Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 1830/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 643/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei dem Anspruch des Leiharbeitnehmers nach § 10 Abs. 4 AÜG aF handelt es sich um einen Anspruch auf einmalig zu zahlendes Arbeitsentgelt. Für die Entstehung von Beitragsansprüchen in der
Sozialversicherung gilt deshalb insoweit das Zuflussprinzip (Abweichung von BSG 16.12.2015, B 12 R 11/14, SozR 4-2400 § 28p Nr 6).
Sozialversicherung gilt deshalb insoweit das Zuflussprinzip (Abweichung von BSG 16.12.2015, B 12 R 11/14, SozR 4-2400 § 28p Nr 6).
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.01.2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.04.2013 aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits im Klage- und im Berufungsverfahren trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 141.703,14 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Beiträgen und Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 141.703,14 EUR durch den beklagten Rentenversicherungsträger.
Die Klägerin betrieb als Einzelkauffrau (e.K.) ua in den Jahren 2005 bis 2009 Arbeitnehmerüberlassung; sie war im Besitz einer Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Rahmen einer Entscheidung über eine Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) entschieden hatte, dass die von den Antragstellern dieses Verfahrens gestellten gegenwartsbezogenen Feststellunganträge begründet sind, weil die Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist, kündigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 19.10.2011 (am 10.11.2011 an die neue Adresse der Klägerin abgesandt) an, zum Jahresende eine Betriebsprüfung durchzuführen zur Überprüfung der Umsetzung des Beschlusses des BAG. Die Klägerin lehnte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.11.2011 die Durchführung einer solchen Betriebsprüfung ab, weil nicht erkennbar sei, mit welchen Konsequenzen der Beschluss des BAG umzusetzen sei. Das BAG habe ausdrücklich nur eine gegenwartsbezogene Feststellung getroffen. Sie habe außerdem in allen Arbeitsverträgen mit ihren Mitarbeitern eine Ausschlussfrist von drei Monaten für die Geltendmachung aller vertraglichen Ansprüche vereinbart. Die Beklagte nahm daraufhin von ihrem Vorhaben, noch im Jahr 2011 eine Betriebsprüfung durchzuführen, Abstand und prüfte den Betrieb der Klägerin turnusgemäß im Februar 2012.
Nach einer Anhörung der Klägerin (Anhörungsschreiben vom 27.08.2012) forderte die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2012 von der Klägerin für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2009 (Prüfzeitraum) Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 141.703,14 EUR nach. In dieser Nachforderung sind Säumniszuschläge in Höhe von 22.534,00 EUR enthalten. Die durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass die Klägerin im Prüfzeitraum Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG betrieben habe. Seit dem 01.01.2004 habe der Gesetzgeber für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung den Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit (equal pay) und das Gebot gleicher Arbeitsbedingungen (equal treatment) im Gesetz verankert. Die Entlohnung der Leiharbeitnehmer richte sich nach dem, was auch für die Stammbelegschaft des Entleihers gelte. Das AÜG sehe jedoch einen Ausnahmefall für das gesetzliche Gleichbehandlungsgebot vor. Existiere ein Tarifvertrag, der die Entlohnung der Leiharbeitnehmer regele, könne vom Gleichbehandlungsgrundsatz auch zum Nachteil des Leiharbeitnehmers abgewichen werden. Die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG habe die Unwirksamkeit der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Damit komme es zur Anwendung des § 10 Abs 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Der Leiharbeitnehmer, der auf Basis eines CGZP-Tarifvertrages beschäftigt gewesen sei, könne von dem Verleiher den Lohn beanspruchen, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt werde. Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte für laufendes Entgelt das Entstehungsprinzip. Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstünden nach dieser Vorschrift, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch sei deswegen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht das vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt. Unerheblich sei, ob der Arbeitnehmer den ihm zustehenden - höheren - Arbeitsentgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber auch geltend mache. Sei der Beitragsanspruch entstanden, sei sein weiteres Schicksal unabhängig von der Durchsetzung oder Durchsetzbarkeit des arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruches. Auch wenn der Arbeitnehmer seinen Zahlungsanspruch nicht durchsetze oder nicht durchsetzen könne, beispielsweise weil dem tarifliche Ausschlussklauseln entgegenstünden, bleibe der Beitragsanspruch hiervon unberührt. In den Arbeitsverträgen der von der Klägerin beschäftigten Leiharbeitnehmer werde auf die zwischen der CGZP und dem Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen e.V. geschlossenen Tarifverträge verwiesen. Auf der Basis der dort vorgesehenen Vergütung habe die Klägerin die Beiträge für die bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer gezahlt sowie Meldungen und Beitragsnachweise zur Sozialversicherung abgegeben. Aufgrund der vorgenannten Ausführungen seien Beiträge zur Sozialversicherung auf Grundlage der Differenz zwischen dem von der Klägerin gemeldeten und dem Beitragsanspruch zugrunde gelegtem Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleihbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Leiharbeitnehmer individuell nachzuerheben.
Nach § 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV habe der prüfende Rentenversicherungsträger die Höhe der Arbeitsentgelte zu schätzen, wenn diese nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermittelt werden könnten. Zwar sei hier feststellbar, dass Arbeitsentgelte grundsätzlich bestimmten Beschäftigten zuzuordnen seien, jedoch sei vorliegend die personenbezogene Ermittlung der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte - wenn überhaupt - nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Im Rahmen der turnusmäßigen Betriebsprüfung in der Zeit vom 13.02. bis 15.02.2012 seien keine Unterlagen vorgelegt worden, die für die Ermittlung der equal pay-Ansprüche der verliehenen Arbeitnehmer zwingend benötigt würden. Angaben über die Vergütung der Stammbelegschaft bei den Entleihern seien von der Klägerin nicht eingeholt worden. Es seien auch keine Auskünfte über die Entleihbetriebe sowie über die ausgeübten Tätigkeiten der von der Klägerin verliehenen Arbeitnehmer erteilt worden. Von der Abrechnungsstelle der Klägerin seien lediglich Aufstellungen über die in der Zeit vom 01.12.2005 bis 31.12.2009 gezahlten Lohnarten zur Verfügung gestellt worden. Die Höhe der beitragspflichtigen Differenz zwischen den abgerechneten Arbeitsentgelten und den equal pay-Ansprüchen der Arbeitnehmer sei deshalb geschätzt worden. Nach den Ermittlungen der Beklagten betrage die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 24 %. Dieser Prozentwert gründe sich im Wesentlichen auf die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB) "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14.04.2011. Im Betrieb der Klägerin sei die Beklagte allerdings von geringeren durchschnittlichen Differenzen zwischen den gezahlten Arbeitsentgelten und den Ansprüchen der Stammarbeitnehmer in Entleihbetrieben ausgegangen. Anhand der zur Verfügung gestellten Lohnartenwerte sei eine bereinigte Lohnsumme ermittelt worden. Verleihfreie Zeiten, Urlaubs- und Krankheitszeiten sowie gezahlte Zuschläge seien dabei in Abzug gebracht worden. Die durchschnittliche Lohndifferenz in Höhe von 24 % habe die Beklagte entsprechend dem Verhältnis von bereinigter Lohnsumme zur Bruttolohnsumme gekürzt. Die Ermittlung der für die Differenzberechnung zugrunde gelegten Erhöhungsfaktoren sei bereits im Rahmen des Anhörungsverfahren erläutert worden. Im Anschluss seien die gemeldeten Arbeitsentgelte der Mitarbeiter mit diesen Prozentwerten multipliziert worden, um die beitragspflichtigen Differenzen personenbezogen zu ermitteln. Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Arbeitgeber nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt habe, sei nach § 24 Abs 1 SGB IV für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 vH zu zahlen. Für Beiträge aufgrund einer Betriebsprüfung gelte dies nach § 24 Abs 2 SGB IV nicht, soweit der Arbeitgeber unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. Spätestens mit dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 sei der Klägerin bekannt gewesen, dass ihre Meldungen und Beitragsnachweise objektiv fehlerhaft gewesen seien. Sie könne daher nicht geltend machen, unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt zu haben. Ferner sei die Klägerin mit Schreiben vom 10.11.2011 aufgefordert worden, den Beschluss des BAG umzusetzen und die zu wenig gezahlten Beiträge nachzuberechnen. Dieser Aufforderung sei die Klägerin bislang nicht nachgekommen. Die Zusammenstellung der zu wenig gezahlten Beiträge bzw Umlagen wurden in der dem Bescheid beigefügten Anlage dargestellt. Die Beklagte nahm im Beitragsbescheid auch ausführlich zu den von der Klägerin im Anhörungsverfahren gemachten Einwendungen Stellung.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, am 05.10.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, auch wenn inzwischen aufgrund der entsprechenden Beschlüsse des BAG feststehe, dass die Tariffähigkeit der CGZP nie gegeben gewesen sei, habe dies nicht die automatische Rechtsfolge, dass den früheren Mitarbeitern, die auf der Basis dieses Tarifvertrages bezahlt worden seien, noch entsprechend höhere Vergütungsansprüche gegen die Klägerin zugestanden hätten. Derartige Entgeltdifferenzansprüche der betroffenen Mitarbeiter setzten voraus, dass der entsprechende Mitarbeiter im Einzelnen darlege, für welche Tätigkeit im Entleihbetrieb er vermittelt worden sei und welche konkreten tariflichen Vergütungsansprüche aus dieser Tätigkeit abgeleitet werden könnten. Es sei grundsätzlich erforderlich festzustellen, welche Tarife für die fest angestellte Belegschaft des Entleihers gegolten hätten und ob die konkret geschuldete Tätigkeit des Leiharbeitnehmers in eine entsprechende Tarifgruppe eingeordnet werden könne. Wenn diese Feststellungen getroffen würden, könne anhand der im Betrieb geltenden Entgeltbestimmungen der Differenzlohn sicherlich berechnet werden. Die Klägerin sei hierzu selbst aber nicht ohne weiteres in der Lage, da sie weder gegenüber dem Entleihbetrieb noch gegenüber ihren verliehenen Arbeitnehmern einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine entsprechende Auskunft habe. Die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter und die genauen Zeiten ihrer Einsätze bei den jeweiligen Kunden seien der Beklagten vollständig mitgeteilt worden, sodass die Beklagte sehr wohl konkret in der Lage sei, ihrerseits die genauen Lohndifferenzen je nach Art der Beschäftigung zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund sei es rechtswidrig, wenn die Beklagte hier eine Schätzung der in Betracht kommenden Arbeitsentgelte nach § 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV vorgenommen habe. Die Vorgehensweise der Beklagten verstoße auch gegen den im Beitragsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Die Beklagte habe in der Vergangenheit keinerlei Einwände oder Bedenken gegen die Anwendung der Vergütungstarifverträge erhoben, die von der CGZP im Bereich der Leiharbeit abgeschlossen worden seien. Sie habe vielmehr selbst diese Tarifverträge bei ihrer Beitragsberechnung jahrelang angewandt. Vor diesem Hintergrund sei es unzulässig, nunmehr einseitig zu Lasten des Verleihunternehmens rückwirkend entsprechend Beiträge nachzufordern. Die mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachten Beitragsnachforderungen bezögen sich ausweislich der vorgelegten Aufstellungen auf den Zeitraum 2005 bis 2008. Die entsprechende Prüfung und der Bescheid seien im Kalenderjahr 2012 ergangen. Da für Beiträge die vierjährige Verjährungsfrist gelte, seien diese nachgeforderten Beiträge bis einschließlich 20007 verjährt. Insoweit werde ausdrücklich die Einrede der Verjährung erhoben. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2013 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 26.09.2012 als unbegründet zurück.
Am 21.05.2013 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Im Klageverfahren haben die Klägerin und die Beklagte ihre jeweiligen Standpunkte wiederholt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28.01.2014 abgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat es unter anderem darauf hingewiesen, den Leiharbeitnehmern der Klägerin habe ein Anspruch auf eine equal pay-Entlohnung zugestanden. Denn die Tarifverträge der CGZP, die hiervon abweichende Regelungen betroffen hätten, seien aufgrund der Tarifunfähigkeit der CGZP unwirksam. Die Entscheidung über die Tarifunfähigkeit der CGZP entfalte dabei nicht nur Wirkungen für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit. Trotz fehlender Tariffähigkeit abgeschlossene Tarifverträge seien deshalb von Anfang an unwirksam. Der Geltendmachung der Sozialversicherungsbeiträge stehe auch ein sozialrechtlicher Vertrauensschutz nicht entgegen. Insbesondere könne der Nachforderung nicht eine Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben entgegengehalten werden. Die Beiträge seien auch nicht verjährt. Es gelte die dreißigjährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs 1 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Bei der Klägerin habe spätestens mit dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 und demnach noch vor Ablauf der Verjährungsfrist am 01.01.2011 bzw 01.01.2012 Vorsatz vorgelegen. Schließlich sei die Beklagte auch berechtigt gewesen, die Höhe der Beiträge zu schätzen. Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen stelle § 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV dar. Eine Verletzung der Aufzeichnungspflicht seitens des Arbeitgebers habe im vorliegenden Fall vorgelegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergebe sich diese jedoch nicht aus § 12 Abs 1 Satz 3 AÜG. Nach dieser Vorschrift habe der Entleiher in der Urkunde anzugeben, welche besonderen Merkmale die für den Leiharbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist sowie welche im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gelten. Diese Angaben seien von dem Verleiher zu den Lohnunterlagen zu nehmen. Allerdings handele es sich bei dieser Vorschrift um eine Schutzvorschrift des Verleihers, um seine Informationspflicht nach § 13 AÜG gegenüber dem Leiharbeitnehmer nachzukommen, und somit um eine Pflicht des Entleihers. § 12 Abs 1 Satz 3 AÜG könne demnach kein Pflichtverhalten des Arbeitgebers begründen. Allerdings ergebe sich eine Pflicht zur Aufzeichnung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts aus § 8 Abs 11 Nr 11 Beitragsverfahrensordnung (BVV) bzw für die Beiträge bis Juni 2006 aus § 2 Abs 1 Nr 8 der bis dahin geltenden Beitragsüberwachungsverordnung (BÜV). Gegen die Höhe der Schätzung sprächen keine Bedenken. Der Vortrags der Klägerin, die von der Beklagten vorgenommene Erhöhung um 21 % entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen, führe zu keinem anderen Ergebnis, da dies zum Wesen der Schätzung gehöre. Die für die Klägerin bestimmte Ausfertigung des Urteils ist ihren Prozessbevollmächtigten mittels Empfangsbekenntnis am 20.03.2014 zugestellt worden.
Am 16.04.2014 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, auch wenn das BAG in seinem Beschluss die rückwirkende Unwirksamkeit der angewandten Lohntarifverträge festgestellt habe, habe sie bis zu diesem Urteil auf die Wirksamkeit dieser Tarifverträge vertrauen können und dieser Vertrauensschutz stehe einer rückwirkenden Geltendmachung der Beiträge für Zeiträume vor dem rechtskräftigen Beschluss des BAG entgegen. Aufgrund dieses Vertrauensschutzes sei sie zum Zeitpunkt der Beschäftigung der entsprechenden Arbeitnehmer auch nicht verpflichtet gewesen, in deren Verträge den jeweiligen Vergleichslohn des Entleihers für vergleichbare Tätigkeiten aufzunehmen. Wenn sie gegen diese Verpflichtung aber nicht verstoßen habe, weil damals diese Verpflichtung wegen des noch existierenden Tarifvertrages nicht gegolten habe, dann liege auch kein rechtswidriges Verhalten der Klägerin vor und deshalb hätten die jetzt festgesetzten Beiträge auch nicht geschätzt werden dürfen, sondern sie hätten anhand der konkreten tariflichen Vergleichslöhne ermittelt werden müssen. Aus den gleichen Gründen könne für die nachzuentrichtenden Beiträge auch nicht die dreißigjährige Verjährungsfrist gelten, die eine Bösgläubigkeit der Klägerin voraussetze, die in Anbetracht der dargestellten Umstände nicht gegeben gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.01.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.04.2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.01.2014 zurückzuweisen.
Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 24.08.2014 bis zum Abschluss des Verfahrens B 12 R 11/14 R beim Bundessozialgericht ausgesetzt.
Im Februar 2017 ist das Verfahren fortgeführt worden. Mit Schriftsatz vom 13.02.2017 hat die Beklagte ausgeführt, dass das BSG einen Vertrauensschutz oder ein Rückwirkungsverbot unter allen denkbaren Gesichtspunkten abgelehnt habe. Das BSG habe auch festgehalten, dass ein Rentenversicherungsträger im Rahmen der Betriebsprüfung grundsätzlich auch zur Schätzung der Entgelte einzelner Beschäftigter berechtigt sei. Demensprechend seien personenbezogene Schätzungen grundsätzlich zulässig. Zur Anwendung der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV verlange das BSG einen individuellen Nachweis, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit der rückwirkenden Beitragspflicht nach dem Anspruch auf equal-pay erkannt und die Nichtabführung von Beiträgen billigend in Kauf genommen habe. Ausdrücklich werde hervorgehoben, dass selbst nach der Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des BAG-Beschlusses vom 14.12.2010 zu Anfang des Jahres 2011 ein solches sicheres Wissen nicht ohne Weiteres unterstellt werden könne, weil - umgangssprachlich ausgedrückt - jeder informierte Mensch nunmehr genau gewusst habe, dass die Beiträge auch für diese Jahre hätten nachgezahlt werden müssen. In mehreren Parallelverfahren zum Thema CGZP im Anschluss an die Entscheidung des BSG vom 16.12.2015 seien jedoch bereits klagende Leiharbeitgeber mit Vergleichsvorschlägen an die Beklagte herangetreten und hätten vorgeschlagen, dass die Beklagte im Rechtsstreit hinsichtlich des Zeitraumes nachgebe, der den Streit um die dreißigjährige Verjährungsfrist betreffe und sie selbst die Forderungen aus dem Prüfbescheid hinsichtlich des übrigen Zeitraums akzeptierten. In mehreren Verfahren seien vergleichsweise Einigungen erzielt worden. Sie habe daher auch vorliegend einen Vergleichsvorschlag entsprechend den Verhandlungen und Einigungen in anderen Parallelverfahren zum Thema CGZP formuliert.
1. Der Bescheid vom 26.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 wird dahingehend abgeändert, als dass keine Beitragsnachforderungen für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2006 erfolgen. Die für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2009 verbleibende Beitragsnachforderung iHv insgesamt 87.510,44 EUR wird von der Klägerin anerkannt. In der Nachforderung sind Säumniszuschläge nach § 24 Abs 1 SGB IV iHv 13.908,00 EUR enthalten. 2. Wegen der mit Schreiben vom 10.01.2013 gewährten Aussetzung der Vollziehung der Beitragsnachforderung wird die verbleibende Beitragsnachforderung von 87.510,44 EUR für den Zeitraum 01.11.2012 bis Vormonat der Annahme des Vergleichs mit 4 vH verzinst. 3. Die der Klägerin und der Beklagten entstandenen außergerichtlichen Kosten werden von diesen selbst getragen. Die gerichtlichen Kosten werden von der Klägerin zu 6/10 und der Beklagten zu 4/10 getragen. 4. Die Klägerin und die Beklagte erklären den Rechtsstreit für endgültig erledigt.
Nach Annahme des Vergleichs durch die Klägerin werde die Beklagte einen Ausführungsbescheid zu Ziffer 1 erlassen.
Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, soweit sich die Beklagte mit dem Urteil des BSG vom 16.12.2015 auseinandersetze, werde nur die Frage angesprochen, ob im konkreten Fall bezüglich rückständiger Beiträge die dreißigjährige Verjährungsfrist anzuwenden sei. Mit den weiteren Einwendungen der Klägerin hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen für die Beitragsschätzung der Beklagten setze sich der Vergleichsvorschlag nicht auseinander. Sie und ihre Prozessbevollmächtigten sähen sich allerdings auch aus einem anderen Grund nicht in der Lage, den Vergleichsvorschlag der Beklagten zu akzeptieren. Sie habe aufgrund der rückwirkend geltend gemachten Beitragsforderungen und der sich daraus auch ergebenden einzelnen Klagen ihrer früheren Arbeitnehmer ihre Geschäftstätigkeit einstellen und ihr Unternehmen schließen müssen. Sie erhalte derzeit nur eine geringe Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich innerhalb der Pfändungsfreigrenze bewege. Vollstreckungsmaßnahmen gegen sie seien mangels Masse eingestellt worden. Vor diesem Hintergrund sehe sie sich schon aus rechtlichen Gründen außerstande, einen Vergleich abzuschließen, in dem sie eine Forderung anerkenne, die sie ohnehin niemals werde begleichen können - auch nicht in kleinen Ratenzahlungen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin ist nicht zur Zahlung der von der Beklagten geforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge verpflichtet.
Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig; die erforderliche Anhörung (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X) ist erfolgt. Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 28p Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV erfüllen und erlassen im Rahmen dessen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in den einzelnen Sozialversicherungszweigen. Dies gilt auch in Bezug auf die Nachforderung von Umlagen zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit und Mutterschutz (U 1/U 2) nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz, weil Gegenstand der Betriebsprüfung ebenfalls die Umlagen U 1 und U 2 sind sowie die InsO-Umlage (so in Bezug auf die insoweit vergleichbare Rechtslage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz BSG 30.10.2002, B 1 KR 19/01 R, SozR 3-2400, § 28p Nr 1). Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 174 Abs 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sowie § 60 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auch für die Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen.
Als Arbeitsentgelt gelten gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Um das Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht sowie ggf die Höhe der zu entrichtenden Beiträge feststellen zu können, war es schon immer eine selbstverständliche Pflicht des Arbeitgebers, hierüber geeignete Aufzeichnungen anzufertigen. Diese Pflicht ist seit 1989 ausdrücklich in § 28f Abs 1 Satz 1 SGB V normiert (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 28f SGB IV RdNr 3).
In der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung liegt bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung für den vom Arbeitgeber zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß §§ 28d, 28e SGB IV das Arbeitsentgelt zugrunde (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V, § 57 Abs 1 SGB XI, § 162 Nr 1 SGB VI, § 342 SGB III). Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung gemäß § 7 Abs 1 SGB IV, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Für die Bestimmung des Arbeitsentgelts gilt im Rahmen der Beitragsbemessung grundsätzlich das Entstehungsprinzip. Das für die Sozialversicherung zentrale Entstehungsprinzip hat zum Inhalt, dass Versicherungspflicht und Beitragshöhe bei dem Beschäftigten nach dem arbeitsrechtlich geschuldeten (etwa dem Betroffenen tariflich zustehenden) Arbeitsentgelt zu beurteilen sind - was sich etwa bei untertariflicher Bezahlung auswirkt - und nicht lediglich nach dem einkommensteuerrechtlich entscheidenden, dem Beschäftigten tatsächlich zugeflossenen Entgelt (sog Zuflussprinzip; stRspr; vgl zuletzt BSGE 115, 265 = SozR 4-2400 § 17 Nr 1, Rn 30 mit zahlreichen Nachweisen). Zugleich ist es für die Beitragsbemessung unerheblich, ob der einmal entstandene Entgeltanspruch zB wegen tarifvertraglicher Verfallklauseln oder wegen Verjährung vom Arbeitnehmer (möglicherweise) nicht mehr realisiert werden kann (BSG 14.07.2004, B 12 KR 1/04, BSGE 93, 119 Rn 34).
