Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 4246/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 3015/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nummer 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1973 geborene Kläger war von September 1992 bis Juni 1993 als Schreiner sowie anschließend bis Mai 1995 als Maurer beschäftigt. Seit Juni 1995 ist er als Kranführer bei der Firma A., Altensteig beschäftigt. Am 13.01.2014 erstellte der HNO-Arzt Dr. B. eine ärztliche Anzeige über eine BK. Es liege eine Hochtonschwerhörigkeit beidseits vor, die der Kläger auf den Lärm auf der Baustelle zurückführe. Nach Befragung des Klägers sowie auf Grundlage von Lärmmessungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen kam der Präventionsdienst der Beklagten zu dem Ergebnis, dass der Kläger als Schreiner einem auf 8 Stunden bezogenen Tages-Lärmexpositionspegel von 90 dB(A) ausgesetzt gewesen sei. Als Maurer im Zeitraum Juli 1993 bis Mai 1995 sei er einem Beurteilungspegel von 83 bis 92 dB(A) ausgesetzt gewesen. Als Kranführer sei von einem Beurteilungspegel von 84 dB(A) auszugehen. Im Rahmen einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26.03.2014 gelangte der HNO-Arzt Prof. Dr. C. unter Auswertung einer audiometrischen Untersuchung vom 19.02.2001, einer weiteren audiometrischen Untersuchung vom 22.10.2011 sowie einer audiometrischen Untersuchung vom 29.10.2013 zu dem Ergebnis, dass das erste Tonaudiogramm, zeitlich am nächsten zum Lärmarbeitsende liegend, keine lärmtypischen Veränderungen zeige, sondern eine beginnende pancochleäre Schwerhörigkeit mit mäßiger Zunahme der Hörminderung zu den hohen Frequenzen. Eine ganz erhebliche Zunahme erfahre die Schwerhörigkeit des Klägers dann in der lärmfreien Zeit bis zum Audiogramm, das 2011 erstellt worden sei. Das Tonaudiogramm von Februar 2013 sei wenig aussagefähig, da es zu den beiden vorausgegangenen Audiogrammen nicht passe.
Mit Bescheid vom 04.04.2014 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass u.a. konkrete Messungen an der Arbeitsstelle bei der Firma A. nicht erfolgt seien. Tatsächlich liege die maßgebliche Lärmbelastung bei der Tätigkeit als Kranführer mit Fernsteuerung über dem maßgeblichen Grenzwert von 84 dB(A), da er sich als Kranführer mit Fernsteuerung ständig inmitten der Baustelle befinde und somit sämtliche dort auftretende Lärmpegel und Lärmbeeinträchtigungen auf ihn einwirken würden. Dies betreffe beispielsweise das Betonieren, Einschalen, Eisenbiegen und Eisenflechten. Betroffen seien auch Arbeiten mit Vorhämmern, Presslufthämmern, Rüttelmaschinen und dergleichen mehr. Von einer lärmfreien Zeit könne mithin nicht ausgegangen werden. In einer weiteren Stellungnahme des Präventionsdienstes führte dieser aus, dass nach Befragung des Arbeitgebers u.a. davon auszugehen sei, dass der Kläger auch angemietete Krane von der Kranführerkabine aus bedient habe. Für diese Arbeitsplätze liege jedoch ein Lärmbeurteilungspegel der Liste des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) von 80 dB(A) vor. Diesen äußerst wichtigen Punkt habe der Kläger bei seiner Befragung unerwähnt gelassen. Im Übrigen seien die in der Widerspruchsbegründung angegebenen lärmintensiven Arbeiten in den Lärmexpositionspegeln des IFA berücksichtigt. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2014 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 16.12.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er bei der Firma A. einem gehörschädigenden Lärm von 90 dB(A) ausgesetzt gewesen sei. Die zu bedienenden Krane hätten sich unmittelbar bei bzw. in der jeweiligen Baustelle befunden. Er habe mit dem Kran die jeweiligen Baumaterialien zu den betreffenden Stellen auf den Baustellen befördern müssen. Er sei dabei mit der Fernsteuerung direkt vor Ort um die zu transportierenden Gegenstände genau zu platzieren. Er sei allen möglichen auf einer Baustelle entstehenden Lärmexpositionen durch Schleifen mit hochtourigen Werkzeugen sowie Arbeiten mit Druckluftwerkzeugen, Kompressoren, Planierraupen, Baggern und sonstigen Baumaschinen ebenso wie Kettensägen und Presslufthämmern ausgesetzt gewesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.06.