Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 183/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich in der Berufungsinstanz zuletzt gegen eine Erstattungsforderung des Beklagten.
Die 1953 geborene Klägerin war in der Vergangenheit als medizinisch-technische Assistentin und ärztliche Schreibkraft beschäftigt. Von Juni 1994 bis Ende 1998 bezog sie Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe, von Anfang 1999 bis August 2000 Sozialhilfe und dann wieder Arbeitslosenhilfe (vgl. Aufstellung Bl. 634 der OEG-Akte). Mit Bescheid vom 20. Dezember 2001 wurde ihr rückwirkend ab April 1996 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt. Außerdem bezieht sie (rückwirkend) seit April 1996 Leistungen von der Zusatzversorgungskasse des K.V. B.W.
Die Klägerin beantragte am 14. April 1996 die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sie trug zur Begründung vor, sie leide an schweren Persönlichkeitsstörungen in Folge einer im Juni 1979 durch ihren ehemaligen Ehegatten und dessen Freund erfolgten Vergewaltigung. Nachdem es ihr zunächst gelungen sei, das Erlebte zu verdrängen, habe die am 31. Oktober 1991 erfolgte Operation einer Nasenbeinstückfraktur zu einer psychischen Veränderung geführt. Der Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der behauptete Vorgang sei nicht nachgewiesen. Nach mehreren Klageverfahren beim Sozialgericht Karlsruhe (SG, S 3 VG 344/97 und S 4 VG 495/01) stellte der Beklagte schließlich als Schädigungsfolge eine posttraumatische Belastungsstörung ab 1. April 1996 und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vom Hundert (v. H.) fest (Bescheid vom 11. November 2002) und bewilligte Grundrente (Bescheid vom 9. Dezember 2002). Mit Bescheid vom 26. Mai 2003 erhöhte der Beklagte wegen besonderer beruflicher Betroffenheit die MdE auf 60 v. H. ab 1. April 1996 und berechnete dementsprechend die Versorgungsbezüge neu. Außerdem bewilligte der Beklagte der Klägerin einen monatlichen Berufsschadensausgleich (Bescheid vom 23. Juli 2003).
Den später auf eine weitere Erhöhung und Gewährung der Beschädigtengrundrente ab einem früheren Zeitpunkt gerichteten (Überprüfungs-) Antrag der Klägerin lehnte der Beklagte ab. Im hiergegen angestrengten Klageverfahren (S 4 VG 404/08) wurde der Beklagte vom SG schließlich mit Urteil vom 23. Februar 2010 verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem OEG auf der Grundlage eines rein medizinisch begründeten Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 80 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Hiergegen strengte der Beklagte beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 6 VG 1162/10) eine Berufung an. Während dieses Berufungsverfahrens führte der Beklagte das SG-Urteil vom 23. Februar 2010 mit Bescheid vom 21. Mai 2010 dahingehend vorläufig aus, dass er der Klägerin ab 23. Februar 2010 vorläufig eine Versorgung nach einem GdS von 90 (einschließlich besonderer beruflicher Betroffenheit) gewährte. In dem Bescheid wies der Beklagte darauf hin, dass im Falle einer Abänderung oder Aufhebung des SG-Urteils eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge erfolgen werde. Evtl. zu Unrecht erhaltene Bezüge wären dann von der Klägerin zurückzuerstatten.
Nachdem der Senat mit Urteil vom 19. April 2012 (L 6 VG 1162/10) das SG-Urteil vom 23. Februar 2010 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen hatte, da die Schädigungsfolgen - so sie überhaupt vorlägen - unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit jedenfalls nicht höher als mit einem GdS von 60 zu bewerten seien, hob der Beklagte den Bescheid vom 21. Mai 2010 mit Bescheid vom 9. Mai 2012, übersandt an den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin, wieder auf, da ein Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach einem GdS nicht in Höhe von 90, sondern nur in Höhe von 60 bestehe. Ferner verfügte er, dass die zwischenzeitlich zu Unrecht geleisteten Versorgungsbezüge, deren Höhe einem gesonderten Berechnungsbescheid zu entnehmen sei, nach § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzuerstatten seien. Mit Bescheid vom 15. Mai 2012 berechnete der Beklagte den Erstattungsbetrag für den Zeitraum vom Februar 2010 bis Mai 2012 sodann auf 7.461,78 EUR. Die laufende Zahlung ab Juni 2012 betrage nun nur noch 1.192,00 EUR monatlich.
Gegen den Bescheid vom 9. Mai 2012 erhob die Klägerin zunächst Widerspruch mit Schreiben vom 22. Mai 2012 und führte dabei an, dass der Widerspruch als zurückgezogen angesehen werden sollte, falls im Verfahren vor dem BSG (gemeint wohl: Nichtzulassungsbeschwerde B 9 V 24/12 B gegen das Senatsurteil vom 19. April 2012) eine Entscheidung gegen ihre Interessen erfolge. Später erhob die Klägerin am 15. Juni 2012 nochmals Widerspruch gegen die Bescheide vom 9. und 15. Mai 2012, da ihr Widerspruch nun doch nicht von der Entscheidung des BSG abhängig gemacht werden solle. Die Widerspruchsfrist hätte sie eingehalten, da der Bescheid vom 9. Mai ihrem Bevollmächtigen erst am 22. Mai zugegangen sei. Das Widerspruchsverfahren ist weiterhin beim Beklagten anhängig.
Die Klägerin legte im weiteren Verlauf diverse ärztliche Bescheinigungen vor. Mit Bescheid vom 26. November 2012 stellte der Beklagte "im Anschluss an den Bescheid vom 15. Mai 2012" wegen einer Änderung des BVG und einer Erhöhung der Einkünfte der Klägerin die Versorgungsbezüge ab Juli 2012 in Höhe von 1.219,00 EUR, d.h. 27 EUR monatlich höher, neu fest und verfügte einen Nachzahlungsbetrag für die Monate Juli bis Dezember 2012 in Höhe von 162,00 EUR, der die frühere Überzahlung in Höhe von 7.461,78 EUR auf 7.299,78 EUR reduzieren solle.
Ergänzend ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 28. November 2012, den er gleichzeitig mit dem Bescheid vom 26. November 2012 verschickte, die Verrechnung der Nachzahlung aus dem Bescheid vom 26. November 2012 mit der aus dem Bescheid vom 15. Mai 2012 bestehenden Überzahlung an und verfügte, dass von der laufenden Versorgungszahlung monatlich 27,00 EUR ab Januar 2013 einbehalten werden. Die Klägerin erhalte damit weiterhin den monatlichen Zahlbetrag von 1.192,00 EUR. Dies erfolge in Ausübung des Ermessens nach § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und unter Berücksichtigung, dass die Klägerin bei einem Schuldnerberater gewesen sei. Zudem sei die Klägerin damals ausdrücklich auf die Vorläufigkeit der Leistung hingewiesen worden und könne sich daher nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Gegen die Bescheide vom 26. und 28. November 2012 erhob die Klägerin Widerspruch, da nach wie vor die Schwere ihrer Beschädigung nicht geklärt sei. Nach dessen endgültiger Klärung könne die Aufrechnung vorgenommen werden bzw. entfalle vermutlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2013 wies der Beklagte diese Widersprüche zurück. Zur Begründung führte er an, dass die Rückforderungsbescheide vom 9. und 15. Mai 2012 rechtsverbindlich geworden seien, nachdem die Klägerin inzwischen die Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG zurückgenommen habe. Bei der Rückforderung handele es sich um zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen. Gegen solche Ansprüche könne aufgerechnet werden, solange nicht Hilfebedürftigkeit eintrete. Da die Klägerin eine gesetzliche Rente, eine Zusatzrente und einen Berufsschadensausgleich in Höhe von insgesamt monatlich 2.118,06 EUR beziehe, erscheine eine Hilfebedürftigkeit nicht gegeben. Es sei davon abgesehen worden, den Verrechnungsrahmen bis zur Hälfte der zustehenden Geldleistung auszuschöpfen. Mit einer Aufrechnung von nur 27 EUR monatlich stehe die Klägerin letztlich nicht schlechter da, als im Bescheid vom 15. Mai 2012 ausgewiesen, da sie weiterhin monatlich 1.192 EUR Versorgungsbezüge erhalte.
Am 8. Februar 2013 hat die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2013 beim SG (S 10 VG 491/13) Klage erhoben. Sie hat angeführt, dass sie Insolvenz habe beantragen müssen. Sie könne ihre Krankheitskosten nicht mehr decken. Es liege sehr wohl Hilfebedürftigkeit bei der Bestreitung des Lebensunterhalts vor.
In einem parallel im Mai 2013 angestrengten Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz wurde in der Beschwerdeinstanz vom Senat mit Beschluss vom 15. Oktober 2013 (L 6 VG 2756/13 ER-B) die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 28. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 erhobenen Anfechtungsklage festgestellt. Eine Klage gegen eine Verrechnung oder Aufrechnung von Leistungen habe kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. In Ausführung dieses Beschlusses leistete der Beklagte an die Klägerin für Juli 2012 bis August 2013 eine Nachzahlung von monatlich 27 EUR, insgesamt 378 EUR (vgl. Schreiben vom 29. Oktober 2013).
Nach mündlicher Verhandlung vom 20. November 2013 hat das SG mit Urteil vom selben Tag, der Klägerin zugestellt am 4. Dezember 2013, die Klage schließlich abgewiesen. Die Klägerin habe sich gegen die Bescheide vom 26. und 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 gewendet. Diese Klage sei zwar zulässig, jedoch unbegründet. Durchgreifende Bedenken gegen die beklagtenseits gewährten Leistungen bestünden nicht. Es seien auch keine Anhaltspunkte vorgetragen, die auf eine unzutreffende Berechnung der Höhe der Leistungen insbesondere im Ergebnis auch hinsichtlich der geltend gemachten Aufrechnung mit der Folge schließen ließen, dass zumindest ein geringerer bzw. anderer Betrag in Betracht käme. Das SG hat im Übrigen auf die Ausführungen in den Bescheiden vom 26. und 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 verwiesen.
Am 2. Januar 2014 hat die Klägerin beim SG hiergegen Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt.
Nach Hinweis des Berichterstatters hat der Beklagte seine Bescheide vom 26. und 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 insoweit aufgehoben, als darin eine Aufrechnung einer Nachzahlung in Höhe von 162 EUR (Bescheid vom 26. November 2012) sowie von den laufenden Versorgungsbezügen eine monatliche Einbehaltung von 27 EUR (Bescheid vom 28. November 2012) vorgenommen wurde (vgl. Schreiben vom 8. März 2017). Außerdem kündigte der Beklagte an, über die Widersprüche gegen die Bescheide vom 9. und 15. Mai 2012 nun zeitnah zu entscheiden.
Die Klägerin führt zuletzt an (vgl. Schreiben vom 20. März 2017), dass die Angelegenheit hinsichtlich der Bescheide vom 26. und 28. November 2012 und des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 erledigt sei. Sie fühle sich dadurch nicht mehr beschwert. Es gehe ihr nun aber um ihre Widersprüche vom 22. Mai und 15. Juni 2012 gegen die Bescheide vom 9. und 15. Mai 2012 wegen der Erstattung von über 7.000 EUR. Hierum sei es ihr auch ursprünglich schon mit Klageerhebung im Jahr 2012 gegangen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Bescheide des Beklagten vom 9. und 15. Mai 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Ein zwischenzeitlich über das Vermögen der Klägerin wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnetes Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 13. April 2016 (G1 IK 390/13) wieder aufgehoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten des Beklagten sowie der Gerichtsakten des SG S 3 V 344/97, S 4 VG 3076/99 ER, S 4 VG 3359/99, S 4 VG 328/01, S 4 VG 495/01, S 4 VG 4110/04, S 4 VG 404/08, S 4 VG 308/09, S 4 VG 1590/09, S 4 VG 2852/09, S 10 VG 732/13, S 10 VG 733/13, S 10 VG 734/13, S 10 VG 4279/13 sowie des LSG Baden-Württemberg L 11 VG 2026/99, L 11 VG 4364/02, L 6 VG 1162/10, L 6 VG 1362/10, L 6 VG 2/11 und L 6 VG 52/12, L 6 VG 121/14, L 6 VG 184/14 und die Prozessakte L 6 VG 317/14 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte auch in Abwesenheit des Beklagten entscheiden, denn auf diese Möglichkeit ist er mit der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Klägerin ist trotz des zwischenzeitlichen Insolvenzverfahrens prozessführungsbefugt. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner zwar gemäß § 80 Insolvenzordnung (InsO) die Verwaltungs- und die Verfügungsbefugnis über sein zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) gehörendes Vermögen. Ansprüche, die von der Pfändbarkeit nach § 36 InsO ausgenommen sind, unterfallen jedoch nicht der Insolvenzmasse. Gem. § 54 Abs. 3 Nr. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sind Geldleistungen, die dafür bestimmt sind, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen, und damit auch die Leistungen wie Beschädigtengrundrente und Berufsschadensausgleich (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, SGB, Stand März 2016, § 54 SGB I Rz. 33l), von denen der Beklagte 7.461,78 EUR erstattet verlangt, von der Pfändbarkeit ausgenommen, so dass die Klägerin den Aktivprozess führen kann. Außerdem wurde während des Berufungsverfahrens das Insolvenzverfahren beendet.
Die Berufung ist bereits unzulässig. Nachdem die ursprünglich von der Klägerin angestrengte Berufung gegen das Urteil des SG vom 20. November 2013, mit dem die Klage gegen die Bescheide vom 26. und 28. November in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 abgewiesen worden war, von ihr mit Schreiben vom 20. März 2017 zurückgenommen worden war (vgl. zur Auslegung einer "Erledigungserklärung" in eine Rücknahme: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 102, Rz. 3) und nun alleine gegen die Erstattungsforderung des Beklagten in Höhe von 7.461,78 EUR aus den Bescheiden vom 9. und 15. Mai 2012 gerichtet ist, so ist diese Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Eine Berufung ist nur zulässig, wenn sie den im ersten Rechtszug erhobenen Klageanspruch weiterverfolgt und das Sozialgericht im angegriffenen Urteil hierüber entschieden hat (in diesem Sinne Eckertz in Lüdtke, SGG, 4. Aufl. 2012, § 143 Rz. 20 f.). Voraussetzung für eine zulässige Berufung ist mithin grundsätzlich eine Beschwer des Berufungsführers durch das erstinstanzliche Urteil (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris, Rz. 13). Eine Berufung jedoch, die einen neuen, bisher noch nicht geltend gemachten Anspruch zum Gegenstand hat, ist (mangels Beschwer) grundsätzlich unzulässig; ohne Weiterverfolgung wenigstens eines Teils des in erster Instanz erhobenen Anspruchs kommt auch eine Klageänderung oder Klageerweiterung in der Berufungsinstanz grundsätzlich nicht in Betracht, denn auch sie setzt in der Regel eine zulässige Berufung voraus; andernfalls würde unter Umgehung der Vorschriften über das Berufungsverfahren eine Klage anhängig gemacht, für die erstinstanzlich das Sozialgericht zuständig wäre (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 20/01 R -, juris, Rz. 22; vgl. auch BSG, Urteil vom 30. März 1962 - 2 RU 53/60 -, juris, Rz. 27; vgl. BSG, Urteil 25. Juni 2008 - B 11b AS 35/96 R -, juris, Rz. 16, wonach die restriktive Handhabung des § 99 SGG durch den 4. Senat jedenfalls in den Fallkonstellationen einer "fortwirkenden Beschwer" – Berufungsrücknahme nach vorheriger verbindlicher Erklärung der Beklagten zur Neuberechnung – nicht gerechtfertigt sei).
Das SG hat in seinem Urteil vom 20. November 2013 ausschließlich über die Klage gegen die Bescheide vom 26. und 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 entschieden. Die ursprünglich hiergegen angestrengte Berufung verfolgt die Klägerin nicht mehr weiter, nachdem der Beklagte zwischenzeitlich die belastenden Teile der angefochtenen Verwaltungsakte, nämlich die Aufrechnung und die Einbehaltung, aufgehoben hatte (vgl. Schreiben des Beklagten vom 8. März 2017). Sie wendet sich nun (erstmals) im Berufungsverfahren direkt gegen die Erstattungsforderung aus den Bescheiden vom 9. und 15. Mai 2012. Hierüber hat das SG freilich nicht entschieden. Die Klägerin ist durch das Urteil des SG somit nicht beschwert, so dass die Berufung unabhängig von der Frage, ob der Beklagte in die Klageänderung eingewilligt hat (§ 99 SGG), die Berufung unzulässig ist.
Die Berufung der Klägerin war daher ohne Sachprüfung zu verwerfen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30. März 1962 – 2 RU 53/60 –, juris, Rz. 27).
Die Klägerin wird die Entscheidung des Beklagten über ihre Widersprüche vom 22. Mai und 15. Juni 2012 abzuwarten haben. Ein Widerspruchsverfahren ist insoweit noch anhängig (vgl. Schreiben des Beklagten vom 15. Februar 2017).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Senat erachtet es für sachgerecht, dass der Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt, da der Beklagte zwar einerseits dem ursprünglichen Klagebegehren (im Hinblick auf die Bescheide vom 26. und 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013) Rechnung getragen und die Klägerin klaglos gestellt hat, andererseits die (darauf geänderte) Berufung jedoch erfolglos blieb.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Der Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich in der Berufungsinstanz zuletzt gegen eine Erstattungsforderung des Beklagten.
Die 1953 geborene Klägerin war in der Vergangenheit als medizinisch-technische Assistentin und ärztliche Schreibkraft beschäftigt. Von Juni 1994 bis Ende 1998 bezog sie Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe, von Anfang 1999 bis August 2000 Sozialhilfe und dann wieder Arbeitslosenhilfe (vgl. Aufstellung Bl. 634 der OEG-Akte). Mit Bescheid vom 20. Dezember 2001 wurde ihr rückwirkend ab April 1996 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt. Außerdem bezieht sie (rückwirkend) seit April 1996 Leistungen von der Zusatzversorgungskasse des K.V. B.W.
Die Klägerin beantragte am 14. April 1996 die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sie trug zur Begründung vor, sie leide an schweren Persönlichkeitsstörungen in Folge einer im Juni 1979 durch ihren ehemaligen Ehegatten und dessen Freund erfolgten Vergewaltigung. Nachdem es ihr zunächst gelungen sei, das Erlebte zu verdrängen, habe die am 31. Oktober 1991 erfolgte Operation einer Nasenbeinstückfraktur zu einer psychischen Veränderung geführt. Der Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der behauptete Vorgang sei nicht nachgewiesen. Nach mehreren Klageverfahren beim Sozialgericht Karlsruhe (SG, S 3 VG 344/97 und S 4 VG 495/01) stellte der Beklagte schließlich als Schädigungsfolge eine posttraumatische Belastungsstörung ab 1. April 1996 und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vom Hundert (v. H.) fest (Bescheid vom 11. November 2002) und bewilligte Grundrente (Bescheid vom 9. Dezember 2002). Mit Bescheid vom 26. Mai 2003 erhöhte der Beklagte wegen besonderer beruflicher Betroffenheit die MdE auf 60 v. H. ab 1. April 1996 und berechnete dementsprechend die Versorgungsbezüge neu. Außerdem bewilligte der Beklagte der Klägerin einen monatlichen Berufsschadensausgleich (Bescheid vom 23. Juli 2003).
Den später auf eine weitere Erhöhung und Gewährung der Beschädigtengrundrente ab einem früheren Zeitpunkt gerichteten (Überprüfungs-) Antrag der Klägerin lehnte der Beklagte ab. Im hiergegen angestrengten Klageverfahren (S 4 VG 404/08) wurde der Beklagte vom SG schließlich mit Urteil vom 23. Februar 2010 verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem OEG auf der Grundlage eines rein medizinisch begründeten Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 80 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Hiergegen strengte der Beklagte beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 6 VG 1162/10) eine Berufung an. Während dieses Berufungsverfahrens führte der Beklagte das SG-Urteil vom 23. Februar 2010 mit Bescheid vom 21. Mai 2010 dahingehend vorläufig aus, dass er der Klägerin ab 23. Februar 2010 vorläufig eine Versorgung nach einem GdS von 90 (einschließlich besonderer beruflicher Betroffenheit) gewährte. In dem Bescheid wies der Beklagte darauf hin, dass im Falle einer Abänderung oder Aufhebung des SG-Urteils eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge erfolgen werde. Evtl. zu Unrecht erhaltene Bezüge wären dann von der Klägerin zurückzuerstatten.
Nachdem der Senat mit Urteil vom 19. April 2012 (L 6 VG 1162/10) das SG-Urteil vom 23. Februar 2010 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen hatte, da die Schädigungsfolgen - so sie überhaupt vorlägen - unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit jedenfalls nicht höher als mit einem GdS von 60 zu bewerten seien, hob der Beklagte den Bescheid vom 21. Mai 2010 mit Bescheid vom 9. Mai 2012, übersandt an den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin, wieder auf, da ein Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach einem GdS nicht in Höhe von 90, sondern nur in Höhe von 60 bestehe. Ferner verfügte er, dass die zwischenzeitlich zu Unrecht geleisteten Versorgungsbezüge, deren Höhe einem gesonderten Berechnungsbescheid zu entnehmen sei, nach § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzuerstatten seien. Mit Bescheid vom 15. Mai 2012 berechnete der Beklagte den Erstattungsbetrag für den Zeitraum vom Februar 2010 bis Mai 2012 sodann auf 7.461,78 EUR. Die laufende Zahlung ab Juni 2012 betrage nun nur noch 1.192,00 EUR monatlich.
Gegen den Bescheid vom 9. Mai 2012 erhob die Klägerin zunächst Widerspruch mit Schreiben vom 22. Mai 2012 und führte dabei an, dass der Widerspruch als zurückgezogen angesehen werden sollte, falls im Verfahren vor dem BSG (gemeint wohl: Nichtzulassungsbeschwerde B 9 V 24/12 B gegen das Senatsurteil vom 19. April 2012) eine Entscheidung gegen ihre Interessen erfolge. Später erhob die Klägerin am 15. Juni 2012 nochmals Widerspruch gegen die Bescheide vom 9. und 15. Mai 2012, da ihr Widerspruch nun doch nicht von der Entscheidung des BSG abhängig gemacht werden solle. Die Widerspruchsfrist hätte sie eingehalten, da der Bescheid vom 9. Mai ihrem Bevollmächtigen erst am 22. Mai zugegangen sei. Das Widerspruchsverfahren ist weiterhin beim Beklagten anhängig.
Die Klägerin legte im weiteren Verlauf diverse ärztliche Bescheinigungen vor. Mit Bescheid vom 26. November 2012 stellte der Beklagte "im Anschluss an den Bescheid vom 15. Mai 2012" wegen einer Änderung des BVG und einer Erhöhung der Einkünfte der Klägerin die Versorgungsbezüge ab Juli 2012 in Höhe von 1.219,00 EUR, d.h. 27 EUR monatlich höher, neu fest und verfügte einen Nachzahlungsbetrag für die Monate Juli bis Dezember 2012 in Höhe von 162,00 EUR, der die frühere Überzahlung in Höhe von 7.461,78 EUR auf 7.299,78 EUR reduzieren solle.
Ergänzend ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 28. November 2012, den er gleichzeitig mit dem Bescheid vom 26. November 2012 verschickte, die Verrechnung der Nachzahlung aus dem Bescheid vom 26. November 2012 mit der aus dem Bescheid vom 15. Mai 2012 bestehenden Überzahlung an und verfügte, dass von der laufenden Versorgungszahlung monatlich 27,00 EUR ab Januar 2013 einbehalten werden. Die Klägerin erhalte damit weiterhin den monatlichen Zahlbetrag von 1.192,00 EUR. Dies erfolge in Ausübung des Ermessens nach § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und unter Berücksichtigung, dass die Klägerin bei einem Schuldnerberater gewesen sei. Zudem sei die Klägerin damals ausdrücklich auf die Vorläufigkeit der Leistung hingewiesen worden und könne sich daher nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Gegen die Bescheide vom 26. und 28. November 2012 erhob die Klägerin Widerspruch, da nach wie vor die Schwere ihrer Beschädigung nicht geklärt sei. Nach dessen endgültiger Klärung könne die Aufrechnung vorgenommen werden bzw. entfalle vermutlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2013 wies der Beklagte diese Widersprüche zurück. Zur Begründung führte er an, dass die Rückforderungsbescheide vom 9. und 15. Mai 2012 rechtsverbindlich geworden seien, nachdem die Klägerin inzwischen die Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG zurückgenommen habe. Bei der Rückforderung handele es sich um zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen. Gegen solche Ansprüche könne aufgerechnet werden, solange nicht Hilfebedürftigkeit eintrete. Da die Klägerin eine gesetzliche Rente, eine Zusatzrente und einen Berufsschadensausgleich in Höhe von insgesamt monatlich 2.118,06 EUR beziehe, erscheine eine Hilfebedürftigkeit nicht gegeben. Es sei davon abgesehen worden, den Verrechnungsrahmen bis zur Hälfte der zustehenden Geldleistung auszuschöpfen. Mit einer Aufrechnung von nur 27 EUR monatlich stehe die Klägerin letztlich nicht schlechter da, als im Bescheid vom 15. Mai 2012 ausgewiesen, da sie weiterhin monatlich 1.192 EUR Versorgungsbezüge erhalte.
Am 8. Februar 2013 hat die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2013 beim SG (S 10 VG 491/13) Klage erhoben. Sie hat angeführt, dass sie Insolvenz habe beantragen müssen. Sie könne ihre Krankheitskosten nicht mehr decken. Es liege sehr wohl Hilfebedürftigkeit bei der Bestreitung des Lebensunterhalts vor.
In einem parallel im Mai 2013 angestrengten Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz wurde in der Beschwerdeinstanz vom Senat mit Beschluss vom 15. Oktober 2013 (L 6 VG 2756/13 ER-B) die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 28. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 erhobenen Anfechtungsklage festgestellt. Eine Klage gegen eine Verrechnung oder Aufrechnung von Leistungen habe kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. In Ausführung dieses Beschlusses leistete der Beklagte an die Klägerin für Juli 2012 bis August 2013 eine Nachzahlung von monatlich 27 EUR, insgesamt 378 EUR (vgl. Schreiben vom 29. Oktober 2013).
Nach mündlicher Verhandlung vom 20. November 2013 hat das SG mit Urteil vom selben Tag, der Klägerin zugestellt am 4. Dezember 2013, die Klage schließlich abgewiesen. Die Klägerin habe sich gegen die Bescheide vom 26. und 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 gewendet. Diese Klage sei zwar zulässig, jedoch unbegründet. Durchgreifende Bedenken gegen die beklagtenseits gewährten Leistungen bestünden nicht. Es seien auch keine Anhaltspunkte vorgetragen, die auf eine unzutreffende Berechnung der Höhe der Leistungen insbesondere im Ergebnis auch hinsichtlich der geltend gemachten Aufrechnung mit der Folge schließen ließen, dass zumindest ein geringerer bzw. anderer Betrag in Betracht käme. Das SG hat im Übrigen auf die Ausführungen in den Bescheiden vom 26. und 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 verwiesen.
Am 2. Januar 2014 hat die Klägerin beim SG hiergegen Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt.
Nach Hinweis des Berichterstatters hat der Beklagte seine Bescheide vom 26. und 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 insoweit aufgehoben, als darin eine Aufrechnung einer Nachzahlung in Höhe von 162 EUR (Bescheid vom 26. November 2012) sowie von den laufenden Versorgungsbezügen eine monatliche Einbehaltung von 27 EUR (Bescheid vom 28. November 2012) vorgenommen wurde (vgl. Schreiben vom 8. März 2017). Außerdem kündigte der Beklagte an, über die Widersprüche gegen die Bescheide vom 9. und 15. Mai 2012 nun zeitnah zu entscheiden.
Die Klägerin führt zuletzt an (vgl. Schreiben vom 20. März 2017), dass die Angelegenheit hinsichtlich der Bescheide vom 26. und 28. November 2012 und des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 erledigt sei. Sie fühle sich dadurch nicht mehr beschwert. Es gehe ihr nun aber um ihre Widersprüche vom 22. Mai und 15. Juni 2012 gegen die Bescheide vom 9. und 15. Mai 2012 wegen der Erstattung von über 7.000 EUR. Hierum sei es ihr auch ursprünglich schon mit Klageerhebung im Jahr 2012 gegangen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Bescheide des Beklagten vom 9. und 15. Mai 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Ein zwischenzeitlich über das Vermögen der Klägerin wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnetes Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 13. April 2016 (G1 IK 390/13) wieder aufgehoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten des Beklagten sowie der Gerichtsakten des SG S 3 V 344/97, S 4 VG 3076/99 ER, S 4 VG 3359/99, S 4 VG 328/01, S 4 VG 495/01, S 4 VG 4110/04, S 4 VG 404/08, S 4 VG 308/09, S 4 VG 1590/09, S 4 VG 2852/09, S 10 VG 732/13, S 10 VG 733/13, S 10 VG 734/13, S 10 VG 4279/13 sowie des LSG Baden-Württemberg L 11 VG 2026/99, L 11 VG 4364/02, L 6 VG 1162/10, L 6 VG 1362/10, L 6 VG 2/11 und L 6 VG 52/12, L 6 VG 121/14, L 6 VG 184/14 und die Prozessakte L 6 VG 317/14 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte auch in Abwesenheit des Beklagten entscheiden, denn auf diese Möglichkeit ist er mit der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Klägerin ist trotz des zwischenzeitlichen Insolvenzverfahrens prozessführungsbefugt. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner zwar gemäß § 80 Insolvenzordnung (InsO) die Verwaltungs- und die Verfügungsbefugnis über sein zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) gehörendes Vermögen. Ansprüche, die von der Pfändbarkeit nach § 36 InsO ausgenommen sind, unterfallen jedoch nicht der Insolvenzmasse. Gem. § 54 Abs. 3 Nr. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sind Geldleistungen, die dafür bestimmt sind, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen, und damit auch die Leistungen wie Beschädigtengrundrente und Berufsschadensausgleich (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, SGB, Stand März 2016, § 54 SGB I Rz. 33l), von denen der Beklagte 7.461,78 EUR erstattet verlangt, von der Pfändbarkeit ausgenommen, so dass die Klägerin den Aktivprozess führen kann. Außerdem wurde während des Berufungsverfahrens das Insolvenzverfahren beendet.
Die Berufung ist bereits unzulässig. Nachdem die ursprünglich von der Klägerin angestrengte Berufung gegen das Urteil des SG vom 20. November 2013, mit dem die Klage gegen die Bescheide vom 26. und 28. November in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 abgewiesen worden war, von ihr mit Schreiben vom 20. März 2017 zurückgenommen worden war (vgl. zur Auslegung einer "Erledigungserklärung" in eine Rücknahme: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 102, Rz. 3) und nun alleine gegen die Erstattungsforderung des Beklagten in Höhe von 7.461,78 EUR aus den Bescheiden vom 9. und 15. Mai 2012 gerichtet ist, so ist diese Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Eine Berufung ist nur zulässig, wenn sie den im ersten Rechtszug erhobenen Klageanspruch weiterverfolgt und das Sozialgericht im angegriffenen Urteil hierüber entschieden hat (in diesem Sinne Eckertz in Lüdtke, SGG, 4. Aufl. 2012, § 143 Rz. 20 f.). Voraussetzung für eine zulässige Berufung ist mithin grundsätzlich eine Beschwer des Berufungsführers durch das erstinstanzliche Urteil (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris, Rz. 13). Eine Berufung jedoch, die einen neuen, bisher noch nicht geltend gemachten Anspruch zum Gegenstand hat, ist (mangels Beschwer) grundsätzlich unzulässig; ohne Weiterverfolgung wenigstens eines Teils des in erster Instanz erhobenen Anspruchs kommt auch eine Klageänderung oder Klageerweiterung in der Berufungsinstanz grundsätzlich nicht in Betracht, denn auch sie setzt in der Regel eine zulässige Berufung voraus; andernfalls würde unter Umgehung der Vorschriften über das Berufungsverfahren eine Klage anhängig gemacht, für die erstinstanzlich das Sozialgericht zuständig wäre (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 20/01 R -, juris, Rz. 22; vgl. auch BSG, Urteil vom 30. März 1962 - 2 RU 53/60 -, juris, Rz. 27; vgl. BSG, Urteil 25. Juni 2008 - B 11b AS 35/96 R -, juris, Rz. 16, wonach die restriktive Handhabung des § 99 SGG durch den 4. Senat jedenfalls in den Fallkonstellationen einer "fortwirkenden Beschwer" – Berufungsrücknahme nach vorheriger verbindlicher Erklärung der Beklagten zur Neuberechnung – nicht gerechtfertigt sei).
Das SG hat in seinem Urteil vom 20. November 2013 ausschließlich über die Klage gegen die Bescheide vom 26. und 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 entschieden. Die ursprünglich hiergegen angestrengte Berufung verfolgt die Klägerin nicht mehr weiter, nachdem der Beklagte zwischenzeitlich die belastenden Teile der angefochtenen Verwaltungsakte, nämlich die Aufrechnung und die Einbehaltung, aufgehoben hatte (vgl. Schreiben des Beklagten vom 8. März 2017). Sie wendet sich nun (erstmals) im Berufungsverfahren direkt gegen die Erstattungsforderung aus den Bescheiden vom 9. und 15. Mai 2012. Hierüber hat das SG freilich nicht entschieden. Die Klägerin ist durch das Urteil des SG somit nicht beschwert, so dass die Berufung unabhängig von der Frage, ob der Beklagte in die Klageänderung eingewilligt hat (§ 99 SGG), die Berufung unzulässig ist.
Die Berufung der Klägerin war daher ohne Sachprüfung zu verwerfen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30. März 1962 – 2 RU 53/60 –, juris, Rz. 27).
Die Klägerin wird die Entscheidung des Beklagten über ihre Widersprüche vom 22. Mai und 15. Juni 2012 abzuwarten haben. Ein Widerspruchsverfahren ist insoweit noch anhängig (vgl. Schreiben des Beklagten vom 15. Februar 2017).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Senat erachtet es für sachgerecht, dass der Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt, da der Beklagte zwar einerseits dem ursprünglichen Klagebegehren (im Hinblick auf die Bescheide vom 26. und 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013) Rechnung getragen und die Klägerin klaglos gestellt hat, andererseits die (darauf geänderte) Berufung jedoch erfolglos blieb.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved