L 8 U 4175/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 4072/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4175/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.09.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin W. wird abgelehnt.

Tatbestand:

Der.1975 geborene Kläger war als Häftling in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ulm in der Schreinerei an der Plattensäge tätig.

Am 22.11.2013 stellte er sich beim Durchgangsarzt Dr. F. vor, der eine Zerrung des linken Schultergürtels angab (Bl. 1 der Verwaltungsakte); der Kläger habe am 06.11.2013 gemeinsam mit einem Kollegen eine über 100 kg schwere Holzplatte heben müssen, welche dem Kollegen aus der Hand geglitten sei, so dass der Kläger die volle Last abbekommen habe. Dr. F. gab an, der Kläger sei ab dem 22.11.2013 arbeitsunfähig. Arbeitsfähigkeit trete voraussichtlich am 25.11.2013 wieder ein.

Mit Schreiben vom 27.11.2013 forderte die Beklagte die JVA U. zur Erstattung einer Unfallanzeige auf (Bl. 2 der Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 09.12.2013 legte die JVA diese vor (Eingang bei der Beklagten am 12.12.2013 - Bl. 5 der Verwaltungsakte) und gab darin an, dass sich der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit in der Schreinerei eine Zerrung der linken Schulter zugezogen habe. Die Tätigkeit sei am 02.12.2013 wieder aufgenommen worden.

Am 20.12.2013 erhob der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Ulm (SG) und stellte einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, welchen das SG mit Beschluss vom 24.01.2014 ablehnte (Az. S 9 U 4209/13 ER). Die hiergegen gerichtete Beschwerden blieben ebenfalls ohne Erfolg (Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.05.2014- L 6 U 444/14 ER-B sowie Beschluss des Bundessozialgericht vom 21.08.2014 - B 2 U 6/14 S).

Zur Begründung seiner Klage führte der Kläger an, dass die Beklagte nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) umfassend für alle aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Schäden hafte. Hierzu gehöre auch das Verletztengeld. Die Beklagte müsse sich das Verhalten der Ärzte zurechnen lassen, die systematisch eine Beweisvereitelungsabsicht verfolgten. Er verlange den Ersatz aller materiellen und immateriellen Schäden sowie Verletztengeld für die Zeit vom 22.11.2013 bis 29.11.2013. Die Beklagte habe zudem für eine notwendige medizinische Versorgung, eine qualifizierte Befunderhebung und die Beseitigung der Behandlungsfehler zu sorgen.

Mit Schreiben vom 06.06.2014 forderte der Kläger erneut die Gewährung von Schmerzensgeld (Bl. 323 ff. der Verwaltungsakte). Die Beklagte hafte hierfür gemäß § 2 SGB VII. Aufgrund der andauernden und bei sachgerechter Behandlung vermeidbaren Schmerzen in der linken Schulter fordere er für die Zeit vom 06.11.2013 bis heute täglich 100 Euro Schmerzensgeld. Mit Bescheid vom 30.06.2014 (Bl. 325 der Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte dies mangels gesetzlicher Grundlage ab.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 03.07.2014 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2015 zurück (Bl. 484 der Verwaltungsakte).

Am 18.05.2015 erhob der Kläger hiergegen Klage vor dem SG Stuttgart, welches den Rechtsstreit mit Beschluss vom 07.12.2015 an das örtlich zuständige SG Karlsruhe verwies. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, bei einer sachgerechten ärztlichen Behandlung hätte binnen zwei Wochen ein völlig schmerzfreier Zustand hergestellt werden können, der aber bis heute nicht eingetreten sei. Mit Gerichtsbescheid vom 30.09.2016 wies das SG die Klage ab. Die Klage sei unbegründet, weil es für die vom Kläger geltend gemachte Zahlung von 100 Euro kalendertäglich für materielle und immaterielle Schäden aus dem Unfall vom 06.11.2013 keine Anspruchsgrundlage im SGB VII gebe. Einen Amtshaftungsanspruch, der in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit falle, habe der Kläger nicht geltend gemacht.

Gegen den dem Kläger am 27.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die mit Schreiben vom 31.10.2016 beim Sozialgericht Ulm erhobene Berufung (Eingang beim LSG am 14.11.2016). Zur Begründung trägt der Kläger vor, ein einmal in zulässiger Weise angegangenes Gericht habe den Streit umfassend zu entscheiden. Die Behauptung des Gerichts, es sei nicht sachlich zuständig, sei unbeachtlich. Gerichte schuldeten dem Kläger den materiell-rechtlichen Erfolg. Wie Art. 34 GG zu behandeln sei, bewerte auch das BSG widersprüchlich. Die Beklagte zu 1 und die Ärzte könne man durchaus als Beliehene im Sinne von Art. 34 GG betrachten. Die Ärzte seien beizuladen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 30.09.2016 aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen,

hilfsweise

den Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 30.09.2016 aufzuheben sowie den Bescheid vom 30.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.04.2015 aufzuheben und die Beklagte zu 1 und zu 2 zu verurteilen, ihm gesamtschuldnerisch Schmerzensgeld in Höhe von 100 Euro kalendertäglich ab dem 06.11.2013 zu gewähren, ihm alle materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 06.11.2013 zu ersetzen und festzustellen, dass die Beklagten für die Befunderhebungs- und Behandlungsfehler der Ärzte Kirchhoff, F. und Grützner haften.

Die Beklagte zu 1 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 2 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten berufen sich zur Begründung auf die zutreffenden Gründe des Gerichtsbescheides.

Mit Schreiben vom 17.03.2017 hat der Kläger Akteneinsicht beantragt und gerügt, dass eine Verhandlung in Pforzheim gegen §§ 169 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) verstoße. Zugleich hat er mitgeteilt, dass ein Betreuungsverfahren bei dem Amtsgericht Offenburg - Az. 6 XVII 34/16 anhängig sei und die Bestellung eines Prozesspflegers beantragt. Darüber hinaus hat er die Anordnung der Vorführung beantragt.

Der Vorsitzende Richter am Landessozialgericht Keßler hat daraufhin telefonisch beim Amtsgericht Offenburg um Mitteilung gebeten, ob ein solches Verfahren dort anhängig sei. Mit Schreiben vom 30.03.2017 hat der Senat das Amtsgericht Offenburg sodann um Mitteilung des Sachstandes im dortigen Betreuungsverfahren gebeten.

Mit Schreiben vom 31.03.2017 hat der Kläger den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Keßler sowie die Richterin am Sozialgericht Ewig wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil sich der Inhalt des Schreibens vom 30.03.2017 als reine Rechtsbeugung und Willkür darstelle. Zugleich hat der Kläger auch die übrigen Senatsmitglieder wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Ihre Befangenheit ergebe sich aus ihrem Verhältnis zum Vorsitzenden, auf dessen Bewertung sie angewiesen seien.

Mit Beschluss des Senats vom 03.04.2017 ist der Antrag des Klägers auf Gewährung von Pro-zesskostenhilfe (PKH) abgelehnt worden.

Mit Schreiben vom 04.04.2017 hat das Amtsgericht Offenburg mitgeteilt, dass im dortigen Verfahren eine Betreuung bislang nicht eingerichtet worden sei. Es sei ein aktuelles Gutachten in Auftrag gegeben, welches bislang allerdings noch nicht vorliege.

Mit Schreiben vom 09.04.2017 hat der Kläger erneut den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht K., den Richter am Landessozialgericht L. sowie die Richterin am Sozialgericht E. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil sie "mit Beschlüssen vom 03.04.2017 ihren aktenkundigen Rechtsbeugungsvorsatz weiterverfolgen." Er hat zudem erneut Akteneinsicht verlangt und mitgeteilt, er habe in den letzten zwölf Monaten keinerlei Akteneinsicht erhalten. Es möge dahinstehen, ob der Kläger den Bescheid vom 17.03.2015 nie erhalten habe oder sein Widerspruch, den er hiermit wiederhole, von der JVA unterschlagen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

1. Der Senat konnte abweichend von § 45 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) unter Mitwirkung der abgelehnten Richter über das Befangenheitsgesuch vom 31.03.2017 und 09.04.2017 und die Berufung des Klägers entscheiden, denn der Befangenheitsantrag ist rechtsmissbräuchlich und auch aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig (vgl. zu diesen Voraussetzungen: Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Auflage, § 60 RdNr. 10d). Das rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuch hinderte die abgelehnten Richter auch nicht an Verfahrenshandlungen im vorbereitenden Verfahren. Die Einschränkung des § 47 ZPO stand nicht entgegen.

In der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichtshöfe und des BVerfG ist anerkannt, dass rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der Ausgangs-Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter behandelt werden können, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (BSG, 07.09.2016 - B 10 SF 2/16 C mwN., juris).

So liegt der Fall hier. Das Ablehnungsgesuch ist offensichtlich unzulässig und damit rechtsmissbräuchlich.

Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit von einem Prozessbeteiligten abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann (vgl. Keller a.a.O., § 60 RdNr. 7). Zur Zulässigkeit eines Befangenheitsantrages ist der geltend gemachte Ablehnungsgrund durch nachvollziehbaren Bezug zum konkreten Rechtsstreit wenigstens ansatzweise zu substantiieren (Keller, a. a. O., RdNr. 10 b). Ein Ablehnungsgesuch ist unzulässig, wenn der Ablehnungsgrund völlig ungeeignet ist oder nur Tatsachen benannt werden, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Befangenheit begründen. Ein im Rahmen gebotener richterlicher Verfahrensweise liegendes Verhalten kann einem Ablehnungsgesuch von vornherein nicht zum Erfolg verhelfen (BSG, 31.08.2015 - B 9 V 26/15 B, juris). Unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ist die Befangenheit auch dann begründet, wenn lediglich eine für den Betroffenen ungünstige Rechtsansicht beanstandet wird, ohne dass Umstände angeführt werden, die eine mögliche Fehlerhaftigkeit auf Grund unsachlicher Einstellung des Richters belegen können (Keller, a.a.O., RdNr. 10 b). Eine unzureichende Begründung liegt darüber hinaus dann vor, wenn pauschal, ohne konkrete Anhaltspunkte zu benennen, alle Mitglieder eines Spruchkörpers abgelehnt werden (BVerfG, 11.03.2013 - 1 BvR 2853/11 -, juris).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig und damit rechtsmissbräuchlich.

Soweit der Kläger den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht K. sowie die Richterin am Sozialgericht E. im Hinblick auf das Schreiben vom 30.03.2017, mit welchem beim Amtsgericht Offenburg nach dem Sachstand des dortigen, vom Kläger selbst angezeigten Betreuungsverfahrens gefragt wurde, wegen Willkür und Rechtsbeugung abgelehnt hat, handelt es sich um bloße Wertungen ohne Tatsachensubstanz, die eine Befangenheit in keiner erkennbaren Beziehung zum vorläufigen Rechtsstreit zu begründen vermag. Eine Sachstandsanfrage in einem Betreuungsverfahren ist zudem ein im Rahmen gebotener richterlicher Aufklärung liegendes Verhalten und zur Begründung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet.

Auch unter Berücksichtigung des Schreiben vom 09.04.2017, mit welchem der Kläger den Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht K. und die Richterin am Sozialgericht E. bekräftigt und zudem gegen den Richter am Landessozialgericht L. erhoben hat, ändert an dieser Beurteilung nichts. Der vom Kläger angeführte "Rechtsbeugungsvorsatz" wird nicht durch eine nachvollziehbare Bezugnahme zum konkreten Verfahren wenigstens ansatzweise substantiiert. Der bloße Hinweis auf den ablehnenden, als "schwachsinnig" bezeichneten PKH-Beschluss reicht insoweit nicht aus (vgl. auch Keller a.a.O., § 60 RdNr. 10b zum insoweit unkommentierten Hinweis auf eine PKH-Ablehnung). Denn das Tatbestandsmerkmal der hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels (§ 114 Abs. 1 ZPO) erfordert die vom Gesetzgeber verlangte prognostische summarische Prüfung des voraussichtlichen Erfolgs der Berufung des Klägers. Eine Voreingenommenheit der beteiligten Richter ist damit daraus nicht ableitbar.

Soweit der Kläger die übrigen Mitglieder des Senats ohne weitere Namensnennung abgelehnt hat, weil sie im Verhältnis zum Vorsitzenden auf dessen Beurteilung angewiesen seien, ist sein Befangenheitsantrag ebenfalls unzulässig.

Der Kläger hat insoweit keinerlei Gründe dargelegt, die selbst bei wohlwollender Auslegung (vgl. hierzu Keller a.a.O. unter Bezugnahme auf BVerfG, NJW 05, 3410ff) eine Befangenheit zu begründen vermögen. Er hat das Befangenheitsgesuch vielmehr pauschal erhoben, ohne ein konkretes Verhalten der einzelnen Richter mitzuteilen. Der bloße Hinweis auf die dienstliche Beurteilung durch den Vorsitzenden ist zur Rechtfertigung des Befangenheitsgesuchs ebenfalls völlig ungeeignet.

Da das Ablehnungsgesuch als offensichtlich unzulässig zu verwerfen ist und es daher bei der Entscheidung auf die dienstliche Äußerungen der abgelehnten Richter nicht ankommen kann, hat es einer dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richter nicht bedurft (vgl. Keller, a. a. O., § 60, RdNr. 11c).

Darüber hinaus konnte der Senat über die Befangenheit auch im Rahmen des Urteils entscheiden. Eine gesonderte Entscheidung ist bei offensichtlich unzulässigen bzw. offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Befangenheitsanträgen nicht erforderlich (vgl. Keller, a. a. O., § 60, RdNr. 10e). So liegt der Fall hier.

2. Der Senat war auch nicht gehalten, für den Kläger einen besonderen Vertreter im Sinne des § 72 Abs. 1 SGG zu bestellen.

Nach dieser Regelung kann der Vorsitzende bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Vorliegend waren weder der Vorsitzende noch der Senat gehalten, einen solchen Vertreter zu bestellen. An der Annahme der Prozessfähigkeit ist der Senat nicht dadurch gehindert, dass vor dem Amtsgericht Offenburg ein Betreuungsverfahren anhängig ist. Ausweislich des Schreibens des Amtsgerichts Offenburg vom 04.04.2017 wurde eine Betreuung im dortigen Verfahren noch nicht angeordnet. Zudem kann das Vormundschaftsgericht weder die Geschäfts-(Prozess-)fähigkeit noch die Geschäfts-(Prozess-)unfähigkeit rechtskräftig oder sonst wie verbindlich feststellen (BSG, 03.07.2003 - B 7 AL 216/02 B, juris). Im Anschluss an die Rechtsprechung des 2. und 11. Senats des LSG (L 2 SF 3694/12 EK und L 11 SF 293/14 EK) vom 29.04.2014 und 30.04.2014, welche den Kläger für prozessfähig gehalten haben, und die der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 24.07.2015 (L 8 U 633/15) zitiert hatte, sieht der Senat eine Prozessunfähigkeit vielmehr nicht als nachgewiesen an.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt auch kein Verstoß gegen § 61 Abs. 1 SGG iVm. § 169 Satz 1 GVG dadurch vor, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung im Gebäude des Landratsamtes in Pforzheim durchgeführt wurde. Nach § 110 Abs. 2 SGG kann das Gericht durch Anordnung des Vorsitzenden auch außerhalb des Gerichtssitzes Sitzungen abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist, was nach einhelliger Ansicht einer großzügige Auslegung zugänglich ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 110 Rn. 9, Zeihe/Hauck, SGG, § 110 Rn. 6). Vorliegend ist wegen Behinderung durch Baumaßnahmen im Sitzungsbereich des Gerichtsgebäudes und wegen einer Verkürzung der Anreise der Prozessbeteiligten zum auswärtigen Gerichtsort der Auswärtstermin für die sachdienliche Erledigung notwendig. Ein Verstoß gegen § 110 Abs. 2 SGG ist darüber hinaus grundsätzlich prozessual unschädlich (vgl. Leitherer a.a.O.), da die Regelung als Ordnungsvorschrift nur die äußere Verfahrensgestaltung betrifft. Eine Rechtsverletzung des Klägers durch den anberaumten Außentermin wegen eines Verstoß gegen § 169 ZPO ist auch nicht ersichtlich.

§ 169 Satz 1 GVG statuiert den Grundsatz der öffentlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht. Danach steht jedermann, das heißt denjenigen, die nicht Prozessbeteiligte sind, die Möglichkeit offen, der mündlichen Verhandlung unmittelbar beizuwohnen (Zimmermann in MüKoZPO, 4. Auflage 2013, § 169 GVG, RdNr. 1). Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung besagt allerdings nicht, das jedermann immer und unter allen Umständen wissen muss, wann und wo ein erkennendes Gericht eine Verhandlung durchführt; es genügt, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten davon Kenntnis zu verschaffen und dass der Zutritt im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist (BGH 22.01.1981 - 4 StR 97/80, juris).

So liegt der Fall hier. Über die Sitzung am 02.05.2017 wurde sowohl durch Aushang der Tagesordnung im Gerichtsgebäude in Stuttgart (mit dem Hinweis auf die Sitzungsdurchführung im Landratsamt Pforzheim) als auch durch den Aushang der Tagesordnung im Landratsamt Pforzheim in dessen Eingangsbereich und vor dem Sitzungssaal informiert. Das Gebäude des Landratsamtes war für die Öffentlichkeit ebenso wie der Sitzungssaal frei zugänglich, insbesondere war im Landratsamt durch aufgestellte Hinweistafeln der Weg zum Sitzungssaal ausgewiesen. Vor Beginn der mündlichen Verhandlung wurde die Sache des Klägers deutlich hörbar und verständlich vor dem Sitzungssaal aufgerufen. Sowohl die erfolgten Hinweise als auch die durch Aushang und Wegweisung getroffenen Vorkehrungen im Landratsamt machten eine Wahrnehmung des Termins durch unbeteiligte Dritte möglich. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit liegt mithin nicht vor.

4. Der Senat war auch nicht gehalten, dem Kläger erneut Akteneinsicht zu gewähren. Dem Kläger war in dem Verfahren L 8 U 3488/15 vom bis dahin noch zuständigen 9. Senat bereits im November 2015 Einsicht in die Verwaltungsakten (Bl. 1 - 620) gewährt worden. Dass der Kläger in die übersandte Akte tatsächlich Einsicht nehmen konnte, ergibt sich auch aus dem Schreiben der JVA O. vom 16.11.2015, wonach die Akten "nach Einsichtnahme des Gefangenen K., Stephan am Montag, den 16.11.2015" zurückgesandt wurden. Die danach weiter angefallenen Aktenbestandteile der Verwaltungsakte betreffen das gerichtliche Verfahren, in dem dem Kläger jeweils Mehrfertigungen aller Eingänge bei Gericht übersandt worden sind. Ein Recht auf Akteneinsicht besteht grundsätzlich nur einmal (Kolmetz in Jansen, SGG, 4. Aufl. 2012, § 120 RdNr. 8). Ein nochmaliger Antrag auf Akteneinsicht bedarf, soll er erfolgreich sein, einer schlüssigen Begründung. Eine solche hat der Kläger jedoch nicht vorgelegt. Dass die Verwaltungsakten – wie vom Kläger vorgetragen – nie vorlagen, ist offensichtlich unzutreffend.

5. Der Senat war auch nicht gehalten, die Ärzte K., F. und G. zu dem Verfahren beizuladen. Nach § 75 Abs. 2 SGG sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwenige Beiladung) oder wenn sich im Verfahren ergibt, dass bei Ablehnung des Anspruchs ein anderer Leistungspflichtiger in Betracht kommt (unechte notwendige Beiladung). Eine notwenige Beiladung ist erforderlich, wenn die gerichtliche Entscheidung unmittelbar in die Rechtssphäre eines Dritten eingreift, was wiederum voraussetzt, dass das Rechtsverhältnis des Dritten zu einem der Hauptbeteiligten zumindest teilweise mit dem Klagegegenstand identisch ist und die rechtskräftige Entscheidung hierüber daher in einem späteren Streit des Dritten mit einem der Hauptbeteiligten nicht nur eine Vorfrage wäre (Fock in Breitkreuz/Fichte, § 75 RdNr. 4). Dies ist im Hinblick auf die Ärzte K., F. und G. weder im Hinblick auf die Beklagte zu 1 noch zu 2 der Fall.

6. Der Senat hat trotz Ausbleibens des Klägers sowie des Beklagten zu 2 im Termin entscheiden können, denn in der den Beteiligten ordnungsgemäß zugegangenen Ladung zur mündlichen Verhandlung war auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dass der Kläger die Ladung erhalten hat, ergibt sich aus seinem Schreiben vom 17.03.2017 (Blatt 23/26 der Senatsakte).

Zur Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers war der Senat nicht verpflichtet, er brauchte deshalb den Kläger auch nicht zum Termin vorführen zu lassen.

Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG 21.06.1983 – 4 RJ 3/83, juris; BSG 31.10.2005 – B 7a AL 14/05 B, juris) ist es Sache des Gefangenen, durch entsprechende Anträge bei der Strafvollzugsbehörde für seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung Sorge zu tragen. Erscheint der Gefangene nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung, so wird er - sofern das persönliche Erscheinen nicht angeordnet ist - wie jeder andere Prozessbeteiligte behandelt, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (BSG 21.06.1983 – 4 RJ 3/83, juris). Auch besteht kein Anspruch auf Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers durch den Vorsitzenden des Senats. Das persönliche Erscheinen des Klägers war vorliegend weder angeordnet worden noch anzuordnen. Denn vorliegend ist eine reine Rechtsfrage streitig, zu der der Kläger bereits ausführlich zu den tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten vorgetragen hat. Er hat auch nicht deutlich gemacht, dass eine Anhörung in der mündlichen Verhandlung ihn zu weiterem, neuem Vortrag veranlasst, sodass auch trotz seiner Abwesenheit in der mündlichen Verhandlung sein Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt ist. Deshalb musste der Vorsitzende auch die Vorführung aus der JVA nicht anordnen bzw. beim Anstaltsleiter der JVA nach § 36 Abs. 2 Satz 2 StVollzG darum ersuchen. Ein solches Ersuchen war auch zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht erforderlich (dazu vgl. BSG 21.06.1983 – 4 RJ 3/83, juris; BSG 19.04.1966 – 10 RV 762/65, juris).]

Der Senat hat vielmehr unter anderem im Hinblick auf den derzeitigen Aufenthaltsort des Klägers in der JVA O. den Auswärtstermin in dem näher liegenden Pforzheim bestimmt, was der JVA eine nur einen Tag umfassende Anreiseorganisation ermöglichen sollte. Damit hat der Senat das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör hinreichend berücksichtigt.

II.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch sowohl hinsichtlich des Hauptantrages als auch hinsichtlich des Hilfsantrages unbegründet.

1. Dem Hauptantrag des Klägers, den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen, war nicht zu entsprechen. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreites an das SG kommt nach § 159 Abs. 1 SGG nur in Betracht, wenn das SG die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Das Berufungsgericht entscheidet nach Ermessen, ob es in der Sache selbst entscheidet oder zurückverweisen will. Dabei ist zwischen den Interessen der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung einerseits und dem Verlust einer Instanz andererseits abzuwägen (vgl. Keller a.a.O, § 159 RdNr. 5).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 SGG sind vorliegend bereits nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das SG in der Sache selbst – nämlich einem Anspruch auf Schadenersatz nach dem SGB VII – entschieden. Nichts anderes hat der Kläger mit Schreiben vom 06.06.2014 beantragt, in welchem er sich ausdrücklich auf das SGB VII bezogen hatte. Nur hierüber hatte die Beklagte zu 1 durch Verwaltungsakt zu entscheiden.

2. Auch hinsichtlich des Hilfsantrages ist die Berufung unbegründet. Der Bescheid vom 30.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.04.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die Klage zutreffend abgewiesen.

Ein Anspruch für die vom Kläger geltend gemachte Zahlung in Höhe von 100 Euro kalendertäglich für materielle und immaterielle Schäden aus dem Unfall vom 06.11.2013 besteht nach dem SGB VII nicht. Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen des SG im Gerichtsbescheid vom 30.09.2016 Bezug (vgl. § 153 Abs. 2 SGG). Der Kläger hat mit Schreiben vom 06.06.2014 die Gewährung von Schadensersatz und Schmerzensgeld beantragt und hat sich hierbei ausdrücklich auf das SGB VII bezogen. Nur hierüber hat die Beklagte zu 1 mit Bescheid vom 30.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.04.2015 entschieden. Dieser Bescheid ist auch nicht formal rechtswidrig. Die Beklagte durfte im Ober-Unterordnungsverhältnis Versicherungsträger gegenüber Versichertem durch hoheitliches Verwaltungshandeln mit Bescheid entscheiden. Regelungsgegenstand des angegriffenen Bescheids ist nicht ein Schadensersatzanspruch im Verhältnis gleichgeordneter Parteien eines Zivilrechtsstreits, sondern die Ablehnung von konkreten geltend gemachten Entschädigungsleistungen nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung im SGB VII, wodurch das Rechtsverhältnis zwischen Unfallversicherungsträger und gesetzlich Unfallversichertem begründet ist.

Hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit Artikel 34 des Grundgesetzes (GG), welchen der Kläger - wie dargelegt - erstmals im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, gegeben sind, hat der erkennende Senat keine Entscheidung zu treffen. Denn aus Artikel 34 Satz 3 GG, § 17 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) ergibt sich die alleinige Entscheidungszuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Amtshaftungsansprüche (vgl. BSG, Beschluss vom 31.10.2012 – B 13 R 437/12 B, juris).

Der Senat ist auch nicht kraft eigener Kompetenz verpflichtet, über einen Amtshaftungsanspruch des Klägers materiell zu entscheiden. Zwar hat das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, gemäß § 202 SGG iVm. § 17a Abs. 5 GVG nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil das Sozialgericht keine "Entscheidung in der Hauptsache" im Sinne von § 17a Abs. 5 GVG über einen Amtshaftungsanspruch getroffen hat. Das SG ist - zutreffend - davon ausgegangen, dass der Kläger die von ihm begehrten Schadensersatzzahlungen für immaterielle und materielle Schäden aufgrund von Ansprüchen nach dem SGB VII begehrt und hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es für die Entscheidung über einen Amtshaftungsanspruch auch nicht zuständig sei. Es hat den Rechtsweg daher weder ausdrücklich noch stillschweigend - durch Sachentscheidung - bejaht.

Eine Entscheidung über einen Amtshaftungsanspruch des Klägers obliegt somit dem gesetzlichen Richter (vgl. Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG), mithin dem instanziell (vgl. § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG) und örtlich zuständigen Landgericht (vgl. BSG, Beschluss vom 31.10.2012, a. a. O., m. w. N.).

Der Senat musste den Rechtstreit nicht - auch nicht teilweise - an das zuständige Landgericht verweisen, sondern lediglich über die Anspruchsgrundlagen außerhalb der Amtshaftung entscheiden. Ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit darf keine Teilverweisung an das Zivilgericht vornehmen. Denn einerseits kennt das GVG keine Teilverweisung, andererseits steht der Verweisung des gesamten Rechtsstreits (Streitgegenstands) der Grundsatz entgegen, dass eine solche nicht erfolgen darf, wenn das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der einschlägigen materiellen Ansprüche zuständig ist (wie hier für Ansprüche nach dem SGB VII). Deshalb ist auch von dem Ausspruch einer teilweisen Unzulässigkeit des Rechtsweges und einer teilweisen Verweisung des Rechtsstreits an die für Amtshaftungsansprüche zuständigen ordentlichen Gerichte gemäß § 17a Abs. 2 GVG abzusehen (BSG 31.10.2012 - B 13 R 437/11 B, juris m.w.N.).

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

III.

Der wiederholte Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das vorliegende Verfahren war abzulehnen.

Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Außerdem wird dem Beteiligten auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.
Rechtskraft
Aus
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