Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 5182/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 79/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Schulden für Einlagerungskosten für Hausrat und persönliche Gegenstände sowie die Übernahme laufender Kosten für die Einlagerung streitig.
Der 1964 geborene Kläger wurde Ende des Jahres 2014 aus seinem Haus im S. geräumt. Nach seinen Angaben bewohnt er derzeit eine 24 m² große Ein-Zimmer-Wohnung in M., für die monatlich eine Warmmiete in Höhe von 433,00 EUR zu entrichten ist. Einen auf den 09.05.2015 datierenden Untermietvertrag legte er bei der Beklagten vor. Der Kläger ist bei der D. AG privat krankenversichert und hat für den Basistarif 274,94 EUR und für die Pflegepflichtversicherung 27,78 EUR monatlich zu zahlen.
Am 30.10.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und gab an, ohne festen Wohnsitz zu sein. Er legte eine Bescheinigung der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e.V. (EVA) vom 04.11.2015 vor, wonach er sich Briefpost über deren Adresse (S.) zusenden lassen könne. Zugleich werde bestätigt, dass er werktäglich zu den Öffnungszeiten in der dortigen Einrichtung die Post abholen könne. Der Kläger legte außerdem folgende von ihm unterschriebene Erklärung vor: "Ich erkläre hiermit werktäglich zu den Öffnungszeiten der Einrichtung dort vorzusprechen, um die an mich adressierte Post abzuholen. Mir ist bekannt, dass die Post der Agentur für Arbeit/JobCenter innerhalb von 4 Werktagen nach Zustellung an die Einrichtung an die Agentur für Arbeit/JobCenter zurückgesandt wird, wenn ich die Post nicht abhole. Das entbindet mich nicht davon, in der Zeit, für die ich Grundsicherungsleistungen beanspruche, jede Änderung in meinen Verhältnissen der Agentur für Arbeit/JobCenter unverzüglich mitzuteilen. Ich bin unterrichtet worden, dass bei Nichteinhaltung der Anspruch auf Leistungen der Agentur für Arbeit/JobCenter verloren gehen kann. Ersatzansprüche für etwaige Schäden, die sich aus einer fahrlässigen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung der Einrichtung ergeben, sind ausgeschlossen."
Mit Bescheid vom 24.03.2016 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2016 bis 31.07.2016 monatlich 706,72 EUR, wobei sie neben dem Regelbedarf in Höhe von 404,00 EUR Zuschüsse zur privaten Kranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 302,72 EUR berücksichtigte. Nach Vorlage des Untermietvertrages gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 10.06.2016 für die Zeit vom 01.02.2016 bis 31.07.2016 monatlich 1.139,72 EUR (404,00 EUR Regelbedarf, 302,72 EUR Zuschüsse zur privaten Kranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung und 433,00 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung).
Am 27.05.2016 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme von Einlagerungskosten. Er legte die Rechnungen der Firma R. GmbH vom 06.05.2016, aus denen hervorgeht, dass die Lagermiete "für 1 Wechselkoffer" monatlich 210,00 EUR netto und für zwei Monate 499,80 EUR brutto beträgt, und sich für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.06.2016 eine offene Forderung für Lagerkosten in Höhe von 2.740,20 EUR ergibt. Ferner legte er eine Rechnung der Firma m. vor, aus denen monatliche Einlagerungskosten von 35,00 EUR hervorgehen.
Mit Bescheid vom 09.06.2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme von Einlagerungskosten ab. Neben den 2.740,20 EUR fielen monatlich weitere 249,90 EUR an; bei der Leistungserbringung seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Derzeit lebe der Kläger in einer Wohnung und habe genügend Möbel zum Leben. Falls er umziehe, was bislang nicht in Aussicht stehe, könnten eventuell fehlende Möbel als Erstausstattung angeschafft werden. Dies sei günstiger als die Übernahme der Einlagerungskosten. Damit entspreche die Übernahme der Einlagerungskosten nicht der Wirtschaftlichkeit und müsse deshalb abgelehnt werden.
Zur Begründung seines hiergegen am 27.06.2016 eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, die von ihm angemietete Wohnung sei zu klein, um seinen Hausrat unterzubringen und er sei auf den zusätzlichen Lagerraum angewiesen. Da in dem Container Hausrat untergebracht sei, müsse er nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als Teil der Kosten der Unterkunft angesehen werden. Wenn diese Kosten die angemessenen Kosten der Unterkunft überstiegen, sei eine Aufforderung zur Kostensenkung mit einer angemessenen Frist zu erlassen. Bis zu deren Ablauf seien die vollen Kosten der Unterkunft zu übernehmen. Bisher sei eine solche Aufforderung nicht ergangen und es sei daher auch keine Frist abgelaufen, die es der Beklagten ermögliche, die Kosten der Unterkunft auf den Angemessenheitssatz abzusenken.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, es bestehe keine rechtliche Grundlage für die Übernahme der Einlagerungskosten. Zunächst sei davon auszugehen, dass es sich um Schulden handle, die bereits vor der Antragstellung auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) entstanden seien. Eine Übernahme dieser Schulden scheide bereits aus. Darüber hinaus seien die Kosten der Einlagerung als unangemessen anzusehen. Es sei darauf hinzuweisen, dass eine längere Einlagerungszeit dazu führe, dass das Verhältnis zwischen eingelagerten Gegenständen und den dafür gezahlten Kosten gemessen an den Kosten, welche für eine Erstausstattung anfallen könnten, unwirtschaftlich werde. Der Kläger verfüge über einen bewohnten Raum in der Größe von 24 m² in Untermiete. Bei den Kosten für die Einlagerung gehe es um Rückstände seit dem 01.07.2015 in Höhe von derzeit 2.740,20 EUR. Es sei derzeit nicht absehbar, dass sich die Situation und das weitere Aufkommen von Schulden zeitnah ändere. Der Kläger habe bislang keine Versuche unternommen, persönliche Gegenstände aus dem Lager zu entfernen oder das Lagergut zu reduzieren. Wenn man die Kosten und Mietrückstände der Einlagerung mit den Kosten für eine komplette Erstausstattung einer Wohnung inklusive Hausrat und Elektrogeräte in Höhe von ca. 1.500,00 EUR vergleiche, müsse festgestellt werden, dass eine Übernahme nicht als angemessen und verhältnismäßig erachtet werden könne. Daher sei es dem Kläger zuzumuten, entweder für die Kosten selbst aufzukommen oder die Entscheidung zu treffen, die Sachen vernichten zu lassen. Ein Anspruch auf Übernahme der Schulden ergebe sich auch nicht aus § 20 Abs. 8 SGB II, wonach Schulden übernommen werden könnten, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt sei. Dies sei jedoch aufgrund des Schreibens vom 06.05.2016 nicht glaubhaft gemacht, da weder die Kündigung ausgesprochen worden sei noch der Verlust des Lagerguts drohe. Der Widerspruchsbescheid wurde an den Kläger mit der Anschrift "S." versandt; die in der Akte befindliche Mehrfertigung des Widerspruchsbescheids trägt den Vermerk "bef.".
Am 26.09.2016 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 4 AS 5181/16 ER) gestellt und zugleich Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er sei der Ansicht, dass es sich bei den Einlagerungskosten um Kosten der Unterkunft handle. Außerdem beantrage er hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Den Widerspruchsbescheid des Beklagten habe er erst am 26.08.2016 unter seiner Zustellanschrift bei der EVA erhalten. Der Zustelltag sei im entsprechenden Zustellbuch der EVA vermerkt. Diese Zustellanschrift habe er, da er keinen festen Wohnsitz habe. Er sei dort nicht amtlich gemeldet. Er habe dann leider den Monat Juli 2016 mit August 2016 verwechselt. Es sei zu befürchten, dass seine wertvollen persönlichen Gegenstände von der Firma R. GmbH demnächst vollständig entsorgt werden, weil die Einlagerungskosten noch nicht bezahlt worden seien. Hierzu werde auf die in Kopie beigefügten Schreiben der Firma vom 27.11.2015 (nochmalige Entsorgungsandrohung) und vom 07.09.2016 (Kontoauszug per 07.09.2016, Forderung 3.070,80 EUR) verwiesen. Er sei finanziell nicht in der Lage, die Einlagerungskosten selbst zu übernehmen.
Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 27.10.2016 zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist durch den Senat mit Beschluss vom 28. April 2017 (L 9 AS 4402/16 ER-B) zurückgewiesen worden.
Nach vorheriger Anhörung, die dem Kläger persönlich ausgehändigt worden ist, hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.12.2016 abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig, da der Kläger die Klagefrist nicht eingehalten und keine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt habe. Für den Beginn der Klagefrist könne nicht auf den 26.08.2016 abgestellt werden. Denn für den Fristbeginn sei auf den Zeitpunkt des Zugangs des streitbefangenen Widerspruchsbescheides und nicht, wie der Kläger offenbar meine, auf den Zeitpunkt der persönlichen Kenntnisnahme abzustellen. Der Widerspruchsbescheid vom 21.07.2016 sei, wie dem Vermerk "bef." zu entnehmen sei, am selben Tag zur Post aufgegeben worden. Er gelte nach der Vermutungsregelung des § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) damit als am 13.05.2016 (gemeint wohl 24.07.2016) bekanntgegeben. Da er eine vollständige und richtige Rechtsbehelfsbelehrung enthalte, habe die Klagefrist am Tag nach der Eröffnung, worunter auch die Bekanntgabe falle, d.h. am 25.07.2016 zu laufen begonnen und mit Ablauf des 24.08.2016 geendet. Die erst am 26.09.2016 erhobene Klage sei damit nicht fristgerecht eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme bezüglich der Klagefrist nicht in Betracht, da der Kläger keine Gründe vorgetragen habe, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten. Soweit er einem Rechtsirrtum unterlegen sei, indem er davon ausgegangen sei, die Klagefrist werde ab dem Zeitpunkt gerechnet, zu dem er den Widerspruchsbescheid zur Kenntnis genommen habe, lasse dies das Verschulden des Klägers in Bezug auf die Fristversäumnis nicht entfallen. Denn ein Rechtsirrtum im Sinne des § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könne nur dann unverschuldet sein, wenn der Beteiligte ihn auch bei sorgfältiger Prüfung nicht vermeiden könne. Dies sei nicht der Fall. Der Kläger sei gehalten gewesen, die Rechtsbehelfsbelehrung zu beachten. Im Übrigen habe er keine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt. Zur Bezeichnung des Klägers gehörten grundsätzlich die Angabe des vollständigen Namens und der ladungsfähigen Anschrift, also der Anschrift mit Angabe der Wohnung nach Ort, Straße, Hausnummer und ggf. weiteren Unterscheidungsmerkmalen ohne Rücksicht auf den Wohnsitz im Rechtssinne, unter der der Beteiligte tatsächlich jedenfalls für eine gewisse Zeit zu erreichen sei. Die bloße Angabe einer Email-Adresse, einer Telefonnummer oder eines Postfachs genüge nicht. Bei Klageerhebung habe der Kläger eine Postfachadresse angegeben, welche nach den aufgezeigten Grundsätzen gerade nicht ausreiche. Zudem sei der Kläger unter der Adresse der EVA tatsächlich nicht erreichbar gewesen. Auch nachdem ihm mit Schreiben vom 21.10.2016 bzw. vom 25.10.2016, welche er am 25.10.2016 persönlich bei Gericht abgeholt habe, die Zweifel des Gerichts an der Zulässigkeit aufgrund der fehlenden Anschrift mitgeteilt worden seien, habe er sich auf die Adresse bei der EVA berufen. Mit Schreiben vom 26.10.2016 und 05.12.2016 bestehe er weiterhin darauf, dass es sich bei der angegebenen Anschrift der EVA um seine Zustellanschrift handle. An diese habe das Gericht bereits mehrmals vergeblich versucht, per Postzustellungsurkunde zuzustellen. Auch sei die Zustellung an die Adresse des Appartements im S.-Zentrum gescheitert. Der Gerichtsbescheid ist an das Postfach des Klägers übersandt worden. Er hat mit Empfangsbekenntnis bestätigt, den Gerichtsbescheid am 12.12.2016 erhalten zu haben.
Am 10.01.2017 hat der Kläger beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und als Adresse wiederum die Anschrift der EVA angegeben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Klage sei zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Bei der Anschrift der EVA handle es sich um eine Anschrift, aus der heraus Wohnsitzlose Klagen erheben könnten. Dass die Zustellung durch das postalische Spezialkonstrukt der Postzustellungsurkunde bei der EVA nicht möglich gewesen sei, entbinde nicht davon, andere Zustellungsarten zu benutzen, was auch bei der EVA möglich gewesen wäre. Zuletzt hat er angegeben, Schreiben könnten ihm über die Caritas zugestellt werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2016 zu verurteilen, die aufgelaufenen Lagerungskosten in Höhe von 2.740,20 EUR sowie für die Zeit ab 1. Februar 2016 höhere Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung monatlicher Lagerungskosten in Höhe von 249,90 EUR zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers, der Berufungsausschließungsgründe nicht entgegenstehen (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Berufung ist insbesondere ordnungsgemäß eingelegt worden. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist, nicht schriftlich, nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG).
Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG, der über die Verweisungsnorm des § 153 Abs. 1 SGG im Berufungsverfahren neben der Vorschrift des § 151 SGG entsprechend gilt (Binder in Hk-SGG, 4. Aufl. 2012, § 151 Rdnr. 27), muss die Klage bzw. die Berufung den (Berufungs-)Kläger, den (Berufungs-)Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des (Berufungs-)Klägers gehören grundsätzlich die Angabe des vollständigen Namens und der ladungsfähigen Anschrift - also der Anschrift mit Angabe der Wohnung nach Ort, Straße, Hausnummer und ggf. weiteren Unterscheidungsmerkmalen ohne Rücksicht auf den Wohnsitz im Rechtssinne (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13.04.1999, 1 C 24/97; Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 04.03.1986, VI ZR 242/84, Juris Rdnr. 4), unter der der Beteiligte tatsächlich jedenfalls für eine gewisse Zeit zu erreichen ist; die bloße Angabe einer Email-Adresse, einer Telefonnummer oder eines Postfachs genügen nicht (Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 18.11.2003, B 1 KR 1/02 S, Juris Rdnrn. 4, 9, Bayerisches LSG, Beschluss vom 01.03.2012, L 8 SO 3/12 B ER, Juris Rdnr. 19, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 92 Rdnr. 4). Bei dem Erfordernis der Anschriftenangabe des Rechtsuchenden handelt es sich um eine wesentliche, ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung eines jeden Rechtsschutzbegehrens, also auch der Berufung. Unterlässt der (Berufungs-)Kläger die Angabe seiner Anschrift, ist das Rechtsschutzbegehren grundsätzlich unzulässig (BSG, Beschluss vom 18.11.2003, a.a.O.), es sei denn, die Anschrift lässt sich im Einzelfall unschwer ermitteln oder gewichtige Gründe rechtfertigen ausnahmsweise ein Absehen von der Angabe der Anschrift (BSG a.a.O.; Bayerisches LSG jeweils a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 14.02.2012, 9 B 79/11, Juris, m.w.N; vgl. zu den Anforderungen an die Angabe einer Anschrift auch ausführlich LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06.2016, L 7 SO 4619/15, Juris, m.w.N.). Die Berufung genügt - zwischenzeitlich - diesen Anforderungen. Aus der Verwaltungsakte lässt sich die tatsächliche Anschrift des Klägers - S. - unschwer entnehmen. Eine Zustellung an diese Adresse ist aber nicht möglich, da der Kläger, wie er im Erörterungstermin erläutert hat, weder an der Wohnungstür noch am Briefkasten seinen Namen angebracht hat. Das Anschrifterfordernis ist aber gerade deswegen unumgänglich, um die rechtswirksame Zustellung gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen bewirken zu können (vgl. § 63 Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 166 ff. Zivilprozessordnung (ZPO); BSG, Beschluss vom 18.11.2003, a.a.O.). Dass auf das verfahrensrechtliche Mittel einer öffentlichen Zustellung wegen unbekannten Aufenthalts des Betroffenen zurückgegriffen werden könnte, steht dem nicht entgegen. Diese Zustellungsart kommt nach ihren strengen Voraussetzungen wegen der Gefahr der möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur in atypischen Fällen in Betracht; als Regelzustellung bei planmäßigem, nicht gerechtfertigtem Schweigen eines Betroffenen über seinen Aufenthalt ist sie nicht vorgesehen (BSG, Urteil vom 18.11.2013, a.a.O.). Der Kläger hat zwischenzeitlich mit der Anschrift der Caritas eine ladungsfähige Anschrift benannt, da dort auch Zustellungen gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen entgegengenommen und bewirkt werden können. Dem Senat ist daher eine prozessordnungsgemäße Kommunikation mit dem Kläger möglich. Die Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist aber nicht begründet, da das SG die Klage zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat. Im Klageverfahren hat der Kläger trotz wiederholter Aufforderung des SG keine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt. Zwar war auch dem SG die tatsächliche Wohnanschrift bekannt und hat es auch versucht, an diese Adresse Zustellungen vorzunehmen. Eine Zustellung an die Wohnanschrift blieb aber in Ermangelung einer Beschriftung von Briefkasten oder Tür ohne Erfolg