Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 508/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2626/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.06.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt ab 01.10.2015 die Durchführung der Kranken- und Pflegeversicherung der Studenten (Studentenversicherung).
Der 1985 geborene Kläger legte im Jahr 2001 den Hauptschulabschluss ab. Von August 2001 bis Juni 2004 absolvierte er eine Ausbildung zum Restaurantfachmann und von Juli 2004 bis Juni 2005 eine Ausbildung zum Hotelfachmann. Von Juli 2005 bis April 2013 war der Kläger (mit Unterbrechung wegen saisonbedingter Arbeitslosigkeit von Mai 2006 bis Juli 2006) in verschiedenen Hotel- und Restaurantbetrieben sowie (im Rahmen einer Nebentätigkeit) bei einem Sicherheitsdienst (Dezember 2006 bis November 2007) beschäftigt. Von Februar 2009 bis Februar 2013 besuchte er das Abendgymnasium I. und erwarb auf dem Zweiten Bildungsweg die allgemeine Hochschulreife (Reifeprüfungszeugnis vom 04.02.2013). Im Anschluss daran war der Kläger als Busfahrer in Österreich (April 2013 bis Juni 2013), in Deutschland (Juni 2013 bis Juli 2014) und in der Schweiz (August 2014 bis September 2015) beschäftigt.
Zum Wintersemester 2014/2015 bewarb sich der Kläger bei der Bundeswehr um die Einstellung in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes bzw. um die Zulassung zum Studium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität der Bundeswehr. Außerdem beantragte er bei der Universität S. ebenfalls die Zulassung zum Studium der Luft-und Raumfahrttechnik.
Mit Schreiben vom 17.06.2014 lehnte die Bundeswehr die Bewerbung des Klägers ab. Mit Bescheid vom 22.07.2014 lehnte die Universität S. den Zulassungsantrag des Klägers (ebenfalls) zunächst ab, ließ den Kläger sodann aber mit E-Mail (und Bescheid) vom 23.09.2014 im Rahmen einer Einzelfallentscheidung doch noch zum Studium zu. Der Kläger entschied sich aufgrund des kurzfristig ergangenen Zulassungsbescheids, das Studium an der Universität S. zum Wintersemester 2014/2015 nicht aufzunehmen.
Zum Wintersemester 2015/2016 beantragte der Kläger bei der Universität S. erneut die Zulassung zum Studium der Luft- und Raumfahrttechnik. Am 01.09.2015 wurde er von der Universität S. zum Studium zugelassen. Das Wintersemester 2015/2016 begann am 01.10.2015. An diesem Tag nahm der Kläger das Studium auch auf. Er ist als Student an der Universität S. eingeschrieben.
Am 06.10.2015 beantragte der - bei den Beklagten freiwillig versicherte - Kläger die Durchführung der Studentenversicherung ab 01.10.2015 (voraussichtliches Studienende 30.09.2019). Er habe die Hochschulreife auf dem Zweiten Bildungsweg erworben. Wehr-/Zivildienst bzw. freiwilligen Wehrdienst/Bundesfreiwilligendienst habe er nicht geleistet.
Der Kläger trug unter Hinweis auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Hamburg vom 22.09.2014 (- 4 Bf 200/12 -, in juris) vor, es dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass er vor Vollendung des 30. Lebensjahre auf ein "Parkstudium" verzichtet habe. Er habe das Haus seiner Eltern (Zweifamilienhaus) erworben und dafür einen Bankkredit aufgenommen. Aufgrund der monatlichen Kreditbelastung habe er das Studium nicht früher (als zum 01.10.2015) aufnehmen können. Das Haus habe er nicht verkaufen können, da seinen Eltern ein Wohnrecht bestellt worden sei. Nach der Trennung seiner Eltern und dem Auszug seiner Mutter könne er Teile des Hauses nunmehr (Oktober 2015) vermieten, um die monatlichen Verpflichtungen aus dem Bankkredit zu bewältigen. Wäre er seinerzeit nicht in Vollzeit berufstätig gewesen, wäre es zur Privatinsolvenz gekommen. Wegen der Kurzfristigkeit der Zulassung zum Wintersemester 2014/2015 habe er sein (Vollzeit-)Arbeitsverhältnis (als Busfahrer) nicht fristgerecht kündigen können. Während des Studiums dürfe er nicht in Vollzeit berufstätig sein, so dass die Immatrikulation nicht möglich gewesen wäre.
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Bescheid vom 03.11.2015 lehnte die Beklagte zu 1) die Durchführung der Studentenversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, Versicherungspflicht zur Studentenversicherung trete nur bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres ein. Die Aufnahme eines Studiums nach Vollendung des 30. Lebensjahres schiebe die Altersgrenze nicht hinaus, da der späte Studienbeginn grundsätzlich auf den zuvor ausgeübten Beschäftigungen und nicht auf dem vorherigen Beschreiten des Zweiten Bildungswegs beruhe. Bei Studienaufnahme nach dem 30. Lebensjahr könne die Studentenversicherung nur ausnahmsweise durchgeführt werden, wenn dem rechtzeitigen Studienbeginn hinreichend gewichtige Gründe entgegengestanden hätten. Die vom Kläger vorgebrachten Gründe - Nichtzulassung zur gewählten Ausbildung und familiäre sowie finanzielle Gründe - genügten hierfür nicht. Der Beschluss des OVG Hamburg vom 22.09.2014 (a.a.O.) habe die Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zum Gegenstand und sei hier nicht von Belang. Die freiwillige Versicherung des Klägers werde weiterhin durchgeführt.
Mit Schreiben vom 01.12.2015 erhob der Kläger Widerspruch. Er trug ergänzend vor, bei Zulassung zum Studium am 01.09.2015 sei er noch 29 Jahre alt gewesen. Er habe durchgängig bis September 2015 gearbeitet, weil er auf ein eigenes Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes angewiesen gewesen sei. Sein letztes Arbeitsverhältnis (Busfahrer in der Schweiz) habe zum 30.09.2015 geendet und er habe das Studium am 01.10.2015 nahtlos aufgenommen. Wegen eines Irrtums auf Seiten der Universität S. sei der Zulassungsbescheid für das Wintersemester 2014/2015 erst eine Woche vor Ablauf der Immatrikulationsfrist ergangen, so dass er sein damaliges Arbeitsverhältnis nicht mehr habe fristgerecht kündigen können. Seine Eltern hätten ihn in seinem Studienwunsch nicht unterstützt. Im Jahr 2010 habe er das Elternhaus mit Hilfe eines Bankkredits erworben. Wegen der monatlichen Kreditbelastungen habe er das Studium nicht früher aufnehmen können. Der Verzicht darauf, vor Vollendung des 30. Lebensjahres ein "Parkstudium" ("Parksemester") einzulegen, sei hochschulrechtlich vernünftig und dürfe ihn nicht gegenüber Studenten benachteiligen, deren Studium auch zum Sommersemester beginne. Die höhere Beitragsbelastung bei Fortführung der freiwilligen Versicherung gefährde den Studienerfolg.
Mit Beschluss vom 12.02.2016 (- 11 K 5485/15 -) gab das Verwaltungsgericht S. (VG) dem Studierendenwerk S. im Wege der einstweiligen Anordnung auf, dem Kläger vorläufig Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe als Darlehen zu gewähren.
