L 5 KR 2119/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2586/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2119/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10.05.2016 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 20.09.2016 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung freiwilliger Beiträge zur Krankenversicherung (KV) und zur Pflegeversicherung (PV) während der Zeit vom 01.07.2014 bis 28.02.2015.

Der 1948 geborene Kläger, der seit 01.04.1995 als selbstständiger Wirtschafts- und Finanzberater erwerbstätig ist, bezieht seit 01.02.2014 Altersrente. Er war vom 01.08.2007 bis 28.02.2015 bei der Beklagten zu 1) kranken- und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert; der Versicherungsstatus des Klägers seit Rentenbezug (freiwillige Versicherung oder Rentnerpflichtversicherung) ist unter den Beteiligten streitig. Zum 01.03.2015 hat der Kläger einen Kassenwechsel vollzogen; seit 01.03.2015 wird die Rentnerpflichtversicherung durchgeführt.

Mit Schreiben vom 14.10.2013 teilte die Beklagte zu 1) dem Kläger (nachdem dieser am 07.10.2013 einen Rentenantrag gestellt hatte) mit, die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) seien erfüllt. Die Beklagte zu 1) unterrichtete den Kläger - unter Darstellung der in Betracht kommenden Fallgestaltungen - darüber, wie sich die (weitere) Ausübung der selbstständigen Erwerbstätigkeit neben dem Rentenbezug auf den Versicherungsstatus auswirkt; solange der Kläger einer hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehe, bleibe die Pflichtversicherung zur KVdR ausgeschlossen (§ 5 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V).

Der Kläger teilte unter dem 04.11.2013 mit, er führe die selbstständige Erwerbstätigkeit nach dem Rentenbezug in vollem Umfang fort.

Unter dem 26.11.2013 gab der Kläger auf einem Fragebogen zur Berechnung der Beiträge für die KV und die PV an, er erziele Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit von 1.700,00 EUR monatlich (20.399,00 EUR jährlich); die selbstständige Tätigkeit übe er ca. 45 Stunden in der Woche aus. Dem Fragebogen war der Einkommensteuerbescheid des Finanzamts H. vom 18.11.2013 für 2011 beigefügt. Darin sind Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung von 20.399,00 EUR, 1.181,00 EUR bzw. 3.454,00 EUR (insgesamt 23.853,00 EUR) ausgewiesen.

Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Bescheid vom 16.12.2013 setzte die Beklagte zu 1) den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers nach einem beitragspflichtigen Monatseinkommen von 2.081,92 EUR für die Zeit ab 01.12.2013 (bis 30.6.2014) auf 310,21 EUR bzw. 42,68 EUR (insgesamt 352,89 EUR) fest. Dem Beitragsbescheid war (u.a.) der Hinweis darauf beigefügt, dass jegliche Änderung in den Einkommensverhältnissen unverzüglich mitgeteilt werden müsse und dass die aktuellen Einkommensteuerbescheide nach Erhalt unverzüglich einzureichen seien.

Unter dem 27.12.2013 gab der Kläger auf einem Fragebogen mit der Überschrift "Fragebogen zur Prüfung der selbstständigen Erwerbstätigkeit ab 01.02.2014" an, er sei seit 01.08.2007 als Wirtschafts- und Finanzberater gewerblich tätig. Die Arbeitszeit betrage ca. 40 Stunden wöchentlich. Er habe einen Arbeitnehmer angestellt, der mehr als geringfügig beschäftigt werde. Der Gewinn der letzten 6 Monate (Juli bis Dezember 2013) betrage 1.000,00 EUR, 2.000,00 EUR, 1.800,00 EUR, 1.500,00 EUR, 1.500,00 EUR und 3.000,00 EUR. Er bestreite seinen Lebensunterhalt überwiegend mit dem Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit; diese stelle auch den Mittelpunkt seiner Erwerbstätigkeit dar. Seine Altersrente betrage 1.291,19 EUR monatlich.

Mit Schreiben vom 03.01.2014 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.12.2013. Die Steuererklärung 2012 könne er wegen Pflegebedürftigkeit seiner Mutter, längerer Krankheit seiner Ehefrau und Arbeitsrückstand erst bis 30.06.2014 erstellen. Er beantrage die Reduzierung der beitragspflichtigen Einnahmen wegen umfangreicher Instandhaltungsarbeiten an seinem Haus, was auf Jahre zu negativen Einkünften führe.

Bei einem Telefongespräch vom 10.01.2014 machte der Kläger ergänzend geltend, der Beitragsbemessung müsse der ggf. saldierte Gesamtbetrag der Einkünfte laut Einkommensteuerbescheid zugrunde gelegt werden.

Mit Schreiben vom 14.01.2014 erläuterte die Beklagte zu 1) dem Kläger die für die Bemessung freiwilliger Beiträge geltenden Rechtsgrundsätze. Als beitragspflichtige Einnahmen sei auch der Zahlbetrag (einer Rente) der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. In dem Schreiben wird darauf hingewiesen, dass der Kläger auf Grund seiner hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit freiwillig versichert sei.

Mit Bescheid vom 23.01.2014 stellte die Beklagte zu 1) fest, dass der Kläger auch mit dem Bezug von Altersrente ab 01.02.2014 weiterhin als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger freiwillig versichert sei. Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner bestehe daher nicht (§ 5 Abs. 5 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)). Hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit liege vor, wenn die selbstständige Erwerbstätigkeit mindestens 20 Stunden in der Woche ausgeübt werde und/oder das monatliche Arbeitseinkommen aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit die sonstigen Einkünfte übersteige und/oder mindestens ein Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigt werde; diese Voraussetzungen seien erfüllt. Der Zugang des Bescheids vom 23.01.2014 beim Kläger ist unter den Beteiligten streitig.

Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Widerspruchsbescheid vom 10.03.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 16.12.2013 zurück. Der Kläger sei auf Grund seiner selbstständigen Tätigkeit freiwillig versichert. Die Beiträge seien zutreffend festgesetzt worden.

Bei einem Telefongespräch vom 14.03.2014 wandte sich der Kläger erneut gegen die Beitragsfestsetzung und kündigte einen Kassenwechsel an.

Am 09.04.2014 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG, Verfahren S 11 KR 1123/14). Zur Begründung trug er (in der Klagebegründung vom 30.06.2014) vor, die geforderten Beiträge seien entschieden zu hoch und müssten teilweise durch Fremdmittel aufgebracht werden. Wegen hoher Investitionen bei seinem Vermietungsobjekt (ca. 100.000,00 EUR) habe er 2012 per saldo nur positive Einkünfte von 2.504,00 EUR gehabt; im Jahr 2013 seien die Einkünfte per saldo negativ. Die Steuererklärung für 2012 sei eingereicht, die Steuererklärung für 2013 werde er im Herbst 2014 einreichen. Er bitte um Prüfung, ob er nicht mit seiner Ehefrau (familien-)versichert sein könne.

Das Klageverfahren S 11 KR 1123/14 wurde durch Vergleich beendet. Der Kläger erklärte sich bereit, Beiträge i.H.v. 352,89 EUR wie im Bescheid vom 16.12.2013 festgesetzt ab 01.12.2013 bis 30.06.2014 zu zahlen. Im Gegenzug erklärte sich die Beklagte bereit, für diesen Zeitraum keine weiteren Beiträge zu erheben und für diesen Zeitraum erhobene Säumniszuschläge zurückzuerstatten.

Am 08.10.2014 legte der Kläger die Seite 2 des Einkommensteuerbescheids des Finanzamts H. vom 07.08.2014 für 2012 vor. Die Beklagte zu 1) holte eine amtliche Auskunft des Finanzamts H. vom 07.01.2015 zu den Besteuerungsgrundlagen für 2012 ein (Einkünfte aus Gewerbebetrieb/Land- und Forstwirtschaft: 29.458,00 EUR; Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: -26.981,00 EUR; Einkünfte der Ehefrau des Klägers aus nicht selbstständiger Arbeit 25.253,00 EUR).

Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Bescheid vom 15.01.2015 setzte die Beklagte zu 1) den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers unter Einbeziehung der Altersrente wie folgt fest:

Zeitraum Einnahmen KV PV Summe 01.07.2014 - 31.08.2014 3.544,59 EUR 536,92 EUR 72,66 EUR 609,58 EUR 01.09.2014 - 31.12.2014 3.919,75 EUR 592,82 EUR 80,35 EUR 673,17 EUR ab 01.01.2015 3.919,75 EUR 592,82 EUR 92,11 EUR 684,93 EUR

Dem Bescheid war (u.a.) der Hinweis darauf beigefügt, dass jegliche Änderung in den Einkommensverhältnissen unverzüglich mitgeteilt werden müsse und dass die aktuellen Einkommensteuerbescheide nach Erhalt unverzüglich einzureichen seien.

Am 22.01.2015 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.01.2015. Er bezog sich auf sein Vorbringen im Klageverfahren S 11 KR 1123/14; die Beklagte zu 1) erhebe Beiträge aus nicht vorhandenem Einkommen. Aus einer beim Finanzamt H. eingereichten (dem Widerspruch beigefügten) Einnahme-Überschuss-Rechnung für 2013 gehe hervor, dass seine gewerblichen Einkünfte von 29.485,00 EUR (2012) auf 17.253,00 EUR (2013) zurückgegangen seien. Für 2014 habe sich dieser Trend fortgesetzt, zumal er seit Februar 2014 Rentner sei und "kürzer trete".

Am 11.02.2015 legte der Kläger den Vorauszahlungsbescheid des Finanzamts H. vom 05.02.2015 vor. Darin sind Vorauszahlungen für 2014 (ab 10.09.) von 0 (zuvor 620,76 EUR/Quartal) und für 2015 und weitere Jahre von 310,38 EUR/Quartal festgesetzt.

Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) mangels amtlicher Unterlagen (Einkommensteuerbescheid für 2014) unter Vorbehalt (§ 32 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X) ergangenem Bescheid vom 05.03.2015 setzte die Beklagte zu 1) den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers nach einem beitragspflichtigen Monatseinkommen von 2.900,45 EUR (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1.437,78 EUR; Altersrente 1.462,67 EUR) für die Zeit ab 01.02.2015 auf 440,94 EUR bzw. 68,16 EUR (insgesamt 509,10 EUR) fest. Die Beklagte legte der (vorläufigen) Beitragsfestsetzung den Vorauszahlungsbescheid des Finanzamts H. vom 05.02.2015 und die Einnahme-Überschuss-Rechnung für 2013 (Einnahmen aus Gewerbebetrieb 17.253,31 EUR) zugrunde. Nach Einreichung der fehlenden amtlichen Unterlagen (wie Einkommensteuerbescheid 2014) werde ein endgültiger Beitragsbescheid erlassen.

Am 17.03.2015 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.03.2015. Die Beklagte zu 1) erhebe seit Jahren, spätestens seit 2013, Beiträge, die bei ihm zu einer wirtschaftlichen Schieflage geführt hätten und seine Existenz gefährdeten. Aus dem Einkommensteuerbescheid des Finanzamts H. vom 11.03.2015 für 2013 gehe hervor, dass (auch) seine gewerblichen Einkünfte massiv eingebrochen seien (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 17.253,00 EUR; Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung -17.943,00 EUR). Ab 01.01.2015 arbeite er nur noch 15 Stunden wöchentlich und sei daher nicht mehr hauptberuflich selbstständig erwerbstätig.

Der Kläger legte den Vorauszahlungsbescheid des Finanzamts H. vom 16.12.2013 vor. Darin sind Vorauszahlungen für 2013 (ab 10.12.) von 0 (zuvor 312,00 EUR/Quartal) und für 2014 und weitere Jahre von 620,76 EUR/Quartal festgesetzt.

Auf einem Fragebogen zur Prüfung der selbstständigen Erwerbstätigkeit ohne andere Erwerbstätigkeit ab 01.01.2015 gab der Kläger unter dem 22.05.2015 an, er sei seit 01.04.1995 als Wirtschafts- und Finanzberater gewerblich/freiberuflich tätig. Für diese selbstständige Tätigkeit fielen wöchentlich 15 Arbeitsstunden an (darin enthalten: 2 Stunden kaufmännische und organisatorische Tätigkeiten, 2 Stunden für Personalführung). Er beschäftige einen Arbeitnehmer mit einem Brutto-Entgelt von 850,00 EUR. Der Gewinn der letzten 6 Monate (November 2014 bis April 2015) betrage 400,00 EUR, 800,00 EUR, 350,00 EUR, 150,00 EUR, 450,00 EUR und 300,00 EUR. Er bestreite seinen Lebensunterhalt nicht überwiegend mit dem Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit, sondern aus seiner Altersrente von 1.462,00 EUR (seit 01.02.2014). Die selbstständige Tätigkeit stelle den Mittelpunkt seiner Erwerbstätigkeit nicht dar.

Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Widerspruchsbescheid vom 11.08.2015 wies die Beklagte zu 1) die Widersprüche des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei auf Grund seiner hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit (bis 28.02.2015) freiwillig versichert. Für die Bemessung der Beiträge freiwillig Versicherter gälten die Vorschriften in § 240 SGB V und in den Beitragsverfahrensgrundsätzen für Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz). Danach sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten zu berücksichtigen. Bei Personen, die selbstständig erwerbstätig seien, könne zum Nachweis der Einnahmen nur der jeweilige Einkommensteuerbescheid des Finanzamts herangezogen werden; dieser sei jeweils bis zum Ergehen eines neuen Einkommensteuerbescheids maßgeblich. Die Beiträge des Klägers seien (zuletzt) ab 01.12.2013 nach Maßgabe des Einkommensteuerbescheids für 2011 festgesetzt worden. Den Einkommensteuerbescheid für 2012 (vom 07.08.2014) habe der Kläger erst im Oktober 2014 vorgelegt und dadurch seine Mitteilungspflicht (§ 206 SGB V) grob fahrlässig verletzt. Die daraus folgende Beitragserhöhung sei zum 01.09.2014 (Kalendermonat nach Ausstellung des Einkommensteuerbescheids) wirksam geworden (§ 206 SGB V i.V.m. 48 SGB X). Das öffentliche Interesse an der gesetzmäßigen Beitragserhebung und der Gleichbehandlung der Versicherten gehe den Interessen des Klägers an der Vermeidung einer rückwirkend höheren Beitragszahlung vor.

Am 25.08.2015 erhob der Kläger Klage beim SG (Verfahren S 9 KR 2586/15). Er trug unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Klageverfahren S 11 KR 1123/14 vor, er sei ungeachtet des in dem genannten Klageverfahren geschlossenen Vergleichs ab dem 01.02.2014 versicherungspflichtig zur KVdR; die Beiträge zur freiwilligen Versicherung müssten ihm daher erstattet werden. Im Mai 2015 habe ihm eine Mitarbeiterin der Beklagten zu 1) zugesichert, die Frage der Versicherungspflicht zur KVdR rückwirkend zum 01.02.2014 zu prüfen. Mittlerweile liege der Einkommensteuerbescheid des Finanzamts H. vom 16.03.2016 für 2014 vor, der seine bisherigen Angaben bestätige (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2.069,00 EUR; Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - 291,00 EUR). Seit 01.03.2015 sei er als pflichtversicherter Rentner Mitglied der Krankenkasse "a." (Schreiben vom 14.04.2016).

Die Beklagte zu 1) trat der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids entgegen.

Mit Verfügung vom 06.04.2016 unterbreitete das SG den Beteiligten einen Vergleichsvorschlag (Beitragsbemessung ohne Einbeziehung der Altersrente des Klägers). Es wies darauf hin, dass der Kläger den Bescheid vom 23.01.2014, mit dem die Beiträge unter Einbeziehung der Altersrente erstmals festgesetzt worden seien, wohl nicht erhalten habe; der Bescheid wäre dann nicht wirksam geworden, weshalb es bei der Beitragsfestsetzung durch Bescheid vom 16.12.2013 - ohne Einbeziehung der Altersrente - bleiben müsste. Die Einbeziehung der Altersrente in die Beitragsbemessung dürfte weiterhin nicht möglich sein. Insoweit wären die angefochtenen Bescheide zwar (den Kläger begünstigend) rechtswidrig, allerdings habe die Beklagte zu 1) - was notwendig gewesen wäre - Rücknahmeermessen nicht ausgeübt (§ 45 SGB X).

Die Beklagte zu 1) lehnte den Vergleichsvorschlag ab. Der Kläger habe die Beiträge mit Wirkung vom 04.04.2014 unter Berücksichtigung der Altersrente entrichtet. Fraglich sei daher, wie er die Zahlungshöhe habe entsprechend anpassen können, wenn ihm die Höhe der (auch) aus der Altersrente zu zahlenden Beiträge nicht bekannt gewesen wäre. Folgte man dem Vorbringen des Klägers, der den Bescheid vom 23.01.2014 nicht erhalten haben wolle, wäre § 45 SGB X hinsichtlich der beitragsrechtlichen Berücksichtigung der Altersrente nicht anzuwenden, da es einen (wirksamen) Verwaltungsakt, der Vertrauensschutz begründen könnte, gar nicht gäbe. Sie habe dem Kläger zu keinem Zeitpunkt bestätigt, dass aus der Altersrente keine Beiträge erhoben würden. Davon abgesehen könne ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 SGB X für die Zukunft abgeändert werden, so dass die Erhebung von Beiträgen aus der Altersrente ab 01.02.2015 schon deswegen nicht zu beanstanden wäre.

Der Kläger machte geltend, er habe seinerzeit nur eine Mahnpostenliste der Beklagten zu 1) vom 27.03.2014 erhalten und darauf seine Zahlungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht geleistet; einen Bescheid vom 23.01.2014 habe er nicht erhalten.

Am 12.04.2016 fand eine Erörterungsverhandlung des SG statt. Der Kläger gab an, seiner Meinung nach sei seit Rentenbeginn (Februar 2014) nicht mehr von einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Ursprünglich habe er Ende 2013 geplant, seine selbstständige Tätigkeit im bisherigen Umfang auch nach Rentenbeginn fortzusetzen. Allerdings hätten sich dann gesundheitliche Schwierigkeiten eingestellt, so dass er seine Arbeitszeit im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit ab Rentenbeginn (Februar 2014) deutlich reduziert habe; er sei dann nur noch unter 15 Stunden wöchentlich im Büro gewesen. Zuletzt habe er den Steuerbescheid für das Kalenderjahr 2014 vorgelegt, der einen Gewinn von rund 2.000,00 EUR ausweise, wobei berücksichtigt werden müsse, dass in diesem Betrag bereits gewisse "steuerliche Hinzurechnungen" enthalten seien; der tatsächliche Gewinn sei deshalb im Grunde genommen noch niedriger. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müssten die wirtschaftliche Bedeutung und der zeitliche Umfang der selbstständigen Tätigkeit genau geprüft werden; die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer stelle lediglich ein Indiz für den Umfang der selbstständigen Tätigkeit dar. Zwar habe er auf dem Fragebogen vom 27.12.2013 für die Zeit ab Februar 2014 eine voraussichtliche wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden angegeben. Das sei aber nur die ursprüngliche Planung gewesen; wegen gewisser gesundheitlicher Schwierigkeiten habe er die Arbeitszeit reduziert. Bei der beschäftigten Person handele es sich um einen Familienangehörigen.

Der Vertreter der Beklagten zu 1) machte geltend, der Kläger sei mit dem Bescheid vom 23.01.2014 darauf hingewiesen worden, dass etwaige Änderungen unverzüglich mitzuteilen seien; das sei sodann erst im Laufe des Jahres 2015 erfolgt. Außerdem sei der Kläger mit Schreiben vom 14.10.2013 und 14.01.2014 darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass er weiterhin als hauptberuflich Selbstständiger angesehen werde und dass Beiträge auch aus der Rente erhoben würden.

Der Kläger wandte ein, er habe vielfach mit Mitarbeitern der Beklagten zu 1) telefoniert und die Angelegenheit erörtert; der Beklagten zu 1) sei alles bekannt gewesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.05.2016 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, während der streitigen Zeit (Juli 2014 bis Februar 2015) habe Versicherungspflicht zu KVdR nicht bestanden. Der Bescheid vom 23.01.2014, in dem geregelt worden sei, dass der Kläger trotz Rentenbezuges (ab 01.02.2014) wegen hauptberuflich selbstständiger Tätigkeit weiterhin freiwillig versichert sei und Beiträge auch aus der Rente (1.438,65 EUR monatlich) erhoben würden, sei dem Kläger - so die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29.10.2015 im Klageverfahren S 11 KR 1123/14 - nicht zugegangen und daher nicht wirksam geworden; das Vorbringen des Klägers, er habe die geforderten Beiträge (auch) aus der Rente "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" nur aufgrund einer Mahnung bzw. Zahlungsaufforderung der Beklagten zu 1) entrichtet, könne nicht widerlegt werden. Die seit August 2007 bestehende freiwillige Versicherung habe über den Rentenbeginn (Februar 2014) hinaus unverändert fortbestanden. Der Kläger sei während der streitigen Zeit (Juli 2014 bis Februar 2015) noch hauptberuflich selbstständig tätig gewesen, so dass Versicherungspflicht zur KVdR nicht habe eintreten können (§ 5 Abs. 5 Satz 1 SGB V). Der Kläger habe seine Tätigkeit als Wirtschafts- und Finanzberater seinerzeit noch mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt; dafür sprächen die Erzielung eines Gewinns von bis zu mehreren hundert Euro monatlich und die Angaben des Klägers in den entsprechenden Fragebögen. Die genannte Tätigkeit sei auch hauptberuflich ausgeübt worden (dazu: BSG, Urteil vom 29.07.2015, - B 12 KR 4/13 R -, in juris). Gewichtiges Indiz hierfür sei die mehr als geringfügige Beschäftigung eines Arbeitnehmers, mag es sich dabei auch um einen Familienangehörigen handeln. Die Ausgestaltung der Mitarbeit als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zeige, dass bloße Mithilfe aufgrund familienhafter Verbundenheit nicht vorgelegen habe. Dem Kläger sei daher trotz angegebener gesundheitlicher Schwierigkeiten offenkundig an der Fortführung der selbstständigen Tätigkeit und der Aufrechterhaltung seines Gewerbes gelegen gewesen. Dass die an die Beschäftigung von Arbeitnehmern anknüpfende gesetzliche Vermutung in § 5 Abs. 5 Satz 2 SGB V erst seit dem 23.07.2015 gelte, ändere nichts; die Vorschrift enthalte nur einen allgemeinen, auch schon zuvor geltenden Rechtsgrundsatz. Der Kläger habe für seine selbstständige Tätigkeit außerdem noch im Dezember 2013 einen monatlichen Gewinn von bis zu 3.000,00 EUR angegeben. Er habe zwar geltend gemacht, die gewerblichen Einkünfte seien rückläufig gewesen und er habe "kürzer treten" müssen. Der Beklagten u 1) habe er jedoch erst mit Schreiben vom 17.03.2015 mitgeteilt, dass er die wöchentliche Arbeitszeit von zuvor etwa 40 Stunden (Fragebogen vom 27.12.2013) zwischenzeitlich auf nur noch 15 Stunden reduziert habe. Den Vorauszahlungsbescheid des Finanzamts H. (vom 05.02.2015) über die Herabsetzung der Steuervorauszahlungen habe er der Beklagten zu 1) erst im Februar 2015 vorgelegt. Für diese hätten bis dahin keine objektivierbaren Umstände vorgelegen, die auf eine wesentliche Änderung der gewerblichen Verhältnisse des Klägers hätten schließen lassen können. Daher sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zu 1) bis einschließlich Februar 2015 bei vorausschauender Betrachtung weiterhin von einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit des Klägers ausgegangen sei. Die abweichende Beurteilung der derzeitigen Krankenkasse des Klägers sei unerheblich, zumal sie die Zeit ab März 2015 betreffe und nicht ersichtlich sei, auf welcher tatsächlichen Grundlage sie beruhe. Die Beitragserhebung richte sich daher weiterhin nach den BeitrVerfGrsSz bzw. nach § 240 SGB V. Maßgeblich sei zunächst der Einkommensteuerbescheid für 2011 (§ 6 Abs. 3 Satz 3 BeitrVerfGrsSz). Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 2012 und Einholung einer amtlichen Auskunft des Finanzamts H. sei die Beklagte zu 1) berechtigt gewesen, eine Beitragsanpassung (Erhöhung) ab September 2014 (Folgemonat nach Ausstellung des Einkommensteuerbescheids für das Kalenderjahr 2012) vorzunehmen (§ 240 Abs. 6 Satz 6 SGB V i.V.m. §§ 6 Abs. 7 und 7 Abs. 7 Satz 3 BeitrVerfGrsSz; vgl. etwa BSG, Urteil vom 30.10.2013, - B 12 KR 21/11 R - und Urteil vom 28.05.2015, - B 12 KR 12/13 R -, beide in juris). Dass dem Kläger der Bescheid vom 23.01.2014 nicht zugegangen sei, ändere daran nicht. Geschütztes Vertrauen darauf, dass die Beitragsbemessung ohne Einbeziehung der Rente erfolgen solle, sei nicht begründet worden. Eine entsprechende Bestätigung habe die Beklagte zu 1) dem Kläger nie erteilt, vielmehr auf die Beitragspflicht der Rente schon im Schreiben vom 14.01.2014 hingewiesen. Davon abgesehen wäre § 45 SGB X auch deshalb nicht anwendbar, weil der letzte maßgebliche Beitragsbescheid (vom 16.12.2013) rechtmäßig gewesen sei. Mit dem Rentenbezug (erst) ab 01.02.2014 hätten sich die tatsächlichen Verhältnisse i.S.d. § 48 SGB X geändert. Eine Beitragskorrektur im Rahmen des 48 SGB X sei grundsätzlich jederzeit, und hier nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X angesichts der Hinweise der Beklagten zu 1) im Schreiben vom 14.01.2014 nach Ergehen des Einkommensteuerbescheids für 2012 (im August 2014) unter Einbeziehung der Rente auch rückwirkend (zum 01.09.2014) zulässig. Der Kläger habe um die Beitragspflicht seiner Rente wissen müssen. Anhaltspunkte für die Annahme eines atypischen Sachverhalts, der im Rahmen des "Soll-Ermessens" eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, gebe es nicht.

Gegen den ihm am 14.05.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.06.2016 Berufung eingelegt.

Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Bescheid vom 20.09.2016 hat die Beklagte zu 1) den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers unter Berücksichtigung der im Einkommensteuerbescheid für 2014 ausgewiesenen Einkünfte ab 01.02.2015 endgültig auf 325,59 EUR bzw. 49,97 EUR (insgesamt 375,56 EUR) festgesetzt; das monatliche Einkommen habe 1.635,09 EUR betragen, weshalb man die Mindestbemessungsgrundlage von 2.126,25 EUR herangezogen habe.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger, sein bisheriges Vorbringen bekräftigend, vor, im Hinblick auf den Einkommensteuerbescheid des Finanzamts H. vom 16.03.2016 für 2014 sei er als versicherungspflichtiger Rentner einzustufen; das sei auch die Auffassung seiner neuen Krankenkasse (Bescheid vom 13.04.2016). Neben seiner Rente habe er aus Gewerbebetrieb nur Einkünfte i.H.v. 2.069,00 EUR erzielt. Demgegenüber habe die Beklagte zu 1) Beiträge auf in Wahrheit nicht erzielte Einkünfte erhoben und ihn dadurch in große wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Während der streitigen Zeit (Juli 2014 bis Februar 2015) habe eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit nicht vorgelegen, zumal er nur 15 Stunden in der Woche gearbeitet habe. Die Beschäftigung eines Arbeitnehmers stelle ein Indiz für Hauptberuflichkeit nicht dar. Im Dezember 2013, vor Rentenbeginn, habe er noch andere Pläne gehabt; diese hätten sich aber nicht verwirklichen lassen. Aus den Vorauszahlungsbescheiden des Finanzamts H. sei das stark zurückgegangene Einkommen ersichtlich. Bei Vorliegen einer unverhältnismäßigen Belastung seien die auf Grund eines Vorauszahlungsbescheids ermittelten Beiträge abweichend einstweilen festzusetzen. Er habe die Beklagte zu 1) mehrfach schriftlich und telefonisch auf seine wirtschaftliche Lage hingewiesen; eine Reaktion sei nicht erfolgt. Er habe Vorauszahlungsbescheide des Finanzamts - mit "0-Festsetzung" ab dem Quartal 3/2014 - vorgelegt. Die Beklagte zu 1) habe ihm die Prüfung von Versicherungspflicht zur KVdR rückwirkend zum 01.02.2014 telefonisch zugesichert.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10.05.2016 und den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 15.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2015 sowie den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 20.09.2016 aufzuheben.

Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 20.09.2016 abzuweisen.

Sie halten den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Der Einkommensteuerbescheid des Finanzamts H. vom 16.03.2016 für 2014 könne nur für die Zukunft berücksichtigt werden. Die erforderlichen Unterlagen zum Nachweis geänderter Einkommensverhältnisse seien erst am 11.02.2015 vorgelegt worden; dies habe sie zum 01.02.2015 unter Auflösung des Vorbehalts im Bescheid vom 05.03.2015 berücksichtigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten zu 1), des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 15.01.2015 und vom 20.09.2016 (sowie der Widerspruchsbescheid vom 11.08.2015), mit denen die Beklagte die freiwilligen Kranken- und Pflegversicherungsbeiträge des Klägers für die Zeit vom 01.07.2014 bis 28.02.2015 festgesetzt hat. Der während des Berufungsverfahrens ergangene Bescheid vom 20.09.2016 hat die Beiträge für die Zeit ab 01.02.2015 endgültig festgesetzt und insoweit den Bescheid vom 05.03.2015 über die vorläufige Beitragsfestsetzung erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X); dieser Bescheid ist nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens (vgl. etwa BSG, Urteil vom 07.05.2014, - B 12 KR 2/12 R -, in juris Rdnr. 10). Hinsichtlich des Bescheids vom 20.09.2016 entscheidet der Senat auf Klage (vgl. etwa BSG, Urteil vom 25.02.2010, - B 13 R 61/09 R -, in juris Rdnr. 15) Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist angesichts monatlicher Beiträge von über 600 EUR für 8 Monate überstiegen. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig.

Da der Kläger sowohl die Festsetzung von Kranken- wie von Pflegeversicherungsbeiträgen angefochten hat, richten sich Klage und Berufung auch gegen die bei der Beklagten zu 1) errichtete Pflegekasse (Beklagte zu 2)); das Rubrum ist (nur) entsprechend zu berichtigen (Senatsurteil vom 23.09.2015, - L 5 KR 127/15 -, nicht veröffentlicht).

II. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Senat teilt die Einschätzung des SG und nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist anzumerken:

Der Kläger ist während der streitigen Zeit vom 01.07.2014 bis 28.02.2015 freiwillig versichert gewesen. Seine vorbestehende freiwillige Mitgliedschaft (bei der Beklagten zu 1) mit den entsprechenden Folgen für die PV) hat nicht gemäß § 191 Nr. 2 SGB V wegen des Beginns einer Pflichtmitgliedschaft, wofür nur eine Pflichtmitgliedschaft in der KVdR ab 01.02.2014 in Betracht kommt, geendet. Offen bleiben kann, ob das schon wegen des - ggf. bestandskräftigen - (Status-)Bescheids der Beklagten zu 1) vom 23.01.2014 über die Feststellung des Fortbestands der freiwilligen Versicherung über den 01.02.2014 hinaus angenommen werden muss; der Kläger bestreitet den Erhalt dieses Bescheids, der dann mangels Bekanntgabe nicht wirksam (und auch nicht bestandskräftig) geworden wäre (vgl. § 39 Abs. 1 SGB X). Versicherungspflicht zur KVdR ist jedenfalls infolge hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätigkeit des Klägers auch nach Rentenbeginn am 01.02.2014 nicht eingetreten.

Die Beteiligten streiten nicht darüber, dass die Voraussetzungen der Versicherungspflicht zur KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V zum 01.02.2014 erfüllt sind. Die Beklagte zu 1) hat dies dem Kläger mit Schreiben vom 14.10.2013 mitgeteilt und die KVdR wird seit 01.03.2015 von der derzeitigen Krankenkasse des Klägers durchgeführt. Der Kläger ist aber auch nach Rentenbeginn - während der streitigen Zeit vom 01.07.2014 bis 28.02.2015 - als Wirtschafts- und Finanzberater hauptberuflich selbstständig erwerbstätig gewesen, weshalb Versicherungspflicht zur KVdR gemäß § 5 Abs. 5 SGB V nicht eingetreten ist.

Gemäß § 5 Abs. 5 SGB V in der hier noch maßgeblichen Fassung ist (u.a.) nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V (KVdR) nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbstständig erwerbstätig ist. Erwerbstätigkeit liegt vor, wenn die Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht (und nicht etwa als bloße "Liebhaberei") ausgeübt wird. Selbstständigkeit liegt vor, wenn die Tätigkeit nach den für die Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbstständigen Erwerbstätigkeit maßgeblichen Kriterien (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV; dazu nur etwa jurisPK-SGB V/Felix § 5 Rdnr. 111 m.w.N.) als selbstständige Tätigkeit einzustufen ist. Das SG hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, dass der Kläger auch nach dem Bezug von Altersrente ab 01.02.2014 weiterhin mit Gewinnerzielungsabsicht als selbstständiger Wirtschafts- und Finanzberater tätig gewesen ist; hierüber streiten die Beteiligten ersichtlich auch nicht. Streitig ist allein die Hauptberuflichkeit der Tätigkeit i.S.d. § 5 Abs. 5 SGB V.

Hauptberufliche Selbstständigkeit liegt bei Personen, die eine (oder mehrere) Beschäftigung(en) und eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, vor, wenn die selbstständige Erwerbstätigkeit von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit bildet. Maßgeblich sind immer die Umstände des Einzelfalls. Nach der durch Gesetz vom 16.07.2015 (BGBl. I S. 1211) zum 23.07.2015 eingeführten und daher hier noch nicht maßgeblichen Vorschrift des § 5 Abs. 5 Satz 2 SGB V wird bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, (widerleglich) vermutet, dass sie hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind. Vor Inkrafttreten der Vermutungsregelung des § 5 Abs. 5 Satz 2 SGB V hat die mehr als geringfügige Beschäftigung von Arbeitnehmern (jedenfalls) als Indiz für Hauptberuflichkeit berücksichtigt werden dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 29.02.2012, - B 12 KR 4/10 R -, in juris Rdnr. 20).

Für die Feststellung hauptberuflicher Selbstständigkeit i.S.d. § 5 Abs. 5 SGB V ist auf die Verhältnisse abzustellen, die ab der Zeit des Zusammentreffens der Beschäftigung(en) mit der selbstständigen Erwerbstätigkeit bestanden haben. Hierfür findet eine vorausschauende Betrachtung unter Einbeziehung absehbarer Entwicklungen (BSG, Urteil vom 29.07.2015, - B 12 KR 5/13 R -, in juris Rdnr. 21) statt. In der Folgezeit eingetretene tatsächliche Entwicklungen eignen sich nicht als Beurteilungsgrundlage einer Prognose, wenngleich es mit dem Gebot einer vorausschauenden Betrachtungsweise auch nicht unvereinbar ist, später eingetretene Entwicklungen als Bestätigung für jene Anhaltspunkte zu berücksichtigen, auf die die Prognose gestützt wird (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2997, - 10 RK 2/97 -, in juris Rdnr. 17; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.08.2004, - L 11 KR 4196/03 -, in juris Rdnr. 20 m.w.N.).

Für neben dem Rentenbezug selbstständig erwerbstätige Rentner, die einer Beschäftigung nicht nachgehen, gelten die vorstehenden Rechtsgrundsätze entsprechend (BSG, Urteil vom 29.07.2015, - B 12 KR 4/13 R -, in juris). Die hauptberufliche Ausübung der selbstständigen Erwerbstätigkeit führt für sie zum Ausschluss der Versicherungspflicht zur KVdR. Das Vorliegen von Hauptberuflichkeit richtet sich bei Rentnern vor allem nach der wirtschaftlichen Bedeutung der selbstständigen Erwerbstätigkeit bzw. nach dem aus ihr erzielten Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) und nach dem zeitlichen Aufwand für die Ausübung der selbstständigen Erwerbstätigkeit. So spricht es für Hauptberuflichkeit, wenn neben dem Rentenbezug eine selbstständige Erwerbstätigkeit mehr als halbtags ausgeübt wird. Die Qualität der Tätigkeit kann für das Vorliegen von Hauptberuflichkeit jedoch nicht herangezogen werden (zu alledem BSG, Urteil vom 29.07.2015, - B 12 KR 4/13 R -, in juris).

Davon ausgehend ist der Kläger für die streitige Zeit (01.07.2014 bis 28.02.2015) nach Maßgabe der bei der Anwendung des § 5 Abs. 5 SGB V stattfindenden vorausschauenden Betrachtungsweise, die auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zusammentreffens von Rentenbezug und selbstständiger Erwerbstätigkeit (am 01.02.2014) abzustellen hat, als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger einzustufen; Versicherungspflicht zur KVdR (mit den entsprechenden Folgen für die PV) hat daher gemäß § 5 Abs. 5 SGB V nicht bestanden.

Der Kläger hat auf einem Fragebogen vom 26.11.2013 - nur ungefähr 2 Monate vor dem maßgeblichen Stichtag 01.02.2014 - angegeben, die selbstständige Erwerbstätigkeit (als Wirtschafts- und Finanzberater) werde ca. 45 Stunden in der Woche ausgeübt und er erziele daraus Einkünfte von ca. 1.700,00 EUR monatlich. Auf einem aus Anlass des bevorstehenden Rentenbezugs übersandten weiteren Fragebogen mit der Überschrift "Fragebogen zur Prüfung der selbstständigen Erwerbstätigkeit ab 01.02.2014" hat der Kläger unter dem 27.12.2013 - nur ungefähr einen Monat vor dem maßgeblichen Stichtag 01.02.2014 - angegeben, für die selbstständige Erwerbstätigkeit, die den Mittelpunkt seiner Erwerbstätigkeit darstelle, wende er eine Wochenarbeitszeit von ca. 40 Stunden auf. Außerdem werde ein Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigt. Der Lebensunterhalt werde überwiegend mit den Einkünften aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit bestritten (Juli bis Dezember 2013 zwischen 1.000,00 EUR und 3.000,00 EUR monatlich). In diesen zum Stichtag 01.02.2014 zeitnahen Angaben des Klägers tritt die Hauptberuflichkeit der selbstständigen Erwerbstätigkeit klar und unzweifelhaft hervor. Dass gesundheitliche Einschränkungen in naher Zukunft zur erheblichen Reduzierung der selbstständigen Erwerbstätigkeit führen könnten, klingt in den Angaben des Klägers auch nicht ansatzweise an; die im (Status-)Fragebogen vom 27.12.2013 mitgeteilte Beschäftigung eines Arbeitnehmers (sei es auch eines Familienmitglieds) spricht eher für das Gegenteil.

Auch in der Folgezeit - nach dem für die vorausschauende Betrachtungsweise maßgeblichen Stichtag 01.02.2014 - ist von einer erheblichen Reduzierung der selbstständigen Erwerbstätigkeit aus Gesundheitsgründen nicht die Rede gewesen. Hierauf hat der Kläger weder im Widerspruchsschreiben vom 03.01.2014 (gegen den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 16.12.2013) noch in dem Telefongespräch vom 10.01.2014 oder in der Klagebegründung vom 30.06.2014 (Verfahren S 11 KR 1123/14) oder bei der (auszugsweisen) Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 2012 am 08.10.2014 hingewiesen. Im Widerspruchsschreiben vom 03.01.2014 hat der Kläger, der um die Auswirkungen seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit auf den Versicherungsstatus gewusst hat (Schreiben der Beklagten zu 1) vom 14.10.2013), lediglich eine Verminderung der freiwilligen Beiträge wegen umfangreicher Instandhaltungsarbeiten an seinem Haus beantragt. Im Telefongespräch vom 10.01.2014 hat er die Bemessung der freiwilligen Beiträge nach Maßgabe saldierter Einkünfte geltend gemacht. Zur Begründung der im Verfahren S 11 KR 1123/14 erhobenen Klage hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2014 wiederum (nur) gegen die Bemessung der freiwilligen Beiträge gewandt, Investitionskosten für sein Haus geltend gemacht und die Saldierung von Einkünften gefordert; außerdem hat er die Prüfung von Familienversicherung über seine Ehefrau angeregt. Dieses Verfahrensverhalten untermauert und bestätigt die zuvor genannten Anhaltspunkte, die der für die Festlegung des Versicherungsstatus maßgeblichen vorausschauenden (prognostischen) Betrachtungsweise zugrunde zu legen sind (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.1997, - 10 RK 2/97 -, in juris Rdnr. 17). Der Kläger hat erstmals am 22.01.2015 - kurz vor dem Ende des streitigen Zeitraums (am 28.02.2015) - im Zuge des Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 15.01.2015 vorgetragen, die Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit seien 2013 (von zuvor 29.485,00 EUR) auf 17.253,00 EUR zurückgegangen und dieser Trend habe sich 2014 fortgesetzt, da er, seit er Rentner sei, "kürzer trete". Von gesundheitlichen Einschränkungen, die zur erheblichen Verminderung der zuvor hauptberuflich ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit und nicht nur zum "Kürzertreten" gezwungen hätten, ist nach wie vor nicht die Rede. Eine Reduzierung des Umfangs der selbstständigen Erwerbstätigkeit auf 15 Wochenstunden wird erstmals am 17.03.2015 - nach Beendigung des streitigen Zeitraums (am 28.02.2015) - zur Begründung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 05.03.2015 und im Fragebogen vom 22.05.2015 angegeben. In diesem Fragebogen wird aber immer noch die Beschäftigung eines Arbeitnehmers zu einem Bruttoarbeitsentgelt von 850,00 EUR mitgeteilt, was für die streitige Zeit (bis 28.02.2015) jedenfalls als Indiz für Hauptberuflichkeit herangezogen werden kann. Die gesundheitlichen Einschränkungen, die der Kläger als Grund für die geltend gemachte erhebliche Reduzierung der selbstständigen Erwerbstätigkeit seit Rentenbeginn anführt, sind schließlich zu keiner Zeit näher substantiiert oder - etwa durch Arztatteste - dokumentiert worden. Auch in der Erörterungsverhandlung des SG vom 12.04.2016 ist nur - gänzlich unbestimmt - von "gewissen gesundheitlichen Schwierigkeiten" die Rede gewesen.

Bei dieser Sachlage kann die gebotene vorausschauende Betrachtungsweise zum Stichtag 01.02.2014 nur zu dem Ergebnis führen, dass die bis dahin hauptberuflich ausgeübte selbstständige Erwerbstätigkeit auch über den genannten Stichtag (Beginn des Rentenbezugs) hinaus weiterhin hauptberuflich i.S.d. § 5 Abs. 5 SGB V ausgeübt wird. Daran ändert es nichts, dass das Finanzamt H. im Vorauszahlungsbescheid vom 05.02.2015 für das dritte Quartal 2014 keine Vorauszahlungen und im Einkommensteuerbescheid vom 16.03.2016 für 2014 Einkünfte aus Gewerbebetrieb von nur 2.096,00 EUR festgesetzt hat. Beide Bescheide sind (lange) nach dem Stichtag 01.02.2014 als dem für die Festlegung des Versicherungsstatus maßgeblichen Bezugspunkt der vorausschauenden Betrachtungsweise und erst zum Ende der hier streitigen Zeit (am 28.02.2015) bzw. nach deren Ablauf ergangen. Für den Versicherungsstatus des Klägers bis 28.02.2015 sind sie nicht von Belang. Die Zeit ab 01.03.2015 mit Durchführung der Rentnerpflichtversicherung durch die derzeitige Krankenkasse des Klägers ist nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens.

Unter Zugrundelegung des Versicherungsstatus des Klägers als (nach wie vor) freiwillig Versichertem hat die Beklagte zu 1) die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Klägers für die streitige Zeit (01.07.2014 bis 28.02.2015) unter Anwendung der maßgeblichen Beitragssätze rechtsfehlerfrei festgesetzt. Sie hat die hierfür einschlägigen Rechtsvorschriften zutreffend angewandt und die zu diesen Rechtsvorschriften ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung beachtet; das SG hat das in seinem Gerichtsbescheid näher dargelegt. Berechnungsfehler sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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