Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 2666/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3718/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.08.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1977 geborene Klägerin hat eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin abgebrochen. Im Anschluss war sie bis 31.01.2009 in verschiedenen ungelernten - zuletzt geringfügigen -Tätigkeiten beschäftigt. Im zeitlichen Anschluss hieran sind im Versicherungsverlauf bis 28.02.2013 neben einer geringfügigen Beschäftigung teilweise auch Zeiten von Schwangerschaft, Mutterschutz bzw. Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung gespeichert. Vom 01.05.2014 bis 15.06.2014 bezog sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Bei ihr ist seit dem 10.02.2014 ein anerkannter Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Seit 2015 ist auch die Pflegestufe 0 durch die Pflegeversicherung festgestellt.
Am 06.02.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Aufgrund einer schweren Depression und Borderline-Persönlichkeitsstörung sei eine Erwerbsfähigkeit seit Anfang 2012 nicht mehr gegeben. Die Beklagte veranlasste daraufhin die Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B ... In seinem Gutachten vom 26.03.2014 aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 11.03.2014 stellte Dr. B. nachfolgende Diagnosen:
1. Vielschichtige, kombinierte Persönlichkeitsstörung 2. Belastungsabhängige Schulter-Arm-Beschwerden rechts 3. Adipositas 4. Neigung zu funktioneller Beschwerdebildung.
Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch über sechs Stunden täglich unter qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Als Kassiererin an der Kasse könne sie nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten.
Mit Bescheid vom 02.04.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Es liege keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) vor.
Hiergegen richtete sich der am 24.04.2014 erhobene Widerspruch der Klägerin. Aufgrund einer schweren Depression und einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sei sie, die Klägerin, bereits mehrfach und über Monate hinweg stationär behandelt worden. Durch diese Erkrankungen sei sie nicht einmal mehr in der Lage, die Betreuung der Kinder sicherzustellen oder den Haushalt allein zu bewältigen. Auch die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bestätige den Eintritt eines Leistungsfalles.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei nach den durchgeführten Ermittlungen in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in Tagesschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne regelmäßige nervöse Anspannung, zu ebener Erde, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen und ohne überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen oder Anforderungen an die Konfliktfähigkeit sechs Stunden und mehr täglich zu leisten. Da die Klägerin nicht vor dem 02.01.1961 geboren sei, komme auch eine Rente nach § 240 SGB VI nicht in Betracht.
Hiergegen erhob die Klägerin am 11.08.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung trug die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Beklagte ihre Leiden nicht ausreichend berücksichtigt habe.
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG erhob Beweis durch Einholung einer sachverständigen Zeugenauskunft des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie E ... Dieser gab unter dem 16.10.2014 an, dass die maßgeblichen Leiden der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet lägen. Eine regelmäßige berufliche Tätigkeit könne nicht mehr geleistet werden. Es komme unvorhersehbar zu aggressiven Durchbrüchen und depressiven Episoden, so dass nicht gewährleistet werden könne, dass eine regelmäßige Tätigkeit aufgenommen und aufrecht erhalten werden könne. Außerdem zog das SG Unterlagen bei der Klinik H. M. in O. in Form von Entlassungsberichten vom 08.11.2012 und 10.12.2013, dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit in M. in Form eines Arztbriefes vom 17.01.2014, dem Psychiatrischen Zentrum N. in W. in Form eines Entlassungsberichts vom 30.01.2013 und eines Ambulanz-Verlaufsberichts vom 09.09.2014 sowie des Facharztes für Innere Medizin Dr. B. bei.
Darüber hinaus veranlasste das SG von Amts wegen die Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie psychotherapeutische Medizin Dr. W ... Dieser stellte in seinem Gutachten vom 06.03.2015 aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 05.03.2015 die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und einer leichten Depression. Eine quantitative Leistungseinschränkung sei auf seinem Fachgebiet nicht begründbar. Leichte und teilweise mittelschwere Frauenarbeiten im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche seien (bei Beachtung qualitativer Einschränkungen) acht Stunden je Arbeitstag zumutbar.
Nach vorheriger Anhörung wies das SG die Klage mittels Gerichtsbescheid vom 12.08.2015 ab. Lediglich der als sachverständige Zeuge gehörte Neurologe und Psychiater E. habe ein Leistungsvermögens von mindestens sechs Stunden täglich verneint. Nach den überzeugenden gutachtlichen Ausführungen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie psychotherapeutische Medizin Dr. W. sei diese Einschätzung aber nicht nachvollziehbar. Die Klägerin leide insbesondere an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und einer leichten depressiven Episode. Diese Beeinträchtigungen führten jedoch nur zur Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin in qualitativer, nicht jedoch in quantitativer Hinsicht. Denn sie könne noch leichte und teilweise mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig ausüben. Ihr seien lediglich schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten unter Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeitsbedingungen sowie mit überwiegendem Publikumsverkehr und mit erhöhter Verantwortung im Sinne einer Leitungsfunktion nicht zumutbar. Auch eine rentenrelevante Minderung der Wegefähigkeit sei nicht festzustellen. Den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin könne demnach hinreichend durch qualitative Leistungseinschränkungen Rechnung getragen werden.
Der Gerichtsbescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 18.08.2015 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 01.09.2015 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung der Klägerin. Das Gutachten des Dr. W. weise Unstimmigkeiten auf und lasse Fragen offen. Bereits der vom Gutachter gebrauchte Begriff der Frauenarbeit sei diskriminierend. Auch die Diagnosen und die Krankheitsveränderungen seien nicht zutreffend erfasst. Sie, die Klägerin, benötige für die Bewältigung des Alltags ein komplexes Hilfsnetz. Dieses belege die Erwerbsunfähigkeit und lasse nicht den Schluss zu, dass sie, die Klägerin, sich hierauf eingerichtet habe. Auch durch die zahlreichen stationären Aufenthalte seien ihre massiven gesundheitlichen Einschränkungen nachgewiesen. Zu berücksichtigen sei ferner die Zuerkennung der Pflegestufe 0 mit einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz. Ergänzend ist darüber hinaus die Bestätigung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit M. vom 29.02.2016 vorgelegt worden, wonach die Klägerin zwischen dem 13.01.2014 und dem 10.11.2014 an 32 ambulanten Sitzungen der Borderline Skillsgruppe teilgenommen habe. Zwischen dem 27.08.2015 und dem 17.11.2015 sei ein weiterer Aufenthalt im Klinikum H. M. erforderlich gewesen (Entlassbericht vom 30.11.2015).