Mit (auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem) Widerspruchsbescheid vom 18.02.2016 wies die Beklagte zu 1) den Widerspruch des Klägers zurück. Ergänzend führte sie aus, der Kläger habe die Hochschulreife im Alter von 27 Jahren erworben. Er hätte erstmals zum Wintersemester 2013/2014 ein Hochschulstudium aufnehmen können. Bis zum 30.09.2015 sei der Kläger (stattdessen) entgeltlichen Beschäftigungen nachgegangen. Ein Hochschulstudium habe er erst am 01.10.2015 nach Vollendung des 30. Lebensjahrs aufgenommen. Hinreichende Gründe für das Hinausschieben der für die Durchführung der Studentenversicherung maßgeblichen Altersgrenze von 30 Jahren bestünden nicht.
Am 26.02.2016 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Außerdem suchte er um vorläufigen Rechtsschutz nach (Verfahren S 9 KR 507/16 ER); der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde am 11.03.2016 wieder zurückgenommen.
Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger vor, er habe die Altersgrenze von 30 Jahren nur geringfügig überschritten. Seine Eltern hätten ihn in seinem Studienwunsch nicht unterstützt. Man könne ihm nicht vorwerfen, dass er das Studium nicht schon zum Wintersemester 2013/2014 aufgenommen habe. Im Jahr 2010 habe er das Elternhaus mit Hilfe eines Bankkredits erworben, den er mit monatlich laufenden Hypothekenraten bediene. Mit dem Kaufpreis seien erhebliche Schulden seiner (bedürftigen und Sozialleistungen beziehenden) Eltern, denen er auch unterhaltspflichtig sei, abgelöst worden. Um die monatlichen Hypothekenraten zahlen zu können, habe er weiterhin (als Busfahrer) erwerbstätig sein müssen. Er habe allein zur Sicherung des Lebensunterhalts weitergearbeitet. Das Elternhaus habe er wegen des Wohnrechts seiner Eltern nicht verkaufen können. Der Verzicht auf ein "Parkstudium" ("Parksemester") vor dem 30. Lebensjahr (Sommersemester 2015) dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität S. könne jeweils nur zum Wintersemester aufgenommen werden. Die Beitragsdifferenz der Studentenversicherung zur freiwilligen Versicherung betrage ca. 100,00 EUR monatlich. Ergänzend werde auf den Beschluss des VG vom 12.02.2016 (a.a.O.) Bezug genommen.
Die Beklagten traten der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Bescheide entgegen. Der Kläger sei zum Mindestbeitrag freiwillig versichert; die Beitragsdifferenz zur Studentenversicherung (Krankenversicherung) betrage monatlich 85,33 EUR. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum BAföG sei für die Durchführung der Studentenversicherung nicht maßgeblich. Es komme auch nicht auf die Frage der Zumutbarkeit eines "Parkstudiums" an. Unerheblich sei, dass der Kläger die Altersgrenze der Studentenversicherung nur um wenige Tage überschritten habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.06.2016 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage, die sich auch gegen die bei der Beklagten zu 1) errichtete Pflegekasse (Beklagte zu 2)) richte, sei als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz, SGG) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) seien (kraft Gesetzes, ohne Versicherungsbeitritt) versicherungspflichtig zur Studentenversicherung Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben seien, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hätten, wenn für sie auf Grund über- und zwischenstaatlichen Rechts kein Anspruch auf Sachleistung bestehe, bis zum Abschluss des 14. Fachsemesters, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres; Studenten nach Abschluss des 14. Fachsemesters oder nach Vollendung des 30. Lebensjahres seien nur versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungsweges, die Überschreitung der Altersgrenze oder eine längere Fachstudienzeit rechtfertigten. Bei Absolventen des Zweiten Bildungsweges, die diesen so spät beschritten hätten, dass sie erst nach Vollendung des 30. Lebensjahres mit dem Studium hätten beginnen können, sei die Überschreitung des Altersgrenze für die Studentenversicherung in der Regel nicht mehr gerechtfertigt. Die Überschreitung beruhe dann regelmäßig nicht mehr auf dem Erwerb der Hochschulzugangsvoraussetzungen im Zweiten Bildungsweg, sondern auf einer langjährigen Berufsausübung vor dessen Beginn. Für solche Studenten komme wegen des Ausnahmecharakters des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V und weil der Altersbereich zwischen neunzehn und dreißig Jahren, für den die Studentenversicherung vorgesehen sei, vollkommen verlassen werde, die Studentenversicherung grundsätzlich nicht in Betracht (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 3/91 -, in juris). Studenten mit Studienbeginn nach Vollendung des 30. Lebensjahres seien nur ausnahmsweise versicherungspflichtig zur Studentenversicherung, wenn bei ihnen in der Zeit zwischen etwa der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres und dem Beginn des Zweiten Bildungsweges sowie zwischen dem Abitur im Zweiten Bildungsweg und dem Studienbeginn im wesentlichen anzuerkennende Hinderungsgründe vorgelegen hätten (BSG, Urteil vom 23.06.1994, - 12 RK 71/93 -, in juris unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.06.1993, - 12 RK 6/93 -, in juris). Beim Kläger lägen zwischen der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres (September 2005) und dem Beginn des Zweiten Bildungsweges (Februar 2009) durchgängig Zeiten der Berufstätigkeit vor, die nicht Voraussetzung für das Beschreiten des Zweiten Bildungsweges gewesen seien. Solche Zeiten würden grundsätzlich nicht anerkannt (BSG, Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 40/91 -, in juris). Der Kläger habe die Voraussetzungen für das spätere Beschreiten des Zweiten Bildungsweges bereits mit dem Abschluss der Ausbildung zum Hotelfachmann (Juni 2005) erfüllt. Da er somit mehr als 3 Jahre länger als für den Zweiten Bildungsweg erforderlich berufstätig gewesen sei und hierdurch bedingt sein Studium erst nach Vollendung des 30. Lebensjahres aufgenommen habe, fehle es an der erforderlichen Kausalität der für die übrige Zeit geltend gemachten Hinderungsgründe. Selbst wenn Hinderungszeiten von kurzer Dauer unberücksichtigt bleiben dürften, könne dies jedenfalls für einen Zeitraum von drei Jahren nicht gelten (BSG, Urteil vom 23.06.1994, a.a.O.). Ob sich in der Kausalitätsfrage eine Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Ausbildungsförderung herstellen lasse (vgl. § 10 Abs. 3 BAföG), sei in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung (BSG, Urteil vom 30.09.1992, a.a.O.). Da zwischen der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres des Klägers und dem Beginn des Zweiten Bildungsweges keine anzuerkennenden Hinderungszeiten vorlägen, müsse nicht abschließend geklärt werden, ob es solche Zeiten durchgängig zwischen dem Abitur (Februar 2013) und dem Studienbeginn (Oktober 2015) gebe. Deswegen sei nicht entscheidungserheblich, ob die aus dem Hauskauf im Jahr 2010 folgenden finanziellen Belastungen des Klägers sowie die kurzfristig erteilte Zulassung zum Studium im Wintersemester 2014/2015 der rechtzeitigen Studienaufnahme entgegen gestanden hätten. Jedenfalls bis zum Beginn des Zweiten Bildungsweges im Jahr 2009 seien keine Hinderungsgründe erkennbar, die eine Überschreitung der Altersgrenze für die Studentenversicherung rechtfertigen könnten. Die mangelnde finanzielle Unterstützung durch die Eltern sei im Hinblick auf die Förderungsmöglichkeiten nach Maßgabe des BAföG unerheblich. Das Aufschieben des Studienbeginns aus Gründen der Zweckmäßigkeit oder zum Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen, die für den Zweiten Bildungsweg oder ein späteres Studium nützlich sein und die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt verbessern könnten, genüge ebenfalls nicht (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.1992, a.a.O.). Härten der gesetzlich normierten Altersgrenze für Studenten, die - wie der Kläger - das Studium kurz nach Vollendung des 30. Lebensjahres aufnähmen, seien verfassungsrechtlich unbedenklich, da solche Härten jeder Stichtagsregelung immanent seien (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 22.05.2001, - 1 BvL 4/96 -, in juris). Bei einem Studienbeginn vor Vollendung des 30. Lebensjahres werde in typisierender Betrachtungsweise davon ausgegangen, dass der Zweite Bildungsweg und die ggf. für ihn erforderlichen Vorbeschäftigungszeiten für die Überschreitung der Altersgrenze ursächlich gewesen seien. Bei einem Studienbeginn nach Vollendung des 30. Lebensjahres ergebe die typisierende Betrachtungsweise dagegen, dass eine zuvor ausgeübte Beschäftigung für den späten Studienbeginn kausal gewesen sei mit der Folge, dass bei gleichwohl geltend gemachter Ursächlichkeit von Hinderungsgründen diese im Einzelnen nachgewiesen werden müssten (BSG, Urteil vom 23.06.1994, a.a.O.).