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. C., die Auswertung der vorliegenden Tonaudiogramme ergebe, dass von einer beginnenden pancochleären Schwerhörigkeit mit mäßiger Zunahme der Hörminderung zu den hohen Frequenzen auszugehen sei. Die weitere Entwicklung des Hörvermögens des Klägers bestätige die lärmunabhängige Genese seiner Schwerhörigkeit. Dies werde durch das im Jahr 2011 erstellte Tonaudiogramm mit einer erheblichen Zunahme der Schwerhörigkeit des Klägers belegt. Dies könne nicht mit dem Vortrag in Frage gestellt werden, dass der Kläger auch über den Juni 1995 hinaus einer ausreichenden Lärmbelastung von mindestens 85 dB(A) ausgesetzt gewesen sei. Dies deshalb, weil die Darlegungen des Klägers, die Einwirkungen durch Lärm auf der Baustelle betreffend, in die vom IFA über viele Jahre gewonnenen und abgesicherten Lärmexpositionspegel eingeflossen seien. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger jedenfalls auch teilweise angemietete Kräne von der Kranführerkabine aus bedient habe und hierfür Lärmbeurteilungspegel nach den dargelegten Erkenntnissen von 80 dB(A) ausgewiesen seien. Selbst für den Fall, dass von einer geringfügigen Überschreitung des bislang angenommenen Lärmexpositionspegels von 84 dB(A) auszugehen sei, somit jedenfalls eine Lärmeinwirkung über viele Arbeitsjahre zu fordern sei, würden sich die Schlussfolgerungen, gestützt auf das erste Tonaudiogramm nicht in Frage stellen lassen. Dies finde letztlich auch seine Bestätigung dadurch, dass der behandelnde HNO-Arzt Gesichtspunkte nicht vorgetragen habe, die seiner Beurteilung nach für eine Lärmgenese der Schwerhörigkeit sprechen könnten.
Gegen den ihm am 22.06.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.07.2015 Berufung eingelegt. Er hat diese u.a. damit begründet, die Ausführungen des SG seien dahingehend unzutreffend, dass er auch angemietete Krane von der Kranführerkabine aus bedient habe. Entgegen der Annahme des SG sei darüber hinaus auch nicht nur von einer geringfügigen Überschreitung des bislang angenommenen Lärmpegels von 84 dB(A) auszugehen, sondern von einer wesentlich höheren Lärmexposition, so dass eine lärmunabhängige Genese der klägerischen Schwerhörigkeit nicht vorliege, sondern diese ausschließlich auf seine berufliche Tätigkeit als Kranführer auf Baustellen zurückzuführen und von dieser verursacht worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2015 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung wegen Lärmschwerhörigkeit festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers ein Gutachten beim HNO-Arzt Prof. Dr. D. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 28.04.2016 ausgeführt, dass der Kläger an einer Schallempfindungsschwerhörigkeit vor allem im Hochtonbereich mit kompensiertem Tinnitus beidseits leide. Der Kläger sei in der Zeit von September 1992 bis Mai 1995 einer relevanten Lärmexposition ausgesetzt gewesen. Nach 1995 seien dann keine gesundheitsschädigenden Lärmpegel nach den präventionsdienstlichen Feststellungen erreicht worden. Die Hörminderung sei erstmals ca. 15 bis 18 Jahre nach Exposition aufgefallen. Ein Audiogramm unmittelbar nach Beendigung der Lärmexposition liege nicht vor, die späteren Tonaudiogramme zeigten für eine Lärmschwerhörigkeit teilweise untypische Verläufe. Es sei daher davon auszugehen, dass weitere Faktoren bei der Genese der Schwerhörigkeit eine wesentliche Rolle gespielt hätten. Da die gesundheitsschädigende Lärmexposition nur über weniger als drei Jahre stattgefunden habe, ein weiterer Progress vor allem in den folgenden Jahren ohne berufliche Lärmexposition nachgewiesen sei und darüber hinaus die Tonaudiometriekurven für eine Lärmschwerhörigkeit untypische Kurvenverläufe zeigen würden, sei es unwahrscheinlich, dass die Lärmexposition als wesentlicher Faktor bei der Genese der Innenohrschwerhörigkeit, der Ohrgeräusche und der Kommunikationsschwierigkeiten angesehen werden könne.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheids des SG vom 17.06.2015, mit dem die auf die Aufhebung des Bescheides vom 04.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2014 sowie die Verpflichtung der Beklagten die BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV festzustellen, gerichtete Klage abgewiesen worden ist.
