L 10 U 1574/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 334/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1574/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.01.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger am 10.06.2009 einen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Arbeitsunfall erlitt.

Der am 1964 geborene Kläger war bei der D. AG in S. versicherungspflichtig beschäftigt. Nebenberuflich übte er eine ehrenamtliche Tätigkeit für den V. aus, und zwar als Ortsvorstand des V. in S ... In dieser Funktion suchte der Kläger - so seine Angaben - nahezu wöchentlich das Rathaus der Gemeinde auf, um die für die Veröffentlichung im Gemeindeblatt vorgesehenen Mitteilungen des V. dort abzugeben.

Ausweislich des Vorerkrankungsverzeichnisses seiner Krankenkasse, der m. Betriebskrankenkasse (m. ), war der Kläger von April 2009 arbeitsunfähig, zunächst bis 31.05.2009 wegen chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und nachfolgend ab 01.06.2009 wegen Anpassungsstörungen; zusätzlich bestand ab 30.06.2009 Arbeitsunfähigkeit wegen Netzhautablösung mit Netzhautriss (vgl. Auskünfte der m. vom 15.12.2010 und 21.01.2011, Bl. 22 ff. und 30 ff. VerwA).

Am 10.06.2009 stellte sich der Kläger gegen 18.00 Uhr bei seinem Hausarzt, dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W. , vor und berichtete ihm, mit dem Auge auf einen Türknauf gestürzt zu sein. Es hätten Schürfwunden im Bereich des rechten Auges, konjunktivale Einblutungen und ein verschwommenes Sehen bestanden (vgl. Attest vom 11.02.2011, Bl. 142 VerwA). Anlässlich eines Behandlungstermins am 12.06.2009 fiel der Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. L. beim Kläger eine deutliche Rötung am rechten Auge auf, worauf diese ihn nach Schilderung von Symptomen, die auf eine Netzhautablösung schließen ließen, zum augenärztlichen Notdienst überwies (vgl. Bescheinigung vom 15.02.2011, Bl. 143 VerwA). Dementsprechend stellte sich der Kläger noch am 12.06.2009 gegen 18.30 Uhr bei dem Augenarzt Dr. P. vor und gab an, seit drei Tagen Schlieren und Probleme mit dem rechten Auge zu haben, ein schwarzer Punkt im Auge wandere. Dr. P. dokumentierte als Untersuchungsbefund am rechten Auge ein Netzhautloch bei 02.00 Uhr mit pigmentierter Umgebung, massive Glaskörperschlieren, einen Katarakt sowie einen Visus mit Korrektur von 0,3 und überwies den Kläger notfallmäßig in die Augenklinik des K. S. (vgl. Schreiben des Dr. P. vom 24.01.2011, Bl. 36 VerwA). Am 30.06.2009 stellte sich der Kläger in der Augenklinik des K. vor, wurde stationär aufgenommen und wegen einer Netzhautablösung am 01.07.2009 operativ behandelt, wobei u.a. der Glaskörper entfernt wurde (vgl. Bericht vom 05.07.2009, Bl. 2a/3 VerwA). Nach der im weiteren Verlauf im März 2010 durchgeführten Katarakt-Operation verblieb beim Kläger eine erhebliche Visusminderung rechts.

Im November 2010 ging bei der Beklagten die unter dem 25.10.2010 gefertigte, jedoch nicht unterzeichnete Unfallanzeige ein, in der ausgeführt ist, dass der Kläger auf dem Weg ins Rathaus am Eingangsbereich gestürzt, mit dem rechten Auge auf einen Türknauf aufgeschlagen sei und sich am Auge verletzt habe (Netzhautschaden). Als Anlage waren u.a. das Attest des Dr. P. vom 11.06.2010 (Anamnese: 10.06.2009 um 17.00 Uhr Sturz auf Türknauf, danach Sehstörungen, Überweisung Augenklinik, dort Operation; auf Grund Netzhautveränderung Sehschärfe auf 0,2 abgesunken, Besserung nicht möglich) und dessen handschriftliche Notiz vom 29.07.2010 (Untersuchung 12.09.2000 keine pathologische Veränderungen, jetzt bleibende Schäden) beigefügt. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Augenarztes Dr. W. , der auf Unklarheiten hinsichtlich des Unfallhergangs sowie der verspäteten ärztlichen Behandlung und Unfallanzeige hinwies, führte die Beklagte weitere Ermittlungen durch, wobei Dr. P. mit Schreiben vom 24.01.2011 ausführte, der Kläger habe erstmals am 11.06.2010 anamnestische Angaben zu dem angegeben Unfall im Jahr 2009 gemacht und seine Verwunderung darüber gezeigt, dass ihm - Dr. P. - dies nicht bekannt sei; nach den Angaben des Klägers sei dies bei Dr. W. und der Augenklinik dokumentiert. Dr. W. führte unter dem 25.01.2001 (Bl. 40 VerwA) aus, der Kläger sei bei der Abgabe von Unterlagen des V. für das Mitteilungsblatt S. im Eingangsbereich des Rathauses S. gestolpert, gestürzt und mit dem Kopf/Auge gegen den Türknauf gefallen (Unfallzeitpunkt ca. 17.00 Uhr). Er habe sich am 10.06.2009 um ca. 18.00 Uhr vorgestellt. Prof. Dr. W. , Ärztlicher Direktor der Augenklinik des K. , berichtete von der Überweisung des Dr. P. und der Erstvorstellung des Klägers am 30.06.2009. Ein eventueller Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall sei weder dem einweisenden noch dem aufnehmenden Arzt ersichtlich geworden. Eine eventuelle Unfallgenese sei erst anlässlich einer Begutachtung für die A. Versicherung AG bekannt geworden, im Gutachten aber nicht akzeptiert worden. Die Beklagte veranlasste sodann das Gutachten des Prof. Dr. A. , Direktor der Augenklinik im Städtischen Klinikum K. , der die Auffassung vertrat, dass als Ursache der Netzhautablösung das Trauma vom 10.06.2009 gesehen werden könne. Zum Unfallhergang dokumentierte der Gutachter die Angaben das Klägers dahingehend, dass er - der Kläger - am 10.06.2009 auf Treppenstufen gestürzt und hierbei mit dem Kopf auf einen Türknauf geschlagen sei und sich dabei das rechte Auge verletzt habe. Nachdem Dr. W. in seiner weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme zahlreiche Bedenken gegen die Einschätzung des Prof. Dr. A. aufführte, zog die Beklagte einen Auszug aus der Patientendokumentation des Dr. P. sowie ein Vorerkrankungsverzeichnis der A. - Die Gesundheitskasse S. B. bei und bat den Kläger um Einsicht in das erwähnte Gutachten der A. Versicherung AG, was der Kläger mit der Begründung verweigerte, dieses Gutachten habe nichts mit seinem Unfall zu tun und sei eine rein private Angelegenheit (Aktenvermerk vom 15.08.2011, Bl. 92 VerwA). In seiner weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme führte Dr. W. aus, nach den medizinischen Unterlagen deute alles - wenn überhaupt - auf einen länger zurückliegenden Unfall hin.

Mit Bescheid vom 26.01.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls wegen des Ereignisses vom 10.06.2009 ab. Selbst wenn der geschilderte Hergang so stimme, sei nicht nachgewiesen, dass sich der Kläger am 10.06.2009 einen Netzhautabriss zugezogen habe. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger u.a. das bereits erwähnte Attest des Dr. W. vom 11.02.2011 und die ebenfalls erwähnte Bescheinigung der Dr. L. vom 15.02.2011 vor, worauf die Beklagte das weitere Gutachten des Augenarztes Dr. W. veranlasste, der zu der Auffassung gelangte, dass die von Dr. P. am 12.06.2009 erhobenen Befunde nicht durch einen Unfall zwei Tage zuvor entstanden sein könnten. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Am 17.06.2013 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zum Unfallhergang vorgetragen, er sei beim Betreten des Rathauses auf der Treppe im Eingangsbereich gestolpert und gestürzt. Während des Sturzes sei er mit dem rechten Auge an den Türknauf der Eingangstür geschlagen und habe sich hierbei das Auge verletzt und sich einen Netzhautriss zugezogen. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass er auf den Wegen im Rahmen seiner Tätigkeit als Vorstand für den V. unfallversichert sei. Diese Kenntnis habe er später zufällig erlangt und unmittelbar danach den Unfall gemeldet.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG das (weitere) Gutachten des Prof. Dr. A. eingeholt, der - wie schon in seinem Gutachten für die Beklagte - die Netzhautablösung auf den Unfall vom 10.06.2009 zurückgeführt hat. Dieser Einschätzung ist die Beklagte unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. W. entgegen getreten.

Mit Urteil vom 27.01.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Vorliegen eines versicherten Unfallereignisses sei nicht nachgewiesen. Zeugen für den Unfall und die Tätigkeit des Klägers im Rathaus existierten nicht, so dass nur die Angaben des Klägers herangezogen werden könnten, was nach den vorliegenden Widersprüchlichkeiten nicht ausreichend sei. Zwar habe der behandelnde Hausarzt eine Vorstellung nach dem Unfallereignis und eine Schürfwunde bestätigt, jedoch seien bei Dr. P. und in der Augenklinik keine zeitnahen Angaben über ein Unfallereignis dokumentiert. Zwar erkläre die fehlende Kenntnis über seinen Unfallversicherungsschutz die verspätete Unfallmeldung, jedoch nicht, dass der Kläger gegenüber den aufgesuchten Augenärzten nicht über ein Trauma berichtete, obwohl dies für die Diagnostik hätte relevant sein können. Nicht erklärbar sei zudem, warum Dr. P. und Dr. L. - im Gegensatz zu Dr. W. - keine Schürfwunden dokumentiert haben, obwohl diese auch am 12.06.2009 noch hätten sichtbar sein müssen. Ungeachtet dessen seien auch keine Unfallfolgen festzustellen, wie Dr. W. in seinem Gutachten für die Beklagte überzeugend dargelegt habe.

Gegen das seinen Bevollmächtigten am 31.03.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.04.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe den Sachverhalt nicht ausschöpfend erforscht und ihm stattdessen - ebenso wie die von der Beklagten hinzugezogenen Augenärzte - den Versuch einer Leistungserschleichung unterstellt. Ihm müsse als ehrenamtlichem Mitarbeiter des V. zugestanden werden, dass ihm der Katalog des § 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) nicht sogleich bekannt sei. Die verzögerte Meldung des Unfalls schließe die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht aus. Das SG sei weder der naheliegenden Frage nachgegangen, ob Mitarbeiter des Rathauses seine regelmäßige Tätigkeit des Überbringens der Mitteilungen für das Amtsblatt bestätigen können, noch habe es die Beschaffung des Türknaufs an der Tür des Rathauses geklärt, obwohl immer wieder thematisiert worden sei, inwieweit eine derartige Augenverletzung von einem Türknauf herrühren könne. Bei diesem Türknauf handele es sich gerade nicht um einen "handelsüblichen" Türknauf von runder Form, sondern um ein handwerklich kunstvoll vergrößertes Ornament, das auch spitze Kanten aufweise und aufgrund dieser Besonderheit durchaus geeignet sei, eine Kopf- und Augenverletzung herbeizuführen.

Der Kläger hat Fotografien vorgelegt, die den Eingangsbereich des Rathauses und den Türknauf in Großaufnahme zeigen. Zur Feststellung der tatsächlichen Beschaffenheit des Türknaufs und der Örtlichkeit im Eingangsbereich des Rathauses wird auf diese Fotografien Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.01.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2013 zu verurteilen, den Unfall vom 10.06.2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Die Berichterstatterin des Senats hat den Kläger zu den Ereignissen im Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Unfall persönlich angehört. Auf die Niederschrift Bl. 37/45 der Senatsakte wird insoweit verwiesen.

