L 5 KR 1420/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 89/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1420/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.03.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine stationäre Mutter-Kind-Kur.

Die 1969 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie ist die Mutter der am 30.12.2005 geborenen M. M. M. (im Folgenden M.), die ebenfalls bei der Beklagten krankenversichert ist. Seit 06.02.2014 lebt M. nicht mehr bei der Klägerin.

Am 14.08.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer stationären Vorsorgemaßnahme für Mutter und Kind nach § 24 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Sie sei seit 07.07.2014 arbeitsunfähig aufgrund psychischer Probleme. Diese resultierten aus dem Sorgerechtsstreit im Zusammenhang mit der zwischenzeitlich erfolgten Scheidung von ihrem früheren Mann. Sie würde daher gerne in der beantragten Maßnahme zur Ruhe kommen. Darüber hinaus sei die Maßnahme aber auch zur Festigung und Intensivierung der Mutter-/Kind-Beziehung notwendig, nachdem das Jugendamt ihre Tochter M. über einen Zeitraum von sieben Monaten in Obhut genommen habe. Ihre Tochter knirsche nachts mit den Zähnen und spreche. Ergänzend reichte die Klägerin eine Bescheinigung ihres Hausarztes, des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Sch. vom 10.08.2015 ein, wonach die Klägerin an einem psychovegetativen Erschöpfungssyndrom leide. Es bestehe ein Partnerschaftskonflikt aufgrund eines Streites um das Sorgerecht für die Tochter. Außerdem gab sie ein ärztliches Attest der Kinderärztin Dr. Ch. vom 14.08.2015, wonach eine familiäre Interaktionsstörung bestehe und das Kind überwiegend beim Vater lebt, zu den Akten.

Mit Schreiben vom 17.08.2015 bat die Beklagte den Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) um Stellungnahme, inwieweit eine Kostenübernahme für die beantragte Maßnahme befürwortet werden könne. In der sozialmedizinischen Fallberatung vom 21.08.2015 teilte Dr. W., MDK, mit, dass die anhaltende psychische Erkrankung/Depression so schwer sei, dass diese im Rahmen einer auf die spezifischen Bedürfnisse von Müttern bzw. Vätern ausgerichteten komplexen Leistung nicht ausreichend bzw. spezifisch behandelbar sei. Um die nachvollziehbare notwendige medizinische Behandlung der Klägerin sicherzustellen, seien zunächst weitere Maßnahmen zu prüfen, z. B. die fachärztliche Mitbehandlung durch einen Facharzt für Psychiatrie-Psychotherapie. Bezüglich der mitgeteilten Gesundheitsprobleme der Klägerin sei die beantragte Leistung nicht zielführend, die Vorsorgeprognose negativ.

Mit Bescheid vom 24.08.2015 lehnte die Beklagte die Gewährung der Mutter-Kind-Vorsorgemaßnahme ab. Zur Begründung verwies sie auf die Stellungnahme des MDK vom 21.08.2015.

Hiergegen erhob die Klägerin am 24.09.2015 Widerspruch. Sie leide an einem "Erschöpfungszustand, resultierend aus dem Familienkontext, an körperlichen und seelischen Störungen, psychischen und somatischen Störungen und Erkrankungen beim Elternteil, Risikofaktoren in der Mutter-/Vater-Kind-Beziehung sowie Risikofaktoren aus dem Familienkontext". Weiter sei die rechtswidrige Inobhutnahme der Tochter zu berücksichtigen. Die letzte Mutter-Kind-Kur läge bereits sieben Jahre zurück. Bereits nach 4 Jahren hätte sie, die Klägerin, Anspruch auf eine Wiederholung gehabt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2015 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach den vorliegenden Unterlagen und der Stellungnahme des MDK lägen die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten für eine Mutter-Kind-Vorsorgemaßnahme nicht vor. Es müssten zunächst vorrangig andere Behandlungsmöglichkeiten am Wohnort ausgeschöpft werden.