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.08.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab dem 01.02.2014 zu gewähren,
hilfsweise, zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin bereits mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Alltags überfordert ist und dass sie nicht in der Lage ist, den Haushalt zu führen und die Betreuung der Kinder sicherzustellen, den Ehemann der Klägerin, Herrn Ch. M., L., 7 ... Ö., als Zeugen zu vernehmen,
hilfsweise, den benannten Zeugen dazu zu vernehmen, dass das Krankheitsbild der Klägerin zu einem Verlust ihrer Impulskontrolle führt und dass schon objektiv harmlose Situationen zu einer Eskalation der Situation führen können,
hilfsweise, den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. M. Sch., zu laden über das Psychiatrische Zentrum N., H., 6 W., persönlich zu laden und zu vernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zutreffend habe das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat die Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie N. vom 16.02.2016 vorgelegt.
Der Senat hat daraufhin die erneute Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. Sch. veranlasste. Dieser hat in seinem Gutachten vom 10.01.2017 aufgrund ambulanter Untersuchungen der Klägerin am 05.12.2016 und 23.12.2016 u.a. unter Durchführung von testpsychologischen Beschwerdevalidierungsverfahren die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung (gegenwärtig leichtgradige Episode) und einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ gestellt. Bei Zusammenschau der klinischen und testpsychologischen Befunde sei davon auszugehen, dass zumindest in Bezug auf die kognitiven Defizite eine unauthentische Beschwerdepräsentation im Sinne aggravatorischen Verhaltens wahrscheinlich sei. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten und vorübergehend mittelschwere Arbeiten unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zu verrichten.
Mit Schreiben vom 21.03.2017 hat die Klägerin Einwände gegen das Gutachten erhoben. Bereits ihr Geburtsdatum sei falsch erfasst. Unerwähnt bleibe, dass sie, die Klägerin, in Begleitung ihres Ehemannes erschienen und diesem nur gestattet gewesen sei, an einem Vorgespräch teilzunehmen. Soweit der Gutachter erwähne, dass Reha-Maßnahmen bislang nie ein Thema gewesen seien, sei von Seiten der Pflegeversicherung keine realistische Möglichkeit gesehen worden, die Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu vermindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Unzutreffend sei auch, dass bei dem Sohn eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostiziert worden sei. Der Grund für den zeitweisen Aufenthalt des jüngeren Sohnes bei den Schwiegereltern basiere auf einer Vereinbarung mit dem Jugendamt, um die häusliche Situation zu entlasten. Auch der auf S. 15 des Gutachtens geschilderte Polizeieinsatz sei unzutreffend. Der Ehemann habe zur Deeskalation gemeinsam mit dem älteren Sohn die Wohnung freiwillig verlassen. Die angegebenen wöchentlichen Therapiesitzungen träfen ebenfalls nicht zu, da die Therapeutin aufgrund zahlreicher nicht wahrgenommener Termine und fehlender Mitarbeit eine Weiterbehandlung abgelehnt habe. Auch die Angabe der Pflegestufe 0 wegen sechsmal jährlich auftretender depressiver Phasen sei unzutreffend. Die beschriebene Tagesstruktur gehe an der Realität vorbei. Nur durch mehrere Impulse des Ehemannes vermöge sie, die Klägerin, aufzustehen. Ausschließlich der Ehemann bereite das Frühstück und übernehme das Wecken der Kinder und die Koordinierung des Ablaufs. Das Abräumen übernehme sie nur dann, wenn der Ehemann in Frühschicht arbeite. Auch die Hausarbeit werde ausschließlich durch den Ehemann erledigt. Der Ehemann müsse ihr, der Klägerin, auch unter der Woche Elan geben. Auch die Ausführungen zur Wegefähigkeit seien nicht plausibel. Entgegen den Ausführungen des Gutachters würde sich durch die Berentung auch keine Besserstellung ergeben. Dem Vorwurf der negativen Antwortverzerrung und einer instruktionswidrigen Antwortverzerrung sei schließlich entgegenzutreten. Es falle vielmehr auf, dass der Gutachter die Einschränkungen verharmlose. Schließlich würden auch die Schlussfolgerungen hinsichtlich der qualitativen und quantitativen Leistungseinschränkung nicht verfangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, auf die Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten des SG und die Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Sitzung vom 17.05.2017 unter dem Vorsitz der Vorsitzenden Richterin am Landessozialgericht G.-B. entscheiden. Der von der Klägerin gestellte Befangenheitsantrag wurde in der mündlichen Verhandlung als unzulässig verworfen.
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat hierauf keinen Anspruch.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554).
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll- bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeinen Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden und den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Davon ausgehend steht der Klägerin keine Erwerbsminderungsrente zu. Eine Erwerbsminderung aufgrund der bei ihr bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen ist nicht nachgewiesen. Sie ist nach wie vor dazu in der Lage, zumindest leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr täglich im Rahmen eine Fünf-Tage-Woche nachzugehen.
Der Senat folgt der Leistungseinschätzung der im Klage- und Berufungsverfahren beauftragten Gutachter Dr. W. und Dr. Sch. sowie dem Gutachter aus dem Verwaltungsverfahren Dr. B ... Letzteres Gutachten hat der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Die Gerichtsgutachter haben übereinstimmend eine rezidivierende Depression mit aktuell leichtgradiger Ausprägung angenommen. Im Übrigen lässt der Senat dahinstehen, ob bei der Klägerin die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (so Drs. W. und B.) oder einer emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typ (so Dr. Sch.) zu diagnostizieren ist. Maßgeblich für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ist nicht die Diagnose, sondern die hieraus resultierende Beeinträchtigung. Im Rahmen der Begutachtungen war die Klägerin jeweils wach, bewusstseinsklar, zu Person, Ort, Zeit und Situation uneingeschränkt orientiert. Es fanden sich keine manifesten formalen Denkstörungen, insbesondere keine Hemmung oder Verlangsamung des Denkens, kein grübelndes, umständliches oder eingeengtes Denken. Eine Inkohärenz, ein beschleunigtes Denken, ein Gedankendrängen oder eine Ideenflucht waren nicht feststellbar. Auch das Auffassungs- und Konzentrationsvermögen war altersentsprechend durchschnittlich gut. Klinisch relevante mnestische Funktionsstörungen in Bezug auf das Kurz- und Langzeitgedächtnis waren nicht ersichtlich. Starke Ausprägungen kognitiver Ermüdungszeichen im Rahmen der beiden jeweils mehrstündigen Untersuchungssitzungen bei Dr. Sch. waren nicht zu beobachten. Auch pathologische Ängste, Zwangssymptomatiken im Sinne von Zwangsgedanken, -impulsen oder -handlungen waren nicht eruierbar. Es fanden sich keine Hinweise auf paranoides Erleben. Der Antrieb war situationsadäquat. Die Stimmungslage subdepressiv herabgemindert mit etwas eingeengter, jedoch nicht aufgehobener emotionaler Schwingungsfähigkeit. Eine Ichstörung war ebenso wie eine Sinnestäuschung nicht feststellbar. Soweit die Neigung zu impulshaften Äußerung negativer Einschätzungen, verbunden mit Herabsetzung und Kränkung des Gegenübers, von der Klägerin angegeben wurde, ist diese im Kontext der zu diagnostizierenden Persönlichkeitsstörung zu sehen. Gleichzeitig liegt aber keine solche Persönlichkeitspathologie vor, die es der Klägerin gleichsam unmöglich machen würde, auf entsprechende Kränkungen und die von ihr beschriebene interpersonellen Manipulationen und Intrigen im sozialen Umfeld zu verzichten. Diese Selbststeuerung kostet die Klägerin aus Ich-strukturellen Gründen mehr "energetischen Aufwand" als eine Durchschnittsperson. Die Selbststeuerung ist ihr aber - wie sie bei den Untersuchungen demonstrierte - möglich und im relevanten beruflichen Kontext auch zumutbar. Insoweit fanden sich auch keinerlei Hinweise dafür, dass bei der Klägerin eine solche Persönlichkeitspathologie vorliegt, die ihr die Einsicht in die Konsequenzen ihres Tuns und ihre Stärkungsfähigkeit in Psychose-ähnlicher Weise aufheben würde. Soweit die vorliegenden Gesundheitsstörungen zu einer Minderung der psychovegetativen Stressbelastung führen, sind der Klägerin Tätigkeiten mit entsprechender Belastung - etwa durch erhöhten Zeitdruck (z.B. Akkordarbeit) oder durch unphysiologische psychovegetative Belastungen (z.B. Nachtarbeit) - nicht zumutbar. Auf Grund der Persönlichkeitsstörung sind auch die sozialen Kompetenzen der Klägerin gemindert, weshalb jede Tätigkeit, die das selbstständige Bewältigen von auch herausfordernden interpersonellen Interaktionen bedingt - etwa durch unmittelbaren Kundenkontakt -, für die Klägerin nicht in Frage kommt. Auch Tätigkeiten, die anhaltend hohe Anforderungen an das Aufmerksamkeits- und Reaktionsvermögen abverlangen - etwa Tätigkeiten an gefährlichen laufenden Maschinen, Tätigkeiten mit Kontrollfunktion und der Notwendigkeit sofortigen Eingreifens im Indikationsfall -, sind von der damit notwendigerweise verbundenen psychovegetativen Belastung auszuschließen. Entsprechendes gilt für Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Sachwerte. Auf Grund der von der Klägerin geltend gemachten erhöhten Erschöpfbarkeit sollten auch körperlich schwere und anhaltend mittelschwere Tätigkeiten gemieden werden. In Übereinstimmung mit Dr. Sch., Dr. W. sowie Dr. B. ist die Klägerin jedoch weiterhin in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten und vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten, die den oben aufgeführten qualitativen Leistungsdefiziten Rechnung tragen, sechs Stunden und mehr im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zumutbar zu verrichten. Ergänzend weist der Senat insoweit auch darauf hin, dass die Klägerin trotz der unstreitig schon ins Berufsleben eingebrachten Einschränkungen auch langjährig vollschichtig tätig war.
Soweit die Klägerin Einwände gegen das Gutachten von Dr. Sch. erhoben hat, sind diese nicht geeignet, die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens zu beeinträchtigen. Zum einen betreffen diese allenfalls Randbereiche wie etwa die Nennung des Geburtsdatums, die Anwesenheit des Ehemanns bei der Begutachtung, Bereitschaft zu Reha-Maßnahmen, Erkrankungen eines Sohnes, die näheren Umstände des Aufenthalts des jüngeren Sohnes bei den Schwiegereltern und der geschilderte Polizeieinsatz, die für die Leistungseinschätzung nicht relevant sind. Zum anderen sind die Einwände aber auch nicht geeignet, den vom Gutachter genannten psychischen Befund zu widerlegen, da sie hierzu in keinem Zusammenhang stehen. Insoweit leitet der Gutachter für den Senat nachvollziehbar und schlüssig aus den mitgeteilten psychischen Befunden die oben dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen ab und zeigt in Übereinstimmung mit den Gutachtern Dr. W. und Dr. B. auf, dass der Klägerin weiterhin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zumutbar sind. In Übereinstimmung mit den Gutachtern und den Ausführungen des Klägervertreters geht auch der Senat davon aus, dass sich die Klägerin ein komplexes Netzwerk geschaffen hat, dass sie in der Bewältigung von Alltagsproblemen unterstützt. Entgegen den Ausführungen des Klägervertreter sieht der Senat jedoch in Übereinstimmung mit den Gutachtern Dr. Sch., Dr. W. und Dr. B. keine medizinische Notwendigkeit hierfür. Darüber hinaus vermögen auch die Einwände der Klägerin gegen die in der Untersuchungssituation vom Gutachter festgestellten Verdeutlichungstendenzen im Sinne negativer Antwortverzerrungen und instruktionswidriger Anstrengungsminderleistungen nicht zu verfangen. Insoweit ist insbesondere auf den von Dr. Sch. als Beschwerdevalidierungsverfahren eingesetzten WMT verwiesen. Hierbei handelt es sich um eines der weltweit am besten untersuchten Verfahren zur Anstrengungsbereitschaft in Untersuchungssituationen mit hohen Sensitivitäts- und Spezifitätswerten. In einer PC-gestützten Testversion wird einem Probanden dort eine nur vordergründig schwierige Lernaufgabe (Wortpaare) gestellt. Die Lernleistung wird anschließend in unterschiedlichen Aufgabenstellungen abgerufen. Die Werte in den Untertests zur Messung der Anstrengungsbereitschaft waren massiv auffällig. Die hier gezeigten Leistungen lagen weit unter denen kooperationswilliger dementer Probanden oder von mittelgradig bis schwer hirnverletzten Probanden. Insgesamt wiesen die Testergebnisse auf eine instruktionswidrige Anstrengungsminderleistung hin. Im Ergebnis ist nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Dr. Sch. in dessen Gutachten vom 10.01.2017 davon auszugehen, dass die in den Prüfungen gezeigten Leistungen nicht den tatsächlichen Fähigkeiten der Klägerin entsprachen. Auch vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat von einer quantitativen Leistungseinschränkung nicht zu überzeugen.
Eine quantitative Leistungseinschätzung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes lässt sich auch aus der sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Arztes E. nicht ableiten. Dieser hat keine Befunde und Einschränkungen mitgeteilt, die eine derartige Einschätzung tragen könnten. Darüber hinaus lässt die sachverständige Zeugenauskunft nicht nur eine Unterscheidung zwischen quantitativer und qualitativer Leistungseinschätzung, sondern auch zwischen Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit vermissen. Schließlich aber ist durch die gerichtlichen Sachverständigengutachten auch geklärt, dass die Erkrankung der Klägerin keine derart gravierende Auswirkung hat. Die Leistungseinschätzung des behandelnden Arztes ist damit widerlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st. Rspr. des Senats (statt vieler Urteil des Senats vom 22.02.2017, - L 5 R 791/15 -, n.v.; vgl auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10, n.v.) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens i.d.R. keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.
Auch die Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 belegt nicht, dass die Klägerin erwerbsgemindert ist. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechselwirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 SB 5/01 B -, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 09.12.1987 – 5b BJ 156/87 -, in juris). Für die Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI sind die Erwerbsmöglichkeiten des Betroffenen maßgeblich, während § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14.01.2015 geltenden Fassung und § 159 Abs. 7 SGB IX in der seit dem 15.01.2015 geltenden Fassung (geändert durch Art. 1a des Gesetzes vom 07.01.2015, BGBl. II, S. 15) auf die abstrakten Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) verweist (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 SB 5/01 B –, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 09.12.1987, - 5b BJ 156/87 -, in juris). Auch die festgestellte Pflegestufe 0 ist nicht geeignet, die eingeholten Gutachten zu widerlegen. Aus den medizinischen Unterlagen ergibt sich ein klares und eindeutiges Bild der (lediglich qualitativen) Leistungseinschränkungen. Bei einer Gesamtbetrachtung sind dauerhafte gravierende Leistungseinschränkungen damit nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben ist, bestehen nicht. Ein Großteil der qualitativen Beschränkungen werden bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG, Urteil vom 30.11.1983, - 5 ARKn 28/82 - ; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, - GS 2/95 -; siehe auch BSG, Urteil vom 05.10.2005, - B 5 RJ 6/05 R - , alle in juris). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin leidensgerecht unzumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich oder mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI).
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass die Klägerin vor dem 02.01.1961 geboren ist. Die Klägerin ist jedoch 1977 und damit nach dem Stichtag geboren.
Der Senat war auch nicht gehalten, den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen bzw. Beweisanregungen nachzugehen. Soweit die Klägerin die Vernehmung des Ehemanns als Zeugen beantragt hat, so war das Gericht nicht gehalten, diesem Antrag zu entsprechen. Denn der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 Satz 1 SGG) zwingt das Gericht nicht dazu, völlig ungeeignete Beweismittel heranzuziehen (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 103 Rdnr. 8). So liegt der Fall hier. Die von der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung formulierten Beweisfragen sollen unter Beweis stellen, dass sie aus medizinischen Gründen mit der Wahrnehmung des Alltags überfordert ist, dass sie nicht in der Lage ist, den Haushalt zu führen und die Betreuung der Kinder sicherzustellen sowie dass ihr Krankheitsbild zu einem Verlust ihrer Impulskontrolle führt und dass schon objektiv harmlose Situationen zu einer Eskalation der Situation führen. Zu diesen medizinischen Fragen soll der Ehemann als Zeuge gehört werden. Diese Fragen kann der Ehemann der Klägerin, der - soweit ersichtlich - kein Arzt ist und auch sonst über keinerlei medizinische Vorbildung verfügt, nicht beantworten, da er diesbezüglich nicht sachkundig ist. Er ist als Beweismittel insoweit ungeeignet. Im Übrigen kann als wahr unterstellt werden, dass die Klägerin den Haushalt nicht führt, die Betreuung der Kinder nicht sicherstellt und schon objektiv harmlose Situationen zu einer Eskalation der Situation führen. In Übereinstimmung mit den Gutachtern geht der Senat jedoch davon aus, dass die Einschränkung im Bereich der Haushaltsführung und Kinderbetreuung nicht auf gesundheitliche Einschränkungen zurückzuführen sind und die bestehende Erkrankung auf nervenärztlichem Fachgebiet lediglich zu qualitativen Einschränkungen führt.
Der Senat war auch nicht verpflichtet, auf den Hilfsantrag der Klägerin den Gutachter Prof. Dr. Sch. zur Vernehmung in die mündliche Verhandlung zu laden. Nach §§ 103, 118 Abs. 1 S. 1 SGG iVm § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutert. Grundsätzlich steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es einen Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens laden will (vgl Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 29.8.1995, - 2 BvR 175/95, in juris). Zwar wird mit § 411 Abs 3 ZPO die Befugnis des Prozessgerichts statuiert, von sich aus, "von Amts wegen", also ohne Anregung oder Antrag eines Beteiligten den Sachverständigen zum Termin zu laden und dort zu hören, um fehlerhafte tatsächliche Annahmen, Lücken oder Widersprüche im Gutachten in Gegenwart der Beteiligten mündlich zu erörtern und nach Möglichkeit auszuräumen (BSG, Urteil vom 16.01.1986, - 4b RV 27/85 -, in juris; vgl auch BSG, Beschluss vom 11.10.1988, - 5 BJ 250/88 -, beide in juris). Allerdings ist ein Prozessbeteiligter nicht gehindert, ein Tätigwerden des Prozessgerichts vom Amts wegen nach § 411 Abs. 3 ZPO anzuregen. Diese Anregung ("Antrag") muss aber bestimmten Anforderungen entsprechen: Sie muss Ausführungen enthalten, aufgrund derer sich das Gericht schlüssig werden kann, ob es überhaupt Anlass hat, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens zum Termin zu laden; die Anregung muss zumindest bei einem anwaltlich vertretenen Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungsobliegenheit regelmäßig so rechtzeitig nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens beim Prozessgericht eingebracht werden, dass dieses entsprechend der Konzentrationsmaxime (vgl § 106 Abs. 2 SGG) in der Lage ist, den Sachverständigen noch zum nächsten Termin zu laden und die Streitsache in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen (vgl BSG, Urteil vom 16.01.1986, - 4b RV 27/85 -, in juris). Einen Antrag, der - wie hier - den vorgenannten Anforderungen nicht genügt, kann das Prozessgericht ablehnen, ohne dass es das ihm durch § 411 Abs. 3 ZPO eingeräumte Ermessen überschreitet (vgl. BSG Urteil vom 16.01.1986, - 4b RV 27/85 -, in juris).
Einen Antrag auf Ladung des Gutachters hat die rechtskundig vertretene Klägerin erst am 15.05.2017 (16:04 Uhr Eingang bei der Poststelle) gestellt. Eine Ladung zum Termin war damit nicht mehr möglich, weshalb der Antrag abzulehnen war.
Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1977 geborene Klägerin hat eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin abgebrochen. Im Anschluss war sie bis 31.01.2009 in verschiedenen ungelernten - zuletzt geringfügigen -Tätigkeiten beschäftigt. Im zeitlichen Anschluss hieran sind im Versicherungsverlauf bis 28.02.2013 neben einer geringfügigen Beschäftigung teilweise auch Zeiten von Schwangerschaft, Mutterschutz bzw. Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung gespeichert. Vom 01.05.2014 bis 15.06.2014 bezog sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Bei ihr ist seit dem 10.02.2014 ein anerkannter Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Seit 2015 ist auch die Pflegestufe 0 durch die Pflegeversicherung festgestellt.
Am 06.02.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Aufgrund einer schweren Depression und Borderline-Persönlichkeitsstörung sei eine Erwerbsfähigkeit seit Anfang 2012 nicht mehr gegeben. Die Beklagte veranlasste daraufhin die Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B ... In seinem Gutachten vom 26.03.2014 aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 11.03.2014 stellte Dr. B. nachfolgende Diagnosen:
1. Vielschichtige, kombinierte Persönlichkeitsstörung 2. Belastungsabhängige Schulter-Arm-Beschwerden rechts 3. Adipositas 4. Neigung zu funktioneller Beschwerdebildung.
Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch über sechs Stunden täglich unter qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Als Kassiererin an der Kasse könne sie nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten.
Mit Bescheid vom 02.04.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Es liege keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) vor.
Hiergegen richtete sich der am 24.04.2014 erhobene Widerspruch der Klägerin. Aufgrund einer schweren Depression und einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sei sie, die Klägerin, bereits mehrfach und über Monate hinweg stationär behandelt worden. Durch diese Erkrankungen sei sie nicht einmal mehr in der Lage, die Betreuung der Kinder sicherzustellen oder den Haushalt allein zu bewältigen. Auch die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bestätige den Eintritt eines Leistungsfalles.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei nach den durchgeführten Ermittlungen in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in Tagesschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne regelmäßige nervöse Anspannung, zu ebener Erde, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen und ohne überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen oder Anforderungen an die Konfliktfähigkeit sechs Stunden und mehr täglich zu leisten. Da die Klägerin nicht vor dem 02.01.1961 geboren sei, komme auch eine Rente nach § 240 SGB VI nicht in Betracht.
Hiergegen erhob die Klägerin am 11.08.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung trug die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Beklagte ihre Leiden nicht ausreichend berücksichtigt habe.
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG erhob Beweis durch Einholung einer sachverständigen Zeugenauskunft des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie E ... Dieser gab unter dem 16.10.2014 an, dass die maßgeblichen Leiden der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet lägen. Eine regelmäßige berufliche Tätigkeit könne nicht mehr geleistet werden. Es komme unvorhersehbar zu aggressiven Durchbrüchen und depressiven Episoden, so dass nicht gewährleistet werden könne, dass eine regelmäßige Tätigkeit aufgenommen und aufrecht erhalten werden könne. Außerdem zog das SG Unterlagen bei der Klinik H. M. in O. in Form von Entlassungsberichten vom 08.11.2012 und 10.12.2013, dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit in M. in Form eines Arztbriefes vom 17.01.2014, dem Psychiatrischen Zentrum N. in W. in Form eines Entlassungsberichts vom 30.01.2013 und eines Ambulanz-Verlaufsberichts vom 09.09.2014 sowie des Facharztes für Innere Medizin Dr. B. bei.
Darüber hinaus veranlasste das SG von Amts wegen die Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie psychotherapeutische Medizin Dr. W ... Dieser stellte in seinem Gutachten vom 06.03.2015 aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 05.03.2015 die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und einer leichten Depression. Eine quantitative Leistungseinschränkung sei auf seinem Fachgebiet nicht begründbar. Leichte und teilweise mittelschwere Frauenarbeiten im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche seien (bei Beachtung qualitativer Einschränkungen) acht Stunden je Arbeitstag zumutbar.
Nach vorheriger Anhörung wies das SG die Klage mittels Gerichtsbescheid vom 12.08.2015 ab. Lediglich der als sachverständige Zeuge gehörte Neurologe und Psychiater E. habe ein Leistungsvermögens von mindestens sechs Stunden täglich verneint. Nach den überzeugenden gutachtlichen Ausführungen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie psychotherapeutische Medizin Dr. W. sei diese Einschätzung aber nicht nachvollziehbar. Die Klägerin leide insbesondere an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und einer leichten depressiven Episode. Diese Beeinträchtigungen führten jedoch nur zur Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin in qualitativer, nicht jedoch in quantitativer Hinsicht. Denn sie könne noch leichte und teilweise mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig ausüben. Ihr seien lediglich schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten unter Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeitsbedingungen sowie mit überwiegendem Publikumsverkehr und mit erhöhter Verantwortung im Sinne einer Leitungsfunktion nicht zumutbar. Auch eine rentenrelevante Minderung der Wegefähigkeit sei nicht festzustellen. Den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin könne demnach hinreichend durch qualitative Leistungseinschränkungen Rechnung getragen werden.
Der Gerichtsbescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 18.08.2015 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 01.09.2015 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung der Klägerin. Das Gutachten des Dr. W. weise Unstimmigkeiten auf und lasse Fragen offen. Bereits der vom Gutachter gebrauchte Begriff der Frauenarbeit sei diskriminierend. Auch die Diagnosen und die Krankheitsveränderungen seien nicht zutreffend erfasst. Sie, die Klägerin, benötige für die Bewältigung des Alltags ein komplexes Hilfsnetz. Dieses belege die Erwerbsunfähigkeit und lasse nicht den Schluss zu, dass sie, die Klägerin, sich hierauf eingerichtet habe. Auch durch die zahlreichen stationären Aufenthalte seien ihre massiven gesundheitlichen Einschränkungen nachgewiesen. Zu berücksichtigen sei ferner die Zuerkennung der Pflegestufe 0 mit einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz. Ergänzend ist darüber hinaus die Bestätigung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit M. vom 29.02.2016 vorgelegt worden, wonach die Klägerin zwischen dem 13.01.2014 und dem 10.11.2014 an 32 ambulanten Sitzungen der Borderline Skillsgruppe teilgenommen habe. Zwischen dem 27.08.2015 und dem 17.11.2015 sei ein weiterer Aufenthalt im Klinikum H. M. erforderlich gewesen (Entlassbericht vom 30.11.2015).
