Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2617/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 324/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.12.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger macht einen Anspruch auf Gewährung einer Familienorientierten Rehabilitation geltend.
Der am 29.09.2009 geborene Kläger ist über seine Mutter bei der beklagten Krankenkasse familienversichert. Am 18.10.2012 wurde bei ihm eine akute lymphatische Leukämie diagnostiziert. Die Erkrankung wurde mit einer Chemotherapie nach AIEOP-BFM-ALL 2009-Protokoll behandelt. Die Abschlussuntersuchung erfolgte nach Ende der Dauertherapie am 05.11.2014 in der Ambulanz/Tagesklinik des Universitätsklinikums T ... Im Arztbrief vom 20.11.2014 berichtete das Klinikum über den Gesundheitszustand des Klägers nach Abschluss der Behandlung.
Bereits während der Behandlungsphase hatte der Kläger vom 30.07. bis zum 27.08.2013 mit seinen Eltern und einem Bruder an einer von der Beklagten bewilligten Familienorientierten Rehabilitation teilgenommen. Am 19.02.2015 stellten die Eltern den Antrag auf Gewährung einer weiteren Familienorientierten Rehabilitation. Dem Antrag beigefügt waren eine Stellungnahme der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin T. vom 19.02.2015, in der eine solche Rehabilitation befürwortet wurde sowie der Arztbrief des Klinikums vom 20.11.2014. Die Befürwortung der Maßnahme bezog sich auf den Kläger, die Eltern des Klägers und dessen am 16.06.2003 geborenen Bruder, nicht aber auf die Schwester des Klägers. Die Beklagte holte eine schriftliche Sozialmedizinische Fallberatung beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein, in welcher die Maßnahme nicht befürwortet wurde, und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 01.04.2015 ab.
Am 05.05.2015 legte der Kläger gegen die ablehnende Entscheidung Widerspruch ein. Er berief sich auf ein Attest des behandelnden Kinderarztes Dr. N., der ihm ein deutliches Entwicklungsdefizit sowie psychomotorische Schwächen attestierte. Die Beklagte zog des Weiteren den Arztbrief der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin T. vom 24.06.2015 bei. Dort war der Kläger an diesem Tag ambulant untersucht worden. In einer erneuten Sozialmedizinischen Fallberatung vom 20.08.2015 vertrat der MDK weiterhin die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die beantragte Maßnahme nicht vorlägen. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2016 als unbegründet zurück.
Bereits am 15.10.2015 hatte der Kläger, vertreten durch seine Mutter, Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und diese mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27.01.2016 ausdrücklich auch gegen den Widerspruchsbescheid gerichtet. Das SG hat den behandelnden Kinderarzt Dr. N. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt und die Auskunft des Sozialpädiatrischen Zentrums der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin T. vom 30.03.2016 eingeholt. Beide haben die Bewilligung einer Familienorientierten Rehabilitation dringend empfohlen (Dr. N.) bzw für wünschenswert (SPZ T.) erachtet. Das SPZ T. hat abschließend ausgeführt, die Beurteilung des MDK scheine in sich schlüssig. Allerdings spielten in der gutachterlichen Äußerung des MDK das Argument der komplex belasteten Familiensituation und die Ängste der Eltern im Hinblick auf die Grunderkrankung sowie die Situation der einzelnen Geschwister kein große Rolle, so dass mit Fokus auf diese Punkte ggf zu einer anderen Auffassung gelangt werden könnte. Die Beklagte hat auf eine Anforderung des SG noch den Entlassungsbericht der Fachklinik für onkologische Rehabilitation und Anschlussrehabilitation B. O. vom 13.08.2013 über die im Jahr 2013 durchgeführte erste Familienorientierte Rehabilitation sowie das Gutachten des MDK zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Klägers vom 13.05.2015 vorgelegt und den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 13.10.2016 erörtert. Im Rahmen der Erörterung sind auch die Alternativen einer Kinderkur mit Begleitperson bzw eine Mutter-Kind-Kur erörtert worden. Die Mutter des Klägers hat betont, dass eine Familienorientierte Rehabilitation unter Einbeziehung aller Familienmitglieder benötigt werde.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.12.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf die Gewährung einer Familienorientierten Rehabilitation. Es handele sich dabei um eine Maßnahme für die gesamte Familie bei Krebserkrankungen von Kindern, bei einem Zustand nach Operation von schwer wiegenden Herzfehlern oder bei weiteren schwer wiegenden Erkrankungen. Die Mitaufnahme der Familienmitglieder müsse eine notwendige Voraussetzung für den Rehabilitationserfolg des erkrankten Kindes sein. Eine Wiederholung einer solchen Maßnahme sei nur für Ausnahmefälle vorgesehen. Ein solcher Ausnahmefall liege hier jedoch nicht vor. Der Gerichtsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mittels Empfangsbekenntnis am 27.12.2016 zugestellt worden.