Gegen den ihm am 16.06.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.07.2016 Berufung eingelegt. Er wiederholt und bekräftigt sein bisheriges Vorbringen. Zwischen der Vollendung des 20. Lebensjahrs (September 2005) und dem Beginn des Zweiten Bildungsweges (Abendgymnasium ab Februar 2009) lägen anzuerkennende Hinderungszeiten. Er habe gleichsam mit dem Hauptschulabschluss begonnen und sodann durch das Absolvieren einer beruflichen Ausbildung zuerst die Mittlere Reife erwerben müssen. Im Anschluss daran habe er berufstätig sein müssen, weil er auf ein eigenes Erwerbseinkommen angewiesen gewesen sei. Seine Eltern hätten ihn nicht finanziell unterstützt; sie wären dazu auch wegen erheblicher Schulden nicht in der Lage und sie seien gegen ein Studium eingestellt gewesen. Für die Rechtfertigung des Überschreitens der Altersgrenze müsse auf den Zeitraum zwischen dem Beginn des Zweiten Bildungsweges (2009) und der Aufnahme des Studiums am 01.10.2015 abgestellt werden. Das VG habe (im Hinblick auf die Gewährung von Leistungen nach Maßgabe des BAföG) festgestellt, dass er nach dem Erwerb der Hochschulreife unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, das Studium aufgenommen habe; das sei auch hier maßgeblich. Er habe den avisierten Studienbeginn zum Wintersemester 2014/2015 nur wegen eines Fehlers der Universität S. noch einmal um ein Jahr verschieben müssen. Die Aufnahme des Studiums zum Wintersemester 2013/2014 sei wegen der Unterhaltspflicht gegenüber seinen Eltern bzw. wegen der übernommenen Schuldenlast für das elterliche Haus nicht möglich gewesen. Mit dem finanzierten Kaufpreis für das Elternhaus habe er die Schulden seiner Eltern abgelöst. Deswegen sei er gezwungen gewesen, zunächst für eine gewisse Zeit erwerbstätig zu bleiben. Das SG habe seine besondere persönliche Situation nicht ausreichend gewürdigt. Aufgrund der zumindest seit dem Jahre 2005 durchgängig bestehenden prekären finanziellen Lage seiner Eltern und deren Weigerung, ein Studium in irgendeiner Form zu unterstützen, sei es ihm nicht zuzumuten gewesen, unmittelbar nach Abschluss seiner Berufsausbildung bzw. Erwerb der Mittleren Reife den Zweiten Bildungsweg über das Abendgymnasium zu beschreiten. Man dürfe für die Studentenversicherung nicht verlangen, dass der Zweite Bildungsweg vom Hauptschulabschluss an bis zur Allgemeinen Hochschulreife gleichsam in einem Zug absolviert werde; das werde den besonderen Umständen seines Einzelfalls nicht gerecht. Beim Erwerb des Elternhauses sei zunächst verabredet worden, dass seine Eltern die Bankkredite während seines Studiums weiter bedienen sollten; sie hätten es sich dann aber anders überlegt und sich an seinen Kreditverbindlichkeiten nicht beteiligt. Auf die Inanspruchnahme von Förderleistungen nach Maßgabe des BAföG dürfe man ihn nicht verweisen, weil er gewährte BAföG-Kredite wieder zurückzahlen müsste.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.06.2016 und den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 03.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2016 aufzuheben und festzustellen, dass er seit 01.10.2015 in der Kranken- und Pflegeversicherung der Studenten versicherungspflichtig ist.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Zeiten der Berufsausbildung und der Berufstätigkeit des Klägers von 2001 bis 2015 seien derart umfangreich, dass in dieser Zeit, spätestens jedoch nach Abschluss der Ausbildung 2005, der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung möglich gewesen wäre. Der Kläger habe schon vorher den Wunsch gehabt, ein Studium aufzunehmen. Beim Kauf des Elternhauses habe der Kläger wissen müssen, dass ein Studium - egal in welcher Form - schwierig zu finanzieren sein würde. Da der Kläger das Abitur berufsbegleitend erworben habe, sei diese Zeit nicht als Verzögerungszeit einzustufen. Der Kläger habe auch mehrfach bestätigt, dass die Erwerbstätigkeit aus wirtschaftlichen Gründen notwendig gewesen sei. Er hätte sich zum Wintersemester 2013/2014 an mehr als zwei Universitäten bewerben können. Rein finanzielle Gründe für die Verzögerung der Studienaufnahme bzw. des Studiums selbst seien für die Rechtfertigung der Altersgrenzenüberschreitung nicht maßgeblich (vgl. auch etwa Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen, Urteil vom 09.05.1990, - L 4 KR 61/90 -, in juris: auch Werkstudenten müssten bei allem Zeitaufwand, den die Beschaffung des eigenen Lebensunterhalts erfordere, die gesetzlichen Höchstgrenzen einhalten). Unerheblich sei schließlich auch, dass die Altersgrenze nur um wenige Tage überschritten worden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten zu 1), des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Durchführung der Studentenversicherung zu Recht abgelehnt. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des SG und nimmt auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist anzumerken:
Das SG hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass der Kläger das Studium erst nach der Vollendung des 30. Lebensjahrs als der für die Durchführung der Krankenversicherung der Studenten maßgeblichen Altersgrenze aufgenommen hat. Student i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V ist, wer sich an einer Hochschule einer wissenschaftlichen Bildung oder Ausbildung unterzieht (jurisPK-SGB V/Felix § 5 Rdnr. 61; KassKomm/Peters SGB V § 5 Rdnr. 91, 92). Die Zulassung zum Studium oder die Immatrikulation an der Hochschule für sich allein begründen Versicherungspflicht zur Studentenversicherung nicht. Maßgeblich ist daher nicht der Zeitpunkt der Zulassung des Klägers zum Studium (01.09.2015), sondern die Aufnahme des Studiums mit Beginn des Wintersemesters am 01.10.2015. Zu diesem Zeitpunkt hatte der (am 11.09.1985 geborene) Kläger das 30. Lebensjahr bereits vollendet. Die Überschreitung der Altersgrenze um (nur) knapp 3 Wochen ist unerheblich; das SG hat das in seinem Gerichtsbescheid im Einzelnen zutreffend dargelegt.
Das Gesetz begrenzt die - beitragsgünstige - Studentenversicherung auf einen Altersabschnitt, in dem die Studenten Leistungen der Krankenversicherung in unterdurchschnittlichem Maße in Anspruch nehmen, weil ihr Gesundheitszustand altersbedingt im allgemeinen gut ist und beitragsfrei versicherte Familienangehörige (§ 10 SGB V) seltener und erst im Laufe der Zeit hinzukommen. Die Studenten bleiben, sofern sie nicht familienversichert oder von der Versicherungspflicht befreit sind (§ 5 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 10 SGB V; § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V), weiterhin in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig, obwohl diese auch heute noch im Kern eine Versicherung der abhängig Beschäftigten ist (BSG, Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 40/91 -, in juris Rdnr. 15 und Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 3/91 - in juris Rdnr. 14). Deshalb kann von der Altersgrenze von 30 Jahren nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen abgewichen werden; die hierfür maßgebliche Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V hat Ausnahmecharakter. Die Überschreitung der Altersgrenze von 30 Jahren ist daher nur durch Gründe von solcher Art und solchem Gewicht zu rechtfertigen, die nicht nur aus der Sicht des Einzelnen, sondern auch bei objektiver Betrachtungsweise die Aufnahme eines Studiums oder seinen Abschluss verhindern oder als unzumutbar erscheinen lassen; das Studium aufzuschieben, weil dieses lediglich als zweckmäßig oder sinnvoll erscheint, reicht demgegenüber nicht aus (BSG, Urteil vom 15.10.2014, - B 12 KR 1/13 R -, in juris Rdnr. 15; KassKomm-Peters, SGB V § 5 Rdnr. 101). Ein danach anzuerkennender Hinderungsgrund bzw. die auf ihm beruhende (anzuerkennende) Hinderungszeit muss außerdem für die Überschreitung der Altersgrenze ursächlich sein (BSG, a.a.O. Rdnr. 17); die Überschreitung der Altersgrenze darf nicht auf (nicht anzuerkennenden) Nichthinderungszeiten beruhen.
Versicherungspflicht zur Studentenversicherung kann zwar auch noch nach Vollendung des 30. Lebensjahres eintreten. Wegen des Ausnahmecharakters des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V und weil bei solchen Studenten der Altersbereich zwischen 19 und 30 Jahren, für den die Studentenversicherung aus den vorstehend genannten Erwägungen (eigentlich nur) vorgesehen ist, vollkommen verlassen wird, kommt das jedoch nur in Betracht, wenn im Alter zwischen etwa 20 Jahren und der Altersgrenze von 30 Jahren sowie weiter bis zum Beginn des Studiums Hinderungsgründe bestanden haben, die für einen so späten Studienbeginn ursächlich waren und damit das Überschreiten der Altersgrenze rechtfertigen (BSG, Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 3/91 -, in juris Rdnr. 15 m.w.N.). Als anzuerkennende Hinderungszeit scheidet die Zeit einer Berufstätigkeit vor dem Zweiten Bildungsweg regelmäßig aus. In dieser Zeit waren die Betreffenden zwar an der Aufnahme eines Studiums gehindert, weil sie die Zugangsvoraussetzungen noch nicht erfüllten. Sie konnten aber, jedenfalls wenn sie das Alter von etwa 20 Jahren überschritten hatten, den Zweiten Bildungsweg als Vorstufe des späteren Studiums ebenso beschreiten wie Abiturienten, die nach dem Besuch eines Gymnasiums im Alter von etwa 19 Jahren das Abitur abgelegt hatten, anschließend die Aufnahme eines Studiums möglich war. Wenn bei diesen die Ausübung einer längeren Berufstätigkeit zwischen dem Abitur und dem Beginn des Studiums nach dem Urteil des BSG vom 30.09.1992 (- 12 RK 40/91 -, in juris) keine Zeit der Verhinderung (Hinderungszeit) darstellt, kann für eine längere Berufstätigkeit, die Absolventen des Zweiten Bildungswegs ausgeübt haben, aus Gründen der Gleichbehandlung nichts anderes gelten. Bei ihnen kommt die Zeit der Berufstätigkeit als Hinderungszeit nur in Betracht, soweit sie Voraussetzung für das Beschreiten des Zweiten Bildungswegs gewesen ist. Ansonsten ist die Zeit vor Beschreiten des Zweiten Bildungswegs nur Hinderungszeit, soweit andere nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V anzuerkennende Gründe (z. B. Krankheit) vorgelegen haben (BSG, Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 3/91 - Rdnr. 17).
Studenten mit Studienbeginn nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres sind in der Studentenversicherung daher nur dann versicherungspflichtig, wenn bei ihnen in der Zeit zwischen etwa der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres und dem Beginn des Zweiten Bildungsweges sowie zwischen dem Abitur im Zweiten Bildungsweg und dem Studienbeginn im wesentlichen durchgehend Hinderungsgründe vorgelegen haben (BSG, Urteil vom 23.06.1994, - 12 RK 71/93 -, in juris Rdnr. 12). Unerheblich ist, ob im Einzelfall (anzuerkennende) Hinderungszeiten (nicht anzuerkennende) Nichthinderungszeiten überwiegen. Für die Kausalitätsprüfung sind alle Nichthinderungszeiten zu berücksichtigen, sofern sie nicht wegen kurzer Dauer als unerheblich ausgeschieden werden können (BSG, Urteil vom 23.06.1994, - 12 RK 71/93 -, in juris Rdnr. 15).
Beim Kläger liegt zwischen der Vollendung des 20. Lebensjahrs im September 2005 und dem Beschreiten des Zweiten Bildungswegs (im Februar 2009) ein Zeitraum von knapp 3 1/2 Jahren. Während dieser Zeit ist der Kläger in Vollzeit erwerbstätig gewesen, was (unstreitig) nicht Voraussetzungen für das Beschreiten des Zweiten Bildungswegs gewesen ist. Das SG hat auch zutreffend angenommen, dass Hinderungsgründe i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V für diese Zeit nicht vorliegen. Die mangelnde (auch finanzielle) Unterstützung durch die Eltern genügt nicht, zumal das BAföG für solche Fälle Förderleistungen vorsieht. Dass darlehensweise gewährte Förderleistungen im späteren Berufsleben wieder zurückgezahlt werden müssen, ist unerheblich. Die Zeit von September 2005 bis Februar 2009 stellt daher eine Nichthinderungszeit dar, die auch nicht wegen kurzer Dauer aus der Kausalitätsprüfung auszuscheiden ist (BSG, Urteil vom 23.06.1994, - 12 RK 71/93 -, in juris Rdnr. 15 zu einem Zeitraum von 3 Jahren). Für die Aufnahme des Studiums nach Vollendung des 30. Lebensjahres am 01.10.2015 ist die genannte Nichthinderungszeit ursächlich gewesen. Die Zwischenzeit der saisonbedingten Arbeitslosigkeit von Mai 2006 bis Juli 2006 ändert nichts.
Die vom Kläger für die spätere Zeit - ab 2009 bzw. ab Erwerb der Hochschulreife im Februar 2013 - geltend gemachten Umstände insbesondere im Hinblick auf den Erwerb des Elternhauses würden nach Auffassung des Senats eine anzuerkennende Hinderungszeit im Übrigen nicht begründen, da Hinderungszeiten in Fallgestaltungen dieser Art die Studentenversicherung für einen weiten Personenkreis in einem Altersabschnitt öffnen würden, für den sie nach der eingangs dargestellten Zielsetzung des Gesetzes nicht vorgesehen ist; es kommt entscheidungserheblich hierauf aber nicht an.
Die für die Anwendung des BAföG geltenden Rechtsgrundsätze (§ 10 Abs. 3 BAföG) sind für die Versicherungspflicht zur Studentenversicherung nicht maßgeblich (vgl. auch BSG, Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 3/91 -, in juris Rdnr. 14).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt ab 01.10.2015 die Durchführung der Kranken- und Pflegeversicherung der Studenten (Studentenversicherung).
Der 1985 geborene Kläger legte im Jahr 2001 den Hauptschulabschluss ab. Von August 2001 bis Juni 2004 absolvierte er eine Ausbildung zum Restaurantfachmann und von Juli 2004 bis Juni 2005 eine Ausbildung zum Hotelfachmann. Von Juli 2005 bis April 2013 war der Kläger (mit Unterbrechung wegen saisonbedingter Arbeitslosigkeit von Mai 2006 bis Juli 2006) in verschiedenen Hotel- und Restaurantbetrieben sowie (im Rahmen einer Nebentätigkeit) bei einem Sicherheitsdienst (Dezember 2006 bis November 2007) beschäftigt. Von Februar 2009 bis Februar 2013 besuchte er das Abendgymnasium I. und erwarb auf dem Zweiten Bildungsweg die allgemeine Hochschulreife (Reifeprüfungszeugnis vom 04.02.2013). Im Anschluss daran war der Kläger als Busfahrer in Österreich (April 2013 bis Juni 2013), in Deutschland (Juni 2013 bis Juli 2014) und in der Schweiz (August 2014 bis September 2015) beschäftigt.
Zum Wintersemester 2014/2015 bewarb sich der Kläger bei der Bundeswehr um die Einstellung in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes bzw. um die Zulassung zum Studium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität der Bundeswehr. Außerdem beantragte er bei der Universität S. ebenfalls die Zulassung zum Studium der Luft-und Raumfahrttechnik.
Mit Schreiben vom 17.06.2014 lehnte die Bundeswehr die Bewerbung des Klägers ab. Mit Bescheid vom 22.07.2014 lehnte die Universität S. den Zulassungsantrag des Klägers (ebenfalls) zunächst ab, ließ den Kläger sodann aber mit E-Mail (und Bescheid) vom 23.09.2014 im Rahmen einer Einzelfallentscheidung doch noch zum Studium zu. Der Kläger entschied sich aufgrund des kurzfristig ergangenen Zulassungsbescheids, das Studium an der Universität S. zum Wintersemester 2014/2015 nicht aufzunehmen.
Zum Wintersemester 2015/2016 beantragte der Kläger bei der Universität S. erneut die Zulassung zum Studium der Luft- und Raumfahrttechnik. Am 01.09.2015 wurde er von der Universität S. zum Studium zugelassen. Das Wintersemester 2015/2016 begann am 01.10.2015. An diesem Tag nahm der Kläger das Studium auch auf. Er ist als Student an der Universität S. eingeschrieben.
Am 06.10.2015 beantragte der - bei den Beklagten freiwillig versicherte - Kläger die Durchführung der Studentenversicherung ab 01.10.2015 (voraussichtliches Studienende 30.09.2019). Er habe die Hochschulreife auf dem Zweiten Bildungsweg erworben. Wehr-/Zivildienst bzw. freiwilligen Wehrdienst/Bundesfreiwilligendienst habe er nicht geleistet.
Der Kläger trug unter Hinweis auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Hamburg vom 22.09.2014 (- 4 Bf 200/12 -, in juris) vor, es dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass er vor Vollendung des 30. Lebensjahre auf ein "Parkstudium" verzichtet habe. Er habe das Haus seiner Eltern (Zweifamilienhaus) erworben und dafür einen Bankkredit aufgenommen. Aufgrund der monatlichen Kreditbelastung habe er das Studium nicht früher (als zum 01.10.2015) aufnehmen können. Das Haus habe er nicht verkaufen können, da seinen Eltern ein Wohnrecht bestellt worden sei. Nach der Trennung seiner Eltern und dem Auszug seiner Mutter könne er Teile des Hauses nunmehr (Oktober 2015) vermieten, um die monatlichen Verpflichtungen aus dem Bankkredit zu bewältigen. Wäre er seinerzeit nicht in Vollzeit berufstätig gewesen, wäre es zur Privatinsolvenz gekommen. Wegen der Kurzfristigkeit der Zulassung zum Wintersemester 2014/2015 habe er sein (Vollzeit-)Arbeitsverhältnis (als Busfahrer) nicht fristgerecht kündigen können. Während des Studiums dürfe er nicht in Vollzeit berufstätig sein, so dass die Immatrikulation nicht möglich gewesen wäre.
Mit auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem Bescheid vom 03.11.2015 lehnte die Beklagte zu 1) die Durchführung der Studentenversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, Versicherungspflicht zur Studentenversicherung trete nur bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres ein. Die Aufnahme eines Studiums nach Vollendung des 30. Lebensjahres schiebe die Altersgrenze nicht hinaus, da der späte Studienbeginn grundsätzlich auf den zuvor ausgeübten Beschäftigungen und nicht auf dem vorherigen Beschreiten des Zweiten Bildungswegs beruhe. Bei Studienaufnahme nach dem 30. Lebensjahr könne die Studentenversicherung nur ausnahmsweise durchgeführt werden, wenn dem rechtzeitigen Studienbeginn hinreichend gewichtige Gründe entgegengestanden hätten. Die vom Kläger vorgebrachten Gründe - Nichtzulassung zur gewählten Ausbildung und familiäre sowie finanzielle Gründe - genügten hierfür nicht. Der Beschluss des OVG Hamburg vom 22.09.2014 (a.a.O.) habe die Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zum Gegenstand und sei hier nicht von Belang. Die freiwillige Versicherung des Klägers werde weiterhin durchgeführt.
Mit Schreiben vom 01.12.2015 erhob der Kläger Widerspruch. Er trug ergänzend vor, bei Zulassung zum Studium am 01.09.2015 sei er noch 29 Jahre alt gewesen. Er habe durchgängig bis September 2015 gearbeitet, weil er auf ein eigenes Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes angewiesen gewesen sei. Sein letztes Arbeitsverhältnis (Busfahrer in der Schweiz) habe zum 30.09.2015 geendet und er habe das Studium am 01.10.2015 nahtlos aufgenommen. Wegen eines Irrtums auf Seiten der Universität S. sei der Zulassungsbescheid für das Wintersemester 2014/2015 erst eine Woche vor Ablauf der Immatrikulationsfrist ergangen, so dass er sein damaliges Arbeitsverhältnis nicht mehr habe fristgerecht kündigen können. Seine Eltern hätten ihn in seinem Studienwunsch nicht unterstützt. Im Jahr 2010 habe er das Elternhaus mit Hilfe eines Bankkredits erworben. Wegen der monatlichen Kreditbelastungen habe er das Studium nicht früher aufnehmen können. Der Verzicht darauf, vor Vollendung des 30. Lebensjahres ein "Parkstudium" ("Parksemester") einzulegen, sei hochschulrechtlich vernünftig und dürfe ihn nicht gegenüber Studenten benachteiligen, deren Studium auch zum Sommersemester beginne. Die höhere Beitragsbelastung bei Fortführung der freiwilligen Versicherung gefährde den Studienerfolg.
Mit Beschluss vom 12.02.2016 (- 11 K 5485/15 -) gab das Verwaltungsgericht S. (VG) dem Studierendenwerk S. im Wege der einstweiligen Anordnung auf, dem Kläger vorläufig Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe als Darlehen zu gewähren.
Mit (auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangenem) Widerspruchsbescheid vom 18.02.2016 wies die Beklagte zu 1) den Widerspruch des Klägers zurück. Ergänzend führte sie aus, der Kläger habe die Hochschulreife im Alter von 27 Jahren erworben. Er hätte erstmals zum Wintersemester 2013/2014 ein Hochschulstudium aufnehmen können. Bis zum 30.09.2015 sei der Kläger (stattdessen) entgeltlichen Beschäftigungen nachgegangen. Ein Hochschulstudium habe er erst am 01.10.2015 nach Vollendung des 30. Lebensjahrs aufgenommen. Hinreichende Gründe für das Hinausschieben der für die Durchführung der Studentenversicherung maßgeblichen Altersgrenze von 30 Jahren bestünden nicht.
Am 26.02.2016 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Außerdem suchte er um vorläufigen Rechtsschutz nach (Verfahren S 9 KR 507/16 ER); der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde am 11.03.2016 wieder zurückgenommen.
Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger vor, er habe die Altersgrenze von 30 Jahren nur geringfügig überschritten. Seine Eltern hätten ihn in seinem Studienwunsch nicht unterstützt. Man könne ihm nicht vorwerfen, dass er das Studium nicht schon zum Wintersemester 2013/2014 aufgenommen habe. Im Jahr 2010 habe er das Elternhaus mit Hilfe eines Bankkredits erworben, den er mit monatlich laufenden Hypothekenraten bediene. Mit dem Kaufpreis seien erhebliche Schulden seiner (bedürftigen und Sozialleistungen beziehenden) Eltern, denen er auch unterhaltspflichtig sei, abgelöst worden. Um die monatlichen Hypothekenraten zahlen zu können, habe er weiterhin (als Busfahrer) erwerbstätig sein müssen. Er habe allein zur Sicherung des Lebensunterhalts weitergearbeitet. Das Elternhaus habe er wegen des Wohnrechts seiner Eltern nicht verkaufen können. Der Verzicht auf ein "Parkstudium" ("Parksemester") vor dem 30. Lebensjahr (Sommersemester 2015) dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität S. könne jeweils nur zum Wintersemester aufgenommen werden. Die Beitragsdifferenz der Studentenversicherung zur freiwilligen Versicherung betrage ca. 100,00 EUR monatlich. Ergänzend werde auf den Beschluss des VG vom 12.02.2016 (a.a.O.) Bezug genommen.
Die Beklagten traten der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Bescheide entgegen. Der Kläger sei zum Mindestbeitrag freiwillig versichert; die Beitragsdifferenz zur Studentenversicherung (Krankenversicherung) betrage monatlich 85,33 EUR. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum BAföG sei für die Durchführung der Studentenversicherung nicht maßgeblich. Es komme auch nicht auf die Frage der Zumutbarkeit eines "Parkstudiums" an. Unerheblich sei, dass der Kläger die Altersgrenze der Studentenversicherung nur um wenige Tage überschritten habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.06.2016 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage, die sich auch gegen die bei der Beklagten zu 1) errichtete Pflegekasse (Beklagte zu 2)) richte, sei als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz, SGG) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) seien (kraft Gesetzes, ohne Versicherungsbeitritt) versicherungspflichtig zur Studentenversicherung Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben seien, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hätten, wenn für sie auf Grund über- und zwischenstaatlichen Rechts kein Anspruch auf Sachleistung bestehe, bis zum Abschluss des 14. Fachsemesters, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres; Studenten nach Abschluss des 14. Fachsemesters oder nach Vollendung des 30. Lebensjahres seien nur versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungsweges, die Überschreitung der Altersgrenze oder eine längere Fachstudienzeit rechtfertigten. Bei Absolventen des Zweiten Bildungsweges, die diesen so spät beschritten hätten, dass sie erst nach Vollendung des 30. Lebensjahres mit dem Studium hätten beginnen können, sei die Überschreitung des Altersgrenze für die Studentenversicherung in der Regel nicht mehr gerechtfertigt. Die Überschreitung beruhe dann regelmäßig nicht mehr auf dem Erwerb der Hochschulzugangsvoraussetzungen im Zweiten Bildungsweg, sondern auf einer langjährigen Berufsausübung vor dessen Beginn. Für solche Studenten komme wegen des Ausnahmecharakters des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V und weil der Altersbereich zwischen neunzehn und dreißig Jahren, für den die Studentenversicherung vorgesehen sei, vollkommen verlassen werde, die Studentenversicherung grundsätzlich nicht in Betracht (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 3/91 -, in juris). Studenten mit Studienbeginn nach Vollendung des 30. Lebensjahres seien nur ausnahmsweise versicherungspflichtig zur Studentenversicherung, wenn bei ihnen in der Zeit zwischen etwa der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres und dem Beginn des Zweiten Bildungsweges sowie zwischen dem Abitur im Zweiten Bildungsweg und dem Studienbeginn im wesentlichen anzuerkennende Hinderungsgründe vorgelegen hätten (BSG, Urteil vom 23.06.1994, - 12 RK 71/93 -, in juris unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.06.1993, - 12 RK 6/93 -, in juris). Beim Kläger lägen zwischen der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres (September 2005) und dem Beginn des Zweiten Bildungsweges (Februar 2009) durchgängig Zeiten der Berufstätigkeit vor, die nicht Voraussetzung für das Beschreiten des Zweiten Bildungsweges gewesen seien. Solche Zeiten würden grundsätzlich nicht anerkannt (BSG, Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 40/91 -, in juris). Der Kläger habe die Voraussetzungen für das spätere Beschreiten des Zweiten Bildungsweges bereits mit dem Abschluss der Ausbildung zum Hotelfachmann (Juni 2005) erfüllt. Da er somit mehr als 3 Jahre länger als für den Zweiten Bildungsweg erforderlich berufstätig gewesen sei und hierdurch bedingt sein Studium erst nach Vollendung des 30. Lebensjahres aufgenommen habe, fehle es an der erforderlichen Kausalität der für die übrige Zeit geltend gemachten Hinderungsgründe. Selbst wenn Hinderungszeiten von kurzer Dauer unberücksichtigt bleiben dürften, könne dies jedenfalls für einen Zeitraum von drei Jahren nicht gelten (BSG, Urteil vom 23.06.1994, a.a.O.). Ob sich in der Kausalitätsfrage eine Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Ausbildungsförderung herstellen lasse (vgl. § 10 Abs. 3 BAföG), sei in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung (BSG, Urteil vom 30.09.1992, a.a.O.). Da zwischen der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres des Klägers und dem Beginn des Zweiten Bildungsweges keine anzuerkennenden Hinderungszeiten vorlägen, müsse nicht abschließend geklärt werden, ob es solche Zeiten durchgängig zwischen dem Abitur (Februar 2013) und dem Studienbeginn (Oktober 2015) gebe. Deswegen sei nicht entscheidungserheblich, ob die aus dem Hauskauf im Jahr 2010 folgenden finanziellen Belastungen des Klägers sowie die kurzfristig erteilte Zulassung zum Studium im Wintersemester 2014/2015 der rechtzeitigen Studienaufnahme entgegen gestanden hätten. Jedenfalls bis zum Beginn des Zweiten Bildungsweges im Jahr 2009 seien keine Hinderungsgründe erkennbar, die eine Überschreitung der Altersgrenze für die Studentenversicherung rechtfertigen könnten. Die mangelnde finanzielle Unterstützung durch die Eltern sei im Hinblick auf die Förderungsmöglichkeiten nach Maßgabe des BAföG unerheblich. Das Aufschieben des Studienbeginns aus Gründen der Zweckmäßigkeit oder zum Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen, die für den Zweiten Bildungsweg oder ein späteres Studium nützlich sein und die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt verbessern könnten, genüge ebenfalls nicht (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.1992, a.a.O.). Härten der gesetzlich normierten Altersgrenze für Studenten, die - wie der Kläger - das Studium kurz nach Vollendung des 30. Lebensjahres aufnähmen, seien verfassungsrechtlich unbedenklich, da solche Härten jeder Stichtagsregelung immanent seien (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 22.05.2001, - 1 BvL 4/96 -, in juris). Bei einem Studienbeginn vor Vollendung des 30. Lebensjahres werde in typisierender Betrachtungsweise davon ausgegangen, dass der Zweite Bildungsweg und die ggf. für ihn erforderlichen Vorbeschäftigungszeiten für die Überschreitung der Altersgrenze ursächlich gewesen seien. Bei einem Studienbeginn nach Vollendung des 30. Lebensjahres ergebe die typisierende Betrachtungsweise dagegen, dass eine zuvor ausgeübte Beschäftigung für den späten Studienbeginn kausal gewesen sei mit der Folge, dass bei gleichwohl geltend gemachter Ursächlichkeit von Hinderungsgründen diese im Einzelnen nachgewiesen werden müssten (BSG, Urteil vom 23.06.1994, a.a.O.).
Gegen den ihm am 16.06.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.07.2016 Berufung eingelegt. Er wiederholt und bekräftigt sein bisheriges Vorbringen. Zwischen der Vollendung des 20. Lebensjahrs (September 2005) und dem Beginn des Zweiten Bildungsweges (Abendgymnasium ab Februar 2009) lägen anzuerkennende Hinderungszeiten. Er habe gleichsam mit dem Hauptschulabschluss begonnen und sodann durch das Absolvieren einer beruflichen Ausbildung zuerst die Mittlere Reife erwerben müssen. Im Anschluss daran habe er berufstätig sein müssen, weil er auf ein eigenes Erwerbseinkommen angewiesen gewesen sei. Seine Eltern hätten ihn nicht finanziell unterstützt; sie wären dazu auch wegen erheblicher Schulden nicht in der Lage und sie seien gegen ein Studium eingestellt gewesen. Für die Rechtfertigung des Überschreitens der Altersgrenze müsse auf den Zeitraum zwischen dem Beginn des Zweiten Bildungsweges (2009) und der Aufnahme des Studiums am 01.10.2015 abgestellt werden. Das VG habe (im Hinblick auf die Gewährung von Leistungen nach Maßgabe des BAföG) festgestellt, dass er nach dem Erwerb der Hochschulreife unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, das Studium aufgenommen habe; das sei auch hier maßgeblich. Er habe den avisierten Studienbeginn zum Wintersemester 2014/2015 nur wegen eines Fehlers der Universität S. noch einmal um ein Jahr verschieben müssen. Die Aufnahme des Studiums zum Wintersemester 2013/2014 sei wegen der Unterhaltspflicht gegenüber seinen Eltern bzw. wegen der übernommenen Schuldenlast für das elterliche Haus nicht möglich gewesen. Mit dem finanzierten Kaufpreis für das Elternhaus habe er die Schulden seiner Eltern abgelöst. Deswegen sei er gezwungen gewesen, zunächst für eine gewisse Zeit erwerbstätig zu bleiben. Das SG habe seine besondere persönliche Situation nicht ausreichend gewürdigt. Aufgrund der zumindest seit dem Jahre 2005 durchgängig bestehenden prekären finanziellen Lage seiner Eltern und deren Weigerung, ein Studium in irgendeiner Form zu unterstützen, sei es ihm nicht zuzumuten gewesen, unmittelbar nach Abschluss seiner Berufsausbildung bzw. Erwerb der Mittleren Reife den Zweiten Bildungsweg über das Abendgymnasium zu beschreiten. Man dürfe für die Studentenversicherung nicht verlangen, dass der Zweite Bildungsweg vom Hauptschulabschluss an bis zur Allgemeinen Hochschulreife gleichsam in einem Zug absolviert werde; das werde den besonderen Umständen seines Einzelfalls nicht gerecht. Beim Erwerb des Elternhauses sei zunächst verabredet worden, dass seine Eltern die Bankkredite während seines Studiums weiter bedienen sollten; sie hätten es sich dann aber anders überlegt und sich an seinen Kreditverbindlichkeiten nicht beteiligt. Auf die Inanspruchnahme von Förderleistungen nach Maßgabe des BAföG dürfe man ihn nicht verweisen, weil er gewährte BAföG-Kredite wieder zurückzahlen müsste.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.06.2016 und den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 03.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2016 aufzuheben und festzustellen, dass er seit 01.10.2015 in der Kranken- und Pflegeversicherung der Studenten versicherungspflichtig ist.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Zeiten der Berufsausbildung und der Berufstätigkeit des Klägers von 2001 bis 2015 seien derart umfangreich, dass in dieser Zeit, spätestens jedoch nach Abschluss der Ausbildung 2005, der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung möglich gewesen wäre. Der Kläger habe schon vorher den Wunsch gehabt, ein Studium aufzunehmen. Beim Kauf des Elternhauses habe der Kläger wissen müssen, dass ein Studium - egal in welcher Form - schwierig zu finanzieren sein würde. Da der Kläger das Abitur berufsbegleitend erworben habe, sei diese Zeit nicht als Verzögerungszeit einzustufen. Der Kläger habe auch mehrfach bestätigt, dass die Erwerbstätigkeit aus wirtschaftlichen Gründen notwendig gewesen sei. Er hätte sich zum Wintersemester 2013/2014 an mehr als zwei Universitäten bewerben können. Rein finanzielle Gründe für die Verzögerung der Studienaufnahme bzw. des Studiums selbst seien für die Rechtfertigung der Altersgrenzenüberschreitung nicht maßgeblich (vgl. auch etwa Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen, Urteil vom 09.05.1990, - L 4 KR 61/90 -, in juris: auch Werkstudenten müssten bei allem Zeitaufwand, den die Beschaffung des eigenen Lebensunterhalts erfordere, die gesetzlichen Höchstgrenzen einhalten). Unerheblich sei schließlich auch, dass die Altersgrenze nur um wenige Tage überschritten worden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten zu 1), des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Durchführung der Studentenversicherung zu Recht abgelehnt. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des SG und nimmt auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist anzumerken:
Das SG hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass der Kläger das Studium erst nach der Vollendung des 30. Lebensjahrs als der für die Durchführung der Krankenversicherung der Studenten maßgeblichen Altersgrenze aufgenommen hat. Student i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V ist, wer sich an einer Hochschule einer wissenschaftlichen Bildung oder Ausbildung unterzieht (jurisPK-SGB V/Felix § 5 Rdnr. 61; KassKomm/Peters SGB V § 5 Rdnr. 91, 92). Die Zulassung zum Studium oder die Immatrikulation an der Hochschule für sich allein begründen Versicherungspflicht zur Studentenversicherung nicht. Maßgeblich ist daher nicht der Zeitpunkt der Zulassung des Klägers zum Studium (01.09.2015), sondern die Aufnahme des Studiums mit Beginn des Wintersemesters am 01.10.2015. Zu diesem Zeitpunkt hatte der (am 11.09.1985 geborene) Kläger das 30. Lebensjahr bereits vollendet. Die Überschreitung der Altersgrenze um (nur) knapp 3 Wochen ist unerheblich; das SG hat das in seinem Gerichtsbescheid im Einzelnen zutreffend dargelegt.
Das Gesetz begrenzt die - beitragsgünstige - Studentenversicherung auf einen Altersabschnitt, in dem die Studenten Leistungen der Krankenversicherung in unterdurchschnittlichem Maße in Anspruch nehmen, weil ihr Gesundheitszustand altersbedingt im allgemeinen gut ist und beitragsfrei versicherte Familienangehörige (§ 10 SGB V) seltener und erst im Laufe der Zeit hinzukommen. Die Studenten bleiben, sofern sie nicht familienversichert oder von der Versicherungspflicht befreit sind (§ 5 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 10 SGB V; § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V), weiterhin in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig, obwohl diese auch heute noch im Kern eine Versicherung der abhängig Beschäftigten ist (BSG, Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 40/91 -, in juris Rdnr. 15 und Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 3/91 - in juris Rdnr. 14). Deshalb kann von der Altersgrenze von 30 Jahren nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen abgewichen werden; die hierfür maßgebliche Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V hat Ausnahmecharakter. Die Überschreitung der Altersgrenze von 30 Jahren ist daher nur durch Gründe von solcher Art und solchem Gewicht zu rechtfertigen, die nicht nur aus der Sicht des Einzelnen, sondern auch bei objektiver Betrachtungsweise die Aufnahme eines Studiums oder seinen Abschluss verhindern oder als unzumutbar erscheinen lassen; das Studium aufzuschieben, weil dieses lediglich als zweckmäßig oder sinnvoll erscheint, reicht demgegenüber nicht aus (BSG, Urteil vom 15.10.2014, - B 12 KR 1/13 R -, in juris Rdnr. 15; KassKomm-Peters, SGB V § 5 Rdnr. 101). Ein danach anzuerkennender Hinderungsgrund bzw. die auf ihm beruhende (anzuerkennende) Hinderungszeit muss außerdem für die Überschreitung der Altersgrenze ursächlich sein (BSG, a.a.O. Rdnr. 17); die Überschreitung der Altersgrenze darf nicht auf (nicht anzuerkennenden) Nichthinderungszeiten beruhen.
Versicherungspflicht zur Studentenversicherung kann zwar auch noch nach Vollendung des 30. Lebensjahres eintreten. Wegen des Ausnahmecharakters des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V und weil bei solchen Studenten der Altersbereich zwischen 19 und 30 Jahren, für den die Studentenversicherung aus den vorstehend genannten Erwägungen (eigentlich nur) vorgesehen ist, vollkommen verlassen wird, kommt das jedoch nur in Betracht, wenn im Alter zwischen etwa 20 Jahren und der Altersgrenze von 30 Jahren sowie weiter bis zum Beginn des Studiums Hinderungsgründe bestanden haben, die für einen so späten Studienbeginn ursächlich waren und damit das Überschreiten der Altersgrenze rechtfertigen (BSG, Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 3/91 -, in juris Rdnr. 15 m.w.N.). Als anzuerkennende Hinderungszeit scheidet die Zeit einer Berufstätigkeit vor dem Zweiten Bildungsweg regelmäßig aus. In dieser Zeit waren die Betreffenden zwar an der Aufnahme eines Studiums gehindert, weil sie die Zugangsvoraussetzungen noch nicht erfüllten. Sie konnten aber, jedenfalls wenn sie das Alter von etwa 20 Jahren überschritten hatten, den Zweiten Bildungsweg als Vorstufe des späteren Studiums ebenso beschreiten wie Abiturienten, die nach dem Besuch eines Gymnasiums im Alter von etwa 19 Jahren das Abitur abgelegt hatten, anschließend die Aufnahme eines Studiums möglich war. Wenn bei diesen die Ausübung einer längeren Berufstätigkeit zwischen dem Abitur und dem Beginn des Studiums nach dem Urteil des BSG vom 30.09.1992 (- 12 RK 40/91 -, in juris) keine Zeit der Verhinderung (Hinderungszeit) darstellt, kann für eine längere Berufstätigkeit, die Absolventen des Zweiten Bildungswegs ausgeübt haben, aus Gründen der Gleichbehandlung nichts anderes gelten. Bei ihnen kommt die Zeit der Berufstätigkeit als Hinderungszeit nur in Betracht, soweit sie Voraussetzung für das Beschreiten des Zweiten Bildungswegs gewesen ist. Ansonsten ist die Zeit vor Beschreiten des Zweiten Bildungswegs nur Hinderungszeit, soweit andere nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V anzuerkennende Gründe (z. B. Krankheit) vorgelegen haben (BSG, Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 3/91 - Rdnr. 17).
Studenten mit Studienbeginn nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres sind in der Studentenversicherung daher nur dann versicherungspflichtig, wenn bei ihnen in der Zeit zwischen etwa der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres und dem Beginn des Zweiten Bildungsweges sowie zwischen dem Abitur im Zweiten Bildungsweg und dem Studienbeginn im wesentlichen durchgehend Hinderungsgründe vorgelegen haben (BSG, Urteil vom 23.06.1994, - 12 RK 71/93 -, in juris Rdnr. 12). Unerheblich ist, ob im Einzelfall (anzuerkennende) Hinderungszeiten (nicht anzuerkennende) Nichthinderungszeiten überwiegen. Für die Kausalitätsprüfung sind alle Nichthinderungszeiten zu berücksichtigen, sofern sie nicht wegen kurzer Dauer als unerheblich ausgeschieden werden können (BSG, Urteil vom 23.06.1994, - 12 RK 71/93 -, in juris Rdnr. 15).
Beim Kläger liegt zwischen der Vollendung des 20. Lebensjahrs im September 2005 und dem Beschreiten des Zweiten Bildungswegs (im Februar 2009) ein Zeitraum von knapp 3 1/2 Jahren. Während dieser Zeit ist der Kläger in Vollzeit erwerbstätig gewesen, was (unstreitig) nicht Voraussetzungen für das Beschreiten des Zweiten Bildungswegs gewesen ist. Das SG hat auch zutreffend angenommen, dass Hinderungsgründe i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V für diese Zeit nicht vorliegen. Die mangelnde (auch finanzielle) Unterstützung durch die Eltern genügt nicht, zumal das BAföG für solche Fälle Förderleistungen vorsieht. Dass darlehensweise gewährte Förderleistungen im späteren Berufsleben wieder zurückgezahlt werden müssen, ist unerheblich. Die Zeit von September 2005 bis Februar 2009 stellt daher eine Nichthinderungszeit dar, die auch nicht wegen kurzer Dauer aus der Kausalitätsprüfung auszuscheiden ist (BSG, Urteil vom 23.06.1994, - 12 RK 71/93 -, in juris Rdnr. 15 zu einem Zeitraum von 3 Jahren). Für die Aufnahme des Studiums nach Vollendung des 30. Lebensjahres am 01.10.2015 ist die genannte Nichthinderungszeit ursächlich gewesen. Die Zwischenzeit der saisonbedingten Arbeitslosigkeit von Mai 2006 bis Juli 2006 ändert nichts.
Die vom Kläger für die spätere Zeit - ab 2009 bzw. ab Erwerb der Hochschulreife im Februar 2013 - geltend gemachten Umstände insbesondere im Hinblick auf den Erwerb des Elternhauses würden nach Auffassung des Senats eine anzuerkennende Hinderungszeit im Übrigen nicht begründen, da Hinderungszeiten in Fallgestaltungen dieser Art die Studentenversicherung für einen weiten Personenkreis in einem Altersabschnitt öffnen würden, für den sie nach der eingangs dargestellten Zielsetzung des Gesetzes nicht vorgesehen ist; es kommt entscheidungserheblich hierauf aber nicht an.
Die für die Anwendung des BAföG geltenden Rechtsgrundsätze (§ 10 Abs. 3 BAföG) sind für die Versicherungspflicht zur Studentenversicherung nicht maßgeblich (vgl. auch BSG, Urteil vom 30.09.1992, - 12 RK 3/91 -, in juris Rdnr. 14).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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