Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 VE 345/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VU 2647/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit ist grundsätzlich kein Grund, einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes unbeschieden zu lassen.
2. Eine Untätigkeit des Verwaltungsträgers liegt nicht vor, wenn er bei einer geltend gemachten Fibromyalgie als Schädigungsfolge darauf hinwirkt, ihm eine als rheumatologisches Gutachten bezeichnete Expertise zugänglich zu machen.
2. Eine Untätigkeit des Verwaltungsträgers liegt nicht vor, wenn er bei einer geltend gemachten Fibromyalgie als Schädigungsfolge darauf hinwirkt, ihm eine als rheumatologisches Gutachten bezeichnete Expertise zugänglich zu machen.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Juni 2017 über die Aussetzung des Verfahrens S 3 VE 345/17 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Aussetzung des Verfahrens S 3 VE 345/17 beim Sozialgericht Konstanz (SG) bis 30. September 2017.
In der Sache ist zwischen den Beteiligten streitig, ob die 1957 im thüringischen R. in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) geborene Klägerin Versorgungsleistungen, insbesondere eine Beschädigtengrundrente, nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) beanspruchen kann. Aufgrund eines vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unter dem Vorwurf der Vorbereitung eines ungesetzlichen Grenzübertrittes eingeleiteten Verfahrens befand sie sich vom 27. Januar bis 6. Mai 1974 in P., B. und L. in Untersuchungshaft. Das Kreisgericht L.-Ost verurteilte sie am 6. Mai 1974 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung, weshalb sie aus der Haft entlassen wurde. Mit Beschluss des Landgerichts L. vom 4. Februar 1994 wurde diese Entscheidung aufgehoben, festgestellt, dass das damalige Verfahren rechtsstaatswidrig war und die Klägerin zu Unrecht in Haft gehalten wurde, sowie sie rehabilitiert.
Sie war seit Mitte der 1990er Jahre als Lastkraftwagenfahrerin im Fernverkehr und später bis vor etwa sieben Jahren auf Baustellen mit Kiesaushub und Asphaltarbeiten vollschichtig beschäftigt. Am 31. Juli 2015 beantragte sie unter Hinweis auf eine posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen, eine Fibromyalgie und ein Rheuma als nach der Haft eingetretene Körperschäden die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem StrRehaG. Um dies näher prüfen zu können, forderte das Landratsamt B., nachdem es zwischenzeitlich auch anderweitige Ermittlungen durchgeführt, insbesondere Befund- und Entlassungsberichte beigezogen hatte, die Klägerin im Februar 2016 auf, unter anderem das von Prof. Dr. Sch., Leiter der konservativen Orthopädie/Schmerztherapie der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums H., im April 2015 über sie erstattete Gutachten im Berufungsverfahren L 13 R 2420/13 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) vorzulegen oder es sonst zugänglich zu machen. In dem Rechtsmittelverfahren hatte die Klägerin diesen zweimal wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt; beide Gesuche wurden mit Beschlüssen des LSG vom 2. Dezember 2014 und 22. Mai 2015 abgelehnt. Für die schließlich erstattete Expertise zog Prof. Dr. Sch. die Dipl.-Psych. M.-Sch. für eine psychologische Evaluation hinzu. Als er im Vorfeld um entsprechende Genehmigung des LSG bat, wies er nach Durchsicht der Akten darauf hin, die Klägerin leide seit vielen Jahren unter chronischen Schmerzen der Stütz- und Bewegungsorgane. Gemäß der aktuellen Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen sollten auch schmerzrelevante psychische Gesundheitsstörungen abgeklärt werden.
Gegenüber dem Verwaltungsträger weigerte sie sich, ihr Einverständnis zur Beiziehung dieses Gutachtens zu erteilen oder es selbst zu übersenden. Es betreffe den rheumatologischen Fachbereich und habe mit der während der Haft erlittenen posttraumatischen Belastungsstörung nichts zu tun. Im R.en des Rechtsmittelverfahrens sei auch eine psychiatrische Expertise in Auftrag gegeben worden, welche zugeleitet werde, sobald sie vorliege. Auf den Hinweis des Verwaltungsträgers, dass sie Versorgungsleistungen auch wegen einer rheumatischen Erkrankung begehre, teilte sie Mitte April 2016 mit, diese nicht mehr geltend zu machen. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 fragte das Landratsamt B. wegen des in Aussicht gestellten psychiatrischen Gutachtens bei der Klägerin nach, woraufhin zu Beginn des Folgemonats die Expertise von Dr. C., Chefarzt der M.-B.-Klinik, Fachklinik für Psychosomatik und Ganzheitsmedizin in K., vom 12. April 2016 vorgelegt wurde. Bei ihrer ambulanten Untersuchung am 4. März 2016 habe sie als erlebte belastende und potenziell traumatische Situationen einen Traktorunfall mit drei Jahren, an den sie keine eigenen Erinnerungen habe, eine wiederholte Angst um ihre Mutter bei Bluterbrechen, eine dauerhaft eher kühle Haltung ihrer Eltern ihr gegenüber, insbesondere seitens ihres Vaters, ein anhaltendes Miterleben der väterlichen Gewalt gegenüber ihrer Mutter, sexuelle Übergriffe ihres Vaters zwischen ihrem zwölften und fünfzehnten Lebensjahr, einen Autounfall mit dreizehn Jahren, eine Verhaftung mit Verhören und "Stasi-Haft", bei der sie die Vergewaltigung ihrer Mutter akustisch miterlebt habe, anhaltende Demütigungen im Jugendheim, einen Mordversuch und eine Vergewaltigung durch ihren ersten Ehemann, eine Mitteilung des Missbrauchs ihrer Kinder, ein Abschalten des Beatmungsgerätes ihrer Mutter sowie ständige Auseinandersetzungen mit dem Vermieter ihrer Wohnung in den letzten Jahren angeführt. Am schlimmsten sei in ihrem Erleben noch heute die Behandlung durch das MfS, danach folge gleich die Konfrontation mit der sexuellen Gewalt an ihren Kindern und an dritter Stelle ihre Entscheidung, die künstliche Lebenserhaltung ihrer Mutter zu beenden. Sie habe spontan geäußert, schlechte Erfahrungen mit Gutachtern gemacht zu haben. Prof. Dr. Sch. habe sich ihr gegenüber "stasimäßig" verhalten. Das sei für sie schon wieder ein Trauma gewesen. Sie habe sich nicht ernst genommen gefühlt. Er habe mit ihr wie in einem Gefängnishof im Kreis gehen wollen. Dr. C. führte aus, die aggressiven Äußerungen, das Misstrauen und die fehlende Kooperation, welche vorangegangene gutachtliche Untersuchungen wie diese affektiv aufgeladen hätten, seien bei seiner Begutachtung nicht zur Darstellung gekommen. Er habe die Gegenwart ihres Ehemannes in selbstverständlicher Weise toleriert, ohne auf eine Untersuchung unter vier Augen bestanden zu haben. Weil sie den langen dunklen Gang, der zu seinem Büro führe, nicht habe betreten können, habe er sie im Bereich der Rezeption abgeholt und ihr einen alternativen Zugang ermöglicht. Dieses Entgegenkommen sei von ihr als vertrauensbildende Maßnahme verstanden worden, was die Exploration in entspannender Weise geprägt habe.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2016 wurde die Klägerin vom Landratsamt B. nochmals aufgefordert, das Gutachten von Prof. Dr. Sch. in Kopie zu übersenden oder ihr Einverständnis zur Beiziehung zu erteilen. Der Aktenvorgang sei Mitte Juli 2016 dem Ärztlichen Dienst seines Gesundheitsamtes zur medizinischen Prüfung zugeleitet worden. Nach dortiger Prüfung sei es nicht möglich, eine Bearbeitung ohne diese Expertise vorzunehmen. Die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Fibromyalgiesyndrom, posttraumatische Belastungsstörung und Depression" überschnitten sich in so hohem Maße medizinisch, dass eine weitere Bearbeitung ohne das Dokument nicht möglich sei. Die Klägerin sei zur Mitwirkung verpflichtet. Es gelte der Rechtsgrundsatz der objektiven Beweislast. Danach trage sie die Gefahr einer für sie ungünstigen Entscheidung, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen, etwa wegen fehlender Unterlagen, nicht festgestellt werden könnten. Die Klägerin lehnte es jedoch Anfang November 2016 nach wie vor ab, dem Landratsamt B. das Gutachten zur Kenntnis zu bringen, und verwies darauf, einen Befundbericht bei ihrem behandelnden Arzt, Prof. Dr. J., Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, einzuholen. Dem kam der Verwaltungsträger nach, woraufhin dieser Mitte November 2016 seine Befundberichte von Dezember 2010 sowie Juni und September 2015 überließ. Da der Ärztliche Dienst des Gesundheitsamtes des Landratsamtes B. diese medizinischen Dokumente Anfang Januar 2017 als veraltet und nicht weiter hilfreich einordnete, wies der Verwaltungsträger die Klägerin mit Schreiben vom 30. Januar 2017 unter Fristsetzung bis 28. Februar 2017 auf die Obliegenheit zur Mitwirkung und die möglichen Folgen bei Nichtvornahme hin. Sie weigerte sich mit beim Landratsamt B. am 3. Februar 2017 eingegangenem Telefax weiterhin, die Expertise zu übermitteln oder ihr Einverständnis zur Beiziehung zu erteilen. Sie sei mittlerweile zwei Jahre alt und spiegele nicht ihre aktuelle Situation wieder. Zudem sei sie nicht verwertbar, weil sie fachlich falsch sei. Mangels deren Entscheidungserheblichkeit sei in ihrem Verhalten kein Verstoß gegen eine Obliegenheit zur Mitwirkung zu sehen.
Am 20. Februar 2017 hat die Klägerin beim SG eine Untätigkeitsklage mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zur Bescheidung ihres Antrages auf Gewährung von Beschädigtenversorgung vom 31. Juli 2015 zu verurteilen. Auf Anforderung ist ihm von diesem Mitte März 2017 die Verwaltungsakte vorgelegt worden, welche anschließend dem Bevollmächtigten der Klägerin, einem Rentenberater, zur Akteneinsicht überlassen und Mitte April 2017 zurückgegeben worden ist. Der Beklagte hat nach Rückleitung des Aktenvorganges an ihn Mitte Mai 2017 zur Antragsbegründung, nach der keine Obliegenheit zur Mitwirkung gesehen worden ist, Stellung genommen.
Das SG hat mit Beschluss vom 20. Juni 2017 das Verfahren unter Fristsetzung bis 30. September 2017 ausgesetzt. Bei der Grundanerkennung nach dem StrRehaG handele es sich erfahrungsgemäß um schwierige und aufwendige Aufklärungsarbeiten. Diesbezüglich bestünden Obliegenheiten. Eine aktive und konstruktive Mitarbeit beeinflusse den Verfahrensverlauf positiv. Weil die Klägerin eine Fibromyalgie als Schädigungsfolge geltend mache, sei die Beiziehung des rheumatologischen Gutachtens von Prof. Dr. Sch. sinnvoll. Es sei Aufgabe des Beklagten, dieses entsprechend zu würdigen. Dieser habe zudem bereits den Weg bereitet, einen Versagungsbescheid zu erlassen. Das Verfahren werde daher ausgesetzt, um ihm die Gelegenheit zu geben, es in eigener Kompetenz zu Ende zu führen, wofür eine Frist bis Ende September 2017 für ausreichend erachtet werde.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. Juni 2017 beim SG Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, ihre Weigerung, das Gutachten von Prof. Dr. Sch. zu übersenden beziehungsweise es sonst zugänglich zu machen, stelle keinen zureichenden Grund dar, die Frist nach § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht einzuhalten. Sie sei vor dem Hintergrund des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht gehalten, insoweit mitzuwirken. Weiter verstieße die Übersendung gegen den Sozialdatenschutz. Die Expertise von Prof. Dr. Sch. sei nach der herrschenden Rechtsprechung nicht verwertbar, weil er es abgelehnt habe, dass ein Beistand bei der Begutachtung zugegen gewesen sei. Zudem habe er während der Untersuchung mehrere so bezeichnete "Flashbacks" getriggert und damit eine Situation geschaffen, welche ebenfalls dazu geführt habe, dass das Gutachten nicht verwertbar sei. Der Beklagte könne sich die Informationen über ihren behandelnden Arzt Prof. Dr. J. selbst beschaffen. Ohnehin könne er auch bei fehlender Mitwirkung über ihren Antrag vom 31. Juli 2015 entscheiden.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Juni 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihren Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz vom 31. Juli 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, das Verfahren sei rechtmäßig ausgesetzt worden. Es sei ihm nicht klar, was diese mit der Beschwerde erreichen wolle.
Die Verwaltungsakte (5 Bände) hat vorgelegen.
II.
Die nach § 173 Satz 1 SGG beim SG form- und fristgerecht eingelegte sowie nach § 172 Abs. 1 SGG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung, das Klageverfahren S 3 VE 345/17 unter Fristsetzung bis 30. September 2017 auszusetzen, also die Untätigkeitsklage als derzeit unbegründet anzusehen (vgl. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 88 Rz. 8), ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Der Bevollmächtigte der Klägerin konnte als Rentenberater wirksam Prozesshandlungen vornehmen (§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz - RDG), da der Rechtsstreit Gegenstand einer Rentenberatung auf dem Gebiet des sozialen Entschädigungsrechts war.
Ist gemäß § 88 Abs. 1 SGG ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig (Satz 1). Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann (Satz 2).
Die Sachentscheidungsvoraussetzungen für die Untätigkeitsklage liegen vor, insbesondere ist die sechsmonatige Wartefrist abgelaufen, denn der am 31. Juli 2015 gestellte Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem StrRehaG ist bislang nicht beschieden worden.
Es liegt indes ein zureichender Grund dafür vor, dass die Ausgangsbehörde über dieses Begehren in angemessener Frist bislang keine Verwaltungsentscheidung getroffen hat, dessen Fehlen Tatbestandsvoraussetzung für die von der Klägerin begehrte Verpflichtung des Beklagten als deren Rechtsträger zur Vornahme der Bescheidung ist (vgl. Binder, in Lüdtke/Berchtold, Kommentar zum SGG, 5. Aufl. 2017, § 88 Rz. 12; Schmidt, a. a. O., Rz. 6; in BSG, Urteil vom 26. August 1994 - 13 RJ 17/94 -, BSGE 75, 56 (58 f.) wurde offengelassen, ob es sich um eine solche oder bereits eine Prozessvoraussetzung handelt). Welche Frist angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Von Bedeutung ist dabei, ob die Verwaltung einen umfangreichen oder schwierigen Sachverhalt zu ermitteln, insbesondere medizinische Erhebungen vorzunehmen hat (vgl. Binder, a. a. O.). Die Angemessenheit der Frist orientiert sich am Grund der Verzögerung, dessen Hinlänglichkeit ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der seit der Antragstellung verstrichenen Zeit zu beurteilen (vgl. Binder, a. a. O., Rz. 14).
Nach diesem Maßstab hat der Beklagte bislang mit zureichendem Grund nicht über das Begehren der Klägerin entschieden. Mit ihrer Antragstellung Ende Juli 2015 hat das Verwaltungsverfahren begonnen (§ 18 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X). Damit hat es ihm oblegen, den Sachverhalt zu ermitteln, wobei er an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden ist (§ 20 Abs. 1 SGB X). Die beanspruchte Versorgung umfasst nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) insbesondere die Beschädigtengrundrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt dieser unter 25 besteht folglich kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42; Dau, in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2). Durch diese gesetzlichen Bestimmungen ist nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum für die Anerkennung von Schädigungsfolgen, welche eine Beschädigtengrundrente stützen können, eine dreigliedrige Kausalkette vorgegeben: Ein mit der rechtsstaatswidrigen strafrechtlichen Entscheidung zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung geführt haben, welche wiederum die geltend gemachte Schädigungsfolge bedingt haben muss. Dabei müssen sich die drei Glieder selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen, während für den ursächlichen Zusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 3/13 R -, SozR 4-3200 § 81 Nr. 6, Rz. 14 m. w. N.).
Um dies beurteilen zu können, hat der Beklagte einen umfangreichen Sachverhalt zu ermitteln, insbesondere auch medizinische Erhebungen dazu vorzunehmen, welche der geltend gemachten Gesundheitsstörungen bei der Klägerin vorliegen und ob diese auf die Gewahrsamnahmen von Ende Januar bis Anfang Mai 1974 zurückzuführen sind. Dem ist er bislang entsprechend den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen und zweckmäßigen Verwaltungsverfahrens (§§ 8 f. SGB X) von Beginn an und durchweg nachgekommen. Neben der Anfrage beim Bundesbeauftragen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR wurden unter anderem Befund- und Entlassungsberichte von Dr. W., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, den die Klägerin im Antragsvordruck als behandelnden Arzt angab, sowie von Dr. G., Leitender Arzt der Abteilung für Psychiatrie der Reha-Klinik G. in G., wo sie sich 2010 stationär aufhielt, eingeholt, welche im September 2015 vorgelegt wurden. Dr. W. übersandte neben dem im Berufungsverfahren L 13 R 2420/13 beim LSG eingeholte Gutachten von Dr. R., Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, auch einen Bericht von Dr. D., Facharzt für Neurologie, worin die Begutachtung bei Prof. Dr. Sch. erwähnt ist. Anschließend wurden weitere medizinische Dokumente von Dr. K. und Dr. R., Chefärzte der S. Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie R., Dr. Sch., Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin und Kardiologie des Gesundheitszentrums B. W., Dr. K., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. D., Dr. T., Facharzt für Innere Medizin, sowie des Dipl.-Psych. W. beigezogen. Zuletzt wurde Mitte November 2015 von der IKK c., wo die Klägerin gegen Krankheit gesetzlich versichert war, das Leistungsverzeichnis zugeleitet.
Nach Auswertung dieser umfangreichen Unterlagen forderte der Beklagte noch in angemessener Zeit die Klägerin im Februar 2016 zur weiteren Mitwirkung auf, also unter anderem das Gutachten von Prof. Dr. Sch. vorzulegen oder es sonst zugänglich zu machen, was sie bis zuletzt abgelehnt hat. Wer Sozialleistungen beantragt, hat zwar bis zur Grenze der Mitwirkung nach § 65 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) insbesondere gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I alle Tatsachen anzugeben, welche für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen. Der Beklagte durfte gleichwohl ob ihrer unterbliebenen Mitwirkungshandlung seine Tätigkeit nicht einfach einstellen. Eine derartige Vorgehensweise zwänge sie in unvertretbarer Weise, entweder die von ihr geforderte Mitwirkungshandlung ohne die Möglichkeit der Überprüfung der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 SGB I, der die Folgen fehlender Mitwirkung regelt, nachzuholen, ihren Leistungsantrag nicht weiterzuverfolgen oder bei Gericht eine Untätigkeitsklage zu erheben (vgl. BSGE 75, 56 (59)).
Der Beklagte ist nicht untätig geblieben, sondern wartete zunächst, wie von der Klägerin angeregt, ihre Übersendung der Expertise von Dr. C. im Juli 2016 ab, woran er sogar noch im Vormonat erinnerte. Er leitete den Aktenvorgang umgehend dem Ärztlichen Dienst seines Gesundheitsamtes zur medizinischen Prüfung zu. Nach dortiger Auffassung sei es nicht möglich, eine Bearbeitung ohne die gutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr. Sch. vorzunehmen. Die von der Klägerin zuletzt noch geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Fibromyalgiesyndrom, posttraumatische Belastungsstörung und Depression" überschnitten sich in so hohem Maße medizinisch, dass eine weitere Bearbeitung ohne das von ihr als rheumatologisches Gutachten bezeichnete Dokument nicht möglich sei. Dies stellt vor dem Hintergrund des Teils A, Nr. 3 der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) zur Bildung des Gesamt-GdS eine objektiv vertretbare Auffassung dar. Es liegt schon deshalb nicht fern, dass sich Prof. Dr. Sch. als Leiter der Abteilung der konservativen Orthopädie/Schmerztherapie mit einer Fibromyalgie (ICD-10-GM-2017 M79.7-) befasste, da die Klägerin sein Gutachten als rheumatologisches bezeichnete, weshalb sie aller Voraussicht nach auch darauf gerichtete Beschwerden vorbrachte. Die Fibromyalgie, welche durch eine Arbeitsgruppe der amerikanischen rheumatologischen Gesellschaft (Wolfe et al. 1990) anhand von achtzehn so genannten "Tender Points" an verschiedenen Sehnenansatzpunkten der Muskulatur definiert wurde (Egle/Kappis/Schairer/Stadtland, Begutachtung chronischer Schmerzen, 2014, S. 53), ist nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) ebenso wie der nicht näher bezeichnete Rheumatismus (M79.0-) bei den sonstigen Krankheiten des Weichteilgewebes, welche andernorts nicht klassifiziert sind (M79.-), eingeordnet. Vorliegend kommt hinzu, dass entsprechend der derzeit gültigen Fassung der Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen (im Internet unter "www.awmf.org/leitlinien.html") die Dipl.-Psych. M.-Sch. für eine psychologische Evaluation hinzugezogen worden war (vgl. Egle/Kappis/Schairer/Stadtland, a. a. O., S. 107 ff.), welche Gegenstand der Expertise geworden ist, woraus sich gewöhnlich Erkenntnisse hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten psychischen Gesundheitsstörungen ergeben. Dem anschließenden Hinweis der Klägerin Ende Oktober 2016, der Beklagte möge statt des Gutachtens von Prof. Dr. Sch. auf einen Befundbericht ihres behandelnden Arztes Prof. Dr. J. zurückgreifen, kam er wiederum nach. Hiermit befasst, ging der Ärztliche Dienst, welcher im Januar 2017 die überlassenen Berichte von Prof. Dr. J. als veraltet und nicht weiter hilfreich einordnete, weiterhin von der notwendigen Kenntnis des Gutachtens von Prof. Dr. Sch. aus. Daraufhin wies der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 30. Januar 2017 unter Fristsetzung bis 28. Februar 2017 auf die Obliegenheit zur darauf bezogenen Mitwirkung und die möglichen Folgen bei Nichtvornahme hin.
Wegen der Möglichkeit der Erteilung eines auf § 66 Abs. 1 SGB I gestützten Bescheides kann die Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2013 - B 4 AS 42/12 R -, BSGE 113, 177 (179) zur Terminologie) zwar für sich genommen grundsätzlich noch kein zureichender Grund dafür sein, dass der Verwaltungsträger einen Antrag unbeschieden gelassen hat (BSGE 75, 56 (60)). Vorliegend hat die Klägerin indes am 20. Februar 2017 Untätigkeitsklage beim SG erhoben, woraufhin der Beklagte mit Schreiben vom Folgetag um Vorlage der Verwaltungsakte, ohne die auch eine Entscheidung nach § 66 Abs. 1 SGB I nicht geboten ist, gebeten wurde, dem er nachkam. Wegen der noch nicht erheblichen Dauer des Verfahrens war er vor dem Hintergrund der nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) gewährleisteten Effektivität des Rechtsschutzes nicht gehalten, eine Kopie des Aktenvorganges anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 13. August 2012 - 1 BvR 1098/11 -, juris, Rz. 18). Anschließend wurde dieser dem Bevollmächtigten der Klägerin vom SG zu Einsicht überlassen und von dort Mitte April 2017 zurückgegeben. In der Folge wurde die Verwaltungsakte dem Beklagten zwar nochmals überlassen, allerdings zur Erwiderung auf die nach Akteneinsicht vorgenommene Antragsbegründung. In diesem Zusammenhang war er nicht gehalten, nach § 66 Abs. 1 SGB I vorzugehen, zumal er ob des Vortrages der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt davon ausgehen durfte, dass sich im Rahmen der Untätigkeitsklage klären wird, ob es dieser obliegt, die auferlegte Mitwirkungshandlung vorzunehmen. Damit hat der Beklagte auch ab Januar 2017 bislang mit zureichendem Grund über den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung vom 31. Juli 2015 nicht entschieden sowie das SG im Ergebnis mit Recht die Klage als derzeit unbegründet angesehen, das Verfahren ausgesetzt und eine Frist für die Bescheidung, gegebenenfalls unter Heranziehung von § 66 Abs. 1 SGB I, bis Ende September 2017 bestimmt.
Eine Kostenentscheidung hatte nicht zu ergehen, da das Beschwerdeverfahren gegen den Aussetzungsbeschluss kein eigenes Verfahren oder ein eigener Verfahrensabschnitt, sondern nur ein Zwischenstreit im noch anhängigen Verfahren beim SG ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. März 2013 - L 32 AS 105/13 B -, juris, Rz. 18 m. w. N.).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Aussetzung des Verfahrens S 3 VE 345/17 beim Sozialgericht Konstanz (SG) bis 30. September 2017.
In der Sache ist zwischen den Beteiligten streitig, ob die 1957 im thüringischen R. in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) geborene Klägerin Versorgungsleistungen, insbesondere eine Beschädigtengrundrente, nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) beanspruchen kann. Aufgrund eines vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unter dem Vorwurf der Vorbereitung eines ungesetzlichen Grenzübertrittes eingeleiteten Verfahrens befand sie sich vom 27. Januar bis 6. Mai 1974 in P., B. und L. in Untersuchungshaft. Das Kreisgericht L.-Ost verurteilte sie am 6. Mai 1974 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung, weshalb sie aus der Haft entlassen wurde. Mit Beschluss des Landgerichts L. vom 4. Februar 1994 wurde diese Entscheidung aufgehoben, festgestellt, dass das damalige Verfahren rechtsstaatswidrig war und die Klägerin zu Unrecht in Haft gehalten wurde, sowie sie rehabilitiert.
Sie war seit Mitte der 1990er Jahre als Lastkraftwagenfahrerin im Fernverkehr und später bis vor etwa sieben Jahren auf Baustellen mit Kiesaushub und Asphaltarbeiten vollschichtig beschäftigt. Am 31. Juli 2015 beantragte sie unter Hinweis auf eine posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen, eine Fibromyalgie und ein Rheuma als nach der Haft eingetretene Körperschäden die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem StrRehaG. Um dies näher prüfen zu können, forderte das Landratsamt B., nachdem es zwischenzeitlich auch anderweitige Ermittlungen durchgeführt, insbesondere Befund- und Entlassungsberichte beigezogen hatte, die Klägerin im Februar 2016 auf, unter anderem das von Prof. Dr. Sch., Leiter der konservativen Orthopädie/Schmerztherapie der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums H., im April 2015 über sie erstattete Gutachten im Berufungsverfahren L 13 R 2420/13 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) vorzulegen oder es sonst zugänglich zu machen. In dem Rechtsmittelverfahren hatte die Klägerin diesen zweimal wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt; beide Gesuche wurden mit Beschlüssen des LSG vom 2. Dezember 2014 und 22. Mai 2015 abgelehnt. Für die schließlich erstattete Expertise zog Prof. Dr. Sch. die Dipl.-Psych. M.-Sch. für eine psychologische Evaluation hinzu. Als er im Vorfeld um entsprechende Genehmigung des LSG bat, wies er nach Durchsicht der Akten darauf hin, die Klägerin leide seit vielen Jahren unter chronischen Schmerzen der Stütz- und Bewegungsorgane. Gemäß der aktuellen Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen sollten auch schmerzrelevante psychische Gesundheitsstörungen abgeklärt werden.
Gegenüber dem Verwaltungsträger weigerte sie sich, ihr Einverständnis zur Beiziehung dieses Gutachtens zu erteilen oder es selbst zu übersenden. Es betreffe den rheumatologischen Fachbereich und habe mit der während der Haft erlittenen posttraumatischen Belastungsstörung nichts zu tun. Im R.en des Rechtsmittelverfahrens sei auch eine psychiatrische Expertise in Auftrag gegeben worden, welche zugeleitet werde, sobald sie vorliege. Auf den Hinweis des Verwaltungsträgers, dass sie Versorgungsleistungen auch wegen einer rheumatischen Erkrankung begehre, teilte sie Mitte April 2016 mit, diese nicht mehr geltend zu machen. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 fragte das Landratsamt B. wegen des in Aussicht gestellten psychiatrischen Gutachtens bei der Klägerin nach, woraufhin zu Beginn des Folgemonats die Expertise von Dr. C., Chefarzt der M.-B.-Klinik, Fachklinik für Psychosomatik und Ganzheitsmedizin in K., vom 12. April 2016 vorgelegt wurde. Bei ihrer ambulanten Untersuchung am 4. März 2016 habe sie als erlebte belastende und potenziell traumatische Situationen einen Traktorunfall mit drei Jahren, an den sie keine eigenen Erinnerungen habe, eine wiederholte Angst um ihre Mutter bei Bluterbrechen, eine dauerhaft eher kühle Haltung ihrer Eltern ihr gegenüber, insbesondere seitens ihres Vaters, ein anhaltendes Miterleben der väterlichen Gewalt gegenüber ihrer Mutter, sexuelle Übergriffe ihres Vaters zwischen ihrem zwölften und fünfzehnten Lebensjahr, einen Autounfall mit dreizehn Jahren, eine Verhaftung mit Verhören und "Stasi-Haft", bei der sie die Vergewaltigung ihrer Mutter akustisch miterlebt habe, anhaltende Demütigungen im Jugendheim, einen Mordversuch und eine Vergewaltigung durch ihren ersten Ehemann, eine Mitteilung des Missbrauchs ihrer Kinder, ein Abschalten des Beatmungsgerätes ihrer Mutter sowie ständige Auseinandersetzungen mit dem Vermieter ihrer Wohnung in den letzten Jahren angeführt. Am schlimmsten sei in ihrem Erleben noch heute die Behandlung durch das MfS, danach folge gleich die Konfrontation mit der sexuellen Gewalt an ihren Kindern und an dritter Stelle ihre Entscheidung, die künstliche Lebenserhaltung ihrer Mutter zu beenden. Sie habe spontan geäußert, schlechte Erfahrungen mit Gutachtern gemacht zu haben. Prof. Dr. Sch. habe sich ihr gegenüber "stasimäßig" verhalten. Das sei für sie schon wieder ein Trauma gewesen. Sie habe sich nicht ernst genommen gefühlt. Er habe mit ihr wie in einem Gefängnishof im Kreis gehen wollen. Dr. C. führte aus, die aggressiven Äußerungen, das Misstrauen und die fehlende Kooperation, welche vorangegangene gutachtliche Untersuchungen wie diese affektiv aufgeladen hätten, seien bei seiner Begutachtung nicht zur Darstellung gekommen. Er habe die Gegenwart ihres Ehemannes in selbstverständlicher Weise toleriert, ohne auf eine Untersuchung unter vier Augen bestanden zu haben. Weil sie den langen dunklen Gang, der zu seinem Büro führe, nicht habe betreten können, habe er sie im Bereich der Rezeption abgeholt und ihr einen alternativen Zugang ermöglicht. Dieses Entgegenkommen sei von ihr als vertrauensbildende Maßnahme verstanden worden, was die Exploration in entspannender Weise geprägt habe.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2016 wurde die Klägerin vom Landratsamt B. nochmals aufgefordert, das Gutachten von Prof. Dr. Sch. in Kopie zu übersenden oder ihr Einverständnis zur Beiziehung zu erteilen. Der Aktenvorgang sei Mitte Juli 2016 dem Ärztlichen Dienst seines Gesundheitsamtes zur medizinischen Prüfung zugeleitet worden. Nach dortiger Prüfung sei es nicht möglich, eine Bearbeitung ohne diese Expertise vorzunehmen. Die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Fibromyalgiesyndrom, posttraumatische Belastungsstörung und Depression" überschnitten sich in so hohem Maße medizinisch, dass eine weitere Bearbeitung ohne das Dokument nicht möglich sei. Die Klägerin sei zur Mitwirkung verpflichtet. Es gelte der Rechtsgrundsatz der objektiven Beweislast. Danach trage sie die Gefahr einer für sie ungünstigen Entscheidung, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen, etwa wegen fehlender Unterlagen, nicht festgestellt werden könnten. Die Klägerin lehnte es jedoch Anfang November 2016 nach wie vor ab, dem Landratsamt B. das Gutachten zur Kenntnis zu bringen, und verwies darauf, einen Befundbericht bei ihrem behandelnden Arzt, Prof. Dr. J., Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, einzuholen. Dem kam der Verwaltungsträger nach, woraufhin dieser Mitte November 2016 seine Befundberichte von Dezember 2010 sowie Juni und September 2015 überließ. Da der Ärztliche Dienst des Gesundheitsamtes des Landratsamtes B. diese medizinischen Dokumente Anfang Januar 2017 als veraltet und nicht weiter hilfreich einordnete, wies der Verwaltungsträger die Klägerin mit Schreiben vom 30. Januar 2017 unter Fristsetzung bis 28. Februar 2017 auf die Obliegenheit zur Mitwirkung und die möglichen Folgen bei Nichtvornahme hin. Sie weigerte sich mit beim Landratsamt B. am 3. Februar 2017 eingegangenem Telefax weiterhin, die Expertise zu übermitteln oder ihr Einverständnis zur Beiziehung zu erteilen. Sie sei mittlerweile zwei Jahre alt und spiegele nicht ihre aktuelle Situation wieder. Zudem sei sie nicht verwertbar, weil sie fachlich falsch sei. Mangels deren Entscheidungserheblichkeit sei in ihrem Verhalten kein Verstoß gegen eine Obliegenheit zur Mitwirkung zu sehen.
Am 20. Februar 2017 hat die Klägerin beim SG eine Untätigkeitsklage mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zur Bescheidung ihres Antrages auf Gewährung von Beschädigtenversorgung vom 31. Juli 2015 zu verurteilen. Auf Anforderung ist ihm von diesem Mitte März 2017 die Verwaltungsakte vorgelegt worden, welche anschließend dem Bevollmächtigten der Klägerin, einem Rentenberater, zur Akteneinsicht überlassen und Mitte April 2017 zurückgegeben worden ist. Der Beklagte hat nach Rückleitung des Aktenvorganges an ihn Mitte Mai 2017 zur Antragsbegründung, nach der keine Obliegenheit zur Mitwirkung gesehen worden ist, Stellung genommen.
Das SG hat mit Beschluss vom 20. Juni 2017 das Verfahren unter Fristsetzung bis 30. September 2017 ausgesetzt. Bei der Grundanerkennung nach dem StrRehaG handele es sich erfahrungsgemäß um schwierige und aufwendige Aufklärungsarbeiten. Diesbezüglich bestünden Obliegenheiten. Eine aktive und konstruktive Mitarbeit beeinflusse den Verfahrensverlauf positiv. Weil die Klägerin eine Fibromyalgie als Schädigungsfolge geltend mache, sei die Beiziehung des rheumatologischen Gutachtens von Prof. Dr. Sch. sinnvoll. Es sei Aufgabe des Beklagten, dieses entsprechend zu würdigen. Dieser habe zudem bereits den Weg bereitet, einen Versagungsbescheid zu erlassen. Das Verfahren werde daher ausgesetzt, um ihm die Gelegenheit zu geben, es in eigener Kompetenz zu Ende zu führen, wofür eine Frist bis Ende September 2017 für ausreichend erachtet werde.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. Juni 2017 beim SG Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, ihre Weigerung, das Gutachten von Prof. Dr. Sch. zu übersenden beziehungsweise es sonst zugänglich zu machen, stelle keinen zureichenden Grund dar, die Frist nach § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht einzuhalten. Sie sei vor dem Hintergrund des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht gehalten, insoweit mitzuwirken. Weiter verstieße die Übersendung gegen den Sozialdatenschutz. Die Expertise von Prof. Dr. Sch. sei nach der herrschenden Rechtsprechung nicht verwertbar, weil er es abgelehnt habe, dass ein Beistand bei der Begutachtung zugegen gewesen sei. Zudem habe er während der Untersuchung mehrere so bezeichnete "Flashbacks" getriggert und damit eine Situation geschaffen, welche ebenfalls dazu geführt habe, dass das Gutachten nicht verwertbar sei. Der Beklagte könne sich die Informationen über ihren behandelnden Arzt Prof. Dr. J. selbst beschaffen. Ohnehin könne er auch bei fehlender Mitwirkung über ihren Antrag vom 31. Juli 2015 entscheiden.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Juni 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihren Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz vom 31. Juli 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, das Verfahren sei rechtmäßig ausgesetzt worden. Es sei ihm nicht klar, was diese mit der Beschwerde erreichen wolle.
Die Verwaltungsakte (5 Bände) hat vorgelegen.
II.
Die nach § 173 Satz 1 SGG beim SG form- und fristgerecht eingelegte sowie nach § 172 Abs. 1 SGG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung, das Klageverfahren S 3 VE 345/17 unter Fristsetzung bis 30. September 2017 auszusetzen, also die Untätigkeitsklage als derzeit unbegründet anzusehen (vgl. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 88 Rz. 8), ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Der Bevollmächtigte der Klägerin konnte als Rentenberater wirksam Prozesshandlungen vornehmen (§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz - RDG), da der Rechtsstreit Gegenstand einer Rentenberatung auf dem Gebiet des sozialen Entschädigungsrechts war.
Ist gemäß § 88 Abs. 1 SGG ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig (Satz 1). Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann (Satz 2).
Die Sachentscheidungsvoraussetzungen für die Untätigkeitsklage liegen vor, insbesondere ist die sechsmonatige Wartefrist abgelaufen, denn der am 31. Juli 2015 gestellte Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem StrRehaG ist bislang nicht beschieden worden.
Es liegt indes ein zureichender Grund dafür vor, dass die Ausgangsbehörde über dieses Begehren in angemessener Frist bislang keine Verwaltungsentscheidung getroffen hat, dessen Fehlen Tatbestandsvoraussetzung für die von der Klägerin begehrte Verpflichtung des Beklagten als deren Rechtsträger zur Vornahme der Bescheidung ist (vgl. Binder, in Lüdtke/Berchtold, Kommentar zum SGG, 5. Aufl. 2017, § 88 Rz. 12; Schmidt, a. a. O., Rz. 6; in BSG, Urteil vom 26. August 1994 - 13 RJ 17/94 -, BSGE 75, 56 (58 f.) wurde offengelassen, ob es sich um eine solche oder bereits eine Prozessvoraussetzung handelt). Welche Frist angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Von Bedeutung ist dabei, ob die Verwaltung einen umfangreichen oder schwierigen Sachverhalt zu ermitteln, insbesondere medizinische Erhebungen vorzunehmen hat (vgl. Binder, a. a. O.). Die Angemessenheit der Frist orientiert sich am Grund der Verzögerung, dessen Hinlänglichkeit ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der seit der Antragstellung verstrichenen Zeit zu beurteilen (vgl. Binder, a. a. O., Rz. 14).
Nach diesem Maßstab hat der Beklagte bislang mit zureichendem Grund nicht über das Begehren der Klägerin entschieden. Mit ihrer Antragstellung Ende Juli 2015 hat das Verwaltungsverfahren begonnen (§ 18 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X). Damit hat es ihm oblegen, den Sachverhalt zu ermitteln, wobei er an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden ist (§ 20 Abs. 1 SGB X). Die beanspruchte Versorgung umfasst nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) insbesondere die Beschädigtengrundrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt dieser unter 25 besteht folglich kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42; Dau, in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2). Durch diese gesetzlichen Bestimmungen ist nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum für die Anerkennung von Schädigungsfolgen, welche eine Beschädigtengrundrente stützen können, eine dreigliedrige Kausalkette vorgegeben: Ein mit der rechtsstaatswidrigen strafrechtlichen Entscheidung zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung geführt haben, welche wiederum die geltend gemachte Schädigungsfolge bedingt haben muss. Dabei müssen sich die drei Glieder selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen, während für den ursächlichen Zusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 3/13 R -, SozR 4-3200 § 81 Nr. 6, Rz. 14 m. w. N.).
Um dies beurteilen zu können, hat der Beklagte einen umfangreichen Sachverhalt zu ermitteln, insbesondere auch medizinische Erhebungen dazu vorzunehmen, welche der geltend gemachten Gesundheitsstörungen bei der Klägerin vorliegen und ob diese auf die Gewahrsamnahmen von Ende Januar bis Anfang Mai 1974 zurückzuführen sind. Dem ist er bislang entsprechend den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen und zweckmäßigen Verwaltungsverfahrens (§§ 8 f. SGB X) von Beginn an und durchweg nachgekommen. Neben der Anfrage beim Bundesbeauftragen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR wurden unter anderem Befund- und Entlassungsberichte von Dr. W., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, den die Klägerin im Antragsvordruck als behandelnden Arzt angab, sowie von Dr. G., Leitender Arzt der Abteilung für Psychiatrie der Reha-Klinik G. in G., wo sie sich 2010 stationär aufhielt, eingeholt, welche im September 2015 vorgelegt wurden. Dr. W. übersandte neben dem im Berufungsverfahren L 13 R 2420/13 beim LSG eingeholte Gutachten von Dr. R., Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, auch einen Bericht von Dr. D., Facharzt für Neurologie, worin die Begutachtung bei Prof. Dr. Sch. erwähnt ist. Anschließend wurden weitere medizinische Dokumente von Dr. K. und Dr. R., Chefärzte der S. Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie R., Dr. Sch., Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin und Kardiologie des Gesundheitszentrums B. W., Dr. K., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. D., Dr. T., Facharzt für Innere Medizin, sowie des Dipl.-Psych. W. beigezogen. Zuletzt wurde Mitte November 2015 von der IKK c., wo die Klägerin gegen Krankheit gesetzlich versichert war, das Leistungsverzeichnis zugeleitet.
Nach Auswertung dieser umfangreichen Unterlagen forderte der Beklagte noch in angemessener Zeit die Klägerin im Februar 2016 zur weiteren Mitwirkung auf, also unter anderem das Gutachten von Prof. Dr. Sch. vorzulegen oder es sonst zugänglich zu machen, was sie bis zuletzt abgelehnt hat. Wer Sozialleistungen beantragt, hat zwar bis zur Grenze der Mitwirkung nach § 65 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) insbesondere gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I alle Tatsachen anzugeben, welche für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen. Der Beklagte durfte gleichwohl ob ihrer unterbliebenen Mitwirkungshandlung seine Tätigkeit nicht einfach einstellen. Eine derartige Vorgehensweise zwänge sie in unvertretbarer Weise, entweder die von ihr geforderte Mitwirkungshandlung ohne die Möglichkeit der Überprüfung der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 SGB I, der die Folgen fehlender Mitwirkung regelt, nachzuholen, ihren Leistungsantrag nicht weiterzuverfolgen oder bei Gericht eine Untätigkeitsklage zu erheben (vgl. BSGE 75, 56 (59)).
Der Beklagte ist nicht untätig geblieben, sondern wartete zunächst, wie von der Klägerin angeregt, ihre Übersendung der Expertise von Dr. C. im Juli 2016 ab, woran er sogar noch im Vormonat erinnerte. Er leitete den Aktenvorgang umgehend dem Ärztlichen Dienst seines Gesundheitsamtes zur medizinischen Prüfung zu. Nach dortiger Auffassung sei es nicht möglich, eine Bearbeitung ohne die gutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr. Sch. vorzunehmen. Die von der Klägerin zuletzt noch geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Fibromyalgiesyndrom, posttraumatische Belastungsstörung und Depression" überschnitten sich in so hohem Maße medizinisch, dass eine weitere Bearbeitung ohne das von ihr als rheumatologisches Gutachten bezeichnete Dokument nicht möglich sei. Dies stellt vor dem Hintergrund des Teils A, Nr. 3 der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) zur Bildung des Gesamt-GdS eine objektiv vertretbare Auffassung dar. Es liegt schon deshalb nicht fern, dass sich Prof. Dr. Sch. als Leiter der Abteilung der konservativen Orthopädie/Schmerztherapie mit einer Fibromyalgie (ICD-10-GM-2017 M79.7-) befasste, da die Klägerin sein Gutachten als rheumatologisches bezeichnete, weshalb sie aller Voraussicht nach auch darauf gerichtete Beschwerden vorbrachte. Die Fibromyalgie, welche durch eine Arbeitsgruppe der amerikanischen rheumatologischen Gesellschaft (Wolfe et al. 1990) anhand von achtzehn so genannten "Tender Points" an verschiedenen Sehnenansatzpunkten der Muskulatur definiert wurde (Egle/Kappis/Schairer/Stadtland, Begutachtung chronischer Schmerzen, 2014, S. 53), ist nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) ebenso wie der nicht näher bezeichnete Rheumatismus (M79.0-) bei den sonstigen Krankheiten des Weichteilgewebes, welche andernorts nicht klassifiziert sind (M79.-), eingeordnet. Vorliegend kommt hinzu, dass entsprechend der derzeit gültigen Fassung der Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen (im Internet unter "www.awmf.org/leitlinien.html") die Dipl.-Psych. M.-Sch. für eine psychologische Evaluation hinzugezogen worden war (vgl. Egle/Kappis/Schairer/Stadtland, a. a. O., S. 107 ff.), welche Gegenstand der Expertise geworden ist, woraus sich gewöhnlich Erkenntnisse hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten psychischen Gesundheitsstörungen ergeben. Dem anschließenden Hinweis der Klägerin Ende Oktober 2016, der Beklagte möge statt des Gutachtens von Prof. Dr. Sch. auf einen Befundbericht ihres behandelnden Arztes Prof. Dr. J. zurückgreifen, kam er wiederum nach. Hiermit befasst, ging der Ärztliche Dienst, welcher im Januar 2017 die überlassenen Berichte von Prof. Dr. J. als veraltet und nicht weiter hilfreich einordnete, weiterhin von der notwendigen Kenntnis des Gutachtens von Prof. Dr. Sch. aus. Daraufhin wies der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 30. Januar 2017 unter Fristsetzung bis 28. Februar 2017 auf die Obliegenheit zur darauf bezogenen Mitwirkung und die möglichen Folgen bei Nichtvornahme hin.
Wegen der Möglichkeit der Erteilung eines auf § 66 Abs. 1 SGB I gestützten Bescheides kann die Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2013 - B 4 AS 42/12 R -, BSGE 113, 177 (179) zur Terminologie) zwar für sich genommen grundsätzlich noch kein zureichender Grund dafür sein, dass der Verwaltungsträger einen Antrag unbeschieden gelassen hat (BSGE 75, 56 (60)). Vorliegend hat die Klägerin indes am 20. Februar 2017 Untätigkeitsklage beim SG erhoben, woraufhin der Beklagte mit Schreiben vom Folgetag um Vorlage der Verwaltungsakte, ohne die auch eine Entscheidung nach § 66 Abs. 1 SGB I nicht geboten ist, gebeten wurde, dem er nachkam. Wegen der noch nicht erheblichen Dauer des Verfahrens war er vor dem Hintergrund der nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) gewährleisteten Effektivität des Rechtsschutzes nicht gehalten, eine Kopie des Aktenvorganges anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 13. August 2012 - 1 BvR 1098/11 -, juris, Rz. 18). Anschließend wurde dieser dem Bevollmächtigten der Klägerin vom SG zu Einsicht überlassen und von dort Mitte April 2017 zurückgegeben. In der Folge wurde die Verwaltungsakte dem Beklagten zwar nochmals überlassen, allerdings zur Erwiderung auf die nach Akteneinsicht vorgenommene Antragsbegründung. In diesem Zusammenhang war er nicht gehalten, nach § 66 Abs. 1 SGB I vorzugehen, zumal er ob des Vortrages der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt davon ausgehen durfte, dass sich im Rahmen der Untätigkeitsklage klären wird, ob es dieser obliegt, die auferlegte Mitwirkungshandlung vorzunehmen. Damit hat der Beklagte auch ab Januar 2017 bislang mit zureichendem Grund über den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung vom 31. Juli 2015 nicht entschieden sowie das SG im Ergebnis mit Recht die Klage als derzeit unbegründet angesehen, das Verfahren ausgesetzt und eine Frist für die Bescheidung, gegebenenfalls unter Heranziehung von § 66 Abs. 1 SGB I, bis Ende September 2017 bestimmt.
Eine Kostenentscheidung hatte nicht zu ergehen, da das Beschwerdeverfahren gegen den Aussetzungsbeschluss kein eigenes Verfahren oder ein eigener Verfahrensabschnitt, sondern nur ein Zwischenstreit im noch anhängigen Verfahren beim SG ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. März 2013 - L 32 AS 105/13 B -, juris, Rz. 18 m. w. N.).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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