Am 26.01.2017 hat der Kläger, wiederum vertreten durch seine Mutter, Berufung eingelegt. Er vertritt weiterhin die Ansicht, dass er einen Anspruch auf eine erneute Familienorientierte Rehabilitation hat.
Der Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.12.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.01.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Familienorientierte Rehabilitation zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.12.2016 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Auf eine Bitte des Senats hat der Kläger noch die Berichte über die am 29.11.2016 in T. durchgeführte testpsychologische Untersuchung und die am 02.03.2017 ebenfalls in T. vorgenommene Kontrolluntersuchung vorgelegt. Danach liegen bei ihm deutliche Defizite und Verhaltensauffälligkeiten mit oppositionellen und aggressiven Tendenzen vor. Die neurologische Untersuchung war jedoch weitgehend unauffällig, die internistische Untersuchung regelrecht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 105 Abs 2 Satz 1, 143, 144 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.
Die Klage ist nicht deshalb unzulässig, weil die Mutter des Klägers als sog. Stammversicherte vom SG als Klägerin bezeichnet wurde und die Bescheide der Beklagten an sie adressiert waren. Die Ausgestaltung der Familienversicherung als eigene Versicherung des Familienangehörigen in § 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hat zwar zur Folge, dass daraus resultierende Leistungsansprüche nicht mehr, wie früher unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (vgl § 179 Abs 1 Nr 6, § 205 RVO), dem Stammversicherten, sondern dem Familienangehörigen selbst zustehen. Nur dieser ist deshalb in der Regel berechtigt, die betreffenden Ansprüche zu verfolgen und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen. Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) dem Stammversicherten in ständiger Rechtsprechung eigene Rechte und damit eine Klagebefugnis insoweit zugebilligt, als das Bestehen oder Nichtbestehen der Familienversicherung als solches betroffen ist. Es hat dies aus der Akzessorietät der Familienversicherung gefolgert, die bewirke, dass es bei der Entscheidung über die Mitversicherung von Familienangehörigen zugleich um die Ausgestaltung und den Umfang der Stammversicherung gehe. Ein Recht des Mitglieds, auch einzelne Leistungsansprüche für seine nach § 10 SGB V versicherten Familienangehörigen geltend zu machen, lässt sich mit dieser Überlegung indes nicht rechtfertigen. Die Ablösung des früheren Rechtszustandes und die Schaffung einer eigenständigen Versicherung für den Ehegatten und die Kinder des versicherten Mitglieds war im Gesetzgebungsverfahren damit begründet worden, dass die bisherige Konzeption der Familienhilfe als einer dem Mitglied für seine Familienangehörigen zustehenden Leistung der gesellschaftlichen und familiären Entwicklung, insbesondere dem Verhältnis der Ehegatten zueinander und dem Verhältnis der heranwachsenden Kinder zu ihren Eltern, nicht mehr gerecht werde. Dem Ziel einer eigenen, das Selbstbestimmungsrecht stärkenden Sicherung der Familienmitglieder würde es widersprechen, wenn neben dem betroffenen Angehörigen auch der Stammversicherte über dessen Leistungsansprüche verfügen und etwa im Konfliktfall Leistungen blockieren oder verzögern könnte (BSG 16.06.1999, B 1 KR 6/99 R, SozR 3-2500 § 10 Nr 16). Der Senat geht aber davon aus, dass die Mutter des Klägers als dessen gesetzliche Vertreterin aufgetreten ist und den streitgegenständlichen Anspruch in Vertretung für ihn geltend macht. Daher hat der Senat das Rubrum berichtigt.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet.
