Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 3079/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 483/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.12.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente streitig.
Der am 1956 geborene Kläger erlitt am 17.04.2012 gegen 16.30 Uhr im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Zimmerermeister bei der Fa. F. K. Holzbau einen Arbeitsunfall, als er beim Aufrichten des Dachstuhls über einen Balken lief, dieser wegrutschte, der Kläger dadurch nach links Richtung Treppenloch fiel und sich mit dem linken Arm an einem Balken abfing und sich daran festhielt. Wegen den sofort aufgetretenen Schmerzen beendete der Kläger seine Arbeit, ging nach Hause und stellte sich am Folgetag bei dem Durchgangsarzt Dr. E. vor, der nach röntgenologischer Untersuchung des Schultergelenks frische knöcherne Verletzungen ausschloss und erstdiagnostisch von einer Schulterzerrung ausging (Durchgangsarztbericht vom 18.04.2013, S. 1 VerwA). Bei fortbestehenden Beschwerden wurde am 07.05.2012 eine Magnetresonanztomographie (MRT) der linken Schulter durchgeführt, die nach Beurteilung des Radiologen Dr. V. einen R. der Subscapularissehne sowie Teilrupturen der Supraspinatus- und Infraspinatussehne und der langen Bizepssehne zeigte (Befund vom 07.05.2013, S. 23 VerwA). Am 23.07.2012 wurde in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik) im Rahmen eines zunächst arthroskopischen und dann offenen Eingriffs eine Refixation der Subscapularissehne mit Kapselplastik durchgeführt (Befund- und Entlassbericht vom 03.08.2013, S. 56/57 VerwA). Nachfolgend wurde der Kläger intensiv physiotherapeutisch behandelt. Der zur Feststellung von Unfallfolgen mit einer Begutachtung (Untersuchung Ende November 2012) des Klägers beauftragte Prof. Dr. S. , Ärztlicher Direktor der BG-Klinik, ging davon aus, dass der Kläger bei dem Unfall eine schwere Prellung der linken Schulter mit Zusammenhangstrennung der Subscapularissehne erlitten habe (vgl. S. 175 ff. VerwA).
Nachfolgend befand sich der Kläger vom 13.02. bis 13.03.2013 in einer therapieorientierten Rehabilitation in der BG-Klinik, wobei unter Belastung ein ziehender Schmerz im Bereich der linken Schulter auftrat, weshalb am 20.03.2013 eine MRT durchgeführt wurde, die nach radiologischer Beurteilung eine Komplettruptur der Supraspinatussehne zeigte (vgl. Befund vom 20.03.2013, S. 388 VerwA). Zu der vorgeschlagenen operativen Sanierung konnte sich der Kläger bei den bestehenden internistischen Erkrankungen nicht entschließen, weshalb eine intensive konservative Therapie durchgeführt wurde, mit der zwar eine Verbesserung der Beweglichkeit im linken Schultergelenk erreicht wurde, wegen der verbliebenen Bewegungseinschränkung mit Schwäche bei der Abduktion jedoch Arbeitsfähigkeit nicht erreicht werden konnte. Mit Bescheid vom 10.10.2013 stellte die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld sodann mit Ablauf des 15.10.2013 ein.
Zur Prüfung eines Anspruchs auf Verletztenrente veranlasste die Beklagte ein Erstes Rentengutachten, das Prof. Dr. S. auf Grund Untersuchung des Klägers am 26.11.2013 erstattete (vgl. S. 341 ff. VerwA). Die aktive Bewegungsfähigkeit der Schultergelenke dokumentierte er wie folgt: Arm seitwärts/körperwärts: rechts 180/0/40, links 100/0/40; Arm rückwärts/vorwärts: rechts 40/0/170, links 40/0/140; Arm auswärts/einwärts drehen (Oberarm anliegend): rechts 50/0/95, links 40/0/95. Als Unfallfolge beschrieb Prof. Dr. S. eine Zusammenhangstrennung der Subscapularissehne links und bewertete die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab 16.10.2013 mit 10 vom Hundert (v.H.).
Mit Bescheid vom 15.02.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente sodann ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe bei dem Unfall eine schwere Prellung der linken Schulter mit Zusammenhangstrennung der Subscapularissehne links erlitten. Hierdurch werde seine Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die im Gutachten des Prof. Dr. S. dokumentierten Bewegungsmaße träfen nicht zu. Er könne den linken Arm nicht bis 100 Grad, sondern lediglich noch bis 80 Grad "vom Körper abstrecken". Auch sei sein linker Arm kraftlos. Zudem sei die Ruptur der Supraspinatussehne unberücksichtigt geblieben. Die Beklagte holte hierzu eine Stellungnahme des Prof. Dr. S. ein, der ausführte, dass der im MRT vom 20.03.2013 beschriebene Befund der Supraspinatussehne auf einen chronischen, nicht aber unfallbedingten Prozess hinweise; auch habe sich die Supraspinatussehne in der Arthroskopie vom 23.07.2012 vollständig intakt gezeigt. Die eingeschränkte Abduktion beruhe auf nicht unfallbedingten Verschleißerscheinungen, weshalb sie für die Bemessung der MdE irrelevant sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gestützt auf die ergänzenden Ausführungen des Prof. Dr. S. zurück.
Am 28.11.2014 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, bei dem Unfall nicht nur eine Zusammenhangstrennung der Subscapularissehne, sondern auch Teilrupturen des Supraspinatus- und Infraspinatussehne erlitten zu haben. Die im MRT vom 07.05.2012 dokumentierten Verletzungen von Supraspinatus- und Infraspinatussehne seien bei der Operation offensichtlich übersehen worden. Die im MRT vom 20.03.2013 beschriebene Komplettruptur der Supraspinatussehne sei Folge der unfallbedingten Ruptur, die jedoch unbehandelt gebliebenen sei. Durch diese Unfallfolgen könne er seinen Arm nur noch maximal 80 Grad "abstrecken" und auch verschiedene Alltagsverrichtungen nicht mehr vornehmen. Die MdE sei daher mit wenigstens 20 v.H. einzuschätzen.
Das SG hat das Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Prof. Dr. L. auf Grund Untersuchung des Klägers im Juni 2015 eingeholt. Die aktive Schultergelenksbeweglichkeit hat der Sachverständige wie folgt dokumentiert: Flexion rechts 170 Grad, links 120 Grad, Abduktion rechts 170 Grad, links 90 Grad, Außenrotation rechts 50 Grad, links 40 Grad. Er ist davon ausgegangen, dass der Kläger bei dem Unfallereignis eine traumatische Zerreißung der Subscapularissehne erlitten habe. Die MdE hat er mit 10 v.H. bewertet.
Mit Urteil vom 16.12.2015 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2014 verurteilt, dem Kläger ab 16.10.2013 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Das SG ist davon ausgegangen, dass der Kläger sich bei dem in Rede stehenden Unfall eine Zerreißung der Subscapularissehne zuzog, der Sturz sich jedoch auch wesentlich auf die übrigen Sehnen der Rotatorenmanschette ausgewirkt habe, so dass - ungeachtet der Frage, ob tatsächlich eine Komplettruptur der Supraspinatussehne vorliege - der gesamte Zustand der linken Schulter rechtlich wesentliche Folge des Unfallereignisses sei. Soweit Prof. Dr. S. und die Beklagte eine Aufteilung in Unfallfolgen und Nichtunfallfolgen vornähmen, erscheine dies künstlich und konstruiert. Unter Zugrundelegung der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 523), die als Hauptkriterium für die Bemessung der MdE die Armvorhebung heranzuziehe, hat das SG die MdE angesichts der von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. L. erhobenen Bewegungsmaße, die - so das SG - Prof. Dr. L. mit 90 Grad und Prof. Dr. S. sogar lediglich mit 80 Grad ermittelt habe, mit 20 v.H. bewertet.
Gegen das ihr am 11.01.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.02.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und unter Vorlage der beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen/Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. B. geltend gemacht, die Beeinträchtigungen des Klägers im Bereich des linken Schultergelenkes rechtfertigten bei Berücksichtigung der auch vom SG herangezogenen Literatur nicht die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H. Anders als vom SG angenommen, habe Prof. Dr. S. die maßgebliche Schultervorhebung mit 140 Grad und Prof. Dr. L. mit 120 Grad gemessen. Dies rechtfertige - auch nach deren Einschätzung - lediglich eine MdE um 10 v.H.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.12.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Das SG hätte die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide nicht verurteilen dürfen, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Denn die Funktionseinschränkungen des Klägers im Bereich der linken Schulter rechtfertigen nicht die Bemessung mit einer rentenberechtigenden MdE um 20 v.H.
Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Funktionsbeeinträchtigungen der linken Schulter, wie sie von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. L. objektiviert worden sind, in vollem Umfang rechtlich wesentlich auf die von ihnen übereinstimmend als Unfallfolge (richtig: Unfallerstschaden) beschriebene traumatische Zerreißung der Subscapularissehne zurückzuführen sind oder ob sich - wovon das SG ausgegangen ist - der Gesamtfunktionszustand der linken Schulter als unfallbedingt darstellt, weil sich der Unfall auf sämtliche Sehnen der Rotatorenmanschette nachteilig ausgewirkt habe. Denn auch unter Zugrundelegung der dem Kläger insoweit günstigen Auffassung des SG lässt sich eine MdE um 20 v.H. nicht begründen. Damit ist auch nicht darüber zu befinden, ob der Kläger über die unstreitig aufgetretene Ruptur der Subscapularissehne hinaus bei dem Unfall - wie von ihm geltend gemacht - auch Teilrupturen der Supraspinatus- und Infraspinatussehne erlitt (so im MRT vom 07.05.2012 beschrieben, intraoperativ jedoch nicht bestätigt) und als Folge dessen nachfolgend noch eine Komplettruptur der Supraspinatussehne aufgetreten ist (so im MRT vom 20.03.2013 beschrieben, Supraspinatussehne allerdings von Prof. Dr. L. sonographisch als intakt beurteilt).
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs auf Verletztenrente (§ 56 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VII) sowie die Maßstäbe nach denen die MdE zu bemessen ist, im Einzelnen dargelegt und unter Heranziehung der unfallmedizinischen Literatur, insbesondere Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O., jetzt in 9. Auflage, S. 560), zutreffend ausgeführt, dass als Hauptkriterium für die Bemessung der MdE die Schultervorhebung zu werten ist und eine Bewegungseinschränkung der Schulter vorwärts/seitwärts bis 120 Grad mit einer MdE um 10 v.H. und eine Bewegungseinschränkung vorwärts/seitwärts bis 90 Grad mit einer MdE um 20 v.H. bewertet wird. Hierauf nimmt der Senat Bezug.
Ausgehend hiervon rechtfertigen die von Prof. Dr. S. dokumentierten Messwerte von 140 Grad für die Vorhebung (Arm rückwärts/vorwärts 40/0/140; vgl. S. 345 VerwA) und 100 Grad für die Seitwärtshebung (Arm seitwärts/körperwärts 100/0/40; vgl. S. 345 VerwA), mithin eine jeweils 90 Grad überschreitende Bewegungsfähigkeit, die Bewertung mit einer MdE um 10 v.H., nicht jedoch mit einer solchen um 20 v.H. Entsprechendes gilt im Hinblick auf den von dem Sachverständigen Prof. Dr. L. anlässlich seiner nachfolgenden Untersuchung im Juni 2015 ermittelten Messwert, den er für die Vorhebung mit 120 Grad (= Flexion 120 Grad, vgl. Bl. 72 SG-Akte) ermittelte, was eine Bemessung der MdE mit 10 v.H. rechtfertigt. Lediglich bei der Seitwärtshebung, die jedoch nicht als Hauptkriterium heranzuziehen ist, hat er eine Bewegungsfähigkeit von lediglich noch 90 Grad (= Abduktion 90 Grad, vgl. Bl. 72 SG-Akte) dokumentiert. Hieraus lässt sich damit die vom Kläger geltend gemachte MdE um 20 v.H. nicht herleiten. Unter Anwendung der oben dargestellten Maßstäbe sind folgerichtig schließlich auch der Gutachter Prof. Dr. S. und der Sachverständige Prof. Dr. L. zu der übereinstimmenden Einschätzung gelangt, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im Bereich der linken Schulter die Bemessung mit einer MdE um 10 v.H. rechtfertigen, eine MdE um 20 v.H. jedoch nicht erreicht wird.
Zu Recht hat Dr. B. in seiner von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme daher auch darauf hingewiesen, als die Einschätzungen von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. L. der einschlägigen Gutachterliteratur entsprechen. Darüber hinaus hat er zutreffend herausgearbeitet, dass das SG bei der Auswertung der von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. L. dokumentierten Messwerte für die Vorhebung nicht die tatsächlich erhobenen Werte von 140 Grad (Prof. Dr. S. ) bzw. 120 Grad (Prof. Dr. L. ) herangezogen hat, sondern Beweglichkeiten von lediglich 80 Grad (Prof. Dr. S. ) bzw. 90 Grad (Prof. Dr. L. ), wie sie von dem Gutachter bzw. dem Sachverständigen für die Armvorhebung aber gerade nicht gemessen wurden. Entsprechend ist auch nicht ersichtlich, woraus der Kläger ableitet, dass er den linken Arm lediglich noch 80 Grad "abstrecken" könne; ein solcher Messwert wurde von keinem der am Verfahren beteiligten Gutachter bzw. Sachverständigen erhoben, weder für die Armvorhebung noch für die seitliche Anhebung.
Soweit der Kläger einzelne Alltagsverrichtungen beschrieben hat, die ihm seit dem Unfall nicht mehr oder nur eingeschränkt möglich seien, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung, ebenso wenig der Umstand, dass er angesichts der bestehenden Beeinträchtigungen im Bereich der linken Schulter seine letzte Tätigkeit als Zimmerermeister nicht weiter zu verrichten vermag. Denn maßgeblich für die Bemessung der MdE ist der Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Hierbei haben ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, zwar keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Ausgehend hiervon lassen sich die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im Bereich der linken Schulter mithin auch nicht deshalb mit einer MdE in einem rentenberechtigenden Ausmaß bewerten, weil der Kläger - so sein Vorbringen - in der mündlichen Verhandlung vor dem SG die vor ihm liegende Gesetzessammlung Aichberger mit ausgestrecktem Arm nicht einmal mehr als 20 cm anzuheben vermochte. Denn dass ihm ohne die Fähigkeit, mit ausgestrecktem Arm, schwere Gegenstände hochzuheben, ein Fünftel aller Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verschlossen sein sollen, überzeugt den Senat angesichts des doch eher ungewöhnlichen Bewegungsablaufs nicht. Ohnehin kommt es auf die Abstreckfähigkeit unter bestimmten Lasten nach der unfallmedizinischen Literatur nicht an.
Soweit der Kläger zuletzt geltend gemacht hat, das SG sei nicht wegen einer Verwechslung der dokumentierten Messwerte, sondern "auf Grund einer Gesamtschau des Klägers in der mündlichen Verhandlung" zu einer Bemessung der MdE mit 20 v.H. gelangt, sieht der Senat hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte. Denn die Begründung des SG für die Bemessung der MdE mit 20 v.H. auf Seite 8, 2. Absatz der Entscheidung ("Die Kammer stützt sich dabei auf die von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. L. erhobenen Bewegungsmaße und die Bewertungsempfehlungen in SMV Seite 523.") zeigen deutlich auf, dass das SG die oben dargelegten Bewertungskriterien herangezogen und - wenn auch unter Zugrundelegung falscher Messwerte - angewandt hat. Soweit der Kläger auf die Ausführungen Seite 9 der Entscheidungsgründe Bezug nimmt, enthalten diese lediglich Ausführungen dazu, weshalb das SG der Bewertung des Sachverständigen Prof. Dr. L. - die ausgehend von den vom SG zu Grunde gelegten falschen Messwerten in der Tat nicht nachvollziehbar wäre - nicht gefolgt ist. Dabei hat das SG auch den gegen seine Einschätzung sprechenden Gesichtspunkt der fehlenden Gebrauchsminderungsspuren einbezogen. Soweit der Kläger angesichts der in dem entsprechenden Schriftsatz erfolgten Hervorhebung durch Fettdruck gerade diesen Ausführungen ("Das Fehlen von Gebrauchsminderungsspuren am gesamten linken Arm sieht die Kammer nicht als Grund für eine geringere Bewertung der MdE an.") besondere Bedeutung beimisst, stützen diese seine Auffassung gerade nicht. Denn der Umstand, dass der Sachverständige Gebrauchsminderungsspuren nicht beschrieben hat, weist darauf hin, dass der linke Arm vom Kläger durchaus umfangreich eingesetzt wird und spricht daher gegen die Bemessung der MdE mit 20 v.H., nicht aber für eine rentenberechtigende MdE. Soweit das SG zuletzt schließlich auf seinen persönlichen Eindruck vom Kläger in der mündlichen Verhandlung abgehoben hat, bezieht sich dies ersichtlich allein darauf, dass das SG nicht davon ausgegangen ist, dass der Kläger bei der Ermittlung der Bewegungsmaße durch den Sachverständigen nicht hinreichend mitgewirkt hat. Dem Hinweis auf diesen Gesichtspunkt liegt jedoch wiederum die Annahme zu Grunde, dass die vom SG für die Beurteilung herangezogenen Messwerte die Einschätzung des Sachverständigen Prof Dr. L. , die MdE sei mit 10 v.H. zu bewerten, nicht trägt, so dass sich dem SG - aus seiner Sicht zu Recht - die Frage aufdrängte, ob der Sachverständige die MdE deshalb niedriger eingeschätzt hat, weil er von einer unzureichenden Mitwirkung bei der Untersuchung ausgegangen ist.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, das SG habe im Rahmen einer Einzelfallprüfung die MdE zu Recht mit 20 v.H. bewertet, weil auch im Bereich der rechten Schulter eine erhebliche und mit zu berücksichtigende Bewegungseinschränkung vorliege, vermag der Senat auch hieraus keine dem Kläger günstigere Entscheidung herzuleiten. Denn die von Prof. Dr. S. erhobenen Bewegungsmaße für die rechte Schulter weisen mit 170 Grad für die Vorhebung und 180 Grad für die Seitwärtshebung ebenso wie die Messwerte des Prof. Dr. L. (jeweils 170 Grad für Vor- und Seitwärtshebung) gerade keine erhebliche Bewegungseinschränkung, sondern für die Vorhebung jeweils Normalwerte (Normalwert bei Vorhebung: 150 bis 170 Grad) und für die Seitwärtshebung einen Normalwert (Prof. Dr. S. ) bzw. eine nur geringfügige Bewegungseinschränkung (Prof. Dr. L. ) aus (Normalwert bei Seitwärtshebung: 180 Grad).
Der Einholung eines weiteren Gutachtens zur Beweglichkeit des linken Armes, insbesondere zur Möglichkeit den Arm unter Last abzustrecken, bedarf es nicht. Der medizinische Sachverhalt ist im Hinblick auf die Bewegungsfähigkeit des linken Armes durch die vorliegenden und im Wesentlichen überstimmenden Gutachten des Prof. Dr. S. und des Prof. Dr. L. hinreichend aufgeklärt. Wie bereits dargelegt, kommt es auf die Fähigkeit, den Arm unter Last abzustrecken nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente streitig.
Der am 1956 geborene Kläger erlitt am 17.04.2012 gegen 16.30 Uhr im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Zimmerermeister bei der Fa. F. K. Holzbau einen Arbeitsunfall, als er beim Aufrichten des Dachstuhls über einen Balken lief, dieser wegrutschte, der Kläger dadurch nach links Richtung Treppenloch fiel und sich mit dem linken Arm an einem Balken abfing und sich daran festhielt. Wegen den sofort aufgetretenen Schmerzen beendete der Kläger seine Arbeit, ging nach Hause und stellte sich am Folgetag bei dem Durchgangsarzt Dr. E. vor, der nach röntgenologischer Untersuchung des Schultergelenks frische knöcherne Verletzungen ausschloss und erstdiagnostisch von einer Schulterzerrung ausging (Durchgangsarztbericht vom 18.04.2013, S. 1 VerwA). Bei fortbestehenden Beschwerden wurde am 07.05.2012 eine Magnetresonanztomographie (MRT) der linken Schulter durchgeführt, die nach Beurteilung des Radiologen Dr. V. einen R. der Subscapularissehne sowie Teilrupturen der Supraspinatus- und Infraspinatussehne und der langen Bizepssehne zeigte (Befund vom 07.05.2013, S. 23 VerwA). Am 23.07.2012 wurde in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik) im Rahmen eines zunächst arthroskopischen und dann offenen Eingriffs eine Refixation der Subscapularissehne mit Kapselplastik durchgeführt (Befund- und Entlassbericht vom 03.08.2013, S. 56/57 VerwA). Nachfolgend wurde der Kläger intensiv physiotherapeutisch behandelt. Der zur Feststellung von Unfallfolgen mit einer Begutachtung (Untersuchung Ende November 2012) des Klägers beauftragte Prof. Dr. S. , Ärztlicher Direktor der BG-Klinik, ging davon aus, dass der Kläger bei dem Unfall eine schwere Prellung der linken Schulter mit Zusammenhangstrennung der Subscapularissehne erlitten habe (vgl. S. 175 ff. VerwA).
Nachfolgend befand sich der Kläger vom 13.02. bis 13.03.2013 in einer therapieorientierten Rehabilitation in der BG-Klinik, wobei unter Belastung ein ziehender Schmerz im Bereich der linken Schulter auftrat, weshalb am 20.03.2013 eine MRT durchgeführt wurde, die nach radiologischer Beurteilung eine Komplettruptur der Supraspinatussehne zeigte (vgl. Befund vom 20.03.2013, S. 388 VerwA). Zu der vorgeschlagenen operativen Sanierung konnte sich der Kläger bei den bestehenden internistischen Erkrankungen nicht entschließen, weshalb eine intensive konservative Therapie durchgeführt wurde, mit der zwar eine Verbesserung der Beweglichkeit im linken Schultergelenk erreicht wurde, wegen der verbliebenen Bewegungseinschränkung mit Schwäche bei der Abduktion jedoch Arbeitsfähigkeit nicht erreicht werden konnte. Mit Bescheid vom 10.10.2013 stellte die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld sodann mit Ablauf des 15.10.2013 ein.
Zur Prüfung eines Anspruchs auf Verletztenrente veranlasste die Beklagte ein Erstes Rentengutachten, das Prof. Dr. S. auf Grund Untersuchung des Klägers am 26.11.2013 erstattete (vgl. S. 341 ff. VerwA). Die aktive Bewegungsfähigkeit der Schultergelenke dokumentierte er wie folgt: Arm seitwärts/körperwärts: rechts 180/0/40, links 100/0/40; Arm rückwärts/vorwärts: rechts 40/0/170, links 40/0/140; Arm auswärts/einwärts drehen (Oberarm anliegend): rechts 50/0/95, links 40/0/95. Als Unfallfolge beschrieb Prof. Dr. S. eine Zusammenhangstrennung der Subscapularissehne links und bewertete die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab 16.10.2013 mit 10 vom Hundert (v.H.).
Mit Bescheid vom 15.02.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente sodann ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe bei dem Unfall eine schwere Prellung der linken Schulter mit Zusammenhangstrennung der Subscapularissehne links erlitten. Hierdurch werde seine Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die im Gutachten des Prof. Dr. S. dokumentierten Bewegungsmaße träfen nicht zu. Er könne den linken Arm nicht bis 100 Grad, sondern lediglich noch bis 80 Grad "vom Körper abstrecken". Auch sei sein linker Arm kraftlos. Zudem sei die Ruptur der Supraspinatussehne unberücksichtigt geblieben. Die Beklagte holte hierzu eine Stellungnahme des Prof. Dr. S. ein, der ausführte, dass der im MRT vom 20.03.2013 beschriebene Befund der Supraspinatussehne auf einen chronischen, nicht aber unfallbedingten Prozess hinweise; auch habe sich die Supraspinatussehne in der Arthroskopie vom 23.07.2012 vollständig intakt gezeigt. Die eingeschränkte Abduktion beruhe auf nicht unfallbedingten Verschleißerscheinungen, weshalb sie für die Bemessung der MdE irrelevant sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gestützt auf die ergänzenden Ausführungen des Prof. Dr. S. zurück.
Am 28.11.2014 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, bei dem Unfall nicht nur eine Zusammenhangstrennung der Subscapularissehne, sondern auch Teilrupturen des Supraspinatus- und Infraspinatussehne erlitten zu haben. Die im MRT vom 07.05.2012 dokumentierten Verletzungen von Supraspinatus- und Infraspinatussehne seien bei der Operation offensichtlich übersehen worden. Die im MRT vom 20.03.2013 beschriebene Komplettruptur der Supraspinatussehne sei Folge der unfallbedingten Ruptur, die jedoch unbehandelt gebliebenen sei. Durch diese Unfallfolgen könne er seinen Arm nur noch maximal 80 Grad "abstrecken" und auch verschiedene Alltagsverrichtungen nicht mehr vornehmen. Die MdE sei daher mit wenigstens 20 v.H. einzuschätzen.
Das SG hat das Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Prof. Dr. L. auf Grund Untersuchung des Klägers im Juni 2015 eingeholt. Die aktive Schultergelenksbeweglichkeit hat der Sachverständige wie folgt dokumentiert: Flexion rechts 170 Grad, links 120 Grad, Abduktion rechts 170 Grad, links 90 Grad, Außenrotation rechts 50 Grad, links 40 Grad. Er ist davon ausgegangen, dass der Kläger bei dem Unfallereignis eine traumatische Zerreißung der Subscapularissehne erlitten habe. Die MdE hat er mit 10 v.H. bewertet.
Mit Urteil vom 16.12.2015 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2014 verurteilt, dem Kläger ab 16.10.2013 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Das SG ist davon ausgegangen, dass der Kläger sich bei dem in Rede stehenden Unfall eine Zerreißung der Subscapularissehne zuzog, der Sturz sich jedoch auch wesentlich auf die übrigen Sehnen der Rotatorenmanschette ausgewirkt habe, so dass - ungeachtet der Frage, ob tatsächlich eine Komplettruptur der Supraspinatussehne vorliege - der gesamte Zustand der linken Schulter rechtlich wesentliche Folge des Unfallereignisses sei. Soweit Prof. Dr. S. und die Beklagte eine Aufteilung in Unfallfolgen und Nichtunfallfolgen vornähmen, erscheine dies künstlich und konstruiert. Unter Zugrundelegung der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 523), die als Hauptkriterium für die Bemessung der MdE die Armvorhebung heranzuziehe, hat das SG die MdE angesichts der von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. L. erhobenen Bewegungsmaße, die - so das SG - Prof. Dr. L. mit 90 Grad und Prof. Dr. S. sogar lediglich mit 80 Grad ermittelt habe, mit 20 v.H. bewertet.
Gegen das ihr am 11.01.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.02.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und unter Vorlage der beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen/Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. B. geltend gemacht, die Beeinträchtigungen des Klägers im Bereich des linken Schultergelenkes rechtfertigten bei Berücksichtigung der auch vom SG herangezogenen Literatur nicht die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H. Anders als vom SG angenommen, habe Prof. Dr. S. die maßgebliche Schultervorhebung mit 140 Grad und Prof. Dr. L. mit 120 Grad gemessen. Dies rechtfertige - auch nach deren Einschätzung - lediglich eine MdE um 10 v.H.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.12.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Das SG hätte die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide nicht verurteilen dürfen, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Denn die Funktionseinschränkungen des Klägers im Bereich der linken Schulter rechtfertigen nicht die Bemessung mit einer rentenberechtigenden MdE um 20 v.H.
Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Funktionsbeeinträchtigungen der linken Schulter, wie sie von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. L. objektiviert worden sind, in vollem Umfang rechtlich wesentlich auf die von ihnen übereinstimmend als Unfallfolge (richtig: Unfallerstschaden) beschriebene traumatische Zerreißung der Subscapularissehne zurückzuführen sind oder ob sich - wovon das SG ausgegangen ist - der Gesamtfunktionszustand der linken Schulter als unfallbedingt darstellt, weil sich der Unfall auf sämtliche Sehnen der Rotatorenmanschette nachteilig ausgewirkt habe. Denn auch unter Zugrundelegung der dem Kläger insoweit günstigen Auffassung des SG lässt sich eine MdE um 20 v.H. nicht begründen. Damit ist auch nicht darüber zu befinden, ob der Kläger über die unstreitig aufgetretene Ruptur der Subscapularissehne hinaus bei dem Unfall - wie von ihm geltend gemacht - auch Teilrupturen der Supraspinatus- und Infraspinatussehne erlitt (so im MRT vom 07.05.2012 beschrieben, intraoperativ jedoch nicht bestätigt) und als Folge dessen nachfolgend noch eine Komplettruptur der Supraspinatussehne aufgetreten ist (so im MRT vom 20.03.2013 beschrieben, Supraspinatussehne allerdings von Prof. Dr. L. sonographisch als intakt beurteilt).
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs auf Verletztenrente (§ 56 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VII) sowie die Maßstäbe nach denen die MdE zu bemessen ist, im Einzelnen dargelegt und unter Heranziehung der unfallmedizinischen Literatur, insbesondere Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O., jetzt in 9. Auflage, S. 560), zutreffend ausgeführt, dass als Hauptkriterium für die Bemessung der MdE die Schultervorhebung zu werten ist und eine Bewegungseinschränkung der Schulter vorwärts/seitwärts bis 120 Grad mit einer MdE um 10 v.H. und eine Bewegungseinschränkung vorwärts/seitwärts bis 90 Grad mit einer MdE um 20 v.H. bewertet wird. Hierauf nimmt der Senat Bezug.
Ausgehend hiervon rechtfertigen die von Prof. Dr. S. dokumentierten Messwerte von 140 Grad für die Vorhebung (Arm rückwärts/vorwärts 40/0/140; vgl. S. 345 VerwA) und 100 Grad für die Seitwärtshebung (Arm seitwärts/körperwärts 100/0/40; vgl. S. 345 VerwA), mithin eine jeweils 90 Grad überschreitende Bewegungsfähigkeit, die Bewertung mit einer MdE um 10 v.H., nicht jedoch mit einer solchen um 20 v.H. Entsprechendes gilt im Hinblick auf den von dem Sachverständigen Prof. Dr. L. anlässlich seiner nachfolgenden Untersuchung im Juni 2015 ermittelten Messwert, den er für die Vorhebung mit 120 Grad (= Flexion 120 Grad, vgl. Bl. 72 SG-Akte) ermittelte, was eine Bemessung der MdE mit 10 v.H. rechtfertigt. Lediglich bei der Seitwärtshebung, die jedoch nicht als Hauptkriterium heranzuziehen ist, hat er eine Bewegungsfähigkeit von lediglich noch 90 Grad (= Abduktion 90 Grad, vgl. Bl. 72 SG-Akte) dokumentiert. Hieraus lässt sich damit die vom Kläger geltend gemachte MdE um 20 v.H. nicht herleiten. Unter Anwendung der oben dargestellten Maßstäbe sind folgerichtig schließlich auch der Gutachter Prof. Dr. S. und der Sachverständige Prof. Dr. L. zu der übereinstimmenden Einschätzung gelangt, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im Bereich der linken Schulter die Bemessung mit einer MdE um 10 v.H. rechtfertigen, eine MdE um 20 v.H. jedoch nicht erreicht wird.
Zu Recht hat Dr. B. in seiner von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme daher auch darauf hingewiesen, als die Einschätzungen von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. L. der einschlägigen Gutachterliteratur entsprechen. Darüber hinaus hat er zutreffend herausgearbeitet, dass das SG bei der Auswertung der von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. L. dokumentierten Messwerte für die Vorhebung nicht die tatsächlich erhobenen Werte von 140 Grad (Prof. Dr. S. ) bzw. 120 Grad (Prof. Dr. L. ) herangezogen hat, sondern Beweglichkeiten von lediglich 80 Grad (Prof. Dr. S. ) bzw. 90 Grad (Prof. Dr. L. ), wie sie von dem Gutachter bzw. dem Sachverständigen für die Armvorhebung aber gerade nicht gemessen wurden. Entsprechend ist auch nicht ersichtlich, woraus der Kläger ableitet, dass er den linken Arm lediglich noch 80 Grad "abstrecken" könne; ein solcher Messwert wurde von keinem der am Verfahren beteiligten Gutachter bzw. Sachverständigen erhoben, weder für die Armvorhebung noch für die seitliche Anhebung.
Soweit der Kläger einzelne Alltagsverrichtungen beschrieben hat, die ihm seit dem Unfall nicht mehr oder nur eingeschränkt möglich seien, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung, ebenso wenig der Umstand, dass er angesichts der bestehenden Beeinträchtigungen im Bereich der linken Schulter seine letzte Tätigkeit als Zimmerermeister nicht weiter zu verrichten vermag. Denn maßgeblich für die Bemessung der MdE ist der Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Hierbei haben ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, zwar keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Ausgehend hiervon lassen sich die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im Bereich der linken Schulter mithin auch nicht deshalb mit einer MdE in einem rentenberechtigenden Ausmaß bewerten, weil der Kläger - so sein Vorbringen - in der mündlichen Verhandlung vor dem SG die vor ihm liegende Gesetzessammlung Aichberger mit ausgestrecktem Arm nicht einmal mehr als 20 cm anzuheben vermochte. Denn dass ihm ohne die Fähigkeit, mit ausgestrecktem Arm, schwere Gegenstände hochzuheben, ein Fünftel aller Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verschlossen sein sollen, überzeugt den Senat angesichts des doch eher ungewöhnlichen Bewegungsablaufs nicht. Ohnehin kommt es auf die Abstreckfähigkeit unter bestimmten Lasten nach der unfallmedizinischen Literatur nicht an.
Soweit der Kläger zuletzt geltend gemacht hat, das SG sei nicht wegen einer Verwechslung der dokumentierten Messwerte, sondern "auf Grund einer Gesamtschau des Klägers in der mündlichen Verhandlung" zu einer Bemessung der MdE mit 20 v.H. gelangt, sieht der Senat hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte. Denn die Begründung des SG für die Bemessung der MdE mit 20 v.H. auf Seite 8, 2. Absatz der Entscheidung ("Die Kammer stützt sich dabei auf die von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. L. erhobenen Bewegungsmaße und die Bewertungsempfehlungen in SMV Seite 523.") zeigen deutlich auf, dass das SG die oben dargelegten Bewertungskriterien herangezogen und - wenn auch unter Zugrundelegung falscher Messwerte - angewandt hat. Soweit der Kläger auf die Ausführungen Seite 9 der Entscheidungsgründe Bezug nimmt, enthalten diese lediglich Ausführungen dazu, weshalb das SG der Bewertung des Sachverständigen Prof. Dr. L. - die ausgehend von den vom SG zu Grunde gelegten falschen Messwerten in der Tat nicht nachvollziehbar wäre - nicht gefolgt ist. Dabei hat das SG auch den gegen seine Einschätzung sprechenden Gesichtspunkt der fehlenden Gebrauchsminderungsspuren einbezogen. Soweit der Kläger angesichts der in dem entsprechenden Schriftsatz erfolgten Hervorhebung durch Fettdruck gerade diesen Ausführungen ("Das Fehlen von Gebrauchsminderungsspuren am gesamten linken Arm sieht die Kammer nicht als Grund für eine geringere Bewertung der MdE an.") besondere Bedeutung beimisst, stützen diese seine Auffassung gerade nicht. Denn der Umstand, dass der Sachverständige Gebrauchsminderungsspuren nicht beschrieben hat, weist darauf hin, dass der linke Arm vom Kläger durchaus umfangreich eingesetzt wird und spricht daher gegen die Bemessung der MdE mit 20 v.H., nicht aber für eine rentenberechtigende MdE. Soweit das SG zuletzt schließlich auf seinen persönlichen Eindruck vom Kläger in der mündlichen Verhandlung abgehoben hat, bezieht sich dies ersichtlich allein darauf, dass das SG nicht davon ausgegangen ist, dass der Kläger bei der Ermittlung der Bewegungsmaße durch den Sachverständigen nicht hinreichend mitgewirkt hat. Dem Hinweis auf diesen Gesichtspunkt liegt jedoch wiederum die Annahme zu Grunde, dass die vom SG für die Beurteilung herangezogenen Messwerte die Einschätzung des Sachverständigen Prof Dr. L. , die MdE sei mit 10 v.H. zu bewerten, nicht trägt, so dass sich dem SG - aus seiner Sicht zu Recht - die Frage aufdrängte, ob der Sachverständige die MdE deshalb niedriger eingeschätzt hat, weil er von einer unzureichenden Mitwirkung bei der Untersuchung ausgegangen ist.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, das SG habe im Rahmen einer Einzelfallprüfung die MdE zu Recht mit 20 v.H. bewertet, weil auch im Bereich der rechten Schulter eine erhebliche und mit zu berücksichtigende Bewegungseinschränkung vorliege, vermag der Senat auch hieraus keine dem Kläger günstigere Entscheidung herzuleiten. Denn die von Prof. Dr. S. erhobenen Bewegungsmaße für die rechte Schulter weisen mit 170 Grad für die Vorhebung und 180 Grad für die Seitwärtshebung ebenso wie die Messwerte des Prof. Dr. L. (jeweils 170 Grad für Vor- und Seitwärtshebung) gerade keine erhebliche Bewegungseinschränkung, sondern für die Vorhebung jeweils Normalwerte (Normalwert bei Vorhebung: 150 bis 170 Grad) und für die Seitwärtshebung einen Normalwert (Prof. Dr. S. ) bzw. eine nur geringfügige Bewegungseinschränkung (Prof. Dr. L. ) aus (Normalwert bei Seitwärtshebung: 180 Grad).
Der Einholung eines weiteren Gutachtens zur Beweglichkeit des linken Armes, insbesondere zur Möglichkeit den Arm unter Last abzustrecken, bedarf es nicht. Der medizinische Sachverhalt ist im Hinblick auf die Bewegungsfähigkeit des linken Armes durch die vorliegenden und im Wesentlichen überstimmenden Gutachten des Prof. Dr. S. und des Prof. Dr. L. hinreichend aufgeklärt. Wie bereits dargelegt, kommt es auf die Fähigkeit, den Arm unter Last abzustrecken nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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