Die Beklagte hat zu Recht die Feststellung der BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt. Rechtsgrundlagen für den geltend gemachten Anspruch sind §§ 7 und 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII wird die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, juris unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011, B 2 U 26/10 R, juris; BSG, Urteil vom 15.09.2011, B 2 U 25/10 R, juris; BSG, Urteil vom 15.09.2011, B 2 U 22/10 R, juris; BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R, juris; BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 9/08 R, juris).
In Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV ist die "Lärmschwerhörigkeit" als Berufskrankheit bezeichnet. Nach dem Ärztlichen Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (GMBl. Nr. 39 vom 05.08.2008, S. 798-800) besteht bei einem Tages-Lärmexpositionspegel von mehr als 90 dB(A) und lang andauernder Einwirkung für einen beträchtlichen Teil der Betroffenen die Gefahr einer Gehörschädigung; ferner werden Gehörschäden auch bereits durch langjährigen Lärm verursacht, dessen Tages-Lärmexpositionspegel den Wert von 85 dB(A) erreicht oder überschreitet (Seite 1 des Merkblatts). Nach der "Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit (BK-Nr. 2301) - Königsteiner Empfehlung" spricht für die Annahme des Ursachenzusammenhangs, wenn sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt hat, es sich um eine reine Innenohr-schwerhörigkeit (Hörstörung der Sinneszellen des Innenohres) mit Betonung des Hörverlustes in den hohen Frequenzen (c5-Senke) handelt sowie das Ausmaß und die Entwicklung der Hörstörung im adäquaten Verhältnis zur Lärmeinwirkung stehen (Seite 28 der Empfehlung).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV. Der Senat folgt dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. D. und der beratungsärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. C ... Der Sachverständige hat in seinem Gutachten schlüssig und in sich widerspruchsfrei dargelegt, dass und warum eine haftungsbegründende Kausalität zwischen den beruflichen Einwirkungen des Klägers und seiner Schwerhörigkeit zu verneinen ist. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren.
Es spricht nicht mehr dafür als dagegen, dass die Schwerhörigkeit des Klägers auf seine berufliche Tätigkeit wesentlich ursächlich zurückzuführen ist. Gegen einen solchen Zusammenhang sprechen nach den überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. D. insbesondere der für eine Lärmschädigung nicht adäquate Hörschaden und die kurze Dauer der Lärmexposition.
Prof. Dr. D. hat überzeugend auf die Diskrepanz zwischen dem Auftreten der Hörstörung und dem Zeitraum der bestehenden potentiell schädigenden Lärmexposition hingewiesen. Der Präventionsdienst der Beklagten hat für den Senat schlüssig dargelegt, dass und warum der Kläger Lärmexpositionspegeln vom 01.09.1992 bis 30.05.1995 in Höhe von durchschnittlich 90 dB(A) und vom 01.06.1995 bis zum 28.02.2014 in Höhe von durchschnittlich 84 dB(A) ausgesetzt gewesen ist. Gut nachvollziehbar sind die Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten zur Berechnung der Lärmexposition unter Heranziehung des "BIA-Reportes I/II", des "BIA-Reportes VI", der Tabellenwerte des IFA der DGUV und der "Auswertung AT-Lärm". Insbesondere kann hierbei offenbleiben, ob der Kläger - wie von ihm vorgetragen - ausschließlich als Kranführer mit Fernsteuerung oder - wie vom Arbeitgeber gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten angegeben - teilweise als Kranführer in der Kranführerkabine gearbeitet hat, da die o.g. vom Präventionsdienst der Beklagten angenommenen Werte auf der Annahme einer Kranführertätigkeit mit Fernsteuerung beruhen (vgl. hierzu auch den entsprechenden Tabellenwert des IFA).
