L 11 KR 1417/17 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 943/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1417/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Wird der Bescheid, mit dem eine beantragte Leistung abgelehnt wird, bestandskräftig, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für den
Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Der Zusatz: "Der Widerspruch sollte begründet werden" macht eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 03.04.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Leistungen zur häuslichen Krankenpflege.

Der 2003 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin familienkrankenversichert. Er leidet unter einer Kleinhirnatrophie auf Grund eines mitochondrialen Defektes. Er besucht tagsüber eine Spezialschule für geistig-körperliche Behinderung und lebt zusammen mit seiner alleinerziehenden Mutter, die halbtags berufstätig ist, und einem Geschwisterkind. Pflegestufe III (jetzt Pflegegrad) ist anerkannt.

Für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2015 hatte die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin (im Folgenden einheitlich: Antragsgegnerin) dem Antragsteller Leistungen der Behandlungspflege bis zu 280 Stunden pro Monat bewilligt (Bescheid vom 09.12.2014). Nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) hob die Antragsgegnerin die Bewilligung mit Bescheid vom 16.06.2015 mit Wirkung ab 01.07.2015 wieder auf mit einem stufenweisen Pflegerückzugsplan. Der Widerspruch des Antragstellers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 02.11.2015). Im anschließenden Klageverfahren holte das Sozialgericht Mannheim (SG) ein Gutachten bei Dr. W. ein, der feststellte, der Antragsteller benötige "Schutzmaßnahmen vor Selbstverletzung, Vorbeugung durch Beobachtung, Steuerung und Abmilderung von Erregungszuständen, Beruhigung und Ermöglichen von kurzen Ruhepausen, Angstreduktion durch Nähe und persönlichen Kontakt, pflegerische Maßnahmen auch in der Nacht" (Gutachten vom 26.11.2015). Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz blieb ohne Erfolg (Beschluss vom 28.12.2015, S 5 KR 3465/15 ER, nachgehend bestätigt durch Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg 06.02.2016, L 4 KR 5330/15 ER-B). Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 22.08.2016 (S 15 KR 3466/15) abgewiesen, das Berufungsverfahren (L 11 KR 3588/16) endete mit einem Vergleich, in dem sich die Beteiligten mit entsprechender Kostenfolge darauf einigten, dass der Bescheid vom 16.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2015 formell rechtswidrig war.

Am 23.02.2017 beantragte der Antragsteller erneut unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung vom 09.02.2017 für den Zeitraum 01.03. bis 31.12.2017 im Umfang von 280 Stunden pro Monat. Als Maßnahmen der Behandlungspflege wurden genannt: "Spezielle Kinderkrankenbeobachtung, Krampfprotokoll, intermittierendes Eingreifen bei Krämpfen, Notfallversorgung mit Buccolam, Absaugen bei Bedarf, Sicherstellung/Vermeidung von Situationen der Eigengefährdung 280 h/Monat").

Am 27.03.2017 hat der Antragsteller beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Es wird für ihn vorgetragen, dass er nachts sehr oft schreiend aufwache und schwer zu beruhigen sei. Seine Mutter sei aufgrund der anstrengenden Nächte übermüdet und drohe ihre Arbeit zu verlieren. Es bestehe die dringende Gefahr, dass die Mutter zusammenbreche und den Antragsteller nicht mehr weiter zureichend unterstützen könne. Insoweit sei Eile geboten. Ergänzend wird eine eidesstattliche Versicherung der Mutter, eine Bescheinigung des Kinderarztes Dr. G. vom 26.10.2015 und das Gutachten von Dr. W. vom 26.11.2015 vorgelegt.

Mit Bescheid vom 30.03.2017 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung häuslicher Krankenpflege ab, da die Anwesenheit eines Pflegedienstes zur speziellen Krankenbeobachtung nicht nachvollziehbar sei und Notfallsituationen über Betreuungsleistungen abgewendet werden könnten.

Mit Beschluss vom 03.04.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch iSv § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestehe nicht, denn es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehe. Der Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs 2 Satz 1 1. Halbsatz SGB V umfasse Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich sei (Behandlungssicherungspflege). Dazu gehörten alle Pflegemaßnahmen, die nur durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern. Auch die Krankenbeobachtung – ggf rund um die Uhr – bei Gefährdung vitaler Funktionen und der Erforderlichkeit jederzeit möglichen Eingreifens durch medizinisch-pflegerisches Personal könne zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung iSv § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V notwendig sein und zusammen mit den konkreten Einzelmaßnahmen, die der Pflegedienst zu erbringen habe, die ambulante ärztliche Behandlung ergänzen und verhindern, dass der Versicherte Krankenhausbehandlung benötige, die ansonsten unumgänglich wäre. Der Antragsteller benötige Betreuung, nicht aber häusliche Krankenpflege. Es gehe ihm darum, nachts von einer Pflegeperson beruhigt zu werden, wenn er schreiend aufwache, damit er wieder einschlafe. Bei dieser Art der Betreuung fehle es an einem unmittelbaren Krankheitsbezug. Die vom gerichtlichen Sachverständigen Dr. W. genannten Maßnahmen seien der Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und nicht der speziellen Krankenbeobachtung zuzuordnen.

Gegen den seiner Bevollmächtigten am 06.04.2017 übermittelten Beschluss hat der Antragsteller am 10.04.2017 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der am 23.02.2017 gestellte Antrag noch nicht beschieden sei, so dass bereits nach § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V eine sofortige Gewährung der Versorgung erfolgen könne. Nach Hinweis auf den Bescheid vom 30.03.2017 hat die Bevollmächtigte des Antragstellers ausgeführt, dass sie den Bescheid für rechtswidrig halte, da bereits von einer fiktiven Genehmigung ausgegangen werden müsse. Ergänzend hat sie ihren Widerspruch vom 23.05.2017 an die Antragsgegnerin vorgelegt.

Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten und hat ausgeführt, dass bereits ablehnend über den Antrag entschieden worden sei. § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V sei nicht anwendbar, da der Antragsteller die Leistung nicht für erforderlich halten durfte. Für den Leistungszeitraum 2015 sei bereits eine Ablehnung ergangen. Zudem seien die Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. bereits im Urteil des SG vom 22.08.2016 (S 15 KR 3466/15) dergestalt bewertet worden, dass es sich bei den streitigen Leistungen lediglich um allgemeine Beobachtung handele und diese der Pflege nach dem SGB XI zuzuordnen sei. Soweit ersichtlich, stoße die Mutter als Pflegeperson durch die nächtliche Betreuung an ihre Belastungsgrenze. Nach dem SGB XI hätten Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5, wenn häusliche Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt werden könne oder dies zur Ergänzung oder Stärkung der häuslichen Pflege erforderlich sei, Anspruch auf teilstationäre Pflege in Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege einschließlich der notwendigen Beförderung des Pflegebedürftigen (§ 41 SGB XI). Ergebe sich erst durch den Verzicht auf mögliche Leistungen eine Eilbedürftigkeit, stehe dies dem Rechtsschutzbedürfnis entgegen.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Akten L 11 KR 3588/16, S 15 KR 3466/15, S 15 KR 3465/15 ER sowie die beigezogene Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist unzulässig geworden, da es inzwischen am Rechtsschutzbedürfnis für ein Tätigwerden des Gerichts fehlt.

Nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei dürfen sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG 13.04.2010, 1 BvR 216/07, juris RdNr 64; BVerfG 06.08.2014, 1 BvR 1453/12, juris RdNrn 10, 12).

Die Beschwerde ist unzulässig, weil es insoweit am notwendigen Rechtsschutzbedürfnis für ein Tätigwerden des Gerichts fehlt. Die Gewährung von häuslicher Krankenpflege ist von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30.03.2017 abgelehnt worden. Dieser Bescheid ist inzwischen bestandskräftig geworden. Der Bescheid ist nach Auskunft der Antragsgegnerin noch am gleichen Tag zur Post gegeben worden und gilt damit als am 02.04.2017 bekannt gegeben (§ 37 Abs 2 SGB X). Er enthielt eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung, so dass der erst am 23.05.2017 eingelegte Widerspruch verfristet war. Entgegen der im Widerspruchsschreiben dargelegten Auffassung der Bevollmächtigten des Antragstellers gilt nicht die Jahresfrist nach § 66 Abs 2 SGG. Zwar enthält die Belehrung den Zusatz "Der Widerspruch sollte begründet werden", dieser ist jedoch unschädlich. Zusätze, die über den zwingenden Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung hinausgehen, sind unschädlich, wenn sie richtig und vollständig sind und nicht wegen Irreführung geeignet sind, den Betroffenen abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl § 66 RdNr 11a mwN). Schädlich ist insoweit die Bezeichnung einer Sollvorschrift als Mussvorschrift (BSG 22.07.1982, 7 RAr 115/81, SozR 1500 § 93 Nr 1). Nach diesen Maßstäben ist der hier verwendete Zusatz nicht irreführend, denn es wird unterschieden zwischen der erbetenen Begründung und der zwingenden Form ("ist schriftlich oder zur Niederschrift "). Der Ausgangsbescheid vom 30.03.2017 ist damit bestandskräftig geworden.

Die Bestandskraft des Verwaltungsakts steht einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entgegen (Keller in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 86b Rdnr 26d). Ausgehend vom Streitgegenstand eines Anordnungsverfahrens, im Eilverfahren zu prüfen, inwieweit dem Antragsteller für eine Zwischenzeit bis zur Hauptsacheentscheidung eine bestimmte Rechtsposition zusteht, ist einstweiliger Rechtsschutz bei einer bindenden Hauptsacheentscheidung unzulässig. Es gibt dann keine Rechtsposition, die bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren gesichert werden könnte (Bayerisches LSG 23.09.2010, L 7 AS 651/10 B ER, juris; Senatsbeschluss vom 12.05.2017, L 11 KR 1690/17 ER-B).

Ob ein Rechtsschutzbedürfnis auch deshalb entfällt, weil der Bedarf des Antragstellers nach nächtlicher Betreuung ggf auch durch eine Umstellung von Pflegegeld auf Pflegesachleistungen nach dem SGB XI zu decken wäre, lässt der Senat vorliegend offen. Dem von der Antragsgegnerin aufgezeigten Weg mag insoweit ein Interesse des Antragstellers entgegenstehen, in seiner vertrauten häuslichen Umgebung versorgt zu werden.

Unabhängig davon hätte der Antrag jedoch auch in der Sache keinen Erfolg, denn es besteht schon kein Anordnungsanspruch.

Eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V ist schon deshalb nicht eingetreten, weil die Antragsgegnerin die maßgebende 5-Wochenfrist eingehalten hat (zur Berechnung vgl § 26 Abs 1 SGB X iVm §§ 187 Abs 1, 188 Abs 2 BGB). Die Frist zur Entscheidung über den von einem Versicherten gestellten Antrag auf Leistungen beträgt nach § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V auch dann fünf Wochen, wenn die Krankenkasse – wie hier - eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einholt, den Versicherten hiervon aber entgegen § 13 Abs 3a Satz 2 SGB V nicht unterrichtet (Senatsurteil vom 21.02.2017, L 11 KR 2090/16, juris; Revision anhängig B 1 KR 3/17 R). Bei den Fristen nach § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V handelt es sich um Entscheidungsfristen der Krankenkasse, so dass es auf das Datum des Bescheids ankommt und nicht auf den Zugang bei dem Versicherten (vgl Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, § 13 Rdnr 58i).

Der Antragsteller hat auch ansonsten keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua häusliche Krankenpflege (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB V).

Gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog Behandlungssicherungspflege). Den Begriff der Behandlungspflege definiert das Gesetz nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG gehören zur Behandlungspflege alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erforderlich werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (BSG 13.06.2006, B 8 KN 4/04 KR R, juris RdNr 17 mwN). Dazu gehören zB die Verabreichung von Medikamenten (vgl BSG 25.02.2015, B 3 KR 11/14 R, juris RdNr 9 ff) oder Injektionen (BSG 03.08.2006, B 3 KR 24/05 R, juris RdNr 17; BSG 22.04.2015, B 3 KR 16/14 R, juris RdNr 41) einschließlich der Kontrolle von deren Wirkung, das Anlegen von Verbänden (BSG 25.02.2015, B 3 KR 10/14 R, juris RdNr 30; BSG 25.02.2015, B 3 KR 11/14 R, juris RdNr 31) die Katheterisierung, Versorgung suprapubischer Katheter (LSG Niedersachsen 22.12.2010, L 1 KR 81/10 ,juris RdNr 35), Einläufe, Spülungen, Dekubitusversorgung, Krisenintervention insbesondere bei psychiatrischer Krankenpflege, Sicherung ärztlicher Besuche und Feststellung des jeweiligen Krankenstandes.

Die vom Antragsteller begehrte Pflege im Form von "Führung, Ansprache, Beruhigung und Körpernähe", die entsprechend der Aufzählung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. W. für notwendig erachtet wird, kann nicht unter den Begriff der Behandlungspflege eingeordnet werden. Hierbei handelt es sich vielmehr um allgemeine Formen menschlicher Zuwendung, denen es an der spezifischen Nähe zu ärztlicher Behandlung fehlt, so dass Behandlungspflege nicht vorliegt. Der Senat schließt sich insoweit ausdrücklich der Auffassung des SG im Urteil vom 22.08.2016 (S 15 KR 3466/15) und des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 03.02.2016, L 4 KR 5330/15 ER-B) an.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Krankenbeobachtung ergibt sich nichts anderes. Zwar bedarf der Antragsteller nachts der wiederholten Aufmerksamkeit einer anderen Person, seine Mutter spricht insofern von zehn- bis fünfzehn Mal pro Nacht. Hierbei geht es jedoch nicht um die ständige Beobachtung eines Patienten, um jederzeit medizinisch-pflegerisch eingreifen zu können, wenn es zu Verschlechterungen der Atmungsfunktion und zu Krampfanfällen kommt. Ärztliche oder pflegerische Maßnahmen sind zur Abwendung von Krankheitsverschlimmerungen nur eventuell erforderlich, aber nicht konkret voraussehbar. Es fehlt damit im vorliegenden Fall auch an den Voraussetzungen, die in Nr 24 des Verzeichnisses verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege (Leistungsverzeichnis), das Anlage zur Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie ist, normiert sind. Danach ist eine Leistung der speziellen Krankenbeobachtung verordnungsfähig, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit sofortige pflegerische/ärztliche Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen täglich erforderlich ist und nur die genauen Zeitpunkte und das genaue Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden können. Die Richtlinien des GBA haben normativen Charakter und sind für die Beteiligten verbindlich (vgl BSG 22.04.2015, B 3 KR 16/14 R, juris RdNr 25 mwN).

Ob die Voraussetzungen des § 37 Abs 1 Satz 1 SGB V (häusliche Krankenpflege statt Krankenhausbehandlung) oder des § 37b SGB V (spezialisierte ambulante Palliativversorgung) vorliegen, kann dahinstehen. Denn solche Leistungen sind nicht ärztlich verordnet worden, so dass schon deswegen ein Leistungsanspruch und damit auch ein Anordnungsanspruch nicht bestehen kann. Dr. G. hat dem Antragsteller am 09.02.2017 ausdrücklich häusliche Krankenpflege (nur) zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung, also nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V verordnet.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 Satz 1 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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