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.08.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab dem 01.02.2014 zu gewähren,
hilfsweise, zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin bereits mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Alltags überfordert ist und dass sie nicht in der Lage ist, den Haushalt zu führen und die Betreuung der Kinder sicherzustellen, den Ehemann der Klägerin, Herrn Ch. M., L., 7 ... Ö., als Zeugen zu vernehmen,
hilfsweise, den benannten Zeugen dazu zu vernehmen, dass das Krankheitsbild der Klägerin zu einem Verlust ihrer Impulskontrolle führt und dass schon objektiv harmlose Situationen zu einer Eskalation der Situation führen können,
hilfsweise, den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. M. Sch., zu laden über das Psychiatrische Zentrum N., H., 6 W., persönlich zu laden und zu vernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zutreffend habe das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat die Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie N. vom 16.02.2016 vorgelegt.
Der Senat hat daraufhin die erneute Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. Sch. veranlasste. Dieser hat in seinem Gutachten vom 10.01.2017 aufgrund ambulanter Untersuchungen der Klägerin am 05.12.2016 und 23.12.2016 u.a. unter Durchführung von testpsychologischen Beschwerdevalidierungsverfahren die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung (gegenwärtig leichtgradige Episode) und einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ gestellt. Bei Zusammenschau der klinischen und testpsychologischen Befunde sei davon auszugehen, dass zumindest in Bezug auf die kognitiven Defizite eine unauthentische Beschwerdepräsentation im Sinne aggravatorischen Verhaltens wahrscheinlich sei. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten und vorübergehend mittelschwere Arbeiten unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zu verrichten.
Mit Schreiben vom 21.03.2017 hat die Klägerin Einwände gegen das Gutachten erhoben. Bereits ihr Geburtsdatum sei falsch erfasst. Unerwähnt bleibe, dass sie, die Klägerin, in Begleitung ihres Ehemannes erschienen und diesem nur gestattet gewesen sei, an einem Vorgespräch teilzunehmen. Soweit der Gutachter erwähne, dass Reha-Maßnahmen bislang nie ein Thema gewesen seien, sei von Seiten der Pflegeversicherung keine realistische Möglichkeit gesehen worden, die Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu vermindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Unzutreffend sei auch, dass bei dem Sohn eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostiziert worden sei. Der Grund für den zeitweisen Aufenthalt des jüngeren Sohnes bei den Schwiegereltern basiere auf einer Vereinbarung mit dem Jugendamt, um die häusliche Situation zu entlasten. Auch der auf S. 15 des Gutachtens geschilderte Polizeieinsatz sei unzutreffend. Der Ehemann habe zur Deeskalation gemeinsam mit dem älteren Sohn die Wohnung freiwillig verlassen. Die angegebenen wöchentlichen Therapiesitzungen träfen ebenfalls nicht zu, da die Therapeutin aufgrund zahlreicher nicht wahrgenommener Termine und fehlender Mitarbeit eine Weiterbehandlung abgelehnt habe. Auch die Angabe der Pflegestufe 0 wegen sechsmal jährlich auftretender depressiver Phasen sei unzutreffend. Die beschriebene Tagesstruktur gehe an der Realität vorbei. Nur durch mehrere Impulse des Ehemannes vermöge sie, die Klägerin, aufzustehen. Ausschließlich der Ehemann bereite das Frühstück und übernehme das Wecken der Kinder und die Koordinierung des Ablaufs. Das Abräumen übernehme sie nur dann, wenn der Ehemann in Frühschicht arbeite. Auch die Hausarbeit werde ausschließlich durch den Ehemann erledigt. Der Ehemann müsse ihr, der Klägerin, auch unter der Woche Elan geben. Auch die Ausführungen zur Wegefähigkeit seien nicht plausibel. Entgegen den Ausführungen des Gutachters würde sich durch die Berentung auch keine Besserstellung ergeben. Dem Vorwurf der negativen Antwortverzerrung und einer instruktionswidrigen Antwortverzerrung sei schließlich entgegenzutreten. Es falle vielmehr auf, dass der Gutachter die Einschränkungen verharmlose. Schließlich würden auch die Schlussfolgerungen hinsichtlich der qualitativen und quantitativen Leistungseinschränkung nicht verfangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, auf die Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten des SG und die Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Sitzung vom 17.05.2017 unter dem Vorsitz der Vorsitzenden Richterin am Landessozialgericht G.-B. entscheiden. Der von der Klägerin gestellte Befangenheitsantrag wurde in der mündlichen Verhandlung als unzulässig verworfen.
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat hierauf keinen Anspruch.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554).
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll- bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeinen Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden und den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Davon ausgehend steht der Klägerin keine Erwerbsminderungsrente zu. Eine Erwerbsminderung aufgrund der bei ihr bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen ist nicht nachgewiesen. Sie ist nach wie vor dazu in der Lage, zumindest leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr täglich im Rahmen eine Fünf-Tage-Woche nachzugehen.
Der Senat folgt der Leistungseinschätzung der im Klage- und Berufungsverfahren beauftragten Gutachter Dr. W. und Dr. Sch. sowie dem Gutachter aus dem Verwaltungsverfahren Dr. B ... Letzteres Gutachten hat der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Die Gerichtsgutachter haben übereinstimmend eine rezidivierende Depression mit aktuell leichtgradiger Ausprägung angenommen. Im Übrigen lässt der Senat dahinstehen, ob bei der Klägerin die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (so Drs. W. und B.) oder einer emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typ (so Dr. Sch.) zu diagnostizieren ist. Maßgeblich für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ist nicht die Diagnose, sondern die hieraus resultierende Beeinträchtigung. Im Rahmen der Begutachtungen war die Klägerin jeweils wach, bewusstseinsklar, zu Person, Ort, Zeit und Situation uneingeschränkt orientiert. Es fanden sich keine manifesten formalen Denkstörungen, insbesondere keine Hemmung oder Verlangsamung des Denkens, kein grübelndes, umständliches oder eingeengtes Denken. Eine Inkohärenz, ein beschleunigtes Denken, ein Gedankendrängen oder eine Ideenflucht waren nicht feststellbar. Auch das Auffassungs- und Konzentrationsvermögen war altersentsprechend durchschnittlich gut. Klinisch relevante mnestische Funktionsstörungen in Bezug auf das Kurz- und Langzeitgedächtnis waren nicht ersichtlich. Starke Ausprägungen kognitiver Ermüdungszeichen im Rahmen der beiden jeweils mehrstündigen Untersuchungssitzungen bei Dr. Sch. waren nicht zu beobachten. Auch pathologische Ängste, Zwangssymptomatiken im Sinne von Zwangsgedanken, -impulsen oder -handlungen waren nicht eruierbar. Es fanden sich keine Hinweise auf paranoides Erleben. Der Antrieb war situationsadäquat. Die Stimmungslage subdepressiv herabgemindert mit etwas eingeengter, jedoch nicht aufgehobener emotionaler Schwingungsfähigkeit. Eine Ichstörung war ebenso wie eine Sinnestäuschung nicht feststellbar. Soweit die Neigung zu impulshaften Äußerung negativer Einschätzungen, verbunden mit Herabsetzung und Kränkung des Gegenübers, von der Klägerin angegeben wurde, ist diese im Kontext der zu diagnostizierenden Persönlichkeitsstörung zu sehen. Gleichzeitig liegt aber keine solche Persönlichkeitspathologie vor, die es der Klägerin gleichsam unmöglich machen würde, auf entsprechende Kränkungen und die von ihr beschriebene interpersonellen Manipulationen und Intrigen im sozialen Umfeld zu verzichten. Diese Selbststeuerung kostet die Klägerin aus Ich-strukturellen Gründen mehr "energetischen Aufwand" als eine Durchschnittsperson. Die Selbststeuerung ist ihr aber - wie sie bei den Untersuchungen demonstrierte - möglich und im relevanten beruflichen Kontext auch zumutbar. Insoweit fanden sich auch keinerlei Hinweise dafür, dass bei der Klägerin eine solche Persönlichkeitspathologie vorliegt, die ihr die Einsicht in die Konsequenzen ihres Tuns und ihre Stärkungsfähigkeit in Psychose-ähnlicher Weise aufheben würde. Soweit die vorliegenden Gesundheitsstörungen zu einer Minderung der psychovegetativen Stressbelastung führen, sind der Klägerin Tätigkeiten mit entsprechender Belastung - etwa durch erhöhten Zeitdruck (z.B. Akkordarbeit) oder durch unphysiologische psychovegetative Belastungen (z.B. Nachtarbeit) - nicht zumutbar. Auf Grund der Persönlichkeitsstörung sind auch die sozialen Kompetenzen der Klägerin gemindert, weshalb jede Tätigkeit, die das selbstständige Bewältigen von auch herausfordernden interpersonellen Interaktionen bedingt - etwa durch unmittelbaren Kundenkontakt -, für die Klägerin nicht in Frage kommt. Auch Tätigkeiten, die anhaltend hohe Anforderungen an das Aufmerksamkeits- und Reaktionsvermögen abverlangen - etwa Tätigkeiten an gefährlichen laufenden Maschinen, Tätigkeiten mit Kontrollfunktion und der Notwendigkeit sofortigen Eingreifens im Indikationsfall -, sind von der damit notwendigerweise verbundenen psychovegetativen Belastung auszuschließen. Entsprechendes gilt für Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Sachwerte. Auf Grund der von der Klägerin geltend gemachten erhöhten Erschöpfbarkeit sollten auch körperlich schwere und anhaltend mittelschwere Tätigkeiten gemieden werden. In Übereinstimmung mit Dr. Sch., Dr. W. sowie Dr. B. ist die Klägerin jedoch weiterhin in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten und vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten, die den oben aufgeführten qualitativen Leistungsdefiziten Rechnung tragen, sechs Stunden und mehr im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zumutbar zu verrichten. Ergänzend weist der Senat insoweit auch darauf hin, dass die Klägerin trotz der unstreitig schon ins Berufsleben eingebrachten Einschränkungen auch langjährig vollschichtig tätig war.
Soweit die Klägerin Einwände gegen das Gutachten von Dr. Sch. erhoben hat, sind diese nicht geeignet, die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens zu beeinträchtigen. Zum einen betreffen diese allenfalls Randbereiche wie etwa die Nennung des Geburtsdatums, die Anwesenheit des Ehemanns bei der Begutachtung, Bereitschaft zu Reha-Maßnahmen, Erkrankungen eines Sohnes, die näheren Umstände des Aufenthalts des jüngeren Sohnes bei den Schwiegereltern und der geschilderte Polizeieinsatz, die für die Leistungseinschätzung nicht relevant sind. Zum anderen sind die Einwände aber auch nicht geeignet, den vom Gutachter genannten psychischen Befund zu widerlegen, da sie hierzu in keinem Zusammenhang stehen. Insoweit leitet der Gutachter für den Senat nachvollziehbar und schlüssig aus den mitgeteilten psychischen Befunden die oben dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen ab und zeigt in Übereinstimmung mit den Gutachtern Dr. W. und Dr. B. auf, dass der Klägerin weiterhin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zumutbar sind. In Übereinstimmung mit den Gutachtern und den Ausführungen des Klägervertreters geht auch der Senat davon aus, dass sich die Klägerin ein komplexes Netzwerk geschaffen hat, dass sie in der Bewältigung von Alltagsproblemen unterstützt. Entgegen den Ausführungen des Klägervertreter sieht der Senat jedoch in Übereinstimmung mit den Gutachtern Dr. Sch., Dr. W. und Dr. B. keine medizinische Notwendigkeit hierfür. Darüber hinaus vermögen auch die Einwände der Klägerin gegen die in der Untersuchungssituation vom Gutachter festgestellten Verdeutlichungstendenzen im Sinne negativer Antwortverzerrungen und instruktionswidriger Anstrengungsminderleistungen nicht zu verfangen. Insoweit ist insbesondere auf den von Dr. Sch. als Beschwerdevalidierungsverfahren eingesetzten WMT verwiesen. Hierbei handelt es sich um eines der weltweit am besten untersuchten Verfahren zur Anstrengungsbereitschaft in Untersuchungssituationen mit hohen Sensitivitäts- und Spezifitätswerten. In einer PC-gestützten Testversion wird einem Probanden dort eine nur vordergründig schwierige Lernaufgabe (Wortpaare) gestellt. Die Lernleistung wird anschließend in unterschiedlichen Aufgabenstellungen abgerufen. Die Werte in den Untertests zur Messung der Anstrengungsbereitschaft waren massiv auffällig. Die hier gezeigten Leistungen lagen weit unter denen kooperationswilliger dementer Probanden oder von mittelgradig bis schwer hirnverletzten Probanden. Insgesamt wiesen die Testergebnisse auf eine instruktionswidrige Anstrengungsminderleistung hin. Im Ergebnis ist nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Dr. Sch. in dessen Gutachten vom 10.01.2017 davon auszugehen, dass die in den Prüfungen gezeigten Leistungen nicht den tatsächlichen Fähigkeiten der Klägerin entsprachen. Auch vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat von einer quantitativen Leistungseinschränkung nicht zu überzeugen.
Eine quantitative Leistungseinschätzung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes lässt sich auch aus der sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Arztes E. nicht ableiten. Dieser hat keine Befunde und Einschränkungen mitgeteilt, die eine derartige Einschätzung tragen könnten. Darüber hinaus lässt die sachverständige Zeugenauskunft nicht nur eine Unterscheidung zwischen quantitativer und qualitativer Leistungseinschätzung, sondern auch zwischen Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit vermissen. Schließlich aber ist durch die gerichtlichen Sachverständigengutachten auch geklärt, dass die Erkrankung der Klägerin keine derart gravierende Auswirkung hat. Die Leistungseinschätzung des behandelnden Arztes ist damit widerlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st. Rspr. des Senats (statt vieler Urteil des Senats vom 22.02.2017, - L 5 R 791/15 -, n.v.; vgl auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10, n.v.) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens i.d.R. keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.
Auch die Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 belegt nicht, dass die Klägerin erwerbsgemindert ist. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechselwirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 SB 5/01 B -, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 09.12.1987 – 5b BJ 156/87 -, in juris). Für die Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI sind die Erwerbsmöglichkeiten des Betroffenen maßgeblich, während § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14.01.2015 geltenden Fassung und § 159 Abs. 7 SGB IX in der seit dem 15.01.2015 geltenden Fassung (geändert durch Art. 1a des Gesetzes vom 07.01.2015, BGBl. II, S. 15) auf die abstrakten Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) verweist (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 SB 5/01 B –, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 09.12.1987, - 5b BJ 156/87 -, in juris). Auch die festgestellte Pflegestufe 0 ist nicht geeignet, die eingeholten Gutachten zu widerlegen. Aus den medizinischen Unterlagen ergibt sich ein klares und eindeutiges Bild der (lediglich qualitativen) Leistungseinschränkungen. Bei einer Gesamtbetrachtung sind dauerhafte gravierende Leistungseinschränkungen damit nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben ist, bestehen nicht. Ein Großteil der qualitativen Beschränkungen werden bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG, Urteil vom 30.11.1983, - 5 ARKn 28/82 - ; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, - GS 2/95 -; siehe auch BSG, Urteil vom 05.10.2005, - B 5 RJ 6/05 R - , alle in juris). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin leidensgerecht unzumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich oder mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI).
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass die Klägerin vor dem 02.01.1961 geboren ist. Die Klägerin ist jedoch 1977 und damit nach dem Stichtag geboren.
Der Senat war auch nicht gehalten, den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen bzw. Beweisanregungen nachzugehen. Soweit die Klägerin die Vernehmung des Ehemanns als Zeugen beantragt hat, so war das Gericht nicht gehalten, diesem Antrag zu entsprechen. Denn der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 Satz 1 SGG) zwingt das Gericht nicht dazu, völlig ungeeignete Beweismittel heranzuziehen (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 103 Rdnr. 8). So liegt der Fall hier. Die von der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung formulierten Beweisfragen sollen unter Beweis stellen, dass sie aus medizinischen Gründen mit der Wahrnehmung des Alltags überfordert ist, dass sie nicht in der Lage ist, den Haushalt zu führen und die Betreuung der Kinder sicherzustellen sowie dass ihr Krankheitsbild zu einem Verlust ihrer Impulskontrolle führt und dass schon objektiv harmlose Situationen zu einer Eskalation der Situation führen. Zu diesen medizinischen Fragen soll der Ehemann als Zeuge gehört werden. Diese Fragen kann der Ehemann der Klägerin, der - soweit ersichtlich - kein Arzt ist und auch sonst über keinerlei medizinische Vorbildung verfügt, nicht beantworten, da er diesbezüglich nicht sachkundig ist. Er ist als Beweismittel insoweit ungeeignet. Im Übrigen kann als wahr unterstellt werden, dass die Klägerin den Haushalt nicht führt, die Betreuung der Kinder nicht sicherstellt und schon objektiv harmlose Situationen zu einer Eskalation der Situation führen. In Übereinstimmung mit den Gutachtern geht der Senat jedoch davon aus, dass die Einschränkung im Bereich der Haushaltsführung und Kinderbetreuung nicht auf gesundheitliche Einschränkungen zurückzuführen sind und die bestehende Erkrankung auf nervenärztlichem Fachgebiet lediglich zu qualitativen Einschränkungen führt.
Der Senat war auch nicht verpflichtet, auf den Hilfsantrag der Klägerin den Gutachter Prof. Dr. Sch. zur Vernehmung in die mündliche Verhandlung zu laden. Nach §§ 103, 118 Abs. 1 S. 1 SGG iVm § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutert. Grundsätzlich steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es einen Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens laden will (vgl Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 29.8.1995, - 2 BvR 175/95, in juris). Zwar wird mit § 411 Abs 3 ZPO die Befugnis des Prozessgerichts statuiert, von sich aus, "von Amts wegen", also ohne Anregung oder Antrag eines Beteiligten den Sachverständigen zum Termin zu laden und dort zu hören, um fehlerhafte tatsächliche Annahmen, Lücken oder Widersprüche im Gutachten in Gegenwart der Beteiligten mündlich zu erörtern und nach Möglichkeit auszuräumen (BSG, Urteil vom 16.01.1986, - 4b RV 27/85 -, in juris; vgl auch BSG, Beschluss vom 11.10.1988, - 5 BJ 250/88 -, beide in juris). Allerdings ist ein Prozessbeteiligter nicht gehindert, ein Tätigwerden des Prozessgerichts vom Amts wegen nach § 411 Abs. 3 ZPO anzuregen. Diese Anregung ("Antrag") muss aber bestimmten Anforderungen entsprechen: Sie muss Ausführungen enthalten, aufgrund derer sich das Gericht schlüssig werden kann, ob es überhaupt Anlass hat, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens zum Termin zu laden; die Anregung muss zumindest bei einem anwaltlich vertretenen Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungsobliegenheit regelmäßig so rechtzeitig nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens beim Prozessgericht eingebracht werden, dass dieses entsprechend der Konzentrationsmaxime (vgl § 106 Abs. 2 SGG) in der Lage ist, den Sachverständigen noch zum nächsten Termin zu laden und die Streitsache in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen (vgl BSG, Urteil vom 16.01.1986, - 4b RV 27/85 -, in juris). Einen Antrag, der - wie hier - den vorgenannten Anforderungen nicht genügt, kann das Prozessgericht ablehnen, ohne dass es das ihm durch § 411 Abs. 3 ZPO eingeräumte Ermessen überschreitet (vgl. BSG Urteil vom 16.01.1986, - 4b RV 27/85 -, in juris).
Einen Antrag auf Ladung des Gutachters hat die rechtskundig vertretene Klägerin erst am 15.05.2017 (16:04 Uhr Eingang bei der Poststelle) gestellt. Eine Ladung zum Termin war damit nicht mehr möglich, weshalb der Antrag abzulehnen war.
Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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