Mithin ist der Kläger nach Ansicht des Senats lediglich zwischen 1992 und 1995 einer für die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit adäquaten Lärmexposition von mindestens 85 dB(A) ausgesetzt gewesen. Eine Heraufsetzung des Lärmexpositionspegels für die Zeit ab 1995 aufgrund des Vortrages des Klägers, er habe immer als Kranführer mit Fernsteuerung gearbeitet, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Tätigkeit Grundlage der vom Präventionsdienst ermittelten Werte war. Auch soweit der Kläger vorträgt, er sei zumindest auf einzelnen Baustellen höherem Lärm ausgesetzt gewesen, führt dies zu keiner anderen Einschätzung. Wie vom Präventionsdienst der Beklagten überzeugend dargelegt, kann nicht retrospektiv der Lärm, dem der Kläger auf einzelnen Baustellen ausgesetzt gewesen ist, gemessen werden, sondern allenfalls zum aktuellen Zeitpunkt. Daher werden gerade vom IFA valide, wissenschaftlich abgesicherte Lärmexpositionspegel in den Tabellenwerten zusammengestellt, in denen diverse repräsentative Lärmmessungen eingeflossen sind.
Im Zeitraum zwischen 1992 und 1995 mit einer Lärmexposition von mindestens 85 dB(A) ist es beim Kläger zu keinem Zeitpunkt zu einer Dokumentation des Hörvermögens gekommen. Die erste Dokumentation findet sich vielmehr erst mit dem Tonaudiogramm aus dem Jahr 2001. Nach alledem ist eine zeitliche Kongruenz zwischen den Lärmeinwirkungszeiten in den Jahren bis 1995 und der Entstehung der Hörstörung in den Jahren danach (frühestens 2001 dokumentiert) und des Tinnitus nicht gegeben.
Jedoch selbst für den Fall, dass die Lärmexposition ab 1995 höher zu bemessen wäre, hätte dies keine andere Entscheidung zur Folge, da medizinische Gründe (vgl. hierzu die nachfolgenden Absätze) gegen eine Lärmschwerhörigkeit sprechen. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. D. zeigt das Audiogramm vom 19.02.2001 eine beginnende Innenohrschwerhörigkeit vor allem im Frequenzbereich über 4 kHz bis 8 kHz, was untypisch für eine lärmbedingte Schwerhörigkeit ist, die sich im Rahmen der C5-Senke bei 4 kHz bewegt. Prof. Dr. D. hat dargelegt, dass das nächste Audiogramm aus dem Jahr 2011 dann eine Verschlechterung der Innenohrschwerhörigkeit zeigt, jetzt neu auch die tiefen Bereiche betreffend. Der Abfall der tiefen Frequenzen ist aber ebenfalls untypisch für eine Lärmschwerhörigkeit. Aufgrund der für eine Lärmschwerhörigkeit untypischen Kurvenverläufe in den tonaudiometrischen Befunden ist es daher nach den Ausführungen des Prof. Dr. D., denen sich der Senat anschließt, unwahrscheinlich, dass die Lärmexposition als wesentlicher Faktor bei der Genese der Innenohrschwerhörigkeit, der Ohrgeräusche und der Kommunikationsschwierigkeiten angesehen werden kann.
Da mithin die Voraussetzungen für die Feststellung der BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben sind, hat die Beklagte zu Recht die Feststellung der Berufskrankheit abgelehnt. Das SG hat die hierauf gerichtete Klage zutreffend abgewiesen.
Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nummer 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1973 geborene Kläger war von September 1992 bis Juni 1993 als Schreiner sowie anschließend bis Mai 1995 als Maurer beschäftigt. Seit Juni 1995 ist er als Kranführer bei der Firma A., Altensteig beschäftigt. Am 13.01.2014 erstellte der HNO-Arzt Dr. B. eine ärztliche Anzeige über eine BK. Es liege eine Hochtonschwerhörigkeit beidseits vor, die der Kläger auf den Lärm auf der Baustelle zurückführe. Nach Befragung des Klägers sowie auf Grundlage von Lärmmessungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen kam der Präventionsdienst der Beklagten zu dem Ergebnis, dass der Kläger als Schreiner einem auf 8 Stunden bezogenen Tages-Lärmexpositionspegel von 90 dB(A) ausgesetzt gewesen sei. Als Maurer im Zeitraum Juli 1993 bis Mai 1995 sei er einem Beurteilungspegel von 83 bis 92 dB(A) ausgesetzt gewesen. Als Kranführer sei von einem Beurteilungspegel von 84 dB(A) auszugehen. Im Rahmen einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26.03.2014 gelangte der HNO-Arzt Prof. Dr. C. unter Auswertung einer audiometrischen Untersuchung vom 19.02.2001, einer weiteren audiometrischen Untersuchung vom 22.10.2011 sowie einer audiometrischen Untersuchung vom 29.10.2013 zu dem Ergebnis, dass das erste Tonaudiogramm, zeitlich am nächsten zum Lärmarbeitsende liegend, keine lärmtypischen Veränderungen zeige, sondern eine beginnende pancochleäre Schwerhörigkeit mit mäßiger Zunahme der Hörminderung zu den hohen Frequenzen. Eine ganz erhebliche Zunahme erfahre die Schwerhörigkeit des Klägers dann in der lärmfreien Zeit bis zum Audiogramm, das 2011 erstellt worden sei. Das Tonaudiogramm von Februar 2013 sei wenig aussagefähig, da es zu den beiden vorausgegangenen Audiogrammen nicht passe.
Mit Bescheid vom 04.04.2014 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass u.a. konkrete Messungen an der Arbeitsstelle bei der Firma A. nicht erfolgt seien. Tatsächlich liege die maßgebliche Lärmbelastung bei der Tätigkeit als Kranführer mit Fernsteuerung über dem maßgeblichen Grenzwert von 84 dB(A), da er sich als Kranführer mit Fernsteuerung ständig inmitten der Baustelle befinde und somit sämtliche dort auftretende Lärmpegel und Lärmbeeinträchtigungen auf ihn einwirken würden. Dies betreffe beispielsweise das Betonieren, Einschalen, Eisenbiegen und Eisenflechten. Betroffen seien auch Arbeiten mit Vorhämmern, Presslufthämmern, Rüttelmaschinen und dergleichen mehr. Von einer lärmfreien Zeit könne mithin nicht ausgegangen werden. In einer weiteren Stellungnahme des Präventionsdienstes führte dieser aus, dass nach Befragung des Arbeitgebers u.a. davon auszugehen sei, dass der Kläger auch angemietete Krane von der Kranführerkabine aus bedient habe. Für diese Arbeitsplätze liege jedoch ein Lärmbeurteilungspegel der Liste des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) von 80 dB(A) vor. Diesen äußerst wichtigen Punkt habe der Kläger bei seiner Befragung unerwähnt gelassen. Im Übrigen seien die in der Widerspruchsbegründung angegebenen lärmintensiven Arbeiten in den Lärmexpositionspegeln des IFA berücksichtigt. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2014 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 16.12.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er bei der Firma A. einem gehörschädigenden Lärm von 90 dB(A) ausgesetzt gewesen sei. Die zu bedienenden Krane hätten sich unmittelbar bei bzw. in der jeweiligen Baustelle befunden. Er habe mit dem Kran die jeweiligen Baumaterialien zu den betreffenden Stellen auf den Baustellen befördern müssen. Er sei dabei mit der Fernsteuerung direkt vor Ort um die zu transportierenden Gegenstände genau zu platzieren. Er sei allen möglichen auf einer Baustelle entstehenden Lärmexpositionen durch Schleifen mit hochtourigen Werkzeugen sowie Arbeiten mit Druckluftwerkzeugen, Kompressoren, Planierraupen, Baggern und sonstigen Baumaschinen ebenso wie Kettensägen und Presslufthämmern ausgesetzt gewesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.06.