L 5 KR 2636/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 3355/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2636/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.05.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger über den 07.10.2010 hinaus über seine Mutter familienversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung ist.

Der 1987 geborene Kläger ist der Sohn der Beigeladenen, die bei der Beklagten gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) pflichtversichertes Mitglied ist. Bis zum 07.10.2010 war der Kläger - zuletzt als Student - unstreitig nach § 10 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 SGB V bei der Beklagten familienversichert. Nachdem der Kläger ein Studium an der Hochschule der M. wegen wiederkehrender Krankheitsaktivitäten am 31.08.2009 beenden musste, informierte die Beklagte die Beigeladene mit Schreiben vom 23.09.2010, dass für den Fall der Nichtvorlage einer aktuellen Studienbescheinigung die Familienversicherung des Klägers mit Ablauf des 07.10.2010 enden werde. Zur Vermeidung der Versicherungslosigkeit war der Kläger im Anschluss auf seinen Antrag bei der Beklagten ab dem 08.10.2010 freiwillig gegen Krankheit versichert. Seit dem 01.10.2012 ist der Kläger wegen des Bezugs von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) pflichtversichert in der Krankenversicherung bei der Beklagten.

Zur Überprüfung der Voraussetzungen der - weiter beantragten - Familienversicherung legte die Mutter des Klägers den Bescheid des Versorgungsamtes vom 20.12.2007 über die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 seit 01.10.2007, den Bericht des behandelnden Hausarztes an das Versorgungsamt vom 10.11.2007 sowie insbesondere den Arztbericht der Ambulanz der Inneren Medizin des Universitätsklinikums F. vom 29.11.2010 anlässlich der Vorstellung des Klägers in der Ambulanz am 12.10.2010 vor. In letzterem wurden als Diagnosen u. a. eine Autoimmunthrombozytopenie mit Nachweis von Autoantikörpern, rezidivierend Leukopenie mit Neutropenie ( 40%, eine Splenomegalie, Hautveränderungen, gelegentlich Livedo reticularis, ein Vitiligo, kutane Striae abdominell und rezidivierende orale schmerzhafte Aphten erhoben. Die Diagnose eines ALPS-FAS sei sehr un¬wahrscheinlich, an einen beginnenden variablen Immundefekt sollte gedacht werden.

In seinem Gutachten vom 05.01.2011 kam Dr. D. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine Autoimmunthrombozytopenie mit Nachweis von Autoantikörpern, eine rezidivierende Leukopenie mit Neutropenie und eine Splenomegalie sowie als weitere Diagnose eine rezidivierende Mundaphtose bestehe. Erstmals sei im Jahre 2000 eine Autoimmunthrombozytopenie und seit dem Jahr 2006 rezidivierend Leukopenie diagnostiziert worden. Nachdem es im Jahre 2000 zu ersten Krankheitsschüben gekommen sei, die jedoch ohne zurückbleibende Einschränkungen hinsichtlich des Schulbesuchs bzw. des Studiums geblieben seien, sei später eine Fähigkeitsstörung hinzugetreten. Seit dem Jahre 2007 sei beim Kläger ein GdB von 50 festgestellt. Aus den aktuell vorliegenden Unterlagen gehe nicht hervor, dass durch die Krankheiten wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen von mindestens sechsmonatiger Dauer vorgelegen hätten, die eine Arbeit von wirtschaftlichem Wert nicht ermöglicht hätten.

Das Ergebnis der Begutachtung wurde der Beigeladenen am 13.01.2011 mitgeteilt. Hiergegen legte die Beigeladene am 17.01.2011 schriftlich Widerspruch ein. Der Kläger sei nicht in der Lage, auch nur stundenweise zu arbeiten. Im Mund- und im Rachenraum sowie in der Speiseröhre würden sich regelmäßig Aphten bilden und so die Sprachgebung unverhältnismäßig beein¬trächtigen. Darüber hinaus träten Gelenkschmerzen und Gliedersteifheit schubweise auf. Mit Bescheid vom 21.01.2011 lehnte die Beklagte die Weiterversicherung des Klägers in der Familienversicherung über die Vollendung seines 23. Lebensjahres unter Hinweis auf das Gutachten des MDK schriftlich ab.

Ergänzend wurde die ärztliche Bescheinigung des den Kläger behandelnden Hausarztes Dr. Sch. vom 09.02.2011 vorgelegt. Dr. Sch. gab hierin an, dass der Kläger seit seinem 10. Lebensjahr unverändert lebensbedrohlich an einer Immunthrompozytopenie (ITP) sowie weiteren hämatologischen Erkrankungen leide. Der Kläger sei krankheitsbedingt bisher nie in der Lage gewesen, einen Beruf auszuüben.