Das angefochtene Urteil ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Familienorientierten Rehabilitation zu Recht verneint.
Nach § 11 Abs 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Dieser Anspruch wird in § 40 SGB V konkretisiert. Danach erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, wenn bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen (§ 40 Abs 1 Satz 1 SGB V). Der Anspruch auf eine stationäre Rehabilitation setzt nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGB V voraus, dass eine ambulante Rehabilitation nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht ausreicht. Aus diesen Vorschriften ergibt sich ein Stufenverhältnis (Urteile des Senats vom 21.05.2015, L 11 KR 3057/14; 13.03.2012, L 11 KR 1612/11, 28.04.2009, L 11 KR 4828/09 und vom 20.04.2010, L 11 KR 5047/09): Zuerst ist ambulante Krankenbehandlung iSd § 27 SGB V in Anspruch zu nehmen (erste Stufe). Reicht diese nicht aus, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, erbringt die Krankenkasse ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, oder mobile Rehabilitationsleistungen durch wohnortnahe Einrichtungen (§ 40 Abs 1 Satz 1 SGB V; zweite Stufe). Reichen solche ambulanten Maßnahmen zur Rehabilitation nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht; für pflegende Angehörige kann die Krankenkasse unter denselben Voraussetzungen stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung auch in einer zertifizierten Rehabilitationseinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111a SGB V besteht (§ 40 Abs 2 Satz 1 SGB V, dritte Stufe). Leistungen der jeweils höheren Stufe können nur in Anspruch genommen werden, wenn die Leistungen der vorherigen Stufe aus medizinischen Gründen nicht ausreichen. Maßgeblich ist, ob die Erbringung von Leistungen nach den vorrangigen Stufen bei einer prognostischen Beurteilung im Hinblick auf die Erreichung der Ziele des § 11 Abs 2 SGB V erfolglos sein wird (Senatsurteil vom 13.03.2012, L 11 KR 1612/11). Die Feststellung der Notwendigkeit und Erfolgsaussicht einer beantragten Reha-Maßnahme gehört zu den gerichtlich voll überprüfbaren Anspruchsvoraussetzungen und nicht zu der "Art der Leistung" im Sinne von § 40 Abs 3 Satz 1 SGB V, die die Krankenkasse nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt (BSG 25.03.2003, B 1 KR 33/01 R, SozR 4-1500 § 54 Nr 1).
Der Anspruch auf stationäre Rehabilitation nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGBV umfasst auch Leistungen der Familienorientierten Rehabilitation als eine Form der Kinderrehabilitation. Nach § 40 Abs 4 SGB V werden zwar Leistungen der ambulanten und stationären Rehabilitation von den Krankenkassen nur erbracht werden, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften solche Leistungen nicht erbracht werden können. Dies gilt aber ua nicht für Leistungen nach § 15a Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 14.12.2016 geltenden Fassung von Art 1 Nr 9 Flexirentengesetz vom 08.12.2016 (BGBl I S 2838) bzw § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI in der bis zum 13.12.2016 geltenden Fassung. Dies bedeutet, dass die Zuständigkeiten der Träger der GKV und der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit gleichrangig nebeneinander bestehen (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB V, § 40 Rn 32; Waßer in: jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016 § 40 SGB V Rn 70).