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. C., die Auswertung der vorliegenden Tonaudiogramme ergebe, dass von einer beginnenden pancochleären Schwerhörigkeit mit mäßiger Zunahme der Hörminderung zu den hohen Frequenzen auszugehen sei. Die weitere Entwicklung des Hörvermögens des Klägers bestätige die lärmunabhängige Genese seiner Schwerhörigkeit. Dies werde durch das im Jahr 2011 erstellte Tonaudiogramm mit einer erheblichen Zunahme der Schwerhörigkeit des Klägers belegt. Dies könne nicht mit dem Vortrag in Frage gestellt werden, dass der Kläger auch über den Juni 1995 hinaus einer ausreichenden Lärmbelastung von mindestens 85 dB(A) ausgesetzt gewesen sei. Dies deshalb, weil die Darlegungen des Klägers, die Einwirkungen durch Lärm auf der Baustelle betreffend, in die vom IFA über viele Jahre gewonnenen und abgesicherten Lärmexpositionspegel eingeflossen seien. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger jedenfalls auch teilweise angemietete Kräne von der Kranführerkabine aus bedient habe und hierfür Lärmbeurteilungspegel nach den dargelegten Erkenntnissen von 80 dB(A) ausgewiesen seien. Selbst für den Fall, dass von einer geringfügigen Überschreitung des bislang angenommenen Lärmexpositionspegels von 84 dB(A) auszugehen sei, somit jedenfalls eine Lärmeinwirkung über viele Arbeitsjahre zu fordern sei, würden sich die Schlussfolgerungen, gestützt auf das erste Tonaudiogramm nicht in Frage stellen lassen. Dies finde letztlich auch seine Bestätigung dadurch, dass der behandelnde HNO-Arzt Gesichtspunkte nicht vorgetragen habe, die seiner Beurteilung nach für eine Lärmgenese der Schwerhörigkeit sprechen könnten.
Gegen den ihm am 22.06.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.07.2015 Berufung eingelegt. Er hat diese u.a. damit begründet, die Ausführungen des SG seien dahingehend unzutreffend, dass er auch angemietete Krane von der Kranführerkabine aus bedient habe. Entgegen der Annahme des SG sei darüber hinaus auch nicht nur von einer geringfügigen Überschreitung des bislang angenommenen Lärmpegels von 84 dB(A) auszugehen, sondern von einer wesentlich höheren Lärmexposition, so dass eine lärmunabhängige Genese der klägerischen Schwerhörigkeit nicht vorliege, sondern diese ausschließlich auf seine berufliche Tätigkeit als Kranführer auf Baustellen zurückzuführen und von dieser verursacht worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2015 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung wegen Lärmschwerhörigkeit festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers ein Gutachten beim HNO-Arzt Prof. Dr. D. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 28.04.2016 ausgeführt, dass der Kläger an einer Schallempfindungsschwerhörigkeit vor allem im Hochtonbereich mit kompensiertem Tinnitus beidseits leide. Der Kläger sei in der Zeit von September 1992 bis Mai 1995 einer relevanten Lärmexposition ausgesetzt gewesen. Nach 1995 seien dann keine gesundheitsschädigenden Lärmpegel nach den präventionsdienstlichen Feststellungen erreicht worden. Die Hörminderung sei erstmals ca. 15 bis 18 Jahre nach Exposition aufgefallen. Ein Audiogramm unmittelbar nach Beendigung der Lärmexposition liege nicht vor, die späteren Tonaudiogramme zeigten für eine Lärmschwerhörigkeit teilweise untypische Verläufe. Es sei daher davon auszugehen, dass weitere Faktoren bei der Genese der Schwerhörigkeit eine wesentliche Rolle gespielt hätten. Da die gesundheitsschädigende Lärmexposition nur über weniger als drei Jahre stattgefunden habe, ein weiterer Progress vor allem in den folgenden Jahren ohne berufliche Lärmexposition nachgewiesen sei und darüber hinaus die Tonaudiometriekurven für eine Lärmschwerhörigkeit untypische Kurvenverläufe zeigen würden, sei es unwahrscheinlich, dass die Lärmexposition als wesentlicher Faktor bei der Genese der Innenohrschwerhörigkeit, der Ohrgeräusche und der Kommunikationsschwierigkeiten angesehen werden könne.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheids des SG vom 17.06.2015, mit dem die auf die Aufhebung des Bescheides vom 04.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2014 sowie die Verpflichtung der Beklagten die BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV festzustellen, gerichtete Klage abgewiesen worden ist.
Die Beklagte hat zu Recht die Feststellung der BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt. Rechtsgrundlagen für den geltend gemachten Anspruch sind §§ 7 und 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII wird die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, juris unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011, B 2 U 26/10 R, juris; BSG, Urteil vom 15.09.2011, B 2 U 25/10 R, juris; BSG, Urteil vom 15.09.2011, B 2 U 22/10 R, juris; BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R, juris; BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 9/08 R, juris).
In Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV ist die "Lärmschwerhörigkeit" als Berufskrankheit bezeichnet. Nach dem Ärztlichen Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (GMBl. Nr. 39 vom 05.08.2008, S. 798-800) besteht bei einem Tages-Lärmexpositionspegel von mehr als 90 dB(A) und lang andauernder Einwirkung für einen beträchtlichen Teil der Betroffenen die Gefahr einer Gehörschädigung; ferner werden Gehörschäden auch bereits durch langjährigen Lärm verursacht, dessen Tages-Lärmexpositionspegel den Wert von 85 dB(A) erreicht oder überschreitet (Seite 1 des Merkblatts). Nach der "Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit (BK-Nr. 2301) - Königsteiner Empfehlung" spricht für die Annahme des Ursachenzusammenhangs, wenn sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt hat, es sich um eine reine Innenohr-schwerhörigkeit (Hörstörung der Sinneszellen des Innenohres) mit Betonung des Hörverlustes in den hohen Frequenzen (c5-Senke) handelt sowie das Ausmaß und die Entwicklung der Hörstörung im adäquaten Verhältnis zur Lärmeinwirkung stehen (Seite 28 der Empfehlung).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV. Der Senat folgt dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. D. und der beratungsärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. C ... Der Sachverständige hat in seinem Gutachten schlüssig und in sich widerspruchsfrei dargelegt, dass und warum eine haftungsbegründende Kausalität zwischen den beruflichen Einwirkungen des Klägers und seiner Schwerhörigkeit zu verneinen ist. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren.
Es spricht nicht mehr dafür als dagegen, dass die Schwerhörigkeit des Klägers auf seine berufliche Tätigkeit wesentlich ursächlich zurückzuführen ist. Gegen einen solchen Zusammenhang sprechen nach den überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. D. insbesondere der für eine Lärmschädigung nicht adäquate Hörschaden und die kurze Dauer der Lärmexposition.
Prof. Dr. D. hat überzeugend auf die Diskrepanz zwischen dem Auftreten der Hörstörung und dem Zeitraum der bestehenden potentiell schädigenden Lärmexposition hingewiesen. Der Präventionsdienst der Beklagten hat für den Senat schlüssig dargelegt, dass und warum der Kläger Lärmexpositionspegeln vom 01.09.1992 bis 30.05.1995 in Höhe von durchschnittlich 90 dB(A) und vom 01.06.1995 bis zum 28.02.2014 in Höhe von durchschnittlich 84 dB(A) ausgesetzt gewesen ist. Gut nachvollziehbar sind die Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten zur Berechnung der Lärmexposition unter Heranziehung des "BIA-Reportes I/II", des "BIA-Reportes VI", der Tabellenwerte des IFA der DGUV und der "Auswertung AT-Lärm". Insbesondere kann hierbei offenbleiben, ob der Kläger - wie von ihm vorgetragen - ausschließlich als Kranführer mit Fernsteuerung oder - wie vom Arbeitgeber gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten angegeben - teilweise als Kranführer in der Kranführerkabine gearbeitet hat, da die o.g. vom Präventionsdienst der Beklagten angenommenen Werte auf der Annahme einer Kranführertätigkeit mit Fernsteuerung beruhen (vgl. hierzu auch den entsprechenden Tabellenwert des IFA).
Mithin ist der Kläger nach Ansicht des Senats lediglich zwischen 1992 und 1995 einer für die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit adäquaten Lärmexposition von mindestens 85 dB(A) ausgesetzt gewesen. Eine Heraufsetzung des Lärmexpositionspegels für die Zeit ab 1995 aufgrund des Vortrages des Klägers, er habe immer als Kranführer mit Fernsteuerung gearbeitet, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Tätigkeit Grundlage der vom Präventionsdienst ermittelten Werte war. Auch soweit der Kläger vorträgt, er sei zumindest auf einzelnen Baustellen höherem Lärm ausgesetzt gewesen, führt dies zu keiner anderen Einschätzung. Wie vom Präventionsdienst der Beklagten überzeugend dargelegt, kann nicht retrospektiv der Lärm, dem der Kläger auf einzelnen Baustellen ausgesetzt gewesen ist, gemessen werden, sondern allenfalls zum aktuellen Zeitpunkt. Daher werden gerade vom IFA valide, wissenschaftlich abgesicherte Lärmexpositionspegel in den Tabellenwerten zusammengestellt, in denen diverse repräsentative Lärmmessungen eingeflossen sind.
Im Zeitraum zwischen 1992 und 1995 mit einer Lärmexposition von mindestens 85 dB(A) ist es beim Kläger zu keinem Zeitpunkt zu einer Dokumentation des Hörvermögens gekommen. Die erste Dokumentation findet sich vielmehr erst mit dem Tonaudiogramm aus dem Jahr 2001. Nach alledem ist eine zeitliche Kongruenz zwischen den Lärmeinwirkungszeiten in den Jahren bis 1995 und der Entstehung der Hörstörung in den Jahren danach (frühestens 2001 dokumentiert) und des Tinnitus nicht gegeben.
Jedoch selbst für den Fall, dass die Lärmexposition ab 1995 höher zu bemessen wäre, hätte dies keine andere Entscheidung zur Folge, da medizinische Gründe (vgl. hierzu die nachfolgenden Absätze) gegen eine Lärmschwerhörigkeit sprechen. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. D. zeigt das Audiogramm vom 19.02.2001 eine beginnende Innenohrschwerhörigkeit vor allem im Frequenzbereich über 4 kHz bis 8 kHz, was untypisch für eine lärmbedingte Schwerhörigkeit ist, die sich im Rahmen der C5-Senke bei 4 kHz bewegt. Prof. Dr. D. hat dargelegt, dass das nächste Audiogramm aus dem Jahr 2011 dann eine Verschlechterung der Innenohrschwerhörigkeit zeigt, jetzt neu auch die tiefen Bereiche betreffend. Der Abfall der tiefen Frequenzen ist aber ebenfalls untypisch für eine Lärmschwerhörigkeit. Aufgrund der für eine Lärmschwerhörigkeit untypischen Kurvenverläufe in den tonaudiometrischen Befunden ist es daher nach den Ausführungen des Prof. Dr. D., denen sich der Senat anschließt, unwahrscheinlich, dass die Lärmexposition als wesentlicher Faktor bei der Genese der Innenohrschwerhörigkeit, der Ohrgeräusche und der Kommunikationsschwierigkeiten angesehen werden kann.
Da mithin die Voraussetzungen für die Feststellung der BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben sind, hat die Beklagte zu Recht die Feststellung der Berufskrankheit abgelehnt. Das SG hat die hierauf gerichtete Klage zutreffend abgewiesen.
Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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