Die Beklagte beauftragte daraufhin erneut den MDK mit der sozialmedizinischen Begutachtung des Klägers. In seinem Gutachten vom 21.03.2011 führte Dr. W. aus, dass die Behinderung allein nicht begründe, dass der Kläger zu keiner Arbeit von wirtschaftlichem Wert fähig sei. Beim Kläger sei es zwar ab 2006 immer wieder zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Funktion gekommen, die vermutlich auch über mehrere Wochen Arbeitsunfähigkeit nach sich gezogen hätten. Aus dem vorgelegten Attest des Dr. Sch. vom 10.11.2007 ergebe sich jedoch eindeutig, dass der Kläger durchaus Tätigkeiten mit Einschränkungen habe ausführen können. Dies zu einem Zeitpunkt, als der Kläger bereits 20 Jahre alt gewesen sei. Aus den Berichten lasse sich auch ableiten, dass keine deutlich gehäufte Infektanfälligkeit vorgelegen hätte, schwere Neutropenien hätten nur vorübergehend bestanden. Es stehe somit fest, dass keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen von mindestens sechsmonatiger Dauer vorgelegen hätten, die einer Arbeit von wirtschaftlichem Wert entgegen gestanden hätten. Ein positives Leistungsbild mit der Möglichkeit der Durchführung einer Tätigkeit von wirt¬schaftlichem Wert habe zu den in § 10 Abs. 2 SGB V genannten Zeitpunkten vorgelegen.

Mit E-Mail vom 07.04.2011 teilte die Beigeladene mit, dass sie den Widerspruch aufrecht erhielten.

Mit E-Mail vom 04.05.2011 übersandte die Beigeladene den Bericht der Uniklinik F. vom 08.04.2011 an den behandelnden Hausarzt Dr. Sch ...

Mit an die Beigeladene gerichteten Widerspruchsbescheid vom 19.05.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zu¬rück. Die Beklagte ging ausweislich des Widerspruchsbescheids von einer Bevollmächtigung der Beigeladenen und einem Widerspruchsverfahren des Klägers aus. Sie führte aus, übereinstimmend hätten die Gutachter des MDK in ihren Gutachten dargelegt, dass durch die Autoimmunthrombozytopenie und die Leukopenie beim Kläger erst im Jahr 2007 Fähigkeitsstörungen aufgetreten seien, die als Behinderungen anzuerkennen seien. Diese Funktionsbeein¬trächtigungen seien jedoch stets nur von kurzer Dauer gewesen und hätten zu keiner Zeit einen Umfang von mindestens sechs Monaten erreicht. Trotz seiner Erkrankung verfüge der Kläger über ein positives Leistungsbild, ihm sei die Durchführung einer Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert möglich. Ab dem 08.10.2010 (Vollendung des 23. Lebensjahres) bestünde deshalb kein Anspruch mehr auf Familienversicherung.

Hiergegen erhob der Kläger am 06.06.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Seit seinem 10. Lebensjahr leide er an einer lebensbedrohlichen ITP-Erkrankung sowie weiteren hämatologi-schen Beeinträchtigungen. Wegen dieser schweren Erkrankung sei es ihm krankheitsbedingt nicht möglich, einen Beruf zu erlernen oder gar auszuüben. Die Funktionsbeeinträchtigungen seien auf Dauer angelegt und nicht lediglich von kurzer Dauer. Ein positives Leistungsbild sei nicht vorhanden, es sei ihm nicht möglich, Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert auch nur kurzfris¬tig durchzuführen. Auch die Wegefähigkeit bestehe nicht. Zur Bestätigung legte der Kläger ärztliche Unterlagen seit dem Jahr 1999 und eine Darstellung seines Tagesablauf vor.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf die Gutachten des MDK vom 05.01.2011 und 21.03.2011. Trotz der unstreitig vorliegenden Diagnosen verfüge der Kläger über ein positives Leistungs¬bild. Ihm sei die Durchführung einer Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert möglich (gewesen). Die Voraussetzungen für eine Familienversicherung seien somit nach dem Ende des Studiums und nach Vollendung des 23. Lebensjahres ab dem 08.10.2010 nicht mehr gegeben gewesen. Die vorge¬legten medizinischen Informationen seien bereits vom MDK ausgewertet worden. Daraus ließen sich keine anderen Schlüsse ziehen.

Der Kläger legte ergänzend u. a. die Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 04.12.2012 und 05.09.2015 vor, worin ausgeführt wird, dass er aufgrund der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen aus sozialmedizinischer Sicht derzeit keine Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe.