Der Zufluss von Arbeitsentgelt ist für das Beitragsrecht der Sozialversicherung nur entscheidend, soweit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr leistet als ihm unter Beachtung der gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Regelungen zusteht, dh dann, wenn ihm also über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewandt werden (BSG 16.12.2015, B12 R 11/14 R, SozR 4-2600 § 28p Nr 6) sowie bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (§ 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV). Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind nach der Legaldefinition in § 23a Abs 1 Satz 1 SGB IV Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Das BSG hat hierzu entschieden, dass nicht der Zeitpunkt der Auszahlung maßgebend ist, sondern es entscheidend darauf ankommt, ob das gezahlte Entgelt Vergütung für die in einem einzelnen, dh bestimmten Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer Zuwendung als laufendes Arbeitsentgelt oder Einmalzahlung ist derjenige der Entstehung des Beitragsanspruchs. Im Sozialversicherungsrecht kann es aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich nicht hingenommen werden, dass nach Entstehung des Beitragsanspruchs die Bestimmung über die endgültige Höhe des Arbeitsentgelts und damit die Höhe der Beiträge von ungewissen, in der Zukunft liegenden Ereignissen abhängt. Die Versicherungsträger müssen bei Entstehung des Beitragsanspruchs anhand der Höhe des Arbeitsentgelts das versicherte Risiko bestimmen können. Nach § 22 Abs 1 SGB IV entsteht der Anspruch auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, wenn der Arbeitsentgeltanspruch entstanden ist, selbst wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht gezahlt hat; insoweit folgt das Sozialversicherungsrecht - anders als das Steuerrecht - nicht dem Zuflussprinzip (zum Ganzen BSG 26.01.2005, B 12 KR 3/04 R mwN).
Die Klägerin schuldete ihren Leiharbeitnehmern einen höheren Lohn als den tatsächlich ausbezahlten. Der Leiharbeitnehmer kann nach § 10 Abs 4 AÜG idF des Gesetzes vom 23.12.2002 (BGBl I, 4607 - AÜG aF) im Falle der Unwirksamkeit einer Vereinbarung mit dem Verleiher nach § 9 Nr 2 AÜG von diesem das Arbeitsentgelt verlangen, das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers gezahlt wird. Nach § 9 Nr 2 AÜG idF des Gesetzes vom 23.12.2003 (BGBl I, 2848) sind Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen unwirksam, es sei denn, der Verleiher gewährt dem zuvor arbeitslosen Leiharbeitnehmer für die Überlassung an einen Entleiher für die Dauer von insgesamt höchstens sechs Wochen mindestens ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe des Betrages, den der Leiharbeitnehmer zuletzt als Arbeitslosengeld erhalten hat; Letzteres gilt nicht, wenn mit demselben Verleiher bereits ein Leiharbeitsverhältnis bestanden hat; ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen; im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
Ein solcher Fall, in dem ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulässt, ist hier nicht anzunehmen, da alle von der CGZP bis zum 14.12.2010 geschlossenen Tarifverträge unwirksam sind. Nach der Rechtsprechung der Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit steht rechtskräftig fest, dass die CGZP vom Zeitpunkt ihrer Gründung am 11.12.2002 bis jedenfalls zum 14.12.2010 nicht tariffähig war (für die Zeit vor dem 08.10.2009 vgl BAG 23.5.2012, 1 AZB 58/11, BAGE 141, 382; hierzu BVerfG (Kammer) Nichtannahmebeschluss vom 25.4.2015, 1 BvR 2314/12, NJW 2015, 1867; für die Zeit ab 8.10.2009 vgl BAG 14.12.2010, 1 ABR 19/10, BAGE 136, 302; hierzu BVerfG (Kammer) Nichtannahmebeschluss vom 10.3.2014, 1 BvR 1104/11, NZA 2014, 496; BAG 23.5.2012, 1 AZB 58/11, NZA 2012, 623). An diese Feststellungen zur mangelnden Tariffähigkeit der CGZP ist der Senat - wie alle Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit - auch gebunden. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Klägerin die von der Beklagten geforderten Beiträge schuldet. Denn auch unter Zugrundelegung oben dargestellten der Rechtsprechung des BSG zur Geltung des Entstehungsprinzips im Recht der Sozialversicherung, der sich der Senat in allen Punkten anschließt, sind Ansprüche der Leiharbeitnehmer nach § 10 Abs 4 AÜG aF als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu werten und bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt entstehen die Beitragsansprüche erst, wenn das Arbeitsentgelt ausbezahlt worden ist; insoweit gilt weiterhin das Zuflussprinzip (§ 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV).
Nach § 10 Abs 4 AÜG aF ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Die Zahlungsansprüche des Leiharbeitnehmers umfassen nicht nur das laufende Arbeitsentgelt, sondern auch alle Zuschläge und Zulagen, Ansprüche auf Entgeltfortzahlung sowie weitere Vergütungsbestandteile (BAG 23.03.2011, 5 AZR 7/10, BAGE 137, 249 Rn 33). Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt ist ein die vertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit jeder Überlassung entsteht und jeweils für die Dauer der Überlassung besteht. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs ist deshalb ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen (BAG 25.03.2015, 5 AZR 368/13, BAGE 151, 170 Rn 12; BAG 23.03.2011, 5 AZR 7/10, BAGE 137, 249 Rn 35). Der Anspruch nach § 10 Abs 4 AÜG aF richtet sich also auf einen Differenzbetrag, der rechnerisch durch Subtraktion der bereits gezahlten Entgelte von dem im Überlassungszeitraum geschuldeten Anspruch auf Gewährung gleicher Arbeitsbedingungen ermittelt wird. Für diesen Fall hat das BSG schon vor der Änderung des § 22 Abs 1 SGB IV am 01.01.2003 (damals erhielt § 22 Abs 1 folgende Fassung: Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen, bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sobald dieses ausgezahlt worden ist) entschieden, dass ein Anspruch, der auf einen Differenzbetrag gerichtet ist, als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu werten ist (BSG 03.06.2009, B 12 R 12/07 R, BSGE 103, 229 Rn 18 zu einem in Etappen ausgezahlten variablen Entgelt). Diese Rechtsprechung ist auf den gesetzlichen Anspruch nach § 10 Abs 4 AÜG aF zu übertragen. Anders als in Fällen einer untertariflichen Zahlung, in denen die Höhe des Anspruchs auf Arbeitsentgelt bereits zu dem Zeitpunkt feststeht, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird, kann die Höhe des Anspruchs nach § 10 Abs 4 AÜG erst nach Beendigung der Überlassung konkret ermittelt werden. Der Umstand, dass sich die endgültige Höhe des Anspruchs aus einem Differenzbetrag ergibt, ist auch nicht zu vergleichen mit einem Sachverhalt, bei dem der Anspruch auf Arbeitsentgelt entstanden, aber später wieder untergegangen ist (wie beim Eingreifen einer Verfallklausel) oder zwar noch besteht, aber nicht mehr durchgesetzt werden kann (wie im Fall der Verjährung). Auch handelt es sich bei dem Anspruch auf gleiche Entlohnung nach § 10 Abs 4 AÜG nicht um einen Anspruch, dessen Entstehen oder Bestand von privatrechtlichen Vorgängen wie dem Geltendmachen des Anspruchs auf nicht gezahltes Arbeitsentgelt durch den Arbeitnehmer, dem Eingreifen tariflicher Ausschlussklauseln, der Verjährung des Anspruchs, der Erhebung der Verjährungseinrede durch den Arbeitgeber oder einem etwaigen Verzicht des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt abhängt. Der Anspruch auf gleichen Lohn ist gesetzlich als Anspruch auf eine Differenzvergütung und damit als Anspruch auf einmalig zu zahlendes Arbeitsentgelt ausgestaltet. Diese gesetzliche Regelung steht einer Qualifizierung des Anspruchs als Anspruch auf laufendes Arbeitsentgelt entgegen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (§ 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 141.703,14 EUR festgesetzt (§ 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 1 Abs 2 Nr 3, 47 Abs 1, 52 Abs 3 Satz 1 GKG).
Die Revision wird zugelassen, da der Senat in den tragenden Gründen von der Rechtsprechung des BSG (zB Urteil vom 16.12.2015, B 12 R 11/14 R, SozR 4-2400 § 28p Nr 6) abweicht.
Die Kosten des Rechtsstreits im Klage- und im Berufungsverfahren trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 141.703,14 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Beiträgen und Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 141.703,14 EUR durch den beklagten Rentenversicherungsträger.
Die Klägerin betrieb als Einzelkauffrau (e.K.) ua in den Jahren 2005 bis 2009 Arbeitnehmerüberlassung; sie war im Besitz einer Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Rahmen einer Entscheidung über eine Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) entschieden hatte, dass die von den Antragstellern dieses Verfahrens gestellten gegenwartsbezogenen Feststellunganträge begründet sind, weil die Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist, kündigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 19.10.2011 (am 10.11.2011 an die neue Adresse der Klägerin abgesandt) an, zum Jahresende eine Betriebsprüfung durchzuführen zur Überprüfung der Umsetzung des Beschlusses des BAG. Die Klägerin lehnte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.11.2011 die Durchführung einer solchen Betriebsprüfung ab, weil nicht erkennbar sei, mit welchen Konsequenzen der Beschluss des BAG umzusetzen sei. Das BAG habe ausdrücklich nur eine gegenwartsbezogene Feststellung getroffen. Sie habe außerdem in allen Arbeitsverträgen mit ihren Mitarbeitern eine Ausschlussfrist von drei Monaten für die Geltendmachung aller vertraglichen Ansprüche vereinbart. Die Beklagte nahm daraufhin von ihrem Vorhaben, noch im Jahr 2011 eine Betriebsprüfung durchzuführen, Abstand und prüfte den Betrieb der Klägerin turnusgemäß im Februar 2012.
Nach einer Anhörung der Klägerin (Anhörungsschreiben vom 27.08.2012) forderte die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2012 von der Klägerin für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2009 (Prüfzeitraum) Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 141.703,14 EUR nach. In dieser Nachforderung sind Säumniszuschläge in Höhe von 22.534,00 EUR enthalten. Die durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass die Klägerin im Prüfzeitraum Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG betrieben habe. Seit dem 01.01.2004 habe der Gesetzgeber für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung den Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit (equal pay) und das Gebot gleicher Arbeitsbedingungen (equal treatment) im Gesetz verankert. Die Entlohnung der Leiharbeitnehmer richte sich nach dem, was auch für die Stammbelegschaft des Entleihers gelte. Das AÜG sehe jedoch einen Ausnahmefall für das gesetzliche Gleichbehandlungsgebot vor. Existiere ein Tarifvertrag, der die Entlohnung der Leiharbeitnehmer regele, könne vom Gleichbehandlungsgrundsatz auch zum Nachteil des Leiharbeitnehmers abgewichen werden. Die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG habe die Unwirksamkeit der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Damit komme es zur Anwendung des § 10 Abs 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Der Leiharbeitnehmer, der auf Basis eines CGZP-Tarifvertrages beschäftigt gewesen sei, könne von dem Verleiher den Lohn beanspruchen, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt werde. Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte für laufendes Entgelt das Entstehungsprinzip. Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstünden nach dieser Vorschrift, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch sei deswegen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht das vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt. Unerheblich sei, ob der Arbeitnehmer den ihm zustehenden - höheren - Arbeitsentgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber auch geltend mache. Sei der Beitragsanspruch entstanden, sei sein weiteres Schicksal unabhängig von der Durchsetzung oder Durchsetzbarkeit des arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruches. Auch wenn der Arbeitnehmer seinen Zahlungsanspruch nicht durchsetze oder nicht durchsetzen könne, beispielsweise weil dem tarifliche Ausschlussklauseln entgegenstünden, bleibe der Beitragsanspruch hiervon unberührt. In den Arbeitsverträgen der von der Klägerin beschäftigten Leiharbeitnehmer werde auf die zwischen der CGZP und dem Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen e.V. geschlossenen Tarifverträge verwiesen. Auf der Basis der dort vorgesehenen Vergütung habe die Klägerin die Beiträge für die bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer gezahlt sowie Meldungen und Beitragsnachweise zur Sozialversicherung abgegeben. Aufgrund der vorgenannten Ausführungen seien Beiträge zur Sozialversicherung auf Grundlage der Differenz zwischen dem von der Klägerin gemeldeten und dem Beitragsanspruch zugrunde gelegtem Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleihbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Leiharbeitnehmer individuell nachzuerheben.
Nach § 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV habe der prüfende Rentenversicherungsträger die Höhe der Arbeitsentgelte zu schätzen, wenn diese nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermittelt werden könnten. Zwar sei hier feststellbar, dass Arbeitsentgelte grundsätzlich bestimmten Beschäftigten zuzuordnen seien, jedoch sei vorliegend die personenbezogene Ermittlung der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte - wenn überhaupt - nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Im Rahmen der turnusmäßigen Betriebsprüfung in der Zeit vom 13.02. bis 15.02.2012 seien keine Unterlagen vorgelegt worden, die für die Ermittlung der equal pay-Ansprüche der verliehenen Arbeitnehmer zwingend benötigt würden. Angaben über die Vergütung der Stammbelegschaft bei den Entleihern seien von der Klägerin nicht eingeholt worden. Es seien auch keine Auskünfte über die Entleihbetriebe sowie über die ausgeübten Tätigkeiten der von der Klägerin verliehenen Arbeitnehmer erteilt worden. Von der Abrechnungsstelle der Klägerin seien lediglich Aufstellungen über die in der Zeit vom 01.12.2005 bis 31.12.2009 gezahlten Lohnarten zur Verfügung gestellt worden. Die Höhe der beitragspflichtigen Differenz zwischen den abgerechneten Arbeitsentgelten und den equal pay-Ansprüchen der Arbeitnehmer sei deshalb geschätzt worden. Nach den Ermittlungen der Beklagten betrage die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 24 %. Dieser Prozentwert gründe sich im Wesentlichen auf die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB) "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14.04.2011. Im Betrieb der Klägerin sei die Beklagte allerdings von geringeren durchschnittlichen Differenzen zwischen den gezahlten Arbeitsentgelten und den Ansprüchen der Stammarbeitnehmer in Entleihbetrieben ausgegangen. Anhand der zur Verfügung gestellten Lohnartenwerte sei eine bereinigte Lohnsumme ermittelt worden. Verleihfreie Zeiten, Urlaubs- und Krankheitszeiten sowie gezahlte Zuschläge seien dabei in Abzug gebracht worden. Die durchschnittliche Lohndifferenz in Höhe von 24 % habe die Beklagte entsprechend dem Verhältnis von bereinigter Lohnsumme zur Bruttolohnsumme gekürzt. Die Ermittlung der für die Differenzberechnung zugrunde gelegten Erhöhungsfaktoren sei bereits im Rahmen des Anhörungsverfahren erläutert worden. Im Anschluss seien die gemeldeten Arbeitsentgelte der Mitarbeiter mit diesen Prozentwerten multipliziert worden, um die beitragspflichtigen Differenzen personenbezogen zu ermitteln. Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Arbeitgeber nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt habe, sei nach § 24 Abs 1 SGB IV für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 vH zu zahlen. Für Beiträge aufgrund einer Betriebsprüfung gelte dies nach § 24 Abs 2 SGB IV nicht, soweit der Arbeitgeber unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. Spätestens mit dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 sei der Klägerin bekannt gewesen, dass ihre Meldungen und Beitragsnachweise objektiv fehlerhaft gewesen seien. Sie könne daher nicht geltend machen, unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt zu haben. Ferner sei die Klägerin mit Schreiben vom 10.11.2011 aufgefordert worden, den Beschluss des BAG umzusetzen und die zu wenig gezahlten Beiträge nachzuberechnen. Dieser Aufforderung sei die Klägerin bislang nicht nachgekommen. Die Zusammenstellung der zu wenig gezahlten Beiträge bzw Umlagen wurden in der dem Bescheid beigefügten Anlage dargestellt. Die Beklagte nahm im Beitragsbescheid auch ausführlich zu den von der Klägerin im Anhörungsverfahren gemachten Einwendungen Stellung.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, am 05.10.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, auch wenn inzwischen aufgrund der entsprechenden Beschlüsse des BAG feststehe, dass die Tariffähigkeit der CGZP nie gegeben gewesen sei, habe dies nicht die automatische Rechtsfolge, dass den früheren Mitarbeitern, die auf der Basis dieses Tarifvertrages bezahlt worden seien, noch entsprechend höhere Vergütungsansprüche gegen die Klägerin zugestanden hätten. Derartige Entgeltdifferenzansprüche der betroffenen Mitarbeiter setzten voraus, dass der entsprechende Mitarbeiter im Einzelnen darlege, für welche Tätigkeit im Entleihbetrieb er vermittelt worden sei und welche konkreten tariflichen Vergütungsansprüche aus dieser Tätigkeit abgeleitet werden könnten. Es sei grundsätzlich erforderlich festzustellen, welche Tarife für die fest angestellte Belegschaft des Entleihers gegolten hätten und ob die konkret geschuldete Tätigkeit des Leiharbeitnehmers in eine entsprechende Tarifgruppe eingeordnet werden könne. Wenn diese Feststellungen getroffen würden, könne anhand der im Betrieb geltenden Entgeltbestimmungen der Differenzlohn sicherlich berechnet werden. Die Klägerin sei hierzu selbst aber nicht ohne weiteres in der Lage, da sie weder gegenüber dem Entleihbetrieb noch gegenüber ihren verliehenen Arbeitnehmern einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine entsprechende Auskunft habe. Die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter und die genauen Zeiten ihrer Einsätze bei den jeweiligen Kunden seien der Beklagten vollständig mitgeteilt worden, sodass die Beklagte sehr wohl konkret in der Lage sei, ihrerseits die genauen Lohndifferenzen je nach Art der Beschäftigung zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund sei es rechtswidrig, wenn die Beklagte hier eine Schätzung der in Betracht kommenden Arbeitsentgelte nach § 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV vorgenommen habe. Die Vorgehensweise der Beklagten verstoße auch gegen den im Beitragsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Die Beklagte habe in der Vergangenheit keinerlei Einwände oder Bedenken gegen die Anwendung der Vergütungstarifverträge erhoben, die von der CGZP im Bereich der Leiharbeit abgeschlossen worden seien. Sie habe vielmehr selbst diese Tarifverträge bei ihrer Beitragsberechnung jahrelang angewandt. Vor diesem Hintergrund sei es unzulässig, nunmehr einseitig zu Lasten des Verleihunternehmens rückwirkend entsprechend Beiträge nachzufordern. Die mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachten Beitragsnachforderungen bezögen sich ausweislich der vorgelegten Aufstellungen auf den Zeitraum 2005 bis 2008. Die entsprechende Prüfung und der Bescheid seien im Kalenderjahr 2012 ergangen. Da für Beiträge die vierjährige Verjährungsfrist gelte, seien diese nachgeforderten Beiträge bis einschließlich 20007 verjährt. Insoweit werde ausdrücklich die Einrede der Verjährung erhoben. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2013 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 26.09.2012 als unbegründet zurück.
Am 21.05.2013 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Im Klageverfahren haben die Klägerin und die Beklagte ihre jeweiligen Standpunkte wiederholt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28.01.2014 abgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat es unter anderem darauf hingewiesen, den Leiharbeitnehmern der Klägerin habe ein Anspruch auf eine equal pay-Entlohnung zugestanden. Denn die Tarifverträge der CGZP, die hiervon abweichende Regelungen betroffen hätten, seien aufgrund der Tarifunfähigkeit der CGZP unwirksam. Die Entscheidung über die Tarifunfähigkeit der CGZP entfalte dabei nicht nur Wirkungen für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit. Trotz fehlender Tariffähigkeit abgeschlossene Tarifverträge seien deshalb von Anfang an unwirksam. Der Geltendmachung der Sozialversicherungsbeiträge stehe auch ein sozialrechtlicher Vertrauensschutz nicht entgegen. Insbesondere könne der Nachforderung nicht eine Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben entgegengehalten werden. Die Beiträge seien auch nicht verjährt. Es gelte die dreißigjährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs 1 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Bei der Klägerin habe spätestens mit dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 und demnach noch vor Ablauf der Verjährungsfrist am 01.01.2011 bzw 01.01.2012 Vorsatz vorgelegen. Schließlich sei die Beklagte auch berechtigt gewesen, die Höhe der Beiträge zu schätzen. Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen stelle § 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV dar. Eine Verletzung der Aufzeichnungspflicht seitens des Arbeitgebers habe im vorliegenden Fall vorgelegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergebe sich diese jedoch nicht aus § 12 Abs 1 Satz 3 AÜG. Nach dieser Vorschrift habe der Entleiher in der Urkunde anzugeben, welche besonderen Merkmale die für den Leiharbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist sowie welche im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gelten. Diese Angaben seien von dem Verleiher zu den Lohnunterlagen zu nehmen. Allerdings handele es sich bei dieser Vorschrift um eine Schutzvorschrift des Verleihers, um seine Informationspflicht nach § 13 AÜG gegenüber dem Leiharbeitnehmer nachzukommen, und somit um eine Pflicht des Entleihers. § 12 Abs 1 Satz 3 AÜG könne demnach kein Pflichtverhalten des Arbeitgebers begründen. Allerdings ergebe sich eine Pflicht zur Aufzeichnung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts aus § 8 Abs 11 Nr 11 Beitragsverfahrensordnung (BVV) bzw für die Beiträge bis Juni 2006 aus § 2 Abs 1 Nr 8 der bis dahin geltenden Beitragsüberwachungsverordnung (BÜV). Gegen die Höhe der Schätzung sprächen keine Bedenken. Der Vortrags der Klägerin, die von der Beklagten vorgenommene Erhöhung um 21 % entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen, führe zu keinem anderen Ergebnis, da dies zum Wesen der Schätzung gehöre. Die für die Klägerin bestimmte Ausfertigung des Urteils ist ihren Prozessbevollmächtigten mittels Empfangsbekenntnis am 20.03.2014 zugestellt worden.
Am 16.04.2014 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, auch wenn das BAG in seinem Beschluss die rückwirkende Unwirksamkeit der angewandten Lohntarifverträge festgestellt habe, habe sie bis zu diesem Urteil auf die Wirksamkeit dieser Tarifverträge vertrauen können und dieser Vertrauensschutz stehe einer rückwirkenden Geltendmachung der Beiträge für Zeiträume vor dem rechtskräftigen Beschluss des BAG entgegen. Aufgrund dieses Vertrauensschutzes sei sie zum Zeitpunkt der Beschäftigung der entsprechenden Arbeitnehmer auch nicht verpflichtet gewesen, in deren Verträge den jeweiligen Vergleichslohn des Entleihers für vergleichbare Tätigkeiten aufzunehmen. Wenn sie gegen diese Verpflichtung aber nicht verstoßen habe, weil damals diese Verpflichtung wegen des noch existierenden Tarifvertrages nicht gegolten habe, dann liege auch kein rechtswidriges Verhalten der Klägerin vor und deshalb hätten die jetzt festgesetzten Beiträge auch nicht geschätzt werden dürfen, sondern sie hätten anhand der konkreten tariflichen Vergleichslöhne ermittelt werden müssen. Aus den gleichen Gründen könne für die nachzuentrichtenden Beiträge auch nicht die dreißigjährige Verjährungsfrist gelten, die eine Bösgläubigkeit der Klägerin voraussetze, die in Anbetracht der dargestellten Umstände nicht gegeben gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.01.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.04.2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.01.2014 zurückzuweisen.
Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 24.08.2014 bis zum Abschluss des Verfahrens B 12 R 11/14 R beim Bundessozialgericht ausgesetzt.
Im Februar 2017 ist das Verfahren fortgeführt worden. Mit Schriftsatz vom 13.02.2017 hat die Beklagte ausgeführt, dass das BSG einen Vertrauensschutz oder ein Rückwirkungsverbot unter allen denkbaren Gesichtspunkten abgelehnt habe. Das BSG habe auch festgehalten, dass ein Rentenversicherungsträger im Rahmen der Betriebsprüfung grundsätzlich auch zur Schätzung der Entgelte einzelner Beschäftigter berechtigt sei. Demensprechend seien personenbezogene Schätzungen grundsätzlich zulässig. Zur Anwendung der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV verlange das BSG einen individuellen Nachweis, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit der rückwirkenden Beitragspflicht nach dem Anspruch auf equal-pay erkannt und die Nichtabführung von Beiträgen billigend in Kauf genommen habe. Ausdrücklich werde hervorgehoben, dass selbst nach der Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des BAG-Beschlusses vom 14.12.2010 zu Anfang des Jahres 2011 ein solches sicheres Wissen nicht ohne Weiteres unterstellt werden könne, weil - umgangssprachlich ausgedrückt - jeder informierte Mensch nunmehr genau gewusst habe, dass die Beiträge auch für diese Jahre hätten nachgezahlt werden müssen. In mehreren Parallelverfahren zum Thema CGZP im Anschluss an die Entscheidung des BSG vom 16.12.2015 seien jedoch bereits klagende Leiharbeitgeber mit Vergleichsvorschlägen an die Beklagte herangetreten und hätten vorgeschlagen, dass die Beklagte im Rechtsstreit hinsichtlich des Zeitraumes nachgebe, der den Streit um die dreißigjährige Verjährungsfrist betreffe und sie selbst die Forderungen aus dem Prüfbescheid hinsichtlich des übrigen Zeitraums akzeptierten. In mehreren Verfahren seien vergleichsweise Einigungen erzielt worden. Sie habe daher auch vorliegend einen Vergleichsvorschlag entsprechend den Verhandlungen und Einigungen in anderen Parallelverfahren zum Thema CGZP formuliert.
1. Der Bescheid vom 26.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 wird dahingehend abgeändert, als dass keine Beitragsnachforderungen für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2006 erfolgen. Die für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2009 verbleibende Beitragsnachforderung iHv insgesamt 87.510,44 EUR wird von der Klägerin anerkannt. In der Nachforderung sind Säumniszuschläge nach § 24 Abs 1 SGB IV iHv 13.908,00 EUR enthalten. 2. Wegen der mit Schreiben vom 10.01.2013 gewährten Aussetzung der Vollziehung der Beitragsnachforderung wird die verbleibende Beitragsnachforderung von 87.510,44 EUR für den Zeitraum 01.11.2012 bis Vormonat der Annahme des Vergleichs mit 4 vH verzinst. 3. Die der Klägerin und der Beklagten entstandenen außergerichtlichen Kosten werden von diesen selbst getragen. Die gerichtlichen Kosten werden von der Klägerin zu 6/10 und der Beklagten zu 4/10 getragen. 4. Die Klägerin und die Beklagte erklären den Rechtsstreit für endgültig erledigt.
Nach Annahme des Vergleichs durch die Klägerin werde die Beklagte einen Ausführungsbescheid zu Ziffer 1 erlassen.
Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, soweit sich die Beklagte mit dem Urteil des BSG vom 16.12.2015 auseinandersetze, werde nur die Frage angesprochen, ob im konkreten Fall bezüglich rückständiger Beiträge die dreißigjährige Verjährungsfrist anzuwenden sei. Mit den weiteren Einwendungen der Klägerin hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen für die Beitragsschätzung der Beklagten setze sich der Vergleichsvorschlag nicht auseinander. Sie und ihre Prozessbevollmächtigten sähen sich allerdings auch aus einem anderen Grund nicht in der Lage, den Vergleichsvorschlag der Beklagten zu akzeptieren. Sie habe aufgrund der rückwirkend geltend gemachten Beitragsforderungen und der sich daraus auch ergebenden einzelnen Klagen ihrer früheren Arbeitnehmer ihre Geschäftstätigkeit einstellen und ihr Unternehmen schließen müssen. Sie erhalte derzeit nur eine geringe Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich innerhalb der Pfändungsfreigrenze bewege. Vollstreckungsmaßnahmen gegen sie seien mangels Masse eingestellt worden. Vor diesem Hintergrund sehe sie sich schon aus rechtlichen Gründen außerstande, einen Vergleich abzuschließen, in dem sie eine Forderung anerkenne, die sie ohnehin niemals werde begleichen können - auch nicht in kleinen Ratenzahlungen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin ist nicht zur Zahlung der von der Beklagten geforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge verpflichtet.
Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig; die erforderliche Anhörung (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X) ist erfolgt. Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 28p Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV erfüllen und erlassen im Rahmen dessen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in den einzelnen Sozialversicherungszweigen. Dies gilt auch in Bezug auf die Nachforderung von Umlagen zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit und Mutterschutz (U 1/U 2) nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz, weil Gegenstand der Betriebsprüfung ebenfalls die Umlagen U 1 und U 2 sind sowie die InsO-Umlage (so in Bezug auf die insoweit vergleichbare Rechtslage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz BSG 30.10.2002, B 1 KR 19/01 R, SozR 3-2400, § 28p Nr 1). Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 174 Abs 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sowie § 60 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auch für die Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen.
Als Arbeitsentgelt gelten gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Um das Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht sowie ggf die Höhe der zu entrichtenden Beiträge feststellen zu können, war es schon immer eine selbstverständliche Pflicht des Arbeitgebers, hierüber geeignete Aufzeichnungen anzufertigen. Diese Pflicht ist seit 1989 ausdrücklich in § 28f Abs 1 Satz 1 SGB V normiert (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 28f SGB IV RdNr 3).
In der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung liegt bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung für den vom Arbeitgeber zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß §§ 28d, 28e SGB IV das Arbeitsentgelt zugrunde (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V, § 57 Abs 1 SGB XI, § 162 Nr 1 SGB VI, § 342 SGB III). Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung gemäß § 7 Abs 1 SGB IV, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Für die Bestimmung des Arbeitsentgelts gilt im Rahmen der Beitragsbemessung grundsätzlich das Entstehungsprinzip. Das für die Sozialversicherung zentrale Entstehungsprinzip hat zum Inhalt, dass Versicherungspflicht und Beitragshöhe bei dem Beschäftigten nach dem arbeitsrechtlich geschuldeten (etwa dem Betroffenen tariflich zustehenden) Arbeitsentgelt zu beurteilen sind - was sich etwa bei untertariflicher Bezahlung auswirkt - und nicht lediglich nach dem einkommensteuerrechtlich entscheidenden, dem Beschäftigten tatsächlich zugeflossenen Entgelt (sog Zuflussprinzip; stRspr; vgl zuletzt BSGE 115, 265 = SozR 4-2400 § 17 Nr 1, Rn 30 mit zahlreichen Nachweisen). Zugleich ist es für die Beitragsbemessung unerheblich, ob der einmal entstandene Entgeltanspruch zB wegen tarifvertraglicher Verfallklauseln oder wegen Verjährung vom Arbeitnehmer (möglicherweise) nicht mehr realisiert werden kann (BSG 14.07.2004, B 12 KR 1/04, BSGE 93, 119 Rn 34).