Am 21.12.2015 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) und stellte einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz ( S 15 KR 6923/15 ER). Mit Beschluss vom 07.01.2016 lehnte das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Zur Begründung ihres Klagebegehren wiederholte und vertiefte die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Sie begehre die Genehmigung der Mutter-Kind-Kur, da sie ihr Kind habe sieben Monate weder sehen noch sprechen dürfen. Die Mutter-Kind-Kur habe sie beantragt, um die Mutter-Kind-Bindung wieder zu intensivieren. Es handele sich zudem um eine Pflichtleistung, die alle vier Jahre in Anspruch genommen werden könne. Die Kur sei unter Vorsorgegesichtspunkten und als Rehabilitationsmaßnahme dringend erforderlich. Das Gutachten des MDK stelle eine unzulässige Ferndiagnose dar, da eine persönliche Untersuchung nicht erfolgt sei. Die zu bewältigenden Konflikte bzw. Gesundheitsstörungen bestünden in erster Linie zwischen ihr, der Klägerin, und ihrer Tochter. Sie resultierten insbesondere aus der 7-monatigen "Abschottung" der Tochter von der Mutter. Der Partnerschafts- und Sorgerechtsstreit sei nur am Rande von Belang. Die Vorsorgeprognose sei positiv.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Nach § 24 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf eine medizinische Mutter-Kind-Vorsorge, um eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, oder eine Krankheit zu beseitigen, einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken und Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die Intensivierung der Mutter-Kind-Bindung sei nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung.

Zur weiteren Aufklärung der Sach- und Rechtslage befragte das SG die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B. gab in seiner Stellungnahme vom 31.08.2016 an, er habe die Klägerin zuletzt am 07.07.2015 hausärztlich behandelt. Ihre Hauptprobleme lägen auf psychiatrischem Gebiet. Seit 2013 sei die Klägerin immer wieder affektiv auffällig gewesen. Zu einer kontinuierlichen psychiatrischen Behandlung sei sie jedoch nicht zu motivieren gewesen. Aus dem Kenntnisstand des Jahres 2015 heraus sei zunächst eine psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung der Klägerin sinnvoll. Voraussetzung einer Mutter-Kind-Kur sei zunächst eine konstruktive Lösung des familiären Konflikts. Dr. Sch. gab unter dem 28.09.2016 an, es bestünden bei der Klägerin reaktive Belastungen auf die Psyche. Eine Kur sei notwendig, da die Klägerin ansonsten psycho-physische Schäden mit deutlicher Aggravation erwarten und erleiden müsse. Die Schwächung der Klägerin resultiere aus dem Entzug der Tochter und fortwährenden Gerichtsauseinandersetzungen. Die Belastung der Klägerin wäre um 90 % reduziert, wenn sie nur die Versorgung ihres Kindes bewältigen müsse und dürfe. Wenn man sich entschließen würde, der Klägerin ihr Kind wiederzugeben, sei es wahrscheinlich, dass die Gesundheitsstörungen innerhalb von 2 Wochen vollständig verschwinden würden. Die Kur sei notwendig, um die Klägerin aus dem Dauerstress herauszunehmen. Die Anwesenheit des Kindes während der Kur würde sich stabilisierend auf ihre Psyche auswirken. Die Kur solle schnellstens erfolgen, da es ansonsten zu weiteren erheblichen Schädigungen und deutlicher Aggravation kommen könne.

Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 13.03.2017 ab. Weder der Tatbestand des § 24 Abs. 1 SGB V noch der des § 41 SGB V sei vorliegend erfüllt. Beide setzten zunächst voraus, dass die Gesundheitsrisiken oder Krankheiten auf der besonderen Belastung der Klägerin als Mutter beruhten. Die Vorsorgemaßnahmen gemäß § 24 SGB V und die Rehabilitationsmaßnahmen nach § 41 SGB V verfolgten insofern einen spezifischen Zweck. Sie dienten der Minderung solcher Belastungen, die in wesentlicher Hinsicht aus der Stellung der Versicherten als Mutter eines oder mehrerer Kinder verursacht worden seien oder aufrechterhalten würden. Daran fehle es hier. Bei der Klägerin und ihrem vormaligen Ehemann bestehe ein Partnerschaftskonflikt sowie ein Streit um das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter. Dies ergebe sich aus dem Vortrag der Klägerin, die in ihrem Antrag vom 14.08.2015 primär auf die konfliktträchtige Beziehung zum Vater des Kindes Bezug nehme, und der sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Allgemeinarztes Dr. Sch. vom 28.09.2016. Dieser habe angegeben, dass das Hauptleiden die reaktive Störung und Belastung der Psyche aufgrund der Wegnahme der Tochter durch das Jugendamt sei. Die Schwächung der Klägerin resultiere aus dem Entzug der Tochter und den fortwährenden Gerichtsauseinandersetzungen. Damit stehe für das Gericht fest, dass die Belastung gerade nicht aus einem gesundheitlich belastenden Einfluss des Kindes oder der Rolle als (alleinerziehende) Mutter resultiere, sondern vielmehr aus den problematischen Beziehungen zum Vater und dem weiterhin bestehenden Sorgerechtskonflikt. So habe Dr. Sch. weiter darauf hingewiesen, dass die Gesundheitsstörungen der Klägerin wahrscheinlich innerhalb von zwei Wochen verschwinden würden, wenn man sich entschließen würde, der Klägerin ihr Kind wiederzugeben. Demnach liege hier keine besondere Belastung der Klägerin aufgrund der Mutterschaft vor. Die von der Klägerin zu bewältigenden Konflikte bestünden nicht zwischen ihr und ihrer Tochter, sondern im Verhältnis zu ihrem vormaligen Ehemann. Die Vorsorgemaßnahme solle Belastungen mindern, die sich aus den Problemen aus dem Konflikt um das Sorgerecht für die Tochter ergeben würden, darum fehle es an einer mütterspezifischen Belastungssituation. Außerdem lasse sich nicht feststellen, dass die begehrte Vorsorgemaßnahme aus medizinischen Gründen erforderlich sei, um die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen sinnvoll zu behandeln. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung könnten nur beansprucht werden, wenn sie notwendig im Sinne des § 12 Abs. S. 1 SGB V seien. Demnach habe die Krankenkasse die beantragte Leistung zu erbringen, wenn sie medizinisch notwendig sei und das mit der Maßnahme angestrebte Vorsorgeziel nicht mit anderen, ggf. wirtschaftlicheren und zweckmäßigeren Maßnahmen erreicht werden könne. Für die Bearbeitung des bestehenden Konfliktes zwischen der Klägerin und ihrem vormaligen Ehemann zur Heilung oder Linderung der psychischen Störungen der Klägerin erscheine die begehrte Vorsorgemaßnahme nicht als zweckmäßige Maßnahme. Insoweit schließe sich das Gericht der Auffassung des MDK an, dass die unzweifelhaft bestehenden Gesundheitsstörungen der Klägerin im Rahmen einer auf die spezifischen Bedürfnisse von Müttern bzw. Vätern ausgerichteten komplexen Behandlung nicht ausreichend bzw. spezifisch behandelt werden könnten. Die Beurteilung des MDK sei schlüssig und nachvollziehbar, das Gericht stütze sich auf diese überzeugende medizinische Einschätzung. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der MDK seine Beurteilung ausschließlich nach Aktenlage getroffen habe. Eine sozialmedizinische Fallberatung erscheine bei der vorliegenden Befundlage ausreichend und zweckmäßig. Zudem habe auch Dr. B. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 31.08.2016 angegeben, dass zunächst eine psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung der Klägerin sinnvoll sei. Eine solche sei bisher aber nicht wahrgenommen worden. Zudem halte er zunächst eine konstruktive Lösung des Konfliktes der Klägerin mit dem Vater des Kindes für notwendig. Dem schließe sich das erkennende Gericht an. Für die Behandlung der bestehenden psychovegetativen Erschöpfung und depressiven Episode durch Bewältigung des bestehenden Konfliktes im Hinblick auf das Sorgerecht sei eine psychiatrische Behandlung vorrangig, die bisher nicht erfolgt sei. Im Hinblick auf den bestehenden Partnerkonflikt erscheine die begehrte Maßnahme nicht zweckmäßig, die Vorsorgeprognose sei negativ.

Der Gerichtsbescheid wurde der Klägerin am 14.03.2017 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 10.04.2017 erhobene Berufung der Klägerin zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG). Zur Begründung führt die Klägerin ergänzend aus, dass das SG durch die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ihren grundrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Im Übrigen sei auf das bisherige Klage- und Verwaltungsverfahren Bezug zu nehmen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.03.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre Mutter-Kind-Vorsorgemaßnahme zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zutreffend habe das SG die Klage abgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Mutter-Kind-Kur.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V haben Versicherte unter den in § 23 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche Vorsorgeleistungen; die Leistung kann in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbracht werden. § 23 Abs. 1 SGB V bestimmt, dass Versicherte Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verbands-, Heil- und Hilfsmitteln haben, wenn diese notwendig sind, (1.) eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen, (2.) einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken, (3.) Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden oder (4.) Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Weitere für die Bewilligung einer Leistung nach § 24 SGB V erforderliche Voraussetzungen ergeben sich aus dem mit der Vorschrift verfolgten Zweck. Mit den besonderen Vorsorgemaßnahmen sollen die Belastungen vermindert werden, die wesentlich im Zusammenhang mit der Stellung der Versicherten als Eltern eines oder mehrerer Kinder stehen. Ein Anspruch auf (stationäre) Vorsorgeleistungen nach § 24 SGB V kann nur bestehen, wenn die Gesundheitsstörungen gerade auf den mit der Elternschaft einhergehenden besonderen Belastungen beruhen. Sie müssen aus der Versorgung der Kinder resultieren (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 24.09.2012, – L 9 KR 312/12 B ER – juris Rn 2; SG Karlsruhe v. 28.10.2010 – S 3 KR 2544/09 – juris Rn 16, Schütze in juris-PK - SGB V, 3. Aufl. 2016 § 24 SGB V Rn 14, 20). Versicherte können Vorsorgeleistungen nach § 24 SGB V damit nicht für Gesundheitsstörungen in Anspruch nehmen, die ihre Ursache nicht in ihrer Belastung aus dem Eltern-Kind-Verhältnis haben, sondern aus ihrer eigenen Lebensführung und/oder ihrer beruflichen Situation herrühren. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Begutachtungs-Richtlinie Vorsorge und Rehabilitation. Abgesehen davon, dass diese Richtlinie den Senat rechtlich nicht zu binden vermag, weil sie entsprechend § 282 Abs. 2 Satz 3 SGB V lediglich die Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen und den Medizinischen Diensten zur Sicherstellung einer einheitlichen Begutachtung regelt, enthält die Richtlinie keinen Algorithmus, nach dem aus dem Vorliegen bestimmter Gesundheitsstörungen zwingend auf die Indikation für eine Vorsorgeleistung geschlossen werden könnte. Auf Seite 29 der Richtlinie (Stand: Juli 2016) werden lediglich beispielhaft bestimmte Gesundheitsstörungen angegeben, aus denen sich die Indikation für eine Vorsorgeleistung ergeben kann. Der Umstand, dass bei Versicherten bestimmte Gesundheitsstörungen vorliegen, welche der Art nach auch bei dem Bestehen einer familiären Belastungssituation eintreten können, belegt noch nicht, dass sie gerade ihre Ursache in der Mutter-Tochter-Beziehung haben. Im Übrigen stellt auch die Richtlinie für die Indikation einer Vorsorgemaßnahme darauf ab, ob die Gesundheitsstörungen ihre Ursache im familiären Bereich haben bzw. im Zusammenhang mit der Erziehungsverantwortung stehen (Begutachtungs-Richtlinie Vorsorge und Rehabilitation, Stand: Juli 2016, S. 30/31).

Bei der Klägerin liegt unstreitig eine psychiatrische Erkrankung vor. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der vorliegenden medizinischen Unterlagen, den sachverständigen Zeugenaussagen, der Stellungnahme des MDK und auch aus dem Antrag der Klägerin. Hiernach leidet die Klägerin an einer anhaltenden psychischen Erkrankung/Depression, die so schwer ist, dass die Klägerin seit Juli 2014 arbeitsunfähig erkrankt ist. Dies bestätigt nicht nur der MDK in seiner Stellungnahme vom 21.08.2015 nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen, sondern auch Dres. B. und Sch ... Diese haben in ihren sachverständigen Zeugenauskünften als behandelnde Allgemeinmediziner eine psychische Erkrankung beschrieben, wenn sie diese auch nicht näher bezeichnet haben. Eine Erkrankung der Tochter ist hingegen nicht ersichtlich. Eine solche ergibt sich auch nicht aus dem Attest von Dr. Ch ...

Vorliegend lässt sich freilich nicht feststellen, dass die begehrte Vorsorgemaßnahme aus medizinischen Gründen erforderlich ist, um diese bei der Klägerin festgestellten Gesundheitsstörungen zu behandeln. Zwar lässt sich aus der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 24 Abs. 1 S. 4 SGB V entnehmen, dass für die Gewährung einer medizinischen Vorsorgemaßnahme für Mütter und Väter nach dem Willen des Gesetzgebers nicht erforderlich sein soll, dass die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Vielmehr hat die Krankenkasse die beantragte Leistung zu erbringen, wenn sie medizinisch notwendig ist und für das angestrebte Vorsorgeziel keine anderen, gegebenenfalls wirtschaftlicheren und zweckmäßigeren Maßnahmen iSv. § 12 SGB V existieren (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 24.09.2012 aaO Rn 3; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 29.07.2014 – L 5 KR 94/14 B ER Rn 20). Erforderlich ist aber auch hier eine positive Prognose. Eine solche vermag der Senat im vorliegenden Fall indessen nicht zu stellen. Dr. B. gibt in seiner Stellungnahme vom 31.08.2016 ausdrücklich an, dass vorrangig eine fachärztliche psychiatrische Behandlung der Klägerin notwendig sei, um die psychische Erkrankung zu behandeln. Demgegenüber spricht sich Dr. Sch. in seiner Stellungnahme vom 28.09.2016 zwar für eine Kur aus. Gleichzeitig geht er jedoch davon aus, dass die psychische Erkrankung der Klägerin durch die Trennung von ihrer Tochter hervorgerufen sei und innerhalb von 2 Wochen nach Herstellung eines Kontaktes abklingen würde. Rehabilitationsziel sei die Distanzierung der Klägerin vom Umfeld und die psycho-physische Stabilisierung. Damit spricht sich Dr. Sch. zwar einerseits im Ergebnis für eine Kur aus, er setzt sich jedoch nicht mit der Erkrankung der Klägerin und einer fachpsychiatrischen Behandlung auseinander. Insbesondere aber benennt er auch keine Ziele einer Mutter-Kind-Maßnahme. Insoweit kann der Senat nicht feststellen, dass die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen - was wie ausgeführt für eine Mutter-Kind-Maßnahme erforderlich wäre - durch Belastungen hervorgerufen worden sind, die ihre Ursache gerade in dem Mutter-Tochter-Verhältnis haben und aus der Versorgung des Kindes resultieren. Die behandelnden Ärzte Dr. B. und Dr. Sch. haben in Übereinstimmung mit dem MDK einen solchen Zusammenhang ausdrücklich verneint. Auch die Klägerin hat im Verwaltungs- und Klageverfahren sowie im Berufungsverfahren mehrfach auf die Belastungssituation aufgrund der Auseinandersetzungen mit ihrem früheren Ehemann, insbesondere um das Sorgerecht, dem Jugendamt und ihre Lebensumstände hingewiesen. Auf Belastungen aufgrund der Versorgung des Kindes hat sie nicht hingewiesen. Solche dürften auch deshalb ausgeschlossen sein, weil die Tochter seit 06.02.2014 nicht mehr bei der Klägerin lebt. Eine Vorsorgemaßnahmen dient jedoch der Minderung solcher Belastungen, die in wesentlicher Hinsicht aus der Stellung der Versicherten als Mutter eines oder mehrerer Kinder verursacht worden sind oder aufrechterhalten werden (LSG Berlin- Brandenburg, Beschluss v. 24.09.2013 - L 9 KR 312/12 B ER - juris Rn. 2; Schütze, in: Schlegel/Voelzke, JurisPK, 3. Aufl. 2016, § 24 SGB V Rn. 20). Der zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann bestehende Partnerschaftskonflikt sowie der Streit um das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter und der Konflikt mit dem Jugendamt sind hiervon zu unterscheiden. Die Schwächung der Klägerin resultiert - so auch Dr. Sch. - aus dem Entzug der Tochter und dem fortwährenden Krieg durch die Gerichtsauseinandersetzungen. Die Belastung beruht nicht auf einem gesundheitlich belastenden Einfluss des Kindes oder der Rolle der Klägerin als Mutter. So hat Dr. Sch. auch angegeben, dass der Umgang zwischen Mutter und Tochter nach seiner Beobachtung äußert liebevoll sei. Demnach liegt keine besondere Belastung der Klägerin aufgrund der Mutterschaft vor. Die von der Klägerin zu bewältigenden Konflikte bestehen nicht zwischen ihr und ihrer Tochter, sondern im Verhältnis zu ihrem vormaligen Ehemann und ggf. dem Jugendamt. Damit fehlt es auch an einer mütterspezifischen Belastungssituation als Voraussetzung für eine Vorsorge für Mütter und Kinder.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach § 41 SGB V im Rahmen einer Mutter-Kind-Maßnahme in Einrichtungen des Müttergenesungswerkes oder einer vergleichbaren Einrichtung. § 41 SGB V setzt ebenfalls voraus, dass die Gesundheitsrisiken oder Krankheiten auch auf der besonderen Belastung der Versicherten als Mutter beruhen. Die Vorsorgemaßnahmen gemäß § 24 SGB V und die Rehabilitationsmaßnahmen nach § 41 SGB V verfolgen insofern einen spezifischen Zweck. Dieser ist jedoch nach den obigen Ausführungen nicht gegeben. Im Übrigen ist eine Rehabilitationsmaßnahme im Hinblick auf eine vorrangige psychiatrische Behandlung nicht erforderlich.

Ergänzend weist der Senat auch darauf hin, dass dem Anspruch der Klägerin entgegensteht, dass sie nach ihrem Vortrag nicht alleinige Inhaberin des Sorgerechts ist. Für die Teilnahme der Tochter an der begehrten Mutter-Kind-Maßnahme ist daher die Zustimmung des Vaters der Tochter nötig (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 13.10.2003, - L 11 KR 3808/03 ER-B, n.v.). Eine entsprechende Zustimmungserklärung des Vaters zur beantragten Maßnahme hat die Klägerin trotz ausdrücklicher Aufforderung vom 08.06.2017 aber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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