Die Kammer beauftragte sodann den Ärztlichen Direktor Prof. Dr. Dr. Z., K., Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie und Infektologie mit der Begutachtung des Klägers. In seinem Gutachten vom 23.02.2013 aufgrund der ambulanten Untersuchung vom 07.02.2013 gab dieser als Hauptdiagnosen eine autoimmun vermittelte Biozytopenie, rezidivierende orale Aphten, ein unklares Schmerzsyndrom mit Gelenk- und Muskelschmerzen sowie eine unklare psychische Erkrankung an. Aufgrund der Erkrankungen bestehe eine erhebliche Einschrän¬kung der beruflichen Leistungsfähigkeit, die eine regelmäßige, mindestens drei Stunden täglich umfassende Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aus¬schließe. Eine nachhaltige Besserung sei unwahrscheinlich. Zum Teil lägen die Hauptbeschwer¬den des Klägers auf psychiatrischem (und möglicherweise neurologischem) Fachgebiet. Die Leistungseinschränkungen bestünden be¬reits seit Jahren, eine genaue zeitliche Angabe sei allerdings nicht möglich. Vom internistischen Standpunkt her sei den Vorgutachten zuzustimmen, jedoch sei die psychiatrische und ggf. neuro¬logische Problematik nicht ausreichend berücksichtigt worden. Eine objektive zeitliche Zuord¬nung und Wertung der Ausprägung der Beschwerden sei auf Basis der vorliegenden Unterlagen jedoch nicht möglich, da diese in den vorliegenden ärztlichen Dokumenten vor Oktober 2010 keine Erwähnung gefunden hätten, nach anamnestischer Durchführung jedoch schon vor Been¬digung der Familienversicherung bestanden hätten. Die angegebene Wegstrecke könne nicht regelmäßig in der vorgegebenen Zeit zurückgelegt werden. Öffentliche Verkehrsmittel könnten aufgrund der muskulären Beschwerden nicht genutzt werden. Eine objektive zeitliche Zuordnung der Leistungseinschränkung sei auf Basis der vorliegenden Unterlagen nicht möglich. Schwie-rigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz bestünden durch die phasenweise sehr stark eingeschränkte Mobilität und die begrenzte körperliche Be-lastbarkeit des Klägers.

Zur Prüfung der Leistungseinschränkungen auf psychiatrischen Fachgebiet befragte das SG die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Dr. B., Klinikum St., Neurologische Klinik, berichtete in seiner Auskunft vom 12.12.2013 über die am 12.04.2011 und 13.04.2011 durchgeführten Untersuchungen. Ob der Kläger am 07.10.2010 noch in der Lage gewesen sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Ar¬beitsmarkt mindestens drei Stunden zu verrichten, könne er nicht sagen. Auch der den Kläger behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. konnte in seiner Auskunft vom 09.02.2014 keine näheren Angaben zum Leistungsvermögen des Klä¬gers zum 07.10.2010 machen, da er den Kläger erstmals am 15.01.2013 untersucht habe. Prof. Dr. W., Universitätsklinikum F., Ambulanz Innere Medizin Centrum für chronische Immundefizienz, der den Kläger erstmals am 12.10.2010 sah, nannte unter dem Datum des 25.01.2014 eine ätiologisch ungeklärte Immundysregulation mit autoimmun vermittelter Thrombo- und Granulozytopenie, Lymphoproliferation, rezidivierende orale Aphten, eine chronisch-rezidivierende Folliculitits sowie einen Eisenmangel. Am 07.10.2010 sei der Kläger in der Lage gewesen, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, sofern es sich um eine leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gehandelt hätte.

Die Beklagte legte hierzu das sozialmedizinische Gutachten von Dr. W. (MDK) vom 08.08.2014 vor. In der Gesamtschau der vorliegenden medizinischen Berichte und Unterlagen sei festzustellen, dass weiterhin nicht bestätigt werden könne, dass die Voraussetzungen der Famili-enversicherung über die Vollendung des 23. Lebensjahres hinaus beim Kläger bestanden hätten. Das psychiatrische Krankheitsbild werde erstmalig im Rahmen der psychiatrischen Behandlung am 15.01.2013 erwähnt. In keinem der (älteren) vorliegenden Berichte fänden sich Hinweise auf eine psychische Erkrankung bis zum Erreichen des 23. Lebensjahres.

Der Kläger legte u. a. noch einen Arztbrief des Dr. Sch. vom 19.07.2014 vor, in dem dieser zur psychischen Situation des Klägers ausführt, dass er angesichts der Perspektivlosigkeit, fehlender Ausbildungsmöglichkeit und keiner bzw. abgebrochener Ausbildungen "darüber" depressiv geworden sei.