Um sicherzustellen, dass im Rahmen der Leistungsgesetze der Renten- und Krankenversicherung schwerst chronisch kranke Kinder und ihre Familien nach einheitlichen Voraussetzungen eine Familienorientierte Rehabilitation erhalten können, haben ua die Deutsche Rentenversicherung Bund und der GKV-Spitzenverband am 01.10.2009 eine "Verfahrensabsprache zu Anträgen der Familienorientierten" getroffen. Diese Verfahrensabsprache ist zwar weder für die Versicherten noch für das Gericht verbindlich, enthält aber Ausführungen zu den Voraussetzungen für eine Familienorientierte Rehabilitation, die nach Ansicht des Senats die Rechtslage auch für die Zeit vor Inkrafttreten des § 15a SGB VI insofern zutreffend wiedergeben, als maßgebend ist, dass die Mitaufnahme der Familienangehörigen eine notwendige Voraussetzung für den Rehabilitationserfolg des erkrankten Kindes ist (§ 2 Abs 2 Satz 2 der Verfahrensabsprache). Dies entspricht den Anforderungen nach dem ab 14.12.2016 geltenden § 15a Abs 2 Nr 2 SGBVI.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger an einer lymphatischen Leukämie litt, ein Rezidiv bislang aber nicht aufgetreten ist. Ferner besteht eine Entwicklungsverzögerung mit Schwerpunkt im Bereich der Sprache und grobmotorischer Koordinationsschwäche, eine Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität, impulsiven Tendenzen, einer verminderten Konzentration und Ausdauer. Dies entnimmt der Senat dem Bericht des SPZ T. vom 02.03.2017. Ob diese Störungen und Defizite eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit Begleitpersonen erfordern, lässt der Senat offen, da dies nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Der Kläger hat, vertreten durch seine Mutter, noch im Erörterungstermin vor dem SG betont, dass eine Familienorientierte Rehabilitation unter Einbeziehung aller Familienmitglieder benötigt werde. Eine solche Maßnahme hält der Senat indes nicht für erforderlich. Eine Wiederholung der Familienorientierten Rehabilitation im Hinblick auf die Krebserkrankung ist schon deshalb nicht mehr erforderlich, weil bislang kein Rezidiv aufgetreten ist. Soweit mit der Familienorientierten Rehabilitation auch dem Umstand Rechnung getragen werden soll, dass die Erstdiagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung und die sich daraus ergebende Primärbehandlung des Kindes die Familie völlig unvorbereitet trifft, kommt diesem Gesichtspunkt mehrere Jahre (ohne Auftreten von Rezidiven) nach dem erstmaligen Auftreten der Erkrankung keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zu. Die jetzige Erkrankung, die vornehmlich durch eine Entwicklungsverzögerung und starke Verhaltensauffälligkeiten gekennzeichnet ist, wurde und wird bereits durch verschiedene ambulante Maßnahmen (ua Logopädie, Ergotherapie) behandelt. Außerdem wird eine verhaltenstherapeutische Anbindung im SPZ-Bericht vom 02.03.2017 dringend notwendig betrachtet. Im Bericht des SPZ T. vom 30.03.2016 wird im Abschnitt "Beurteilung und Verlauf" eine Kontaktaufnahme mit der psychologischen Beratungsstelle für Eltern in H. vorgeschlagen. Außerdem wird eine Verhaltenstherapie für Kinder als indiziert und die Fortsetzung der ergotherapeutischen und logopädischen Behandlung als sinnvoll und erforderlich bezeichnet. Darüber hinaus sollte eine stationäre Aufnahme des Klägers zusammen mit der Mutter zB in die L.-Klinik in B. D. erwogen werden. Dies alles hält der Senat für überzeugend und schlüssig. Es ist für den Senat daher auch nicht ersichtlich, weshalb der Kläger eine stationäre Rehabilitation als Mutter-Kind oder Vater-Kind-Rehabilitation nicht in Erwägung zieht, sondern auf einer Familienorientierten Rehabilitation besteht. Die Notwendigkeit einer stationären Rehabilitation unter Einbeziehung aller Familienmitglieder bzw unter Einbeziehung beider Eltern und des Bruders lässt sich jedenfalls mit dem festgestellten Sachverhalt nicht begründen. Dies gilt auch, obwohl § 15a SGB VI die Voraussetzungen für die Gewährung einer Kinderrehabilitation erweitert hat.
Ob der Anspruch des Klägers auch daran scheitert, dass die beantragte Leistung nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung verordnet wurde (vgl § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 5 und 7 SGB V iVm § 2 Abs 5 Rehabilitations-Richtlinie), lässt der Senat offen (vgl hierzu LSG Berlin-Brandenburg 21.12.2016, L 9 KR 463/16 B ER, KHE 2016/94).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger macht einen Anspruch auf Gewährung einer Familienorientierten Rehabilitation geltend.
Der am 29.09.2009 geborene Kläger ist über seine Mutter bei der beklagten Krankenkasse familienversichert. Am 18.10.2012 wurde bei ihm eine akute lymphatische Leukämie diagnostiziert. Die Erkrankung wurde mit einer Chemotherapie nach AIEOP-BFM-ALL 2009-Protokoll behandelt. Die Abschlussuntersuchung erfolgte nach Ende der Dauertherapie am 05.11.2014 in der Ambulanz/Tagesklinik des Universitätsklinikums T ... Im Arztbrief vom 20.11.2014 berichtete das Klinikum über den Gesundheitszustand des Klägers nach Abschluss der Behandlung.
Bereits während der Behandlungsphase hatte der Kläger vom 30.07. bis zum 27.08.2013 mit seinen Eltern und einem Bruder an einer von der Beklagten bewilligten Familienorientierten Rehabilitation teilgenommen. Am 19.02.2015 stellten die Eltern den Antrag auf Gewährung einer weiteren Familienorientierten Rehabilitation. Dem Antrag beigefügt waren eine Stellungnahme der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin T. vom 19.02.2015, in der eine solche Rehabilitation befürwortet wurde sowie der Arztbrief des Klinikums vom 20.11.2014. Die Befürwortung der Maßnahme bezog sich auf den Kläger, die Eltern des Klägers und dessen am 16.06.2003 geborenen Bruder, nicht aber auf die Schwester des Klägers. Die Beklagte holte eine schriftliche Sozialmedizinische Fallberatung beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein, in welcher die Maßnahme nicht befürwortet wurde, und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 01.04.2015 ab.
Am 05.05.2015 legte der Kläger gegen die ablehnende Entscheidung Widerspruch ein. Er berief sich auf ein Attest des behandelnden Kinderarztes Dr. N., der ihm ein deutliches Entwicklungsdefizit sowie psychomotorische Schwächen attestierte. Die Beklagte zog des Weiteren den Arztbrief der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin T. vom 24.06.2015 bei. Dort war der Kläger an diesem Tag ambulant untersucht worden. In einer erneuten Sozialmedizinischen Fallberatung vom 20.08.2015 vertrat der MDK weiterhin die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die beantragte Maßnahme nicht vorlägen. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2016 als unbegründet zurück.
Bereits am 15.10.2015 hatte der Kläger, vertreten durch seine Mutter, Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und diese mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27.01.2016 ausdrücklich auch gegen den Widerspruchsbescheid gerichtet. Das SG hat den behandelnden Kinderarzt Dr. N. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt und die Auskunft des Sozialpädiatrischen Zentrums der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin T. vom 30.03.2016 eingeholt. Beide haben die Bewilligung einer Familienorientierten Rehabilitation dringend empfohlen (Dr. N.) bzw für wünschenswert (SPZ T.) erachtet. Das SPZ T. hat abschließend ausgeführt, die Beurteilung des MDK scheine in sich schlüssig. Allerdings spielten in der gutachterlichen Äußerung des MDK das Argument der komplex belasteten Familiensituation und die Ängste der Eltern im Hinblick auf die Grunderkrankung sowie die Situation der einzelnen Geschwister kein große Rolle, so dass mit Fokus auf diese Punkte ggf zu einer anderen Auffassung gelangt werden könnte. Die Beklagte hat auf eine Anforderung des SG noch den Entlassungsbericht der Fachklinik für onkologische Rehabilitation und Anschlussrehabilitation B. O. vom 13.08.2013 über die im Jahr 2013 durchgeführte erste Familienorientierte Rehabilitation sowie das Gutachten des MDK zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Klägers vom 13.05.2015 vorgelegt und den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 13.10.2016 erörtert. Im Rahmen der Erörterung sind auch die Alternativen einer Kinderkur mit Begleitperson bzw eine Mutter-Kind-Kur erörtert worden. Die Mutter des Klägers hat betont, dass eine Familienorientierte Rehabilitation unter Einbeziehung aller Familienmitglieder benötigt werde.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.12.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf die Gewährung einer Familienorientierten Rehabilitation. Es handele sich dabei um eine Maßnahme für die gesamte Familie bei Krebserkrankungen von Kindern, bei einem Zustand nach Operation von schwer wiegenden Herzfehlern oder bei weiteren schwer wiegenden Erkrankungen. Die Mitaufnahme der Familienmitglieder müsse eine notwendige Voraussetzung für den Rehabilitationserfolg des erkrankten Kindes sein. Eine Wiederholung einer solchen Maßnahme sei nur für Ausnahmefälle vorgesehen. Ein solcher Ausnahmefall liege hier jedoch nicht vor. Der Gerichtsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mittels Empfangsbekenntnis am 27.12.2016 zugestellt worden.