Der Zufluss von Arbeitsentgelt ist für das Beitragsrecht der Sozialversicherung nur entscheidend, soweit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr leistet als ihm unter Beachtung der gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Regelungen zusteht, dh dann, wenn ihm also über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewandt werden (BSG 16.12.2015, B12 R 11/14 R, SozR 4-2600 § 28p Nr 6) sowie bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (§ 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV). Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind nach der Legaldefinition in § 23a Abs 1 Satz 1 SGB IV Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Das BSG hat hierzu entschieden, dass nicht der Zeitpunkt der Auszahlung maßgebend ist, sondern es entscheidend darauf ankommt, ob das gezahlte Entgelt Vergütung für die in einem einzelnen, dh bestimmten Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer Zuwendung als laufendes Arbeitsentgelt oder Einmalzahlung ist derjenige der Entstehung des Beitragsanspruchs. Im Sozialversicherungsrecht kann es aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich nicht hingenommen werden, dass nach Entstehung des Beitragsanspruchs die Bestimmung über die endgültige Höhe des Arbeitsentgelts und damit die Höhe der Beiträge von ungewissen, in der Zukunft liegenden Ereignissen abhängt. Die Versicherungsträger müssen bei Entstehung des Beitragsanspruchs anhand der Höhe des Arbeitsentgelts das versicherte Risiko bestimmen können. Nach § 22 Abs 1 SGB IV entsteht der Anspruch auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, wenn der Arbeitsentgeltanspruch entstanden ist, selbst wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht gezahlt hat; insoweit folgt das Sozialversicherungsrecht - anders als das Steuerrecht - nicht dem Zuflussprinzip (zum Ganzen BSG 26.01.2005, B 12 KR 3/04 R mwN).
Die Klägerin schuldete ihren Leiharbeitnehmern einen höheren Lohn als den tatsächlich ausbezahlten. Der Leiharbeitnehmer kann nach § 10 Abs 4 AÜG idF des Gesetzes vom 23.12.2002 (BGBl I, 4607 - AÜG aF) im Falle der Unwirksamkeit einer Vereinbarung mit dem Verleiher nach § 9 Nr 2 AÜG von diesem das Arbeitsentgelt verlangen, das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers gezahlt wird. Nach § 9 Nr 2 AÜG idF des Gesetzes vom 23.12.2003 (BGBl I, 2848) sind Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen unwirksam, es sei denn, der Verleiher gewährt dem zuvor arbeitslosen Leiharbeitnehmer für die Überlassung an einen Entleiher für die Dauer von insgesamt höchstens sechs Wochen mindestens ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe des Betrages, den der Leiharbeitnehmer zuletzt als Arbeitslosengeld erhalten hat; Letzteres gilt nicht, wenn mit demselben Verleiher bereits ein Leiharbeitsverhältnis bestanden hat; ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen; im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
Ein solcher Fall, in dem ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulässt, ist hier nicht anzunehmen, da alle von der CGZP bis zum 14.12.2010 geschlossenen Tarifverträge unwirksam sind. Nach der Rechtsprechung der Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit steht rechtskräftig fest, dass die CGZP vom Zeitpunkt ihrer Gründung am 11.12.2002 bis jedenfalls zum 14.12.2010 nicht tariffähig war (für die Zeit vor dem 08.10.2009 vgl BAG 23.5.2012, 1 AZB 58/11, BAGE 141, 382; hierzu BVerfG (Kammer) Nichtannahmebeschluss vom 25.4.2015, 1 BvR 2314/12, NJW 2015, 1867; für die Zeit ab 8.10.2009 vgl BAG 14.12.2010, 1 ABR 19/10, BAGE 136, 302; hierzu BVerfG (Kammer) Nichtannahmebeschluss vom 10.3.2014, 1 BvR 1104/11, NZA 2014, 496; BAG 23.5.2012, 1 AZB 58/11, NZA 2012, 623). An diese Feststellungen zur mangelnden Tariffähigkeit der CGZP ist der Senat - wie alle Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit - auch gebunden. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Klägerin die von der Beklagten geforderten Beiträge schuldet. Denn auch unter Zugrundelegung oben dargestellten der Rechtsprechung des BSG zur Geltung des Entstehungsprinzips im Recht der Sozialversicherung, der sich der Senat in allen Punkten anschließt, sind Ansprüche der Leiharbeitnehmer nach § 10 Abs 4 AÜG aF als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu werten und bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt entstehen die Beitragsansprüche erst, wenn das Arbeitsentgelt ausbezahlt worden ist; insoweit gilt weiterhin das Zuflussprinzip (§ 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV).
Nach § 10 Abs 4 AÜG aF ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Die Zahlungsansprüche des Leiharbeitnehmers umfassen nicht nur das laufende Arbeitsentgelt, sondern auch alle Zuschläge und Zulagen, Ansprüche auf Entgeltfortzahlung sowie weitere Vergütungsbestandteile (BAG 23.03.2011, 5 AZR 7/10, BAGE 137, 249 Rn 33). Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt ist ein die vertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit jeder Überlassung entsteht und jeweils für die Dauer der Überlassung besteht. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs ist deshalb ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen (BAG 25.03.2015, 5 AZR 368/13, BAGE 151, 170 Rn 12; BAG 23.03.2011, 5 AZR 7/10, BAGE 137, 249 Rn 35). Der Anspruch nach § 10 Abs 4 AÜG aF richtet sich also auf einen Differenzbetrag, der rechnerisch durch Subtraktion der bereits gezahlten Entgelte von dem im Überlassungszeitraum geschuldeten Anspruch auf Gewährung gleicher Arbeitsbedingungen ermittelt wird. Für diesen Fall hat das BSG schon vor der Änderung des § 22 Abs 1 SGB IV am 01.01.2003 (damals erhielt § 22 Abs 1 folgende Fassung: Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen, bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sobald dieses ausgezahlt worden ist) entschieden, dass ein Anspruch, der auf einen Differenzbetrag gerichtet ist, als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu werten ist (BSG 03.06.2009, B 12 R 12/07 R, BSGE 103, 229 Rn 18 zu einem in Etappen ausgezahlten variablen Entgelt). Diese Rechtsprechung ist auf den gesetzlichen Anspruch nach § 10 Abs 4 AÜG aF zu übertragen. Anders als in Fällen einer untertariflichen Zahlung, in denen die Höhe des Anspruchs auf Arbeitsentgelt bereits zu dem Zeitpunkt feststeht, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird, kann die Höhe des Anspruchs nach § 10 Abs 4 AÜG erst nach Beendigung der Überlassung konkret ermittelt werden. Der Umstand, dass sich die endgültige Höhe des Anspruchs aus einem Differenzbetrag ergibt, ist auch nicht zu vergleichen mit einem Sachverhalt, bei dem der Anspruch auf Arbeitsentgelt entstanden, aber später wieder untergegangen ist (wie beim Eingreifen einer Verfallklausel) oder zwar noch besteht, aber nicht mehr durchgesetzt werden kann (wie im Fall der Verjährung). Auch handelt es sich bei dem Anspruch auf gleiche Entlohnung nach § 10 Abs 4 AÜG nicht um einen Anspruch, dessen Entstehen oder Bestand von privatrechtlichen Vorgängen wie dem Geltendmachen des Anspruchs auf nicht gezahltes Arbeitsentgelt durch den Arbeitnehmer, dem Eingreifen tariflicher Ausschlussklauseln, der Verjährung des Anspruchs, der Erhebung der Verjährungseinrede durch den Arbeitgeber oder einem etwaigen Verzicht des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt abhängt. Der Anspruch auf gleichen Lohn ist gesetzlich als Anspruch auf eine Differenzvergütung und damit als Anspruch auf einmalig zu zahlendes Arbeitsentgelt ausgestaltet. Diese gesetzliche Regelung steht einer Qualifizierung des Anspruchs als Anspruch auf laufendes Arbeitsentgelt entgegen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (§ 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 141.703,14 EUR festgesetzt (§ 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 1 Abs 2 Nr 3, 47 Abs 1, 52 Abs 3 Satz 1 GKG).
Die Revision wird zugelassen, da der Senat in den tragenden Gründen von der Rechtsprechung des BSG (zB Urteil vom 16.12.2015, B 12 R 11/14 R, SozR 4-2400 § 28p Nr 6) abweicht.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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