Mit Urteil vom 22.05.2015 wies das SG die Klage ab. Zwar stehe fest, dass der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) als behinderter Mensch aner¬kannt sei (Bescheid des Landratsamtes B. vom 20.12.2007). Die Kammer habe sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass der Kläger zu einem in den in § 10 Abs. 2 Ziffern 1 bis 3 SGB V genannten Zeitpunkten (wegen seiner Behinderung) außer Stande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten. Im Vordergrund des Beschwerdebildes stünden beim Kläger eine autoimmun vermittelte Biozytopenie, rezidivierende orale Aphten, ein unklares Schmerzsyndrom mit Gelenk- und Muskel¬schmerzen sowie eine unklare psychische Erkrankung. Dass die Autoimmuner-krankung nicht dazu geführt habe, dass der Kläger zu einem in § 10 Abs. 2 Ziffern 1 bis 3 SGB V genannten Zeitpunkte außer Stande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten, ergebe sich zunächst aus den Gutachten des MdK vom 05.01.2011 und 21.03.2011. Die gerichtliche Beweisaufnahme habe diese Einschätzung bestätigt. So habe Prof. Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 25.01.2014 ausgeführt, dass der Kläger zum Stichtag für leichte Tätigkeiten ein 6-stündiges Leistungsvermögen gehabt habe. Auch das Gutachten des Prof. Dr. Z. führe zu keinem anderen Ergebnis. Zwar habe der Gutachter davon gesprochen, dass die bestehenden Erkrankungen (in ihrer Summe) eine erhebliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit bedingten, die eine regelmäßige, mindestens drei Stunden täglich umfassende Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Ar¬beitsmarktes ausschlössen. Prof. Dr. Z. habe jedoch deutlich darauf hin¬gewiesen, dass seine Leistungsbeurteilung nur deshalb gelte, weil die beim Kläger auf psychiatri¬schem Fachgebiet bestehenden Erkrankungen (noch) nicht in die Leistungsbeurteilung mit einge¬flossen seien. Im Hinblick auf diese Erkrankung könne allerdings nicht die Feststellung getroffen werden, dass diese bereits vor Vollendung des 23. Lebensjahres leistungsmindernd vorgelegen habe. Vor dem 08.10.2010 lägen nämlich keine Befunde vor, die die Annahme rechtfertigen könnten, spä¬testens zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger außer Stande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Weder Dr. B. noch Dr. W. hätten dazu eine Aussage treffen können, vielmehr spreche schon die Tatsache, dass der Kläger erst im Jahre 2011 bzw. im Jahre 2013 nervenärztli¬che Behandlungen in Anspruch genommen habe, dafür, dass zum Stichtag 07.10.2010 keine psychische Erkrankung vorgelegen habe, die ihn außer Stande gesetzt haben könnte, er¬werbstätig zu sein. Zu Recht weise deshalb der MdK in seinem im Wege des sachkundigen Partei¬vorbringens verwertbaren sozialmedizinischen Gutachten vom 08.08.2014 darauf hin, dass in keinem der älteren vorliegenden Berichte sich Hinweise auf eine psychische Erkrankung vor der Vollendung des 23. Lebensjahres befänden. Insbesondere sei noch in dem Arztbericht der Ambulanz Innere Medizin des Universitätsklinikums F. vom 29.11.2010 (somit zeitnahe am hier maßgeblichen Stichtag) von einer psychischen Erkrankung nicht die Rede. Vielmehr werde darin festgehalten, dass der Kläger sein Medienstudium (allein) wegen wieder¬kehrenden Krankheitsaktivitäten abgebrochen habe. Auch in dem Bescheid des Landratsamtes B. vom 20.12.2007 seien keine auf psychischem Fachgebiet bestehenden Funkti-onsbeeinträchtigungen genannt. Auch auf das Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 04.12.2012 könne die Klage nicht gestützt werden. Es sei mehr als zwei Jahre nach dem hier maßgeblichen Stichtag er¬stellt worden. Nachdem dort auch noch ausgeführt werde, dass "derzeit" kein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe, verböten sich Spekulationen in die Vergangenheit.

Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 08.06.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 22.06.2015 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung des Klägers. Zur Begründung verweist der Kläger auf sein bisheriges Vorbringen im Klageverfahren. Ergänzend weist er darauf hin, dass die ersten Symptome der Krankheit bereits in der Realschule aufgetreten seien. Nachdem es zu weiteren Verschlimmerungen gekommen sei, sei auf Anraten des Hausarztes mit der psychiatrischen und psychologischen Behandlung begonnen worden. Vor dem 08.10.2010 lägen nur deshalb keine Befunde zu der streitgegenständlichen Behandlung vor, weil bis dahin die Unikliniken auf die Beschwerden und Symptome nicht eingegangen seien, sondern sich ausschließlich mit der Bluterkrankung beschäftigt hätten und sich lediglich mit dieser auseinandergesetzt hätten. Ergänzend hat der Kläger die ärztliche Bescheinigung seines Hausarztes Dr. Sch. vom 18.03.2016 vorgelegt, wonach er, der Kläger, seit 2006 neben der Grunderkrankung an einer Depression/psychischen Belastung gelitten habe. Aufgrund der Grunderkrankung und der fehlenden Aussicht auf Heilung mit multiplen Enttäuschungen sei der Kläger psychisch seit Jahren erheblich belastet. Dementsprechend erhalte er bei ihm regelmäßig stützende Gespräche im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.05.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2011 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger auch über den 07.10.2010 über seine Mutter familienversichert ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zutreffend habe das SG die Klage abgewiesen. Es lägen weiterhin keine Befunde vor, wonach der Kläger spätestens zum Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres, am 08.10.2010, außerstande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten.

Mit Beschluss vom 08.03.2017 hat der Senat die Beigeladene als Stammversicherte zum Verfahren beigeladen. Diese hat sich zur Sache nicht geäußert und Anträge nicht gestellt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, die SG-Akte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 151, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und statthaft. Streitgegenstand ist der schriftliche Bescheid vom 21.01.2011. Am 13.01.2011 wurde der Beigeladenen ausweislich der Verwaltungsakte nur der Inhalt des MDK-Gutachtens telefonisch mitgeteilt. Mit Schreiben vom 07.04.2011 bestätigte die Beigeladene, dass sie, d. h. auch der Kläger, den Widerspruch aufrechterhalten würden. Richtige Klageart ist die Anfechtungs- und Feststellungsklage. Die alleinige Anfechtungsklage, gerichtet auf Aufhebung des Bescheides vom 21.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2011, mit dem die Beklagte mitgeteilt hat, dass die Familienversicherung mit Ablauf des 07.10.2010 ende, würde dem Kläger nicht zu seinem Prozessziel verhelfen, nämlich die Feststellung der Familienversicherung bei der Beklagten. Denn bei Entfallen des Bescheides vom 21.01.2011 lebt keine Regelung wieder auf, die dem Kläger die begehrte Familienversicherung verschaffte. Die Familienversicherung tritt bei Vorliegen der Voraussetzungen ohne entsprechende Feststellung kraft Gesetzes ein bzw. endet, wenn die Voraussetzungen entfallen, wenn die Beklagte - wie vorliegend - nicht zuvor mit bestandskräftigem Bescheid die Familienversicherung festgestellt hat (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 07.12.2000, - B 10 KR 3/99 R -, in juris). Ein Entfallen des angegriffenen Bescheides vom 21.01.2011 würde die Rechtsposition des Klägers mithin nicht verbessern. Da die Familienversicherung bei Vorliegen der Voraussetzungen ohne entsprechende Feststellung kraft Gesetzes eintritt, ist bei einem Streit über das Vorliegen der Familienversicherung die richtige Klageart die Feststellungsklage (Urteil des erkennenden Senats vom 22.02.2017, - L 5 KR 1257/16 -, n.v.; LSG, Urteil vom 19.04.2013, - L 4 KR 410/11 -, n.v. vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 28.03.2000, - B 8 KN 10/98 R -, in juris). Der Kläger ist auch klagebefugt. Zwar ist der Bescheid vom 21.01.2011 ihm gegenüber nicht wirksam geworden, weil er nicht an ihn gerichtet und ihm nicht bekannt gegeben worden war (vgl. §§ 37 Abs. 1 Satz 1, 39 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Die Bekanntgabe an seine Mutter ist ihm nicht zuzurechnen. Zwar genügt für die Wirksamkeit von Willenserklärungen, die gegenüber einem Kind abzugeben sind, auch die Erklärung gegenüber einem Elternteil (§ 1629 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Die Beklagte hat den Bescheid vom 21.01.2011 jedoch der Mutter nicht als gesetzlicher Vertreterin des Klägers, sondern in ihrer Eigenschaft als Stammversicherte bekanntgegeben. Jedoch können auch Verwaltungsakte mit Drittwirkung angefochten werden (vgl BSGE 70, 99, 100 ff = SozR 3-1500 § 54 Nr 15 mwN). Die Klagebefugnis ist gegeben, wenn die geltend gemachten rechtlichen Interessen des Dritten vom Schutzzweck der dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Norm erfasst werden. Die vom Kläger als Kind eines Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung geltend gemachte Familienversicherung dient in diesem Sinne auch seinen individuellen Interessen. Die Familienversicherung nach § 10 SGB V ist als eigene Versicherung des Familienangehörigen ausgestaltet (vgl BSGE 72, 292, 294 = SozR 3-2500 § 10 Nr 2; USK 93109; BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 6; BSG SozR 3-5405 Art 59 Nr 1). Ihre Feststellung oder Ablehnung berührt daher unmittelbar eine eigene Rechtsposition des Familienangehörigen. Das BSG hat dementsprechend bereits in mehreren Entscheidungen die Beschwer und damit die Klagebefugnis des Familienangehörigen gegen einen an den Stammversicherten gerichteten Bescheid bestätigt (Urteil vom 18.03.1999, - B 12 KR 8/98 R; Urteil vom 29.06.1993 - 12 RK 13/93 - USK 93109; Urteil vom 25.02.1997 - 12 RK 34/95, alle in juris). Konnte der Kläger daher den Bescheid der Beklagten vom 21.01.2011 anfechten, so ist dies mit seinem Widerspruch auch erfolgt. Dementsprechend hat die Beklagte auch über den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2011 entschieden, da dieser an die Beigeladene als Bevollmächtigte des Klägers gerichtet ist. Das Erfordernis des Vorverfahrens ist damit erfüllt (vgl. auch juris-PK, § 10 SGB V RN 56).

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2011 ist rechtmäßig. Der Kläger war bei der Beklagten ab dem 08.10.2010 nicht mehr familienversichert.

Rechtsgrundlage für die Feststellung im Bescheid vom 21.01.2011, dass eine Familienversicherung ab 08.10.2010 nicht bestand, ist § 10 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB V. Versichert sind nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der Fassung vom 10.12.2008) der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern, wenn sie 1. ihren Wohnsitz im Inland haben, und u.a. 2. nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 bis 8, 11 oder 12 SGB V oder nicht freiwillig versichert sind.

Seit 01.01.2016 sind auch Personen ausgeschlossen, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versichert sind (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 (in der Fassung vom 21.07.2014)).

Der Kläger ist das Kind der Beigeladenen. Er hat seinen Wohnsitz im Inland. Er war jedoch nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten ab 08.10.2010 bei der Beklagten freiwillig versichert. Nach dem Gesetz wird die Familienversicherung durch die freiwillige Versicherung ausgeschlossen. Allein entscheidend ist, ob diese besteht. Sinn des § 10 Abs. 1 SGB V ist es, denjenigen von der abgeleiteten und beitragsfreien Familienversicherung auszuschließen, der selbst versichert ist und von dem das Gesetz generell annimmt, dass er eine eigene Versicherung finanzieren kann (Peters a.a.O. RdNr 8 m.w.N). Der Senat lässt offen, ob diese vom Gesetz ausnahmslos angeordnete Subsidiarität auch dann greift, wenn - wie vorliegend - die freiwillige Versicherung abgeschlossen wurde, um in einem anhängigen Verfahren über das Bestehen einer Familienversicherung den Betroffenen abzusichern. Offen lässt der Senat darüber hinaus, ob der ab dem 01.01.2016 durch § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V durch das GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts- Weiterentwicklungsgesetz angeordnete Vorrang der Pflichtversicherung aufgrund des Bezugs von SGB II-Leistungen den Kläger von der Familienversicherung ab dem 01.01.2016 ausschließt, wenn diese Leistungen evtl. nur zur Erlangung einer Krankenversicherung beantragt wurden.

Die Voraussetzung für das Bestehen einer Familienversicherung gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V liegen nämlich nicht vor. Danach sind Kinder ohne Altersgrenze versichert, wenn sie als behinderte Menschen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die Behinderung in dem genannten Umfang zu einem Zeitpunkt vorlag, in dem das Kind nach Nummer 1, 2 oder 3 versichert war. Nach Nr. 1 sind Kinder bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres versichert, nach Nr. 2 bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres, wenn sie nicht arbeiten, nach Nr. 3 bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, wenn sie sich in Schul- und Berufsausbildung befinden oder ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr leisten. Da der Kläger ab 08.10.2010 unstreitig die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V nicht erfüllt, da er sich nicht mehr in einem Schul- oder Ausbildungsverhältnis befunden hat oder ein freiwilliges soziales bzw. ökologisches Jahr oder Bundesfreiwilligendienst geleistet hat, ist damit entscheidend, ob der Kläger bei Vollendung des achtzehnten oder 23. Lebensjahres als behinderter Mensch außerstande war, sich selbst zu unterhalten.

Unstreitig handelt es sich bei dem Kläger am 08.10.2010 um einen behinderten Mensch im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Bescheid des Versorgungsamtes vom 20.12.2007, mit welchem ein GdB von 50 seit 01.10.2007 festgestellt wurde, sondern auch aus den vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen des MDK nach Auswertung der medizinischen Unterlagen des Klägers. Bei dem Kläger wurde 2000 eine Autoimmunthrombozytopenie festgestellt. Seit 2006 kam es rezidivierend zu einer Leukopenie/Thrombozytopenie. Während der Erstdiagnostik lagen erste Krankheitsschübe vor. Diese waren anfänglich noch ohne zurückbleibende Einschränkungen hinsichtlich der Teilnahme/Teilhabe am Schulunterricht. Erst im Jahr 2007 kam es zu Fähigkeitsstörungen, die einer Behinderung entsprachen. Damit lag bei dem im Jahr 2007 zwanzigjährigen Kläger zwar zum Zeitpunkt des § 10 Abs. 2 Nr. 1 SGB V (18 Jahre) keine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vor, jedoch zum Zeitpunkt des § 10 Abs. 2 Nr. 2 SGB V (23 Jahre).

Der Kläger war jedoch zur Überzeugung des Senats in der Lage, sich zumindest bis zum Zeitpunkt der Vollendung seines 23. Lebensjahres am 07.10.2010 gem. § 10 Abs. 2 Nr. 2 SGB V selbst zu unterhalten.

Die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, ist gegeben, wenn der behinderte Mensch seinen eigenen Lebensunterhalt, zu dem auch notwendige Aufwendungen infolge der Behinderungen sowie sonstige Ausgaben des täglichen Lebens rechnen, nicht selbst bestreiten kann. Dies setzt voraus, dass er infolge der Behinderung nicht in der Lage ist, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, insbesondere eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und mehr als nur geringfügige Einkünfte zu erzielen. Insoweit ist der Begriff des Außerstandeseins mit dem der Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]) vergleichbar (vgl. BSG, Urteil vom 14.08.1984, - 10 RKg 6/83 - , in juris zum Anspruch auf Kindergeld).

Dies war beim Kläger nicht der Fall.

Im Vordergrund des Beschwerdebildes stehen beim Kläger aktuell eine autoimmun vermittelte Biozytopenie, rezidivierende orale Aphten sowie ein unklares Schmerzsyndrom mit Gelenk- und Muskel¬schmerzen sowie eine unklare psychische Erkrankung. Der Senat folgt der Einschätzung des MDK und des Gutachters Prof. Dr. Dr. Z., wonach die Autoimmuner¬krankung nicht dazu führt bzw. führte, dass der Kläger außer Stande ist bzw. war, sich selbst zu unterhalten. Zutreffend weist der MdK in seinen Gutachten vom 05.01.2011 und 21.03.2011, welche der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat, darauf hin, dass im Jahr 2000 zwar die Autoimmunthrombozytopenie erstmals diagnostiziert wurde. Erst im Jahr 2006 kam es jedoch zu rezidivierenden Leukopenien. Ab 2006 kam es damit immer wieder, und zum Teil auch über mehrere Wochen, zu Arbeitsunfähigkeit. Dass dabei jedoch wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen von mindestens 6-monatiger Dauer vorgelegen haben, die keine Arbeit von wirtschaftlichen Wert ermöglicht hätten, lässt sich den Unterlagen nicht entnehmen. Zutreffend weist der MDK nach Auswertung der Unterlagen darauf hin, dass schwere Neutropenien nur vorübergehend vorlagen und keine wesentliche Infektanfälligkeit gegeben ist. Auch das Gutachten des Prof. Dr. Dr. Z. führte zu keinem anderen Ergebnis. Dieser stimmt vielmehr mit dem MDK überein, dass die Grunderkrankung nicht dazu führt bzw. führte, dass der Kläger außer Stande ist bzw. war, sich selbst zu unterhalten. Soweit der Gutachter davon ausgeht, dass die aktuell bestehenden Erkrankungen in ihrer Summe eine erhebliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit bedingen, die eine regelmäßige, mindestens drei Stunden täglich umfassende Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Ar-beitsmarktes ausschließen, liegt eine entsprechende Einschränkung zur Überzeugung des Senat zumindest bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres des Klägers nicht vor. Prof. Dr. Dr. Z. hat in seinem Gutachten vom 23.02.2013 ausdrücklich darauf hin¬gewiesen, dass seine Leistungsbeurteilung darauf beruht, dass beim Kläger im Zeitpunkt der Begutachtung (Untersuchung am 07.02.2013) noch zusätzlich zu der Grunderkrankung eine Erkrankung auf psychiatri¬schem Fachgebiet zu berücksichtigen ist, die in seine Leistungsbeurteilung mit einge-flossen ist. Diese psychische Erkrankung wird freilich in dieser Ausprägung erstmals im Rahmen dieser Begutachtung geschildert. Erst im Gutachten von Prof. Dr. Dr. Z. wird angegeben, dass sich der Kläger aufgrund multipler Auffälligkeiten seit Januar 2013 in konsequenter ambulanter psychiatrischer Behandlung befindet. Hier wird erstmalig zwanghaftes Hände waschen oder auf die Toilette gehen erwähnt. Auch das ständige Sehen von Gesichtern und Fratzen in Verbindung mit Konzentrationsstörungen wird zuvor nicht angegeben. Schließlich findet sich auch die Angabe von Suizidgedanken erstmalig im Gutachten vom 23.02.2013. Zum 08.10.2010 liegen hingegen liegen keine Befunde vor, die die Annahme rechtfertigen könnten, spä¬testens zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger außer Stande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Weder Dr. B. noch Dr. W. haben dazu eine Aussage treffen können, vielmehr spricht schon die Tatsache, dass der Kläger erst im Jahre 2011 bzw. im Jahre 2013 eine nervenärztli¬che Behandlung in Anspruch genommen hat, dafür, dass zum Stichtag 07.10.2010 keine psychische Erkrankung vorgelegen hat, die ihn außer Stande gesetzt haben könnte, er¬werbstätig zu sein. Zu Recht weist auch der MdK in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 08.08.2014 darauf hin, dass in keinem der älteren vorliegenden Berichte sich Hinweise auf eine psychische Erkrankung vor der Vollendung des 23. Lebensjahres befinden. Insbesondere wird in dem Arztbericht der Ambulanz Innere Medizin des Universitätsklinikums F. vom 29.11.2010 (Vorstellung 12.10.2010; somit zeitnah am hier maßgeblichen Stichtag) eine psychischen Erkrankung nicht erwähnt. Vielmehr wird darin festgehalten, dass der Kläger sein Medienstudium (allein) wegen wieder¬kehrenden Krankheitsaktivitäten abgebrochen habe. Auch in dem Bescheid des Landratsamtes B. vom 20.12.2007 sind keine auf psychischem Fachgebiet bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen genannt und das Widerspruchs- und Klageverfahren wird ebenfalls nur auf die Grunderkrankung gestützt. Auch auf das Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 04.12.2012 kann die Klage nicht gestützt werden. Hierauf hat das SG zutreffend hingewiesen. Der Senat nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug

Nichts anderes ergibt sich aus der im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigung des behandelnden Hausarztes Dr. Sch. vom 18.03.2016. Dieser führt zwar aus, dass die Grunderkrankung für den Kläger psychisch belastend war und er daher stützende Gespräche ab dem Jahr 2006 angeboten hat. In diesem Zusammenhang darf aber auch der Arztbrief des Dr. Sch. vom 19.07.2014 nicht außeracht gelassen werden, in dem dieser bzgl. der psychischen Situation des Klägers eine Entwicklung dahingehend schildert, dass er angesichts seiner Perspektivlosigkeit und abgebrochener Ausbildungen depressiv geworden sei. Dem entnimmt der Senat, dass zumindest bis zum Abbruch des Studiums die psychische Erkrankung des Klägers noch keinen Krankheitswert hatte und sich erst in der Folge entwickelte mit der Notwendigkeit der Inanspruchnahme fachärztlicher psychiatrischer Behandlung im Januar 2013. Dies findet darin eine Bestätigung, dass bis zumindest 07.10.2010 eine pharmakologische Therapie nicht statt fand. Des Weiteren wurden keine stationäre Krankenhausaufenthalte oder Rehabilitationsmaßnahmen durchgeführt. Auch eine ambulante fachärztliche Therapie oder eine Gesprächstherapie wurde nicht in Anspruch genommen. Dementsprechend wurden auch keine psychiatrischen Befunde durch Dr. Sch. mitgeteilt, die einen Schluss auf eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit durch die psychiatrische Erkrankung allein oder in Zusammenschau mit der Grunderkrankung zulassen. Auch kann die von Dr. Sch. geschilderte psychische Belastungssituation durch die Grunderkrankung aus Sicht des Senats mit den von Prof. Dr. Dr. Z. geschilderten psychischen Beeinträchtigungen nicht gleichgestellt werden. Dementsprechend hat auch Prof. Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 25.01.2014 ausgeführt, dass der Kläger zum Stichtag für leichte Tätigkeiten ein 6-stündiges Leistungsvermögen gehabt hat.

Auch eine Einschränkung der Wegefähigkeit zum 08.10.2010 liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor. So ergeben sich aus den bereits zuvor genannten Unterlagen keine Hinweise, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, eine Wegstrecke von 500 m innerhalb von 20 Minuten mehrfach am Tag zu bewältigen. Ergänzend weist der Senat insoweit auch auf den Arztbericht des Universitätsklinikums vom 21.10.2011 hin, wonach der Kläger jedenfalls bis August 2011 regelmäßig in der Lage war, Krafttraining zu machen. Erst ab September/Oktober 2011 kam es zu einer Verschlechterung, die dies eingeschränkt hat.

War der Kläger damit mindestens bis zum 08.10.2010 in der Lage, sich wirtschaftlich selbst zu unterhalten, liegen die Voraussetzungen für eine Familienversicherung nicht vor. Es war daher wie tenoriert zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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