Die Beteiligten habe auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs.2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 26.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte lehnte es zu Recht ab, das vom Kläger geschilderte Ereignis vom 10.06.2009, bei dem er sich eine Netzhautablösung zugezogen habe, als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen, weil ein Arbeitsunfall nicht vorliege, und diese bei Vorliegen eines Arbeitsunfalles einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstünden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 20).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Dabei sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII auch Personen versichert, die selbstständig und unentgeltlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Ausgehend hiervon ist nicht zu beanstanden, dass es die Beklagte - und ihr folgend das SG - nicht für erwiesen erachtet hat, dass der Kläger am 10.06.2009 im Rahmen seiner unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Tätigkeit für den V. (Abgabe von Unterlagen des V. im Rathaus) im Eingangsbereich des Rathauses auf Treppen stürzte, dabei mit dem rechten Auge auf den Türknauf aufschlug und sich verletzte. Auch der Senat vermag sich von einem Unfallereignis der behaupteten Art, mithin davon, dass sich der Kläger am 10.09.2009 bei einer versicherten Tätigkeit eine Augenverletzung zuzog, nicht zu überzeugen. Zutreffend hat das SG dargelegt, dass für den Nachweis des vom Kläger geschilderten Unfallereignisses mangels Zeugen lediglich die Angaben des Klägers zur Verfügung stehen und diese angesichts der vom SG näher beschriebenen und im Tatbestand wiedergegebenen Widersprüchlichkeiten nicht den Schluss zulassen, dass sich ein Unfall in der vom Kläger beschriebenen Art ereignete. Der Senat sieht insoweit deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ebenso wie für das SG ist auch für den Senat wenig plausibel, dass der Kläger weder Dr. P. noch den nachfolgend in Anspruch genommenen Augenärzten der Augenklinik des K. S. von dem Sturz berichtete, der Ausgangspunkt der aufgetretenen Sehstörungen gewesen sein soll (laut Dr. W. trat verschwommenes Sehen, wie ein Schleier auf; laut Dr. L. berichtete der Kläger am 12.06.2009 von Lichtblitzen und Gesichtsfeldausfällen; laut Angaben des Klägers im Erörterungstermin traten nach dem Sturz ein Druck auf dem Auge, grießiges Sehen und ein Vorhang vorm Auge auf, der wegging und immer wieder kam). Insoweit hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass es nahe gelegen hätte, jedenfalls den Sturz als solchen zu erwähnen, selbst wenn der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis davon hatte, dass der Sturz unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen würde. Denn zum einen hätten die zu den vorhandenen Sehstörungen führenden Umstände - so zutreffend das SG - für die Diagnostik Bedeutung gewinnen können und zum anderen handelte es sich bei einem Sturz um ein einschneidendes Ereignis, wobei der angegebene auch für den Kläger - wie er anlässlich seiner Anhörung dargelegt hat - von nicht nur unerheblicher Bedeutung war. So hat er geschildert, dass er bei dem Sturz zusätzlich noch auf den rechten Ellenbogen gefallen sei, was sehr schmerzhaft gewesen sei, da er sich dabei - nach den Angaben des Dr. W. , den er Tage später darauf angesprochen habe - noch eine Kapselverletzung ("an der Kapsel sei etwas weggeplatzt") zugezogen habe. Wenn aber diese schmerzhafte Ellenbogenverletzung für den Kläger - so seine weiteren Angaben im Erörterungstermin - nicht wichtig war, für ihn vielmehr das Auge ganz im Vordergrund gestanden habe, so ist wenig plausibel, dass er gegenüber keinem der von ihm nachfolgend in Anspruch genommenen Augenärzte (Dr. P. am 12.06.2009, die Ärzte der Augenklinik am 30.06.2009 in der Ambulanz und im stationären Bereich) das die Beschwerden am rechten Auge auslösende Ereignis auch nur erwähnte.

Mit seinen Ausführungen im Berufungsverfahren hat der Kläger die angesprochenen Widersprüchlichkeiten mit den dadurch begründeten Zweifeln an der Richtigkeit seines Vortrags schließlich auch nicht ausgeräumt, sondern vielmehr vertieft. So zeigen die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Fotos des Eingangsbereichs des Rathauses, dass die im Rahmen der Klagebegründung erfolgte Unfallschilderung, wonach er beim Betreten des Rathauses auf der Treppe im Eingangsbereich gestolpert und gestürzt sei, unzutreffend ist. Ein solcher Ablauf ist mit den Örtlichkeiten im Bereich der Eingangstür des Rathauses nicht in Einklang zu bringen. Denn im unmittelbaren Eingangsbereich befindet sich keine Treppe, die es ermöglichen würde, beim Stolpern auf den Türknauf der Eingangstür zu fallen. Eine Treppe findet sich zwar seitlich rechts im 90-Grad-Winkel zur Eingangstür, allerdings in einer Entfernung, die es nicht nachvollziehbar erscheinen lässt, dass ein Stolpern an dieser Stelle mit einer irgendwie gearteten Berührung der Eingangstür verbunden sein könnte. Konsequenterweise hat der Kläger anlässlich seiner Anhörung im Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf den entsprechenden richterlichen Vorhalt, nach Inaugenscheinnahme des ihm seitens seiner Bevollmächtigten vorgelegten Fotos auch erklärt, die Treppe sei viel zu weit weg vom Eingang, er sei nicht auf der Treppe gestolpert, er sei auf den Platten vor der Eingangstür möglicherweise hängen geblieben und gestürzt. Schon angesichts dieser Widersprüche im Vorbringen des Klägers können seine Darlegungen nicht Grundlage richterlicher Überzeugungsbildung sein, dass der Kläger einen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Sturz erlitt.

Auch die weiteren Ausführungen des Klägers zur Beschaffenheit des Türknaufs machen deutlich, dass sich der Unfall nicht so wie vom Kläger geschildert ereignet haben kann. So hat der Kläger im Berufungsverfahren in Bezug auf den Türknauf dargelegt, dass es sich nicht um einen handelsüblichen Türknauf von runder Form, sondern um ein handwerklich kunstvoll vergrößertes Ornament handele, das auch spitze Kanten aufweise und daher aufgrund seiner besonderen Beschaffenheit geeignet sei, eine Kopf- und Augenverletzung herbeizuführen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Fotografie des Türknaufs zeigt demgegenüber aber einen auf der Oberfläche glatten und von der Form runden Türknauf mit nach außen abgerundeten Kanten. Er weist keinerlei Ornamente oder kunsthandwerkliche spitze Kanten auf. Sollte die Augenverletzung des Klägers daher tatsächlich aufgrund der Besonderheit des Türknaufs, auf die der Kläger gestürzt sein will, zustande gekommen sein, so jedenfalls nicht durch einen Sturz auf den Türknauf der Eingangstür des Rathauses der Gemeinde S ... Soweit die Bevollmächtigte des Klägers auf Vorhalt der entsprechenden Ausführungen in der Berufungsbegründungsschrift, die mit der Beschaffenheit des Türknaufs auf dem vorgelegten Foto auch nicht ansatzweise in Einklang gebracht werden kann, ausgeführt hat, die Beschreibung ihrerseits beruhe auf einer Fehlinterpretation der Angaben des Klägers, überzeugt dies nicht. Denn selbst wenn die Bevollmächtigte des Klägers sich den Türknauf - so ihre weiteren Angaben - nach der Beschreibung des Klägers so wie in der Berufungsbegründungsschrift dargelegt vorgestellt hat, erklärt dies die zu Tage getretene Diskrepanz nicht. Denn es ist keinesfalls plausibel, dass eine Beschreibung des Türknaufs, wie er am Eingang des Rathauses vorhanden ist, nämlich aus Holz gefertigt, glatt und ohne jegliche Ornamente, Kanten oder Spitzen, Grundlage für die Vorstellung der Bevollmächtigten des Klägers werden konnte, dass es sich um einen handwerklich kunstvoll vergrößertes Ornament handelt, das als Besonderheit auch spitze Kanten aufweise.

Nach alledem und angesichts der Schilderungen des Klägers anlässlich seiner persönlichen Anhörung schließt es der Senat zwar nicht gänzlich aus, dass der Kläger am 10.09.2009 stürzte, allerdings nicht bei einem Besuch des Rathauses in dessen Eingangsbereich im Zusammenhang mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit.

Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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