestehende morbide Adipositas vor einer Liposuktion therapeutisch anzugehen sei. Die Liposuktion erweise sich auch nicht als Methode zur Gewichtsreduktion, wobei bei ausgeprägtem Lipödem bzw. Lipolymphödem nach erfolgreicher Entstauung und Gewichtsreduktion große, schlaffe Gewebesäcke zurück bleiben könnten, bei denen eine anschließende plastisch-chirurgische Dermolipektomie unter Schonung der Lymphgefäße sinnvoller sein könne, als eine Liposuktion (Ziffer 8.2 am Ende). Aus dem vorgelegten Gutachten ergebe sich nichts anderes. Es bestünden zudem keine Bedenken, dem GBA die Befugnis zu übertragen, den Leistungsumfang durch Richtlinien nach § 92 SGB V zu regeln. Bemerkenswert sei, dass die Klägerin einerseits eine fehlende demokratische Legitimation bemängele, andererseits aufgrund der Beachtung umfangreicher Beteiligungs- und Anhörungsrechte, die gerade der Legitimierung dienten, in der unvermeidlichen zeitlichen Dauer des GBA-Verfahrens einen Systemmangel begründet sehen möchte.
Gegen den ihr am 15. Juni 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15. Juli 2016 Berufung eingelegt. Gestützt auf diverse sozialgerichtliche Urteile verfolgt sie ihr Begehren weiter. Zwischenzeitlich habe sie die geplanten Liposuktionen durchführen lassen. Die Behandlungen sind ausweislich der vorgelegten Rechnungen des Dr. St. am 15. März, 12. April und 9. Mai 2016 ambulant erfolgt. Hierfür sind Kosten in Höhe von EUR 5.004,55, EUR 5.004,55 und EUR 3.001,04 (insgesamt EUR 13.010,14) angefallen. Gerügt werde ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 14. Juni 2016 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2016 zu verurteilen, ihr EUR 13.010,14 zu zahlen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Insbesondere sei ein Systemversagen nicht erkennbar.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A. Die gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da die Klägerin Leistungen von mehr als EUR 750,00 begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), nämlich einen Betrag von EUR 13.010,14.
B. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2016 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat rechtmäßig die Gewährung der Liposuktion als ambulante Sachleistung abgelehnt; der Klägerin steht nach Durchführung der operativen Maßnahmen im März, April und Mai 2016 kein Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Kosten zu. Dies gilt mit Blick sowohl auf § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Var SGB V (dazu unter 1.) als auch auf § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V (dazu unter 2.).
1. Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin folgt nicht aus § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Var. SGB V. Nach dieser Norm sind dem Versicherten die für eine von ihm selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, die Leistung notwendig und die Ablehnung für die Entstehung der Kosten ursächlich war.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin eine Liposuktion der Hüften, Ober- und Unterschenkel sowie der Arme zu gewähren. Deshalb kann die Klägerin auch nicht beanspruchen, dass ihr die Kosten, die durch die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind, von der Beklagten erstattet werden.
Da der Anspruch auf Kostenerstattung nicht weiter reicht als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch, setzt der Kostenerstattungsanspruch nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 16/07 R – juris, und 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R – juris). Daran fehlt es hier (dazu unter a). Ein Anspruch folgt auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V (dazu unter b).
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V). Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Der Anspruch eines Versicherten auf (ambulante) Behandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R –, 28. September 2010 – B 1 KR 5/10 R – und 11. September 2012 – B 1 KR 9/12 R – alle juris). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R – und 6. März 2012 – B 1 KR 17/11 R – beide juris; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 – L 4 KR 3386/08 – nicht veröffentlicht; Hessisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 15. April 2013 – L 1 KR 119/11 – juris).
Bei der Klägerin bestand eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V. Sie litt an einem Lipödem-Syndrom der Hüften, beider Ober- und Unterschenkel sowie der Arme. Dies ergibt sich aus den Gutachten des Dr. Br. vom 15. Januar 2016 sowie der Dr. B. vom 4. März 2016. Das Beschwerdebild stellt eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V dar, denn der insoweit bei der Klägerin vorliegende körperliche Zustand war mit Blick auf die geklagten Schmerzen, die eine Beeinträchtigung von Körperfunktionen darstellen, ein regelwidriger Zustand, der einer körperlichen Behandlung bedarf.
Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der ihr durch die ambulant durchgeführten Liposuktion entstandenen Kosten (vgl. z.B. Urteil des Senats vom 12. Februar 2014 – L 4 KR 4163/11 – nicht veröffentlicht und Beschluss des Senats vom 25. Januar 2016 – L 4 KR 3825/15 – nicht veröffentlicht; vgl. auch Urteil des Senats vom 1. März 2013 – L 4 KR 3517/11 – und Beschluss vom 13. September 2016 – L 4 KR 320/16 – beide juris). Der Behandlungsanspruch eines Versicherten bei Vorliegen einer Krankheit unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Beschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein (zum Ganzen: z.B. BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –, 3. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R – und 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R – alle juris). Zu beachten sind schließlich auch die Regelungen des Leistungserbringerrechts (Viertes Kapitel des SGB V, §§ 69 bis 140h SGB V), insbesondere auch die Regelungen über die Qualitätssicherung.
a) Für den ambulanten Bereich ist insoweit das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu beachten. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zulasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch nur dann zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R –, 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 R –, 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –, 3. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R – und 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R –, alle juris). Die entsprechende Richtlinie ist seit 1. April 2006 die Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung (Methoden-Richtlinie), zuvor die Richtlinien zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien). An die Entscheidungen des GBA sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R – juris). Ohne befürwortende Entscheidung des GBA kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (BSG, Urteile vom 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 R –, 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –, 3. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R – und 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R – alle juris).
aa) Der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V ist vorliegend einschlägig. Eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode in diesem Sinne ist die auf einem theoretisch-wissenschaftlichen Konzept beruhende systematische Vorgehensweise der Untersuchung und Behandlung einer Krankheit (BSG, Urteile vom 23. Juli 1998 – B 1 KR 19/96 R – und 28. März 2000 – B 1 KR 11/98 R – beide juris). Neu in diesem Sinne ist eine ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethode dann, wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im EBM aufgeführt wird und somit nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist (vgl. § 9 Abs. 1 Buchst. a der Verfahrensordnung des GBA; auch BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 12/06 R – juris).
Diese Voraussetzungen sind für die Liposuktion gegeben. Bei der Liposuktion handelt es sich um eine eigenständige Behandlungsmethode. Diese Behandlungsmethode ist auch neu. Denn sie ist im EBM nicht als abrechnungsfähige Leistung erfasst. Eine Empfehlung des GBA für die Liposuktion liegt nicht vor. In der hier maßgeblichen Methoden-Richtlinie in der Fassung vom 17. Januar 2006 ist eine Prüfung und positive Bewertung der Liposuktion nicht enthalten.
bb) Ihren Anspruch auf Kostenerstattung der erfolgten ambulanten Behandlung mit Liposuktion kann die Klägerin auch nicht auf ein Systemversagen stützen. Ein solches liegt nicht vor.
Eine Leistungspflicht der Krankenkasse kann ausnahmsweise bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BSG, Urteile vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R –, 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 R – und 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R –, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor (ebenso etwa LSG Bayern, Beschluss vom 8. April 2015 – L 5 KR 81/14 – juris). Das BSG hatte in seinem Urteil vom 16. Dezember 2008 (B 1 KR 11/08 R – juris) und in seinem Beschluss vom 10. Mai 2012 (B 1 KR 78/11 B – juris) keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles gesehen. Inzwischen hat der GBA mit Beschluss vom 22. Mai 2014 die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens beschlossen; auch dies steht der Annahme eines Systemversagens entgegen (ebenso LSG Thüringen, Beschluss vom 20. April 2015 – L 6 KR 1935/12 B – juris). Im Übrigen könnte sich die Klägerin auf eine Positivempfehlung des GBA nicht stützen, denn maßgeblich ist, ob ein Anspruch zum Zeitpunkt der Behandlung - im März, April und Mai 2016 - bestanden hat (LSG Bayern, Beschluss vom 8. April 2015 – L 5 KR 81/14 – juris, m.w.N.).
cc) Auch um einen sogenannten Seltenheitsfall, in dem sich eine Krankheit und ihre Behandlung einer systematischen Erforschung entzieht und bei dem eine erweiterte Leistungspflicht der Krankenkassen in Betracht zu ziehen wäre (BSG, Urteil vom 27. März 2007 – B 1 KR 17/06 R –juris), handelt es sich vorliegend nicht. Die bei der Klägerin vorliegende Krankheit (Lipödem der Hüften, Ober- und Unterschenkel sowie der Arme) ist keine seltene Erkrankung.
b) Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 2 Abs. 1a SGB V, eingefügt durch Art. 1 Nr. 1 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2983) mit Wirkung vom 1. Januar 2012, berufen. Nach § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Diese Vorschrift setzt die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 – juris) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG (z.B. BSG, Urteile vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R – und Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – alle juris) zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden, die Untersuchungsmethoden einschließen würden, in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung um. Der vom BVerfG entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen GBA bisher nicht anerkannt sind, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (BSG, Urteile vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R –, vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – und vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 26/12 R – alle juris). Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten Off-Label-Use formuliert ist (BSG a.a.O.). Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen u.a. nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 BvR 2056/12 – juris). Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten.
Einen solchen Schweregrad erreichte das Lipödem-Syndrom der Klägerin nicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – juris). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob konservative Therapien für die Klägerin als allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungen erfolgsversprechend zur Verfügung gestanden haben.
c) Dass das Begehren der Klägerin keinen Erfolg hat, ergibt sich auch aus dem von ihr vorgelegten Rechtsgutachten des Dr. Diering. Danach ist die Liposuktion als ambulante Behandlung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (S. 4 des Gutachtens): Auch liegen danach die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V nicht vor (S. 7 des Gutachtens).
2. Ein Anspruch der Klägerin folgt auch nicht aus § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V. Denn die Beklagte entschied vor Ablauf der dreiwöchigen Frist.
Gemäß § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V, der mit Wirkung zum 26. Februar 2013 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013 (BGBl. I S. 277) eingefügt worden ist, hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs. 3a Satz 3 SGB V). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse gemäß § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.
Ein Antrag im Sinne des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V lag mit dem Schreiben der Klägerin vom 28. Dezember 2015, das ausweislich des Eingangstempels am 30. Dezember 2015 bei der Beklagten einging, vor. Die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V begann damit am 31. Dezember 2015 zu laufen (§ 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]; vgl. BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R – juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Mai 2014 – L 5 KR 222/14 B ER –juris; Noftz, in: Hauck/Noftz [Hrsg.], § 13 SGB V Rn. 58i [März 2014]). Die dreiwöchige Frist endete damit am 21. Januar 2016 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Die (ablehnende) Entscheidung erfolgte mit Bescheid vom 20. Januar 2016.
Für den vorliegenden Fall ist es damit unerheblich, ob der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V bei Anträgen wegen einer Liposuktion überhaupt eröffnet ist (verneinend Beschluss des Senats vom 29. April 2016 – L 4 KR 4368/15 – juris und Beschluss vom 13. September 2016 – L 4 KR 320/16 – juris).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
D. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
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