Am 26.01.2017 hat der Kläger, wiederum vertreten durch seine Mutter, Berufung eingelegt. Er vertritt weiterhin die Ansicht, dass er einen Anspruch auf eine erneute Familienorientierte Rehabilitation hat.
Der Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.12.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.01.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Familienorientierte Rehabilitation zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.12.2016 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Auf eine Bitte des Senats hat der Kläger noch die Berichte über die am 29.11.2016 in T. durchgeführte testpsychologische Untersuchung und die am 02.03.2017 ebenfalls in T. vorgenommene Kontrolluntersuchung vorgelegt. Danach liegen bei ihm deutliche Defizite und Verhaltensauffälligkeiten mit oppositionellen und aggressiven Tendenzen vor. Die neurologische Untersuchung war jedoch weitgehend unauffällig, die internistische Untersuchung regelrecht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 105 Abs 2 Satz 1, 143, 144 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.
Die Klage ist nicht deshalb unzulässig, weil die Mutter des Klägers als sog. Stammversicherte vom SG als Klägerin bezeichnet wurde und die Bescheide der Beklagten an sie adressiert waren. Die Ausgestaltung der Familienversicherung als eigene Versicherung des Familienangehörigen in § 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hat zwar zur Folge, dass daraus resultierende Leistungsansprüche nicht mehr, wie früher unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (vgl § 179 Abs 1 Nr 6, § 205 RVO), dem Stammversicherten, sondern dem Familienangehörigen selbst zustehen. Nur dieser ist deshalb in der Regel berechtigt, die betreffenden Ansprüche zu verfolgen und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen. Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) dem Stammversicherten in ständiger Rechtsprechung eigene Rechte und damit eine Klagebefugnis insoweit zugebilligt, als das Bestehen oder Nichtbestehen der Familienversicherung als solches betroffen ist. Es hat dies aus der Akzessorietät der Familienversicherung gefolgert, die bewirke, dass es bei der Entscheidung über die Mitversicherung von Familienangehörigen zugleich um die Ausgestaltung und den Umfang der Stammversicherung gehe. Ein Recht des Mitglieds, auch einzelne Leistungsansprüche für seine nach § 10 SGB V versicherten Familienangehörigen geltend zu machen, lässt sich mit dieser Überlegung indes nicht rechtfertigen. Die Ablösung des früheren Rechtszustandes und die Schaffung einer eigenständigen Versicherung für den Ehegatten und die Kinder des versicherten Mitglieds war im Gesetzgebungsverfahren damit begründet worden, dass die bisherige Konzeption der Familienhilfe als einer dem Mitglied für seine Familienangehörigen zustehenden Leistung der gesellschaftlichen und familiären Entwicklung, insbesondere dem Verhältnis der Ehegatten zueinander und dem Verhältnis der heranwachsenden Kinder zu ihren Eltern, nicht mehr gerecht werde. Dem Ziel einer eigenen, das Selbstbestimmungsrecht stärkenden Sicherung der Familienmitglieder würde es widersprechen, wenn neben dem betroffenen Angehörigen auch der Stammversicherte über dessen Leistungsansprüche verfügen und etwa im Konfliktfall Leistungen blockieren oder verzögern könnte (BSG 16.06.1999, B 1 KR 6/99 R, SozR 3-2500 § 10 Nr 16). Der Senat geht aber davon aus, dass die Mutter des Klägers als dessen gesetzliche Vertreterin aufgetreten ist und den streitgegenständlichen Anspruch in Vertretung für ihn geltend macht. Daher hat der Senat das Rubrum berichtigt.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet.
Das angefochtene Urteil ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Familienorientierten Rehabilitation zu Recht verneint.
Nach § 11 Abs 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Dieser Anspruch wird in § 40 SGB V konkretisiert. Danach erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, wenn bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen (§ 40 Abs 1 Satz 1 SGB V). Der Anspruch auf eine stationäre Rehabilitation setzt nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGB V voraus, dass eine ambulante Rehabilitation nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht ausreicht. Aus diesen Vorschriften ergibt sich ein Stufenverhältnis (Urteile des Senats vom 21.05.2015, L 11 KR 3057/14; 13.03.2012, L 11 KR 1612/11, 28.04.2009, L 11 KR 4828/09 und vom 20.04.2010, L 11 KR 5047/09): Zuerst ist ambulante Krankenbehandlung iSd § 27 SGB V in Anspruch zu nehmen (erste Stufe). Reicht diese nicht aus, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, erbringt die Krankenkasse ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, oder mobile Rehabilitationsleistungen durch wohnortnahe Einrichtungen (§ 40 Abs 1 Satz 1 SGB V; zweite Stufe). Reichen solche ambulanten Maßnahmen zur Rehabilitation nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht; für pflegende Angehörige kann die Krankenkasse unter denselben Voraussetzungen stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung auch in einer zertifizierten Rehabilitationseinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111a SGB V besteht (§ 40 Abs 2 Satz 1 SGB V, dritte Stufe). Leistungen der jeweils höheren Stufe können nur in Anspruch genommen werden, wenn die Leistungen der vorherigen Stufe aus medizinischen Gründen nicht ausreichen. Maßgeblich ist, ob die Erbringung von Leistungen nach den vorrangigen Stufen bei einer prognostischen Beurteilung im Hinblick auf die Erreichung der Ziele des § 11 Abs 2 SGB V erfolglos sein wird (Senatsurteil vom 13.03.2012, L 11 KR 1612/11). Die Feststellung der Notwendigkeit und Erfolgsaussicht einer beantragten Reha-Maßnahme gehört zu den gerichtlich voll überprüfbaren Anspruchsvoraussetzungen und nicht zu der "Art der Leistung" im Sinne von § 40 Abs 3 Satz 1 SGB V, die die Krankenkasse nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt (BSG 25.03.2003, B 1 KR 33/01 R, SozR 4-1500 § 54 Nr 1).
Der Anspruch auf stationäre Rehabilitation nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGBV umfasst auch Leistungen der Familienorientierten Rehabilitation als eine Form der Kinderrehabilitation. Nach § 40 Abs 4 SGB V werden zwar Leistungen der ambulanten und stationären Rehabilitation von den Krankenkassen nur erbracht werden, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften solche Leistungen nicht erbracht werden können. Dies gilt aber ua nicht für Leistungen nach § 15a Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 14.12.2016 geltenden Fassung von Art 1 Nr 9 Flexirentengesetz vom 08.12.2016 (BGBl I S 2838) bzw § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI in der bis zum 13.12.2016 geltenden Fassung. Dies bedeutet, dass die Zuständigkeiten der Träger der GKV und der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit gleichrangig nebeneinander bestehen (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB V, § 40 Rn 32; Waßer in: jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016 § 40 SGB V Rn 70).
Um sicherzustellen, dass im Rahmen der Leistungsgesetze der Renten- und Krankenversicherung schwerst chronisch kranke Kinder und ihre Familien nach einheitlichen Voraussetzungen eine Familienorientierte Rehabilitation erhalten können, haben ua die Deutsche Rentenversicherung Bund und der GKV-Spitzenverband am 01.10.2009 eine "Verfahrensabsprache zu Anträgen der Familienorientierten" getroffen. Diese Verfahrensabsprache ist zwar weder für die Versicherten noch für das Gericht verbindlich, enthält aber Ausführungen zu den Voraussetzungen für eine Familienorientierte Rehabilitation, die nach Ansicht des Senats die Rechtslage auch für die Zeit vor Inkrafttreten des § 15a SGB VI insofern zutreffend wiedergeben, als maßgebend ist, dass die Mitaufnahme der Familienangehörigen eine notwendige Voraussetzung für den Rehabilitationserfolg des erkrankten Kindes ist (§ 2 Abs 2 Satz 2 der Verfahrensabsprache). Dies entspricht den Anforderungen nach dem ab 14.12.2016 geltenden § 15a Abs 2 Nr 2 SGBVI.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger an einer lymphatischen Leukämie litt, ein Rezidiv bislang aber nicht aufgetreten ist. Ferner besteht eine Entwicklungsverzögerung mit Schwerpunkt im Bereich der Sprache und grobmotorischer Koordinationsschwäche, eine Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität, impulsiven Tendenzen, einer verminderten Konzentration und Ausdauer. Dies entnimmt der Senat dem Bericht des SPZ T. vom 02.03.2017. Ob diese Störungen und Defizite eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit Begleitpersonen erfordern, lässt der Senat offen, da dies nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Der Kläger hat, vertreten durch seine Mutter, noch im Erörterungstermin vor dem SG betont, dass eine Familienorientierte Rehabilitation unter Einbeziehung aller Familienmitglieder benötigt werde. Eine solche Maßnahme hält der Senat indes nicht für erforderlich. Eine Wiederholung der Familienorientierten Rehabilitation im Hinblick auf die Krebserkrankung ist schon deshalb nicht mehr erforderlich, weil bislang kein Rezidiv aufgetreten ist. Soweit mit der Familienorientierten Rehabilitation auch dem Umstand Rechnung getragen werden soll, dass die Erstdiagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung und die sich daraus ergebende Primärbehandlung des Kindes die Familie völlig unvorbereitet trifft, kommt diesem Gesichtspunkt mehrere Jahre (ohne Auftreten von Rezidiven) nach dem erstmaligen Auftreten der Erkrankung keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zu. Die jetzige Erkrankung, die vornehmlich durch eine Entwicklungsverzögerung und starke Verhaltensauffälligkeiten gekennzeichnet ist, wurde und wird bereits durch verschiedene ambulante Maßnahmen (ua Logopädie, Ergotherapie) behandelt. Außerdem wird eine verhaltenstherapeutische Anbindung im SPZ-Bericht vom 02.03.2017 dringend notwendig betrachtet. Im Bericht des SPZ T. vom 30.03.2016 wird im Abschnitt "Beurteilung und Verlauf" eine Kontaktaufnahme mit der psychologischen Beratungsstelle für Eltern in H. vorgeschlagen. Außerdem wird eine Verhaltenstherapie für Kinder als indiziert und die Fortsetzung der ergotherapeutischen und logopädischen Behandlung als sinnvoll und erforderlich bezeichnet. Darüber hinaus sollte eine stationäre Aufnahme des Klägers zusammen mit der Mutter zB in die L.-Klinik in B. D. erwogen werden. Dies alles hält der Senat für überzeugend und schlüssig. Es ist für den Senat daher auch nicht ersichtlich, weshalb der Kläger eine stationäre Rehabilitation als Mutter-Kind oder Vater-Kind-Rehabilitation nicht in Erwägung zieht, sondern auf einer Familienorientierten Rehabilitation besteht. Die Notwendigkeit einer stationären Rehabilitation unter Einbeziehung aller Familienmitglieder bzw unter Einbeziehung beider Eltern und des Bruders lässt sich jedenfalls mit dem festgestellten Sachverhalt nicht begründen. Dies gilt auch, obwohl § 15a SGB VI die Voraussetzungen für die Gewährung einer Kinderrehabilitation erweitert hat.
Ob der Anspruch des Klägers auch daran scheitert, dass die beantragte Leistung nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung verordnet wurde (vgl § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 5 und 7 SGB V iVm § 2 Abs 5 Rehabilitations-Richtlinie), lässt der Senat offen (vgl hierzu LSG Berlin-Brandenburg 21.12.2016, L 9 KR 463/16 B ER, KHE 2016/94).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved