Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 2601/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3770/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wer nach Rückfall in die Alkoholsucht in suizidaler Absicht den direkten Arbeistweg verlässt und die Fahrbahn vor einem entgegenekommenden Lkw betritt, der steht nicht unter Unfallversicherungsschutz. Nur wenn ungeklärt oder unklärbar ist, ob der Unfall darauf beruht, so trägt die Berufsgenoosenschaft die Beweislast für eine suizidale Absicht.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. August 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung des Ereignisses vom 6. Dezember 2013 als Wegeunfall streitig.
Der 1956 geborene, verheiratete Kläger war als Service-Techniker in Vollzeit bei der Firma HTE H. GmbH in E., S. W. 60, beschäftigt. Seit 1. November 2014 bezieht er eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit einem monatlichen Zahlbetrag von 614,93 EUR. Sein Wohnort ist in Pf. Str. 30/1, die Entfernung vom Wohnort zum Arbeitsplatz betrug ca. 550 m, wobei ungefähr 80 % des Arbeitswegs entlang der Pf. Str., die eine Durchgangsstraße ist, verlaufen.
Der Kläger war vor dem Unfallereignis ca. 20 Jahre alkoholabhängig, zuletzt hat er nach eigenen Angaben eine Flasche Cognac täglich getrunken. Nachdem er gegenüber seiner Ehefrau Suizidgedanken geäußert und sich am 20. August 2013 mit dem Messer Schnittverletzungen am linken Unterarm zufügt hatte, wurde er bei Depressivität wegen Alkoholentzugssyndrom bei Alkoholabhängigkeit (bislang kein professioneller Entzug, Abmahnung vom Arbeitgeber, seine Ehe stehe auf dem Spiel, wenn er weiter trinke) zunächst vom 25. bis 27. August 2013 stationär in dem St. T.-Klinikum Pf. behandelt (Entlassungsbericht vom 27. August 2013, Bl. 210 V-Akte), von wo aus er zum Alkoholentzug ins Klinikum N. (zfp) verlegt wurde. Der Kläger wurde dort stationär vom 27. August bis 13. September 2016 in der Suchtmedizinischen Abteilung behandelt, die eine Verhaltensstörung durch Alkohol (ICD-10: Abhängigkeitssyndrom F10.2), ein Entzugssyndrom (ICD-10: F10.3) sowie eine depressive Episode, nicht näher bezeichnet (ICD-10: F32.9), diagnostizierte. Der Kläger habe sich im nüchternen Zustand klar und glaubhaft von einer Suizidalität distanziert und sei nach einem qualifiziertem Entzug ohne ersichtliche Eigen- oder Fremdgefährdung wunschgemäß nach Hause entlassen worden. Er habe jedoch weiterhin eine behandlungsbedürftige Stimmungslage aufgewiesen (Entlassungsbericht vom 25. September 2013, Bl. 217 V-Akte). In der Folgezeit führte der Kläger nur anfänglich eine psychologische Behandlung durch.
Nachdem er am Vorabend deutlich mehr als eine Flasche Wein konsumiert hatte, wurde der Kläger am 6. Dezember 2013 gegen 6:40 Uhr als Fußgänger bei Dunkelheit und leichtem Schneefall beim Betreten der Pf. Str. von einem Lkw erfasst, wodurch er eine linksseitige Rippenserienfraktur, eine Lungenquetschung bzw. Rissbildung, ferner ein Schädel-Hirntrauma Grad II bis III erlitt. Die Straßenbeleuchtung war zum Unfallzeitpunkt eingeschaltet und der Lkw-Fahrer hatte die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts beachtet. Die Kollisionsgeschwindigkeit lag bei 35 km/h, der von links kommende Lkw war für den Kläger erkennbar, aus technischer Sicht war eine Reaktionsverzug des Fahrers des Lkw nicht nachweisbar (Gutachten des Ingenieurbüros K. vom 7. Februar 2014). Nach der informatorischen Befragung des Lkw-Fahrers hatte der Kläger bereits den Gehweg erreicht, sich dann umgedreht und unvermittelt plötzlich wieder die Fahrbahn betreten (Bl. 31 V-Akte). Der Kläger wies zur Unfallzeit 0,19 Promille Alkohol im Blut auf, wobei der behandelnde Arzt der Intensivstation des Klinikums Pf. St. davon ausging, dass es sich um Restalkohol bzw. um einen Nachtrunk am Unfalltag und nicht um eine Verfälschung des Alkoholkonzentrationswerts durch Desinfektionsmittel gehandelt habe (Bl. 98 V-Akte = 29 Erm.-Akte). Der Kläger trug zum Unfallzeitpunkt dunkle Arbeitskleidung, die bereits im Mai an ihn zurückgesandt wurde (Bl 189 V-Akte).
Nach der von der Beklagten beigezogenen Unfallskizze (Bl. 83 der Verwaltungsakte) und den Ermittlungen der Polizeidirektion Pf. zum Verkehrsunfall hatte sich der Kläger vom Arbeitsplatz in Richtung auf die Straßenseite seiner Wohnung wegbewegt. Nach der Zeugenaussage des Linienbus-Fahrers D. C. T. habe dieser am Unfalltag während der Frühschicht gegen 6:32 Uhr einen Mann bemerkt, welcher an der Unfallstelle unvermittelt und ohne den Fahrverkehr zu beachten auf die Fahrbahn getreten, und dort einfach stehengeblieben sei. Er habe dem Fußgänger nur mit Mühe hätte ausweichen können. Als er in den Rückspiegel geschaut habe, habe er festgestellt, dass der Mann immer noch auf der Straße gestanden sei. Kurze Zeit später habe er erfahren, dass sich wenige Minuten später an derselben Stelle der Unfall mit dem Lkw ereignet habe. Eine genauere Personenbeschreibung sei ihm nicht möglich, außer dass es sich um einen Mann gehandelt habe, der sich derart auffällig verhalten habe, dass er von einer Suizidabsicht ausgegangen sei. Seine Aussage wurde von dem Kontrolleur Burkhardt bestätigt, der die Angaben dahingehend ergänzte, dass der Fußgänger eine schwarze Wollmütze und eine dunkle/schwarze Jacke getragen habe. Er gehe davon aus, dass es sich bei der männlichen Person um den Kläger gehandelt habe, der ihm persönlich bekannt sei und gegenüber dem Wohnanwesen seiner Lebenspartnerin lebe. An dem fraglichen Morgen habe er ihn jedoch nicht erkannt. Er wisse jedoch, dass der Kläger immer zwischen 6:30 Uhr und 6:40 Uhr das Haus verlasse, wobei er ihn schon öfter gesehen habe.
Der Ersthelfer K. gab an, er sei hinter dem Lkw gefahren, habe auf dem rechten Gehweg einen dunklen Gegenstand gesehen, der sich bewegt habe. Der mit ca. 45 km/h fahrende Lkw habe stark abgebremst und nach links gezogen, er habe dann den Kläger auf dem Boden liegen sehen.
Die Ehefrau und die Tochter des Klägers gaben nach Konfrontation mit einem möglichen Suizidversuch bei ihrer informatorischen Befragung an, dieser sei im Sommer 2013 depressiv veranlagt gewesen und habe auch Suizidäußerungen getätigt. Alkohol konsumiere er seit dem Entzug nicht mehr, Alkoholika würden verschlossen aufbewahrt, er habe hierauf keinen Zugriff (Bl. 97 f. V-Akte).
Nach dem Unfall befand sich der Kläger bis 23. Dezember 2013 im Koma, war dann zunächst zeitlich und örtlich desorientiert und machte erstmalig am 15. Januar 2014 gegenüber den Ärzten Angaben dahingehend, dass er sich auf dem Weg zur Arbeit befunden habe, als er verunfallt sei. Von der Polizei mit dem möglichen Suizidversuch konfrontiert, entgegnete der Kläger, er habe nie die Absicht gehabt, sich das Leben zu nehmen, da er eine intakte Familie, Arbeit und keine Schulden habe und es ihm auch sonst gutgehe. An einen früheren Vorfall wenige Minuten vor dem Unfall mit einem Bus konnte er sich nicht erinnern. Er habe aus Unachtsamkeit die Fahrbahn betreten. In dem Klinikum Pf. behauptete er, seit der Entzugsmaßnahme "trocken" zu sein. Seit dem Unfall seien die depressiven und Suizidgedanken wie weg (Neurologischer Bericht vom 16. Juni 2104, Bl. 168 V-Akte). Der Fahrer des Lkw, Herr B., teilte der Polizei mit, der später verletzte Fußgänger habe die Fahrbahn überquert und sich bereits auf dem Gehweg befunden, als er sich umgedreht und plötzlich wieder die Fahrbahn betreten habe. Daraufhin sei es zum Unfall gekommen.
Nach stationärer Behandlung bis zum 4. Januar 2014 erfolgte vom 5. Mai bis 1. Juni 2014 eine berufliche Wiedereingliederungsmaßnahme. Der Kläger war danach zunächst wieder vollschichtig leistungsfähig, musste dann aber vom 4. bis 30. September 2014 eine Rehabilitationsmaßnahme in den Kliniken Sch. durchführen. Danach habe er vor dem Unfall ein schweres depressives Syndrom mit Suizidversuch aufgewiesen. Er habe berichtet, seit dem Entzug 2013 keinen Alkohol mehr angerührt zu haben. Diagnostiziert wurde u.a. eine Anpassungsstörung (ICD-10: F 43.2). Der Kläger konnte bei eingeschränkter konzentrativer und körperlicher Belastbarkeit vor dem Hintergrund kognitiver Defizite, einer linksarmbetonten Hemiparese, einer Hörminderung links seit dem Unfall sowie einer Gonarthrose der linken Hüfte mit einem nur halbschichtigen Leistungsvermögen entlassen werden (Entlassungsbericht vom 7. Oktober 2014).
Nach Einholung des verkehrstechnischen Gutachtens stellte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Lkw-Fahrer (Az: 81 JS 2009/14) nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) wegen möglicher Unvermeidbarkeit des Unfalls ebenso ein wie das Ordnungswidrigkeitenverfahren (OWiG) gegen den Kläger (Az: 81 JS 2018/14), weil dieser durch seine erlittenen Verletzungen genügend gewarnt sei.
Die Unfallanzeige erfolgte am 27. Januar 2014 sowohl durch den Arbeitgeber als auch den Kläger selbst, woraufhin die Beklagte ihm zunächst Verletztengeld gewährte. Der Arbeitgeber gab ergänzend an, dass dieser um 07:30 Uhr seine Tätigkeit habe aufnehmen sollen. An diesem Tag seien Wartungsarbeiten bei Kunden in Pf. vorgesehen gewesen (Schreiben vom 10. Februar 2014). Der Kläger teilte mit, dass er normalerweise mit dem Firmenwagen zur Arbeit fahre, dieser sei jedoch am Unfalltag in der Inspektion gewesen, deswegen sei er zu Fuß zur Arbeit gelaufen. Nach ca. 200 m Wegstrecke habe er bemerkt, dass er seinen Geldbeutel und seine Papiere mit dem Führerschein vergessen habe, sei deswegen noch einmal nach Hause umgekehrt und bei dem Versuch, die Straße zu überqueren, von links von dem Lkw erfasst worden. Nachdem die Beklagte Zweifel am Vorliegen eines Arbeitsunfalls äußerte, ergänzte der Kläger seinen Vortrag dahingehend, dass er auch habe zurückgehen wollen, um seine Sicherheitsschuhe anzuziehen, die er vergessen habe (Bl 26 V-Akte).
Über seinen Anwalt ließ der Kläger mitteilen, er habe am 5. Dezember 2013 mit seiner Ehefrau den Hochzeitstag gefeiert und gemeinsam zwei Flaschen Wein getrunken. Er gehe davon aus, dass er davon mehr als die Hälfte konsumiert habe. Am Folgetag sei er wie üblich mit seiner Ehefrau um 5:30 Uhr aufgestanden, er habe selbstverständlich zum Frühstück keinen Alkohol zu sich genommen. Er habe sich nicht geraume Zeit an der späteren Unfallstelle aufgehalten. Der Bevollmächtigte ergänzte, die Ehefrau habe in Gegenwart ihrer Tochter nicht über den gemeinsamen Alkoholkonsum am Hochzeitstag berichten wollen. Der Kläger sei nicht abgemahnt worden.
Auf Nachfrage gab der Arbeitgeber mit Schreiben vom 25. Juli 2014 an, dass es zutreffe, dass sich das Fahrzeug des Klägers am 6. Dezember 2013 in der Werkstatt befunden habe. Unmittelbar vor dem Unfall habe es im Betrieb keine Probleme wegen einer Alkoholbeeinflussung gegeben, früher sei ein Alkoholproblem vermutet und der Kläger auch daraufhin angesprochen worden. Dieser habe dann eine stationäre Behandlung angetreten und es sei nach Wiederherstellung der vollen Leistungsfähigkeit davon ausgegangen worden, dass eine eventuelle Alkoholproblematik überwunden sei. Es habe keinen Hinweis auf eine offensichtliche depressive Verstimmung gegeben, der Kläger sei fleißig gewesen und habe seine Arbeit ordentlich verrichtet.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls vom 6. Dezember 2013 mit der Begründung ab, der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem Weg nach Hause befunden. Zahlreiche Anhaltspunkte dafür lägen vor, dass er versucht habe, sich das Leben zu nehmen, nämlich die Zeugenaussagen zum Fastunfall sowie der Umstand, dass er zum Unfallzeitpunkt Alkoholiker gewesen sei, welches zu Arbeitsplatzproblemen und einer Scheidungsandrohung der Ehefrau geführt habe. Bei in der Vergangenheit schweren depressiven Phasen und den wiederholt durchlebten Misserfolgen bei der Alkoholentwöhnung in Eigeninitiative seien wiederholt Suizidabsichten geäußert worden. Der Kläger habe auch schon einen Selbstmordversuch am 20. August 2013 unternommen, welcher durch ärztliche Unterlagen gesichert sei. Bei der stationären Aufnahme nach dem Ereignis sei Alkohol festgestellt worden, wobei noch seine Ehefrau davon ausgegangen sei, dass er keinen Alkohol mehr trinke und, nachdem Alkoholika im Haus verschlossen seien, er absolut keinen Zugriff darauf habe. Das Verhalten des Klägers bei dem Unfall sei auffällig gewesen, da ein Lkw an der Unfallstelle zum gegebenen Zeitpunkt trotz der Dunkelheit und des leichten Schneefalls von einem Fußgänger nicht habe übersehen oder überhört werden können. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass er bewusst die Kollision mit dem Lkw gesucht habe. Denn er sei zum Unfallzeitpunkt wieder in die Alkoholsucht zurückgefallen, da der Konsum von ca. eineinhalb Flaschen Wein am Vorabend nicht mehr als kontrolliertes Trinken bezeichnet werden könne. Jedenfalls könne nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten nicht mehr hinreichend gesichert davon ausgegangen werden, dass er sich zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg zur Arbeit bzw. auf dem Weg zurück zum Holen seines Geldbeutels befunden habe. Ebenso sei möglich, dass ein Suizidversuch vorliege oder er einen Zigarettenautomaten habe aufsuchen wollen. Die Nichterweislichkeit des Vorliegens eines Arbeitsweges gehe zulasten des Klägers.
Seinen dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass sich der Verdacht der Staatsanwaltschaft auf einen Suizidversuch nicht habe erhärten lassen. Die von ihm zugefügten Schnittverletzungen seien wenig dramatisch gewesen, es habe sich nur um oberflächliche Verletzungen gehandelt. Vielmehr habe er den Unfall infolge von Unachtsamkeit verschuldet. Gesicherte Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Suizidversuchs oder eines nichtversicherten Weges seien nicht vorhanden. Er sei nicht absolut abstinent, sondern trinke kontrolliert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2015 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte führte ergänzend aus, dass sowohl Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Kläger beim Verlassen des Hauses zunächst Zigaretten habe holen wollen, als auch dafür, dass ein Suizidversuch vorgelegen habe. Im Hinblick auf die widersprüchlichen Angaben wie auch die Behauptung, er habe Sicherheitsschuhe für die Arbeit vergessen und holen wollen, was in der Folgezeit nicht wiederholt worden sei, könne nicht gesichert von einem Arbeitsunfall ausgegangen werden.
Hiergegen hat der Kläger am 17. August 2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, zu deren Begründung er ergänzend vorgetragen hat, seine Angabe, dass er grundsätzlich mit seiner Ehefrau das Haus gemeinsam verlasse, begründe keinen Widerspruch zu dem Unfallablauf, da seine Ehefrau nur montags bis donnerstags arbeite, so dass er an einem Freitag das Haus alleine verlassen müsse. In der Regel treffe er zwischen 06:35 und 06:45 Uhr am Arbeitsplatz sei.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die Akten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe beigezogen (Bl. 75 bis 89 der SG-Akte) sowie die behandelnde Hausärztin Dr. F. als sachverständige Zeugin gehört. Diese hat mitgeteilt, dass sie den Kläger erst seit dem 7. Januar 2014 regelmäßig behandelt.
Das SG hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 30. August 2016 persönlich angehört und anschließend die Klage mit Urteil vom gleichen Tag abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, ein Arbeitsunfall in Form eines Wegeunfalls sei nicht nachgewiesen, auch wenn der Kläger keinen unglaubwürdigen Eindruck gemacht habe. Da sich nur ein einziges Fahrzeug auf der Pf. Str. befunden habe, sei nicht verständlich, wie er dieses laute und gut sichtbare sowie nicht schneller als 50 km/h fahrende Fahrzeug habe übersehen oder überhören können. Die Bewertung sei offenkundig auch durch die Polizei Pf. vorgenommen worden, später durch das verkehrstechnische Gutachten und die Angaben des Busfahrers und des Kontrolleurs, ca. 8 Minuten vor dem Unfall an gleicher Stelle über eine Beinahe-Kollision, bestätigt worden. Dass der Kläger den Lkw nicht bemerkt habe, sei wenig glaubhaft, da es sich um eine gerade Durchgangsstraße handle, die zudem beleuchtet gewesen sei. Auch habe sich der Kläger am Unfalltag entgegen seiner Gewohnheit nicht von seiner Ehefrau verabschiedet, weswegen sie die Vermutung geäußert habe, er sei auf dem Weg zum Zigarettenholen gewesen. Wäre dies der Fall gewesen, habe ebenfalls kein versicherter Arbeitsweg vorgelegen. Der Kläger habe versucht, dies zu entkräften, indem er behauptet habe, seit seinem Entzug nicht mehr zu rauchen, dennoch habe seine Ehefrau diese Aussage gemacht. Gleiches gelte hinsichtlich der Alkoholproblematik, da er nach eigener Einlassung am Abend vor dem Unfall alleine mehr als eine Flasche Wein konsumiert habe. Außerdem sei ein Suizidversuch vom 20. August 2013 nachgewiesen. Dieser stehe im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum. Noch in der Nacht vor dem Unfall habe er übermäßig Alkohol konsumiert. Es sei auch fraglich, ob er nach dem erfolgten Suizidversuch vom 20. August 2013 bis zum streitigen Geschehen am 6. Dezember 2013 bereits sein Alkoholproblem nach 20 Jahren Abhängigkeit unter Kontrolle gehabt habe. Auch seine Ehefrau habe bei der ersten Zeugenvernehmung noch frühere Suizidäußerungen bestätigt. Die Klinik für Suchtmedizin C. sei davon ausgegangen, dass er weiter behandlungsbedürftig sei.
Hiergegen hat der Kläger am 11. Oktober 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zu deren Begründung er vorgetragen hat, der Lkw-Fahrer habe ihn in Bewegung gesehen, ein Stehenbleiben habe er nicht beobachtet. Der Ersthelfer am Unfallort habe die Geschwindigkeit des Lkw mit 45 km/h eingeschätzt. Seine Ehefrau, die nicht formell vernommen worden sei, arbeite am Freitag nicht. Er komme immer früh vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn zur Arbeit. Nach seinem Aufwachen aus dem Koma habe er sich an den Unfall wieder erinnern können. Er habe sich verschätzt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. August 2016 sowie den Bescheid vom 26. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichtet, das Ereignis vom 6. Dezember 2013 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat eine Auskunft bei den Kliniken Sch. eingeholt, die bestätigt haben, dass nach den Unterlagen zwar ein schweres depressives Syndrom mit Suizid-Versuch 2013 angegeben worden sei. Inwieweit dabei der Vorfall vom 6. Dezember 2013 als Suizidversuch eingestuft worden sei, könne nicht mehr festgestellt werden.
Der Fahrer B. hat in einer schriftlichen Zeugenaussage über seinen Rechtsanwalt mitteilen lassen, dass er sich an den Verkehrsunfall noch gut erinnern könne. Er habe in einiger Entfernung gesehen, wie der später verunglückte Kläger von links nach rechts die Pf. St. überquert habe. Deswegen habe er vorsichtshalber seine Geschwindigkeit etwas reduziert. Er habe weiter beobachtet, wie der Fußgänger eine kurze Strecke auf dem Gehweg gegangen sei, dann sich plötzlich umgedreht und zur Straße zurückgekehrt sei. Der Kläger sei ihm zunächst auf dem Gehweg ein kurzes Stück entgegengegangen. Als er praktisch schon auf seiner Höhe gewesen sei, habe er auf einmal den Gehweg verlassen sei, auf die Straße gegangen und dort sei es dann zum Zusammenstoß gekommen. Er habe ihn nicht mehr vermeiden können. Ob der Fußgänger vorsätzlich in den Bereich der Straße hineingetreten sei oder aus Gedankenlosigkeit oder aus sonstigen Gründen, könne er nicht mehr sagen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 30. August 2016, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2015 die behördliche Anerkennung des Ereignisses vom 6. Dezember 2013 als Arbeitsunfall verfolgt hat, abgewiesen worden ist.
Insbesondere kann der Kläger eine Verpflichtung zu einer behördlichen Feststellung nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 SGG begehren. Auch für einen solchen Antrag besteht ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis, denn ein Versicherter ist nicht auf eine gerichtliche Feststellung nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 SGG beschränkt. Er kann zwischen beiden Klagearten wählen (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rz. 12; Beschluss des Senats vom 17. Februar 2016 – L 6 U 4089/15 –, juris, Rz. 28). Einer solchen Verpflichtungsklage auf eine behördliche Feststellung liegt eine ausreichende Klagebefugnis im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG zu Grunde (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 23/09 R -, juris, Rz. 9), weil das Unfallversicherungsrecht mit § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) eine Anspruchsgrundlage für derartige Feststellungen der Versicherungsträger bereithält (vgl. Urteil des Senats vom 9. März 2017 – L 6 U 2131/16 –, juris, Rz. 36).
Der Kläger hat indes keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 6. Dezember 2013 als Arbeitsunfall, die Klage ist deswegen unbegründet.
Versicherte können von der zuständigen Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalls, hier eines Wegeunfalls als Arbeitsunfall (§ 7 Abs. 1 SGB VII), beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, SozR 4-2700 § 11 Nr. ,1 Rz. 15 f.). Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung der Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteile vom 18. November 2008 - B 2 U 27/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 30, Rz. 10 m. w. N., vom 18. Januar 2011 - B 2 U 9/10 R -, BSGE 107, 197 (198 f.) und vom 29. November 2011 - B 2 U 10/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 42, Rz. 11). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalles", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43, Rz. 17).
Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger erlitt zwar bei dem Zusammenstoß mit dem Lkw eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Dieser führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitserstschaden. Der Kläger war auch als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.
Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses stand jedoch nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem hier allein als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen des unmittelbaren Weges von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln von Verletzten, welches objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 2 U 14/10 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 39, Rz. 22) und subjektiv zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese auch als so genannte "Handlungstendenz" bezeichnete subjektive Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns der Verletzten ist eine innere Tatsache. Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes, soweit die Intention objektiviert ist (sog. "objektivierte Handlungstendenz"), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung und erst recht nicht eine niedrigere Vorsatzstufe reichen hingegen nicht.
Zum Unfallzeitpunkt legte der Kläger keinen solchen durch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII geschützten Weg zurück. Zwar bewegte er sich zunächst mit der Handlungstendenz fort, den Ort seiner versicherten Tätigkeit zu erreichen. Zum Zeitpunkt des Unfalls befand er sich demgegenüber nicht auf dem grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz stehenden direkten Weg, sondern auf einem Abweg. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII legt als End- oder Ausgangspunkt des Weges den Ort der versicherten Tätigkeit fest. Der Ort, von dem aus ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte angetreten wird, kann auch ein anderer Ort als die Wohnung, sog dritter Ort, sein, wenn sich der Versicherte dort mindestens zwei Stunden aufgehalten hat (vgl. zuletzt BSG vom 5. Juli 2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 58 m.w.N.); diese Konstellation liegt im Falle des Klägers nicht vor. Wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII und dem dort verwendeten Begriff "unmittelbar" ergibt, steht grundsätzlich nur das Zurücklegen des direkten Weges nach und von der versicherten Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings berühren geringfügige Unterbrechungen, die auf einer Verrichtung beruhen, die bei natürlicher Betrachtung zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist, und gleichsam "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann, den Versicherungsschutz nicht (so BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - B 2 U 16/14 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 58). Bewegt sich der Versicherte dagegen nicht auf direktem Weg in Richtung seiner Arbeitsstätte oder nach Beendigung der Beschäftigung seiner Wohnung, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem Ziel fort, befindet er sich auf einem sog Abweg. Wird ein solcher bei einer mehr als geringfügigen Unterbrechung des direkten Weges zurückgelegt, besteht, sobald der direkte Weg verlassen und der Abweg begonnen wird, kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Erst wenn sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg befindet und der Abweg beendet ist, besteht erneut Versicherungsschutz (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 16/15 R -, juris, Rz. 17).
So war es hier. Der Kläger hat sich nach den polizeilichen Feststellungen, deren Richtigkeit durch seine eigenen Einlassungen bestätigt werden, umgedreht und ist nicht mehr in Richtung des Arbeitsortes weitergegangen. Der Senat geht nach der schriftlichen Zeugenaussage des Lkw-Fahrers B. und in Auswertung der medizinischen Unterlagen davon aus, dass dieser Richtungswechsel einer Selbstmordabsicht geschuldet war. Nur wenn ungeklärt bzw. unklärbar ist, was vorliegend nicht der Fall ist, ob der Tod auf dem Weg zur Arbeit durch Selbsttötung geschehen oder verkehrsunfallbedingt eingetreten ist, trägt die Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Beweislast dafür, dass ein Suizid vorgelegen hat (ständige Rspr., zuletzt Bayerisches LSG, Urteil vom 20. Januar 2015 - L 3 U 365/14 -, juris, Rz. 51; BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 31).
Der langjährig alkoholabhängige Kläger war an dem Vortag des Unfalls nach längerer Alkoholabstinenz wieder rückfällig geworden und hatte erhebliche Mengen Alkohol konsumiert, die in etwa dem langjährigen Trinkniveau vor Aufnahme des exzessiven Cognactrinkens vor dem Entzug entsprach. Hierbei handelt es sich angesichts der eingeräumten Trinkmenge nicht mehr um ein kontrolliertes Trinken, wie dies im Nachhinein behauptet wurde, zumal seine Ehefrau von dem Alkoholkonsum zunächst nichts wusste, darüber hinaus sogar beschrieben hat, wie Alkohol vor dem Kläger versteckt wird. In diesem Zusammenhang berücksichtigt der Senat weiter, dass er wiederholt wahrheitswidrig behauptet hat, nach dem Entzug nie wieder Alkohol angerührt zu haben, "trocken" zu sein, was der nach anwaltlicher Beratung vorgetragenen Version eines "kontrollierten Trinkens" ebenso widerspricht. Der Rückfall war nach kurzer Abstinenzphase von nur zwei Monaten erfolgt. Er musste daher mit entsprechenden Konsequenzen seitens seiner Ehefrau und seines Arbeitgebers rechnen, also mit existentiellen Reaktionen, zumal er die ihm dringend angeratene Therapie nicht durchgeführt hatte. Insoweit ist nicht relevant, ob er tatsächlich mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen musste, insbesondere eine Abmahnung im Rechtssinne ausgesprochen wurde. Der Kläger hat mit solchen Konsequenzen gerechnet, was der Senat der Anamnese des Entlassungsberichts des Klinikums N. entnimmt. In einer solchen vergleichbaren Situation hatte er sich schon einmal in suizidaler Absicht verletzt, nämlich am 20. August 2013, was der Senat den beiden stationären Entlassungsberichten aus dieser nur kurz zurückliegenden Zeit entnimmt. Der Einwand des Klägers, die Verletzungen, die er sich damals zugefügt habe, seien nur oberflächlich gewesen, überzeugt insoweit nicht. Denn nicht nur sein familiäres Umfeld hatte sein Verhalten als ernsthaft eingeschätzt Er hat sich deswegen sogar in stationäre Behandlung begeben. Auch die behandelnden Ärzte haben den Vorfall als ernsthaft eingeschätzt und ihn deswegen zunächst in einer darauf spezialisierten Station überwachen lassen. Erst nach der medikamentösen Behandlung gingen sie von einer glaubhaften Distanzierung von den Selbstmordgedanken aus.
Der Kläger ist dem Lkw nach der – nicht bestrittenen – schriftlichen Aussage des Fahrers noch ein kurzes Stück entgegengegangen, musste das Fahrzeug also angesichts der Straßenverhältnisse eindeutig gesehen haben, denn er hatte die vorgeschriebene Geschwindigkeit eingehalten, was auch der Ersthelfer K. bestätigt hat. Die Straßenverhältnisse waren aufgrund der eingeschalteten Beleuchtung gut und ein Lkw ist angesichts der lauten Fahrgeräusche deutlich wahrnehmbar. Anhaltspunkte für eine Hörstörung des Klägers haben sich für den Senat nicht ergeben. Dies zugrunde gelegt kann der plötzliche Schritt vom Gehweg herunter auf die Fahrbahn und insbesondere sogar noch auf den Lkw zu nicht mit Unachtsamkeit, insbesondere nicht damit erklärt werden, der Kläger habe die Geschwindigkeit falsch eingeschätzt, deswegen sei es zu dem Unfall gekommen, das wäre lebensfremd. Für diesen Ablauf spricht schließlich noch, dass nur wenige Minuten vor dem Unfallereignis zwei Zeugen eine männliche dunkelgekleidete Person in suizidaler Absicht am gleichen Ort gesehen hatten und davon ausgegangen sind, dass es sich um den Kläger handelt, sich nur nicht sicher festlegen konnten.
Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger in einer akuten Belastungssituation bestand, die ihre Ursache in dem versicherten Arbeitsumfeld hatte, liegen ebenso nicht vor (vgl. dazu Bayerisches LSG, Urteil vom 29. April 2008 - L 18 U 272/04 –, juris, Rz. 27). Der Kläger war auch bei einer BAK von 0,19 Promille einsichtsfähig in sein Tun, handelte also voll verantwortlich (Bayerisches LSG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - L 2 U 430/15–, juris, Rz. 51).
Umstände, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz auf einem solchen Abweg begründen konnten, sind nicht feststellbar. Jedenfalls aber sind keine Gründe nachgewiesen, die ein Betreten der Fahrbahn aus einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit belegen (vgl. dazu Hessisches LSG, Urteil vom 20. Februar 2017 - L 9 U 163/15 –, juris, Rz. 66). Dies gilt insbesondere für das durch nichts bewiesene Vorbringen des Klägers, er habe seinen Geldbeutel oder Sicherheitsschuhe holen wollen, zumal er zuletzt eingeräumt hat, seine Sicherheitsschuhe doch bereits beim Unfall getragen zu haben. Insoweit nimmt der Senat ergänzend auf die Urteilsgründe der wohl begründeten erstinstanzlichen Entscheidung nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug, denen er sich nach eigener Würdigung anschließt. Die Nichterweislichkeit der für das Einschlagen der entgegengesetzten Fahrtrichtung maßgebenden Umstände geht nach den Grundsätzen der "objektiven" Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 – B 2 U 16/15 R –, juris, Rz. 14).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung des Ereignisses vom 6. Dezember 2013 als Wegeunfall streitig.
Der 1956 geborene, verheiratete Kläger war als Service-Techniker in Vollzeit bei der Firma HTE H. GmbH in E., S. W. 60, beschäftigt. Seit 1. November 2014 bezieht er eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit einem monatlichen Zahlbetrag von 614,93 EUR. Sein Wohnort ist in Pf. Str. 30/1, die Entfernung vom Wohnort zum Arbeitsplatz betrug ca. 550 m, wobei ungefähr 80 % des Arbeitswegs entlang der Pf. Str., die eine Durchgangsstraße ist, verlaufen.
Der Kläger war vor dem Unfallereignis ca. 20 Jahre alkoholabhängig, zuletzt hat er nach eigenen Angaben eine Flasche Cognac täglich getrunken. Nachdem er gegenüber seiner Ehefrau Suizidgedanken geäußert und sich am 20. August 2013 mit dem Messer Schnittverletzungen am linken Unterarm zufügt hatte, wurde er bei Depressivität wegen Alkoholentzugssyndrom bei Alkoholabhängigkeit (bislang kein professioneller Entzug, Abmahnung vom Arbeitgeber, seine Ehe stehe auf dem Spiel, wenn er weiter trinke) zunächst vom 25. bis 27. August 2013 stationär in dem St. T.-Klinikum Pf. behandelt (Entlassungsbericht vom 27. August 2013, Bl. 210 V-Akte), von wo aus er zum Alkoholentzug ins Klinikum N. (zfp) verlegt wurde. Der Kläger wurde dort stationär vom 27. August bis 13. September 2016 in der Suchtmedizinischen Abteilung behandelt, die eine Verhaltensstörung durch Alkohol (ICD-10: Abhängigkeitssyndrom F10.2), ein Entzugssyndrom (ICD-10: F10.3) sowie eine depressive Episode, nicht näher bezeichnet (ICD-10: F32.9), diagnostizierte. Der Kläger habe sich im nüchternen Zustand klar und glaubhaft von einer Suizidalität distanziert und sei nach einem qualifiziertem Entzug ohne ersichtliche Eigen- oder Fremdgefährdung wunschgemäß nach Hause entlassen worden. Er habe jedoch weiterhin eine behandlungsbedürftige Stimmungslage aufgewiesen (Entlassungsbericht vom 25. September 2013, Bl. 217 V-Akte). In der Folgezeit führte der Kläger nur anfänglich eine psychologische Behandlung durch.
Nachdem er am Vorabend deutlich mehr als eine Flasche Wein konsumiert hatte, wurde der Kläger am 6. Dezember 2013 gegen 6:40 Uhr als Fußgänger bei Dunkelheit und leichtem Schneefall beim Betreten der Pf. Str. von einem Lkw erfasst, wodurch er eine linksseitige Rippenserienfraktur, eine Lungenquetschung bzw. Rissbildung, ferner ein Schädel-Hirntrauma Grad II bis III erlitt. Die Straßenbeleuchtung war zum Unfallzeitpunkt eingeschaltet und der Lkw-Fahrer hatte die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts beachtet. Die Kollisionsgeschwindigkeit lag bei 35 km/h, der von links kommende Lkw war für den Kläger erkennbar, aus technischer Sicht war eine Reaktionsverzug des Fahrers des Lkw nicht nachweisbar (Gutachten des Ingenieurbüros K. vom 7. Februar 2014). Nach der informatorischen Befragung des Lkw-Fahrers hatte der Kläger bereits den Gehweg erreicht, sich dann umgedreht und unvermittelt plötzlich wieder die Fahrbahn betreten (Bl. 31 V-Akte). Der Kläger wies zur Unfallzeit 0,19 Promille Alkohol im Blut auf, wobei der behandelnde Arzt der Intensivstation des Klinikums Pf. St. davon ausging, dass es sich um Restalkohol bzw. um einen Nachtrunk am Unfalltag und nicht um eine Verfälschung des Alkoholkonzentrationswerts durch Desinfektionsmittel gehandelt habe (Bl. 98 V-Akte = 29 Erm.-Akte). Der Kläger trug zum Unfallzeitpunkt dunkle Arbeitskleidung, die bereits im Mai an ihn zurückgesandt wurde (Bl 189 V-Akte).
Nach der von der Beklagten beigezogenen Unfallskizze (Bl. 83 der Verwaltungsakte) und den Ermittlungen der Polizeidirektion Pf. zum Verkehrsunfall hatte sich der Kläger vom Arbeitsplatz in Richtung auf die Straßenseite seiner Wohnung wegbewegt. Nach der Zeugenaussage des Linienbus-Fahrers D. C. T. habe dieser am Unfalltag während der Frühschicht gegen 6:32 Uhr einen Mann bemerkt, welcher an der Unfallstelle unvermittelt und ohne den Fahrverkehr zu beachten auf die Fahrbahn getreten, und dort einfach stehengeblieben sei. Er habe dem Fußgänger nur mit Mühe hätte ausweichen können. Als er in den Rückspiegel geschaut habe, habe er festgestellt, dass der Mann immer noch auf der Straße gestanden sei. Kurze Zeit später habe er erfahren, dass sich wenige Minuten später an derselben Stelle der Unfall mit dem Lkw ereignet habe. Eine genauere Personenbeschreibung sei ihm nicht möglich, außer dass es sich um einen Mann gehandelt habe, der sich derart auffällig verhalten habe, dass er von einer Suizidabsicht ausgegangen sei. Seine Aussage wurde von dem Kontrolleur Burkhardt bestätigt, der die Angaben dahingehend ergänzte, dass der Fußgänger eine schwarze Wollmütze und eine dunkle/schwarze Jacke getragen habe. Er gehe davon aus, dass es sich bei der männlichen Person um den Kläger gehandelt habe, der ihm persönlich bekannt sei und gegenüber dem Wohnanwesen seiner Lebenspartnerin lebe. An dem fraglichen Morgen habe er ihn jedoch nicht erkannt. Er wisse jedoch, dass der Kläger immer zwischen 6:30 Uhr und 6:40 Uhr das Haus verlasse, wobei er ihn schon öfter gesehen habe.
Der Ersthelfer K. gab an, er sei hinter dem Lkw gefahren, habe auf dem rechten Gehweg einen dunklen Gegenstand gesehen, der sich bewegt habe. Der mit ca. 45 km/h fahrende Lkw habe stark abgebremst und nach links gezogen, er habe dann den Kläger auf dem Boden liegen sehen.
Die Ehefrau und die Tochter des Klägers gaben nach Konfrontation mit einem möglichen Suizidversuch bei ihrer informatorischen Befragung an, dieser sei im Sommer 2013 depressiv veranlagt gewesen und habe auch Suizidäußerungen getätigt. Alkohol konsumiere er seit dem Entzug nicht mehr, Alkoholika würden verschlossen aufbewahrt, er habe hierauf keinen Zugriff (Bl. 97 f. V-Akte).
Nach dem Unfall befand sich der Kläger bis 23. Dezember 2013 im Koma, war dann zunächst zeitlich und örtlich desorientiert und machte erstmalig am 15. Januar 2014 gegenüber den Ärzten Angaben dahingehend, dass er sich auf dem Weg zur Arbeit befunden habe, als er verunfallt sei. Von der Polizei mit dem möglichen Suizidversuch konfrontiert, entgegnete der Kläger, er habe nie die Absicht gehabt, sich das Leben zu nehmen, da er eine intakte Familie, Arbeit und keine Schulden habe und es ihm auch sonst gutgehe. An einen früheren Vorfall wenige Minuten vor dem Unfall mit einem Bus konnte er sich nicht erinnern. Er habe aus Unachtsamkeit die Fahrbahn betreten. In dem Klinikum Pf. behauptete er, seit der Entzugsmaßnahme "trocken" zu sein. Seit dem Unfall seien die depressiven und Suizidgedanken wie weg (Neurologischer Bericht vom 16. Juni 2104, Bl. 168 V-Akte). Der Fahrer des Lkw, Herr B., teilte der Polizei mit, der später verletzte Fußgänger habe die Fahrbahn überquert und sich bereits auf dem Gehweg befunden, als er sich umgedreht und plötzlich wieder die Fahrbahn betreten habe. Daraufhin sei es zum Unfall gekommen.
Nach stationärer Behandlung bis zum 4. Januar 2014 erfolgte vom 5. Mai bis 1. Juni 2014 eine berufliche Wiedereingliederungsmaßnahme. Der Kläger war danach zunächst wieder vollschichtig leistungsfähig, musste dann aber vom 4. bis 30. September 2014 eine Rehabilitationsmaßnahme in den Kliniken Sch. durchführen. Danach habe er vor dem Unfall ein schweres depressives Syndrom mit Suizidversuch aufgewiesen. Er habe berichtet, seit dem Entzug 2013 keinen Alkohol mehr angerührt zu haben. Diagnostiziert wurde u.a. eine Anpassungsstörung (ICD-10: F 43.2). Der Kläger konnte bei eingeschränkter konzentrativer und körperlicher Belastbarkeit vor dem Hintergrund kognitiver Defizite, einer linksarmbetonten Hemiparese, einer Hörminderung links seit dem Unfall sowie einer Gonarthrose der linken Hüfte mit einem nur halbschichtigen Leistungsvermögen entlassen werden (Entlassungsbericht vom 7. Oktober 2014).
Nach Einholung des verkehrstechnischen Gutachtens stellte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Lkw-Fahrer (Az: 81 JS 2009/14) nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) wegen möglicher Unvermeidbarkeit des Unfalls ebenso ein wie das Ordnungswidrigkeitenverfahren (OWiG) gegen den Kläger (Az: 81 JS 2018/14), weil dieser durch seine erlittenen Verletzungen genügend gewarnt sei.
Die Unfallanzeige erfolgte am 27. Januar 2014 sowohl durch den Arbeitgeber als auch den Kläger selbst, woraufhin die Beklagte ihm zunächst Verletztengeld gewährte. Der Arbeitgeber gab ergänzend an, dass dieser um 07:30 Uhr seine Tätigkeit habe aufnehmen sollen. An diesem Tag seien Wartungsarbeiten bei Kunden in Pf. vorgesehen gewesen (Schreiben vom 10. Februar 2014). Der Kläger teilte mit, dass er normalerweise mit dem Firmenwagen zur Arbeit fahre, dieser sei jedoch am Unfalltag in der Inspektion gewesen, deswegen sei er zu Fuß zur Arbeit gelaufen. Nach ca. 200 m Wegstrecke habe er bemerkt, dass er seinen Geldbeutel und seine Papiere mit dem Führerschein vergessen habe, sei deswegen noch einmal nach Hause umgekehrt und bei dem Versuch, die Straße zu überqueren, von links von dem Lkw erfasst worden. Nachdem die Beklagte Zweifel am Vorliegen eines Arbeitsunfalls äußerte, ergänzte der Kläger seinen Vortrag dahingehend, dass er auch habe zurückgehen wollen, um seine Sicherheitsschuhe anzuziehen, die er vergessen habe (Bl 26 V-Akte).
Über seinen Anwalt ließ der Kläger mitteilen, er habe am 5. Dezember 2013 mit seiner Ehefrau den Hochzeitstag gefeiert und gemeinsam zwei Flaschen Wein getrunken. Er gehe davon aus, dass er davon mehr als die Hälfte konsumiert habe. Am Folgetag sei er wie üblich mit seiner Ehefrau um 5:30 Uhr aufgestanden, er habe selbstverständlich zum Frühstück keinen Alkohol zu sich genommen. Er habe sich nicht geraume Zeit an der späteren Unfallstelle aufgehalten. Der Bevollmächtigte ergänzte, die Ehefrau habe in Gegenwart ihrer Tochter nicht über den gemeinsamen Alkoholkonsum am Hochzeitstag berichten wollen. Der Kläger sei nicht abgemahnt worden.
Auf Nachfrage gab der Arbeitgeber mit Schreiben vom 25. Juli 2014 an, dass es zutreffe, dass sich das Fahrzeug des Klägers am 6. Dezember 2013 in der Werkstatt befunden habe. Unmittelbar vor dem Unfall habe es im Betrieb keine Probleme wegen einer Alkoholbeeinflussung gegeben, früher sei ein Alkoholproblem vermutet und der Kläger auch daraufhin angesprochen worden. Dieser habe dann eine stationäre Behandlung angetreten und es sei nach Wiederherstellung der vollen Leistungsfähigkeit davon ausgegangen worden, dass eine eventuelle Alkoholproblematik überwunden sei. Es habe keinen Hinweis auf eine offensichtliche depressive Verstimmung gegeben, der Kläger sei fleißig gewesen und habe seine Arbeit ordentlich verrichtet.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls vom 6. Dezember 2013 mit der Begründung ab, der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem Weg nach Hause befunden. Zahlreiche Anhaltspunkte dafür lägen vor, dass er versucht habe, sich das Leben zu nehmen, nämlich die Zeugenaussagen zum Fastunfall sowie der Umstand, dass er zum Unfallzeitpunkt Alkoholiker gewesen sei, welches zu Arbeitsplatzproblemen und einer Scheidungsandrohung der Ehefrau geführt habe. Bei in der Vergangenheit schweren depressiven Phasen und den wiederholt durchlebten Misserfolgen bei der Alkoholentwöhnung in Eigeninitiative seien wiederholt Suizidabsichten geäußert worden. Der Kläger habe auch schon einen Selbstmordversuch am 20. August 2013 unternommen, welcher durch ärztliche Unterlagen gesichert sei. Bei der stationären Aufnahme nach dem Ereignis sei Alkohol festgestellt worden, wobei noch seine Ehefrau davon ausgegangen sei, dass er keinen Alkohol mehr trinke und, nachdem Alkoholika im Haus verschlossen seien, er absolut keinen Zugriff darauf habe. Das Verhalten des Klägers bei dem Unfall sei auffällig gewesen, da ein Lkw an der Unfallstelle zum gegebenen Zeitpunkt trotz der Dunkelheit und des leichten Schneefalls von einem Fußgänger nicht habe übersehen oder überhört werden können. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass er bewusst die Kollision mit dem Lkw gesucht habe. Denn er sei zum Unfallzeitpunkt wieder in die Alkoholsucht zurückgefallen, da der Konsum von ca. eineinhalb Flaschen Wein am Vorabend nicht mehr als kontrolliertes Trinken bezeichnet werden könne. Jedenfalls könne nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten nicht mehr hinreichend gesichert davon ausgegangen werden, dass er sich zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg zur Arbeit bzw. auf dem Weg zurück zum Holen seines Geldbeutels befunden habe. Ebenso sei möglich, dass ein Suizidversuch vorliege oder er einen Zigarettenautomaten habe aufsuchen wollen. Die Nichterweislichkeit des Vorliegens eines Arbeitsweges gehe zulasten des Klägers.
Seinen dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass sich der Verdacht der Staatsanwaltschaft auf einen Suizidversuch nicht habe erhärten lassen. Die von ihm zugefügten Schnittverletzungen seien wenig dramatisch gewesen, es habe sich nur um oberflächliche Verletzungen gehandelt. Vielmehr habe er den Unfall infolge von Unachtsamkeit verschuldet. Gesicherte Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Suizidversuchs oder eines nichtversicherten Weges seien nicht vorhanden. Er sei nicht absolut abstinent, sondern trinke kontrolliert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2015 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte führte ergänzend aus, dass sowohl Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Kläger beim Verlassen des Hauses zunächst Zigaretten habe holen wollen, als auch dafür, dass ein Suizidversuch vorgelegen habe. Im Hinblick auf die widersprüchlichen Angaben wie auch die Behauptung, er habe Sicherheitsschuhe für die Arbeit vergessen und holen wollen, was in der Folgezeit nicht wiederholt worden sei, könne nicht gesichert von einem Arbeitsunfall ausgegangen werden.
Hiergegen hat der Kläger am 17. August 2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, zu deren Begründung er ergänzend vorgetragen hat, seine Angabe, dass er grundsätzlich mit seiner Ehefrau das Haus gemeinsam verlasse, begründe keinen Widerspruch zu dem Unfallablauf, da seine Ehefrau nur montags bis donnerstags arbeite, so dass er an einem Freitag das Haus alleine verlassen müsse. In der Regel treffe er zwischen 06:35 und 06:45 Uhr am Arbeitsplatz sei.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die Akten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe beigezogen (Bl. 75 bis 89 der SG-Akte) sowie die behandelnde Hausärztin Dr. F. als sachverständige Zeugin gehört. Diese hat mitgeteilt, dass sie den Kläger erst seit dem 7. Januar 2014 regelmäßig behandelt.
Das SG hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 30. August 2016 persönlich angehört und anschließend die Klage mit Urteil vom gleichen Tag abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, ein Arbeitsunfall in Form eines Wegeunfalls sei nicht nachgewiesen, auch wenn der Kläger keinen unglaubwürdigen Eindruck gemacht habe. Da sich nur ein einziges Fahrzeug auf der Pf. Str. befunden habe, sei nicht verständlich, wie er dieses laute und gut sichtbare sowie nicht schneller als 50 km/h fahrende Fahrzeug habe übersehen oder überhören können. Die Bewertung sei offenkundig auch durch die Polizei Pf. vorgenommen worden, später durch das verkehrstechnische Gutachten und die Angaben des Busfahrers und des Kontrolleurs, ca. 8 Minuten vor dem Unfall an gleicher Stelle über eine Beinahe-Kollision, bestätigt worden. Dass der Kläger den Lkw nicht bemerkt habe, sei wenig glaubhaft, da es sich um eine gerade Durchgangsstraße handle, die zudem beleuchtet gewesen sei. Auch habe sich der Kläger am Unfalltag entgegen seiner Gewohnheit nicht von seiner Ehefrau verabschiedet, weswegen sie die Vermutung geäußert habe, er sei auf dem Weg zum Zigarettenholen gewesen. Wäre dies der Fall gewesen, habe ebenfalls kein versicherter Arbeitsweg vorgelegen. Der Kläger habe versucht, dies zu entkräften, indem er behauptet habe, seit seinem Entzug nicht mehr zu rauchen, dennoch habe seine Ehefrau diese Aussage gemacht. Gleiches gelte hinsichtlich der Alkoholproblematik, da er nach eigener Einlassung am Abend vor dem Unfall alleine mehr als eine Flasche Wein konsumiert habe. Außerdem sei ein Suizidversuch vom 20. August 2013 nachgewiesen. Dieser stehe im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum. Noch in der Nacht vor dem Unfall habe er übermäßig Alkohol konsumiert. Es sei auch fraglich, ob er nach dem erfolgten Suizidversuch vom 20. August 2013 bis zum streitigen Geschehen am 6. Dezember 2013 bereits sein Alkoholproblem nach 20 Jahren Abhängigkeit unter Kontrolle gehabt habe. Auch seine Ehefrau habe bei der ersten Zeugenvernehmung noch frühere Suizidäußerungen bestätigt. Die Klinik für Suchtmedizin C. sei davon ausgegangen, dass er weiter behandlungsbedürftig sei.
Hiergegen hat der Kläger am 11. Oktober 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zu deren Begründung er vorgetragen hat, der Lkw-Fahrer habe ihn in Bewegung gesehen, ein Stehenbleiben habe er nicht beobachtet. Der Ersthelfer am Unfallort habe die Geschwindigkeit des Lkw mit 45 km/h eingeschätzt. Seine Ehefrau, die nicht formell vernommen worden sei, arbeite am Freitag nicht. Er komme immer früh vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn zur Arbeit. Nach seinem Aufwachen aus dem Koma habe er sich an den Unfall wieder erinnern können. Er habe sich verschätzt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. August 2016 sowie den Bescheid vom 26. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichtet, das Ereignis vom 6. Dezember 2013 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat eine Auskunft bei den Kliniken Sch. eingeholt, die bestätigt haben, dass nach den Unterlagen zwar ein schweres depressives Syndrom mit Suizid-Versuch 2013 angegeben worden sei. Inwieweit dabei der Vorfall vom 6. Dezember 2013 als Suizidversuch eingestuft worden sei, könne nicht mehr festgestellt werden.
Der Fahrer B. hat in einer schriftlichen Zeugenaussage über seinen Rechtsanwalt mitteilen lassen, dass er sich an den Verkehrsunfall noch gut erinnern könne. Er habe in einiger Entfernung gesehen, wie der später verunglückte Kläger von links nach rechts die Pf. St. überquert habe. Deswegen habe er vorsichtshalber seine Geschwindigkeit etwas reduziert. Er habe weiter beobachtet, wie der Fußgänger eine kurze Strecke auf dem Gehweg gegangen sei, dann sich plötzlich umgedreht und zur Straße zurückgekehrt sei. Der Kläger sei ihm zunächst auf dem Gehweg ein kurzes Stück entgegengegangen. Als er praktisch schon auf seiner Höhe gewesen sei, habe er auf einmal den Gehweg verlassen sei, auf die Straße gegangen und dort sei es dann zum Zusammenstoß gekommen. Er habe ihn nicht mehr vermeiden können. Ob der Fußgänger vorsätzlich in den Bereich der Straße hineingetreten sei oder aus Gedankenlosigkeit oder aus sonstigen Gründen, könne er nicht mehr sagen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 30. August 2016, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2015 die behördliche Anerkennung des Ereignisses vom 6. Dezember 2013 als Arbeitsunfall verfolgt hat, abgewiesen worden ist.
Insbesondere kann der Kläger eine Verpflichtung zu einer behördlichen Feststellung nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 SGG begehren. Auch für einen solchen Antrag besteht ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis, denn ein Versicherter ist nicht auf eine gerichtliche Feststellung nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 SGG beschränkt. Er kann zwischen beiden Klagearten wählen (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rz. 12; Beschluss des Senats vom 17. Februar 2016 – L 6 U 4089/15 –, juris, Rz. 28). Einer solchen Verpflichtungsklage auf eine behördliche Feststellung liegt eine ausreichende Klagebefugnis im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG zu Grunde (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 23/09 R -, juris, Rz. 9), weil das Unfallversicherungsrecht mit § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) eine Anspruchsgrundlage für derartige Feststellungen der Versicherungsträger bereithält (vgl. Urteil des Senats vom 9. März 2017 – L 6 U 2131/16 –, juris, Rz. 36).
Der Kläger hat indes keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 6. Dezember 2013 als Arbeitsunfall, die Klage ist deswegen unbegründet.
Versicherte können von der zuständigen Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalls, hier eines Wegeunfalls als Arbeitsunfall (§ 7 Abs. 1 SGB VII), beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, SozR 4-2700 § 11 Nr. ,1 Rz. 15 f.). Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung der Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteile vom 18. November 2008 - B 2 U 27/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 30, Rz. 10 m. w. N., vom 18. Januar 2011 - B 2 U 9/10 R -, BSGE 107, 197 (198 f.) und vom 29. November 2011 - B 2 U 10/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 42, Rz. 11). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalles", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43, Rz. 17).
Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger erlitt zwar bei dem Zusammenstoß mit dem Lkw eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Dieser führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitserstschaden. Der Kläger war auch als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.
Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses stand jedoch nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem hier allein als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen des unmittelbaren Weges von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln von Verletzten, welches objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 2 U 14/10 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 39, Rz. 22) und subjektiv zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese auch als so genannte "Handlungstendenz" bezeichnete subjektive Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns der Verletzten ist eine innere Tatsache. Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes, soweit die Intention objektiviert ist (sog. "objektivierte Handlungstendenz"), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung und erst recht nicht eine niedrigere Vorsatzstufe reichen hingegen nicht.
Zum Unfallzeitpunkt legte der Kläger keinen solchen durch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII geschützten Weg zurück. Zwar bewegte er sich zunächst mit der Handlungstendenz fort, den Ort seiner versicherten Tätigkeit zu erreichen. Zum Zeitpunkt des Unfalls befand er sich demgegenüber nicht auf dem grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz stehenden direkten Weg, sondern auf einem Abweg. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII legt als End- oder Ausgangspunkt des Weges den Ort der versicherten Tätigkeit fest. Der Ort, von dem aus ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte angetreten wird, kann auch ein anderer Ort als die Wohnung, sog dritter Ort, sein, wenn sich der Versicherte dort mindestens zwei Stunden aufgehalten hat (vgl. zuletzt BSG vom 5. Juli 2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 58 m.w.N.); diese Konstellation liegt im Falle des Klägers nicht vor. Wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII und dem dort verwendeten Begriff "unmittelbar" ergibt, steht grundsätzlich nur das Zurücklegen des direkten Weges nach und von der versicherten Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings berühren geringfügige Unterbrechungen, die auf einer Verrichtung beruhen, die bei natürlicher Betrachtung zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist, und gleichsam "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann, den Versicherungsschutz nicht (so BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - B 2 U 16/14 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 58). Bewegt sich der Versicherte dagegen nicht auf direktem Weg in Richtung seiner Arbeitsstätte oder nach Beendigung der Beschäftigung seiner Wohnung, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem Ziel fort, befindet er sich auf einem sog Abweg. Wird ein solcher bei einer mehr als geringfügigen Unterbrechung des direkten Weges zurückgelegt, besteht, sobald der direkte Weg verlassen und der Abweg begonnen wird, kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Erst wenn sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg befindet und der Abweg beendet ist, besteht erneut Versicherungsschutz (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 16/15 R -, juris, Rz. 17).
So war es hier. Der Kläger hat sich nach den polizeilichen Feststellungen, deren Richtigkeit durch seine eigenen Einlassungen bestätigt werden, umgedreht und ist nicht mehr in Richtung des Arbeitsortes weitergegangen. Der Senat geht nach der schriftlichen Zeugenaussage des Lkw-Fahrers B. und in Auswertung der medizinischen Unterlagen davon aus, dass dieser Richtungswechsel einer Selbstmordabsicht geschuldet war. Nur wenn ungeklärt bzw. unklärbar ist, was vorliegend nicht der Fall ist, ob der Tod auf dem Weg zur Arbeit durch Selbsttötung geschehen oder verkehrsunfallbedingt eingetreten ist, trägt die Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Beweislast dafür, dass ein Suizid vorgelegen hat (ständige Rspr., zuletzt Bayerisches LSG, Urteil vom 20. Januar 2015 - L 3 U 365/14 -, juris, Rz. 51; BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 31).
Der langjährig alkoholabhängige Kläger war an dem Vortag des Unfalls nach längerer Alkoholabstinenz wieder rückfällig geworden und hatte erhebliche Mengen Alkohol konsumiert, die in etwa dem langjährigen Trinkniveau vor Aufnahme des exzessiven Cognactrinkens vor dem Entzug entsprach. Hierbei handelt es sich angesichts der eingeräumten Trinkmenge nicht mehr um ein kontrolliertes Trinken, wie dies im Nachhinein behauptet wurde, zumal seine Ehefrau von dem Alkoholkonsum zunächst nichts wusste, darüber hinaus sogar beschrieben hat, wie Alkohol vor dem Kläger versteckt wird. In diesem Zusammenhang berücksichtigt der Senat weiter, dass er wiederholt wahrheitswidrig behauptet hat, nach dem Entzug nie wieder Alkohol angerührt zu haben, "trocken" zu sein, was der nach anwaltlicher Beratung vorgetragenen Version eines "kontrollierten Trinkens" ebenso widerspricht. Der Rückfall war nach kurzer Abstinenzphase von nur zwei Monaten erfolgt. Er musste daher mit entsprechenden Konsequenzen seitens seiner Ehefrau und seines Arbeitgebers rechnen, also mit existentiellen Reaktionen, zumal er die ihm dringend angeratene Therapie nicht durchgeführt hatte. Insoweit ist nicht relevant, ob er tatsächlich mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen musste, insbesondere eine Abmahnung im Rechtssinne ausgesprochen wurde. Der Kläger hat mit solchen Konsequenzen gerechnet, was der Senat der Anamnese des Entlassungsberichts des Klinikums N. entnimmt. In einer solchen vergleichbaren Situation hatte er sich schon einmal in suizidaler Absicht verletzt, nämlich am 20. August 2013, was der Senat den beiden stationären Entlassungsberichten aus dieser nur kurz zurückliegenden Zeit entnimmt. Der Einwand des Klägers, die Verletzungen, die er sich damals zugefügt habe, seien nur oberflächlich gewesen, überzeugt insoweit nicht. Denn nicht nur sein familiäres Umfeld hatte sein Verhalten als ernsthaft eingeschätzt Er hat sich deswegen sogar in stationäre Behandlung begeben. Auch die behandelnden Ärzte haben den Vorfall als ernsthaft eingeschätzt und ihn deswegen zunächst in einer darauf spezialisierten Station überwachen lassen. Erst nach der medikamentösen Behandlung gingen sie von einer glaubhaften Distanzierung von den Selbstmordgedanken aus.
Der Kläger ist dem Lkw nach der – nicht bestrittenen – schriftlichen Aussage des Fahrers noch ein kurzes Stück entgegengegangen, musste das Fahrzeug also angesichts der Straßenverhältnisse eindeutig gesehen haben, denn er hatte die vorgeschriebene Geschwindigkeit eingehalten, was auch der Ersthelfer K. bestätigt hat. Die Straßenverhältnisse waren aufgrund der eingeschalteten Beleuchtung gut und ein Lkw ist angesichts der lauten Fahrgeräusche deutlich wahrnehmbar. Anhaltspunkte für eine Hörstörung des Klägers haben sich für den Senat nicht ergeben. Dies zugrunde gelegt kann der plötzliche Schritt vom Gehweg herunter auf die Fahrbahn und insbesondere sogar noch auf den Lkw zu nicht mit Unachtsamkeit, insbesondere nicht damit erklärt werden, der Kläger habe die Geschwindigkeit falsch eingeschätzt, deswegen sei es zu dem Unfall gekommen, das wäre lebensfremd. Für diesen Ablauf spricht schließlich noch, dass nur wenige Minuten vor dem Unfallereignis zwei Zeugen eine männliche dunkelgekleidete Person in suizidaler Absicht am gleichen Ort gesehen hatten und davon ausgegangen sind, dass es sich um den Kläger handelt, sich nur nicht sicher festlegen konnten.
Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger in einer akuten Belastungssituation bestand, die ihre Ursache in dem versicherten Arbeitsumfeld hatte, liegen ebenso nicht vor (vgl. dazu Bayerisches LSG, Urteil vom 29. April 2008 - L 18 U 272/04 –, juris, Rz. 27). Der Kläger war auch bei einer BAK von 0,19 Promille einsichtsfähig in sein Tun, handelte also voll verantwortlich (Bayerisches LSG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - L 2 U 430/15–, juris, Rz. 51).
Umstände, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz auf einem solchen Abweg begründen konnten, sind nicht feststellbar. Jedenfalls aber sind keine Gründe nachgewiesen, die ein Betreten der Fahrbahn aus einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit belegen (vgl. dazu Hessisches LSG, Urteil vom 20. Februar 2017 - L 9 U 163/15 –, juris, Rz. 66). Dies gilt insbesondere für das durch nichts bewiesene Vorbringen des Klägers, er habe seinen Geldbeutel oder Sicherheitsschuhe holen wollen, zumal er zuletzt eingeräumt hat, seine Sicherheitsschuhe doch bereits beim Unfall getragen zu haben. Insoweit nimmt der Senat ergänzend auf die Urteilsgründe der wohl begründeten erstinstanzlichen Entscheidung nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug, denen er sich nach eigener Würdigung anschließt. Die Nichterweislichkeit der für das Einschlagen der entgegengesetzten Fahrtrichtung maßgebenden Umstände geht nach den Grundsätzen der "objektiven" Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 – B 2 U 16/15 R –, juris, Rz. 14).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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