Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 3053/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1056/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. März 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vollständige Übernahme der Kosten für eine Versorgung mit Zahnersatz.
Der 1947 geborene Antragsteller ist seit 2012 als Rentner versicherungspflichtiges Mitglied der Antragsgegnerin.
Bereits im August 2016 begehrte der Antragsteller im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die vollständige Übernahme der Kosten für eine Versorgung mit Zahnersatz. Die Antragsgegnerin hatte den doppelten Festzuschuss für eine von der Zahnärztin St. geplante Behandlung bewilligt (Heil- und Kostenplan vom 25. April 2016). Nachdem der Antragsteller davon Abstand genommen hatte, sich von der Zahnärztin St. behandeln zu lassen, lehnte das Sozialgericht Stuttgart (SG) den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab (Beschluss vom 11. August 2016 – S 8 KR 4139/16 ER). Die Beschwerde des Antragstellers wurde vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 16. November 2016 (L 4 KR 3053/16 ER-B) zurückgewiesen.
Am 1. Dezember 2016 reichte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen neuen Heil- und Kostenplan der Zahnärztin Dr. D. vom 22. November 2016 ein. Als Maßnahmen der Regelversorgung beschreibt die Zahnärztin darin die Versorgung der Zähne im Oberkiefer mit einer Totalprothese sowie im Unterkiefer mit Teilprothesen (Zähne 47, 46 und 42, 41, 31, 32, 33 und 35, 36, 37), wobei die Zähne 45, 43 und 34 jeweils mit einer Krone mit gegossener Halte- und Stützvorrichtung versehen werden sollen. Die Zähne 43 und 34 sollen zusätzlich vestibulär verblendet werden. Der Zahn 44 würde eine Krone mit vestibulärer Verblendung erhalten. Der Antragsteller vereinbarte mit der Zahnärztin eine von diesen Maßnahmen abweichende Versorgung. Die Zähne 45 und 34 sollen danach mit einer Teleskopkrone mit vollkeramischer oder keramisch voll verblendeter Restauration versorgt werden. Die Zähne 44 und 43 sollen jeweils Teleskopkronen mit vestibulärer Verblendung erhalten. Das Brückenglied der Zähne 42 und 41 soll eine vestibuläre Verblendung und das Brückenglied der Zähne 31, 32 und 33 eine vollkeramische oder keramisch voll verblendete Restauration erhalten. Für die vereinbarte Versorgung setzte die Zahnärztin als vertragszahnärztliches Honorar EUR 329,57, Material- und Laborkosten in Höhe von EUR 6.100,00 sowie ein privatärztlich vereinbartes Zusatzhonorar von EUR 2.251,00 an (insgesamt EUR 8.680,57).
Mit Bescheid vom 6. Dezember 2016 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller aufgrund dessen Einkommensverhältnissen mindestens den doppelten Festzuschuss in Höhe von EUR 2.700,64 für die geplante Behandlung. Bei einer Regelversorgung würden die gesamten Kosten gezahlt werden (ohne Edelmetalllegierung). Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält der Bescheid nicht. Die Antragsgegnerin errechnete den Betrag unter Zugrundelegung der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Bestimmung der Befunde und der Regelversorgungsleistungen für die Festzuschüsse nach §§ 55, 56 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – Festzuschuss-Richtlinie – (in der ab 1. April 2016 gültigen Fassung). Sie brachte für die Zähne 45, 44, 43 und 34 jeweils den Befund Nr. 1.1 (je EUR 139,33), für die Zähne 34, 43 und 44 jeweils den Befund Nr. 1.3 (je EUR 50,40), für die Teilprothese im Unterkiefer den Befund Nr. 3.1 (EUR 334,13) und für die Totalprothese im Oberkiefer den Befund Nr. 4.2 (EUR 307,67) zum Ansatz.
Am 7. Februar 2017 erhob der Antragsteller beim SG Klage und beantragte, die Antragsgegnerin zur vollen Kostenübernahme zu verpflichten. Die "Betrachtung und Erörterung der Sachlage" solle im Rahmen eines Eilverfahrens stattfinden. Sein gesundheitlicher Zustand mache dies erforderlich. Zur Begründung führte er aus, aufgrund seiner finanziellen Situation sei er nicht in der Lage, einen Eigenanteil zu bezahlen. Er beziehe neben seiner Rente aufstockend Sozialhilfe. Nach den Feststellungen von Dr. D. sei eine Versorgung mit Teleskopkronen aus zahnprothetischen Gründen zweckmäßig. Sie sei strikt dagegen, die nach Extraktion verbliebenen Zähne zu überkronen.
Der Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen.
Mit Beschluss vom 17. März 2017 lehnte das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab und führte zur Begründung aus, ein Anordnungsanspruch liege nicht vor. Der Heil- und Kostenplan der Dr. D. enthalte eine über die Regelversorgung hinausgehende zahnärztliche Versorgung. Folglich sei eine Beteiligung der Antragsgegnerin auf den doppelten Festzuschuss begrenzt. Die Höhe der zu gewährenden Festzuschüsse für die einzelnen Zähne anhand der Festzuschuss-Richtlinie sei von der Antragsgegnerin zutreffend errechnet. Da die Antragsgegnerin den doppelten Festzuschuss bereits bewilligt habe, bestehe kein Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten. Darüber hinaus sei das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zweifelhaft, da der Antragsteller die Eilbedürftigkeit der von ihm erstrebten einstweiligen Regelung weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht habe.
Gegen diesen ihm am 18. März 2017 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 19. März 2017 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und ergänzend ausgeführt, das SG versuche, die finanzielle Benachteiligung, die er als Sozialhilfe beziehender Rentner erleide, zu legalisieren.
Der Antragsteller beantragt (sachgerecht gefasst),
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. März 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für die vorgesehene Zahnheilbehandlung in vollem Umfang zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Der Antragsteller hat die Beschwerde form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegt. Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. Denn eine Berufung in der Hauptsache bedürfte nicht der Zulassung. Der Antragsteller begehrt die Übernahme der Kosten für die vorgesehene Zahnheilbehandlung über den Festkostenzuschuss hinaus, die voraussichtlich mehr als EUR 750,00 betragen, so dass der Beschwerdewert im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG überschritten ist.
2. Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei dürfen sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss des Ersten Senats vom 13. April 2010 – 1 BvR 216/07 – juris, Rn. 64; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. August 2014 – 1 BvR 1453/12 – juris, Rn. 9).
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander; es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris, Rn. 18; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Januar 2007 – L 7 SO 5672/06 ER-B – juris, Rn. 2). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris, Rn. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER – juris, Rn. 4). Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris, Rn. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER – juris, Rn. 4).
b) Unter Anlegung dieser Maßstäbe fehlt ein Anordnungsanspruch. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Übernahme der gesamten Kosten der geplanten Zahnheilbehandlung.
aa) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. zahnärztliche Behandlung sowie die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 2a SGB V). Die zahnärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden (§ 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
§ 55 SGB V regelt die Ansprüche bei der Versorgung mit Zahnersatz. Die Regelung ist abschließend. Dadurch ist ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen über die Verschaffung zahnärztlicher Behandlung ausgeschlossen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 6. Oktober 1999 – B 1 KR 9/99 R – juris, Rn. 13 zur Vorgängerregelung des § 30 SGB V). Versicherte haben gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V nach den Vorgaben in den Sätzen 2 bis 7 Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist. Nach Satz 2 beträgt der Festzuschuss grundsätzlich 50 vom Hundert der nach § 57 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 2 Satz 5 und 6 SGB V festgesetzten Beträge für die jeweilige Regelversorgung. Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V haben Versicherte bei der Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu den Festzuschüssen nach Absatz 1 Satz 2 Anspruch auf einen Betrag in jeweils gleicher Höhe, angepasst an die Höhe der für die Regelversorgungsleistungen tatsächlich anfallenden Kosten, höchstens jedoch in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn sie ansonsten unzumutbar belastet würden. Wählen Versicherte einen über die Regelversorgung gemäß § 56 Abs. 2 SGB V hinausgehenden gleichartigen Zahnersatz, haben sie nach § 55 Abs. 4 SGB V die Mehrkosten gegenüber den in § 56 Abs. 2 Satz 10 SGB V aufgelisteten Leistungen selbst zu tragen.
Die gesetzlichen Regelungen über die Regelversorgung verstoßen nicht gegen Grundrechte der Versicherten (dazu ausführlich im Beschluss des Senats vom 3. April 2017 – L 4 KR 3709/16 – n.v., unter Verweis auf BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 12/13 R – juris, Rn. 16, 19).
bb) Unter Zugrundelegung der genannten Rechtsgrundlagen, hat die Antragsgegnerin zu Recht die Übernahme der vollen Kosten der geplanten Versorgung mit Zahnersatz abgelehnt.
Die Antragstellerin hat bereits in der Annahme einer unzumutbaren Belastung im Sinne von § 55 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V den doppelten Festzuschuss unter Ansatz der einschlägigen Gebührenpositionen der Festzuschuss-Richtlinie bewilligt. Lässt der Antragsteller die Regelversorgung durchführen, übernimmt die Antragsgegnerin die gesamten Kosten (ohne Edelmetalllegierung). Wählt der Antragsteller dagegen – wie geplant – einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleichartigen Zahnersatz, hat er die Mehrkosten selbst zu tragen. Dies folgt aus der zwingenden gesetzlichen Regelung in § 55 Abs. 4 SGB V, die auch für Versicherte mit geringem Einkommen gilt.
Der Antragsteller begehrt mit der Versorgung mit Teleskopkronen eine über die Regelversorgung hinausgehende, gleichartige Versorgung. Dies ergibt sich aus dem Heil- und Kostenplan vom 22. November 2016, der als Regelversorgung eine Versorgung ohne Teleskopkronen vorsieht. Dafür, dass die im Heil- und Kostenplan von Dr. D. beschriebene Regelversorgung zur Behandlung der Erkrankung des Antragstellers nicht geeignet oder medizinisch nicht ausreichend wäre, ist nichts ersichtlich. Dr. D. teilt im Heil- und Kostenplan nicht mit, dass die Regelversorgung nicht durchführbar oder in Bezug auf das Behandlungsziel, die Funktionsstörungen im Bereich des Gebisses zu beseitigen, nicht erfolgversprechend wäre. Soweit der Antragsteller vorträgt, Dr. D. lehne es strikt ab, die nach Extraktion verbliebenen Zähne zu überkronen, findet dies im vorgelegten Heil- und Kostenplan keine Stütze.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 SGG.
4. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vollständige Übernahme der Kosten für eine Versorgung mit Zahnersatz.
Der 1947 geborene Antragsteller ist seit 2012 als Rentner versicherungspflichtiges Mitglied der Antragsgegnerin.
Bereits im August 2016 begehrte der Antragsteller im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die vollständige Übernahme der Kosten für eine Versorgung mit Zahnersatz. Die Antragsgegnerin hatte den doppelten Festzuschuss für eine von der Zahnärztin St. geplante Behandlung bewilligt (Heil- und Kostenplan vom 25. April 2016). Nachdem der Antragsteller davon Abstand genommen hatte, sich von der Zahnärztin St. behandeln zu lassen, lehnte das Sozialgericht Stuttgart (SG) den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab (Beschluss vom 11. August 2016 – S 8 KR 4139/16 ER). Die Beschwerde des Antragstellers wurde vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 16. November 2016 (L 4 KR 3053/16 ER-B) zurückgewiesen.
Am 1. Dezember 2016 reichte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen neuen Heil- und Kostenplan der Zahnärztin Dr. D. vom 22. November 2016 ein. Als Maßnahmen der Regelversorgung beschreibt die Zahnärztin darin die Versorgung der Zähne im Oberkiefer mit einer Totalprothese sowie im Unterkiefer mit Teilprothesen (Zähne 47, 46 und 42, 41, 31, 32, 33 und 35, 36, 37), wobei die Zähne 45, 43 und 34 jeweils mit einer Krone mit gegossener Halte- und Stützvorrichtung versehen werden sollen. Die Zähne 43 und 34 sollen zusätzlich vestibulär verblendet werden. Der Zahn 44 würde eine Krone mit vestibulärer Verblendung erhalten. Der Antragsteller vereinbarte mit der Zahnärztin eine von diesen Maßnahmen abweichende Versorgung. Die Zähne 45 und 34 sollen danach mit einer Teleskopkrone mit vollkeramischer oder keramisch voll verblendeter Restauration versorgt werden. Die Zähne 44 und 43 sollen jeweils Teleskopkronen mit vestibulärer Verblendung erhalten. Das Brückenglied der Zähne 42 und 41 soll eine vestibuläre Verblendung und das Brückenglied der Zähne 31, 32 und 33 eine vollkeramische oder keramisch voll verblendete Restauration erhalten. Für die vereinbarte Versorgung setzte die Zahnärztin als vertragszahnärztliches Honorar EUR 329,57, Material- und Laborkosten in Höhe von EUR 6.100,00 sowie ein privatärztlich vereinbartes Zusatzhonorar von EUR 2.251,00 an (insgesamt EUR 8.680,57).
Mit Bescheid vom 6. Dezember 2016 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller aufgrund dessen Einkommensverhältnissen mindestens den doppelten Festzuschuss in Höhe von EUR 2.700,64 für die geplante Behandlung. Bei einer Regelversorgung würden die gesamten Kosten gezahlt werden (ohne Edelmetalllegierung). Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält der Bescheid nicht. Die Antragsgegnerin errechnete den Betrag unter Zugrundelegung der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Bestimmung der Befunde und der Regelversorgungsleistungen für die Festzuschüsse nach §§ 55, 56 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – Festzuschuss-Richtlinie – (in der ab 1. April 2016 gültigen Fassung). Sie brachte für die Zähne 45, 44, 43 und 34 jeweils den Befund Nr. 1.1 (je EUR 139,33), für die Zähne 34, 43 und 44 jeweils den Befund Nr. 1.3 (je EUR 50,40), für die Teilprothese im Unterkiefer den Befund Nr. 3.1 (EUR 334,13) und für die Totalprothese im Oberkiefer den Befund Nr. 4.2 (EUR 307,67) zum Ansatz.
Am 7. Februar 2017 erhob der Antragsteller beim SG Klage und beantragte, die Antragsgegnerin zur vollen Kostenübernahme zu verpflichten. Die "Betrachtung und Erörterung der Sachlage" solle im Rahmen eines Eilverfahrens stattfinden. Sein gesundheitlicher Zustand mache dies erforderlich. Zur Begründung führte er aus, aufgrund seiner finanziellen Situation sei er nicht in der Lage, einen Eigenanteil zu bezahlen. Er beziehe neben seiner Rente aufstockend Sozialhilfe. Nach den Feststellungen von Dr. D. sei eine Versorgung mit Teleskopkronen aus zahnprothetischen Gründen zweckmäßig. Sie sei strikt dagegen, die nach Extraktion verbliebenen Zähne zu überkronen.
Der Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen.
Mit Beschluss vom 17. März 2017 lehnte das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab und führte zur Begründung aus, ein Anordnungsanspruch liege nicht vor. Der Heil- und Kostenplan der Dr. D. enthalte eine über die Regelversorgung hinausgehende zahnärztliche Versorgung. Folglich sei eine Beteiligung der Antragsgegnerin auf den doppelten Festzuschuss begrenzt. Die Höhe der zu gewährenden Festzuschüsse für die einzelnen Zähne anhand der Festzuschuss-Richtlinie sei von der Antragsgegnerin zutreffend errechnet. Da die Antragsgegnerin den doppelten Festzuschuss bereits bewilligt habe, bestehe kein Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten. Darüber hinaus sei das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zweifelhaft, da der Antragsteller die Eilbedürftigkeit der von ihm erstrebten einstweiligen Regelung weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht habe.
Gegen diesen ihm am 18. März 2017 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 19. März 2017 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und ergänzend ausgeführt, das SG versuche, die finanzielle Benachteiligung, die er als Sozialhilfe beziehender Rentner erleide, zu legalisieren.
Der Antragsteller beantragt (sachgerecht gefasst),
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. März 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für die vorgesehene Zahnheilbehandlung in vollem Umfang zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Der Antragsteller hat die Beschwerde form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegt. Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. Denn eine Berufung in der Hauptsache bedürfte nicht der Zulassung. Der Antragsteller begehrt die Übernahme der Kosten für die vorgesehene Zahnheilbehandlung über den Festkostenzuschuss hinaus, die voraussichtlich mehr als EUR 750,00 betragen, so dass der Beschwerdewert im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG überschritten ist.
2. Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei dürfen sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss des Ersten Senats vom 13. April 2010 – 1 BvR 216/07 – juris, Rn. 64; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. August 2014 – 1 BvR 1453/12 – juris, Rn. 9).
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander; es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris, Rn. 18; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Januar 2007 – L 7 SO 5672/06 ER-B – juris, Rn. 2). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris, Rn. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER – juris, Rn. 4). Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris, Rn. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER – juris, Rn. 4).
b) Unter Anlegung dieser Maßstäbe fehlt ein Anordnungsanspruch. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Übernahme der gesamten Kosten der geplanten Zahnheilbehandlung.
aa) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. zahnärztliche Behandlung sowie die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 2a SGB V). Die zahnärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden (§ 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
§ 55 SGB V regelt die Ansprüche bei der Versorgung mit Zahnersatz. Die Regelung ist abschließend. Dadurch ist ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen über die Verschaffung zahnärztlicher Behandlung ausgeschlossen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 6. Oktober 1999 – B 1 KR 9/99 R – juris, Rn. 13 zur Vorgängerregelung des § 30 SGB V). Versicherte haben gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V nach den Vorgaben in den Sätzen 2 bis 7 Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist. Nach Satz 2 beträgt der Festzuschuss grundsätzlich 50 vom Hundert der nach § 57 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 2 Satz 5 und 6 SGB V festgesetzten Beträge für die jeweilige Regelversorgung. Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V haben Versicherte bei der Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu den Festzuschüssen nach Absatz 1 Satz 2 Anspruch auf einen Betrag in jeweils gleicher Höhe, angepasst an die Höhe der für die Regelversorgungsleistungen tatsächlich anfallenden Kosten, höchstens jedoch in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn sie ansonsten unzumutbar belastet würden. Wählen Versicherte einen über die Regelversorgung gemäß § 56 Abs. 2 SGB V hinausgehenden gleichartigen Zahnersatz, haben sie nach § 55 Abs. 4 SGB V die Mehrkosten gegenüber den in § 56 Abs. 2 Satz 10 SGB V aufgelisteten Leistungen selbst zu tragen.
Die gesetzlichen Regelungen über die Regelversorgung verstoßen nicht gegen Grundrechte der Versicherten (dazu ausführlich im Beschluss des Senats vom 3. April 2017 – L 4 KR 3709/16 – n.v., unter Verweis auf BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 12/13 R – juris, Rn. 16, 19).
bb) Unter Zugrundelegung der genannten Rechtsgrundlagen, hat die Antragsgegnerin zu Recht die Übernahme der vollen Kosten der geplanten Versorgung mit Zahnersatz abgelehnt.
Die Antragstellerin hat bereits in der Annahme einer unzumutbaren Belastung im Sinne von § 55 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V den doppelten Festzuschuss unter Ansatz der einschlägigen Gebührenpositionen der Festzuschuss-Richtlinie bewilligt. Lässt der Antragsteller die Regelversorgung durchführen, übernimmt die Antragsgegnerin die gesamten Kosten (ohne Edelmetalllegierung). Wählt der Antragsteller dagegen – wie geplant – einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleichartigen Zahnersatz, hat er die Mehrkosten selbst zu tragen. Dies folgt aus der zwingenden gesetzlichen Regelung in § 55 Abs. 4 SGB V, die auch für Versicherte mit geringem Einkommen gilt.
Der Antragsteller begehrt mit der Versorgung mit Teleskopkronen eine über die Regelversorgung hinausgehende, gleichartige Versorgung. Dies ergibt sich aus dem Heil- und Kostenplan vom 22. November 2016, der als Regelversorgung eine Versorgung ohne Teleskopkronen vorsieht. Dafür, dass die im Heil- und Kostenplan von Dr. D. beschriebene Regelversorgung zur Behandlung der Erkrankung des Antragstellers nicht geeignet oder medizinisch nicht ausreichend wäre, ist nichts ersichtlich. Dr. D. teilt im Heil- und Kostenplan nicht mit, dass die Regelversorgung nicht durchführbar oder in Bezug auf das Behandlungsziel, die Funktionsstörungen im Bereich des Gebisses zu beseitigen, nicht erfolgversprechend wäre. Soweit der Antragsteller vorträgt, Dr. D. lehne es strikt ab, die nach Extraktion verbliebenen Zähne zu überkronen, findet dies im vorgelegten Heil- und Kostenplan keine Stütze.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 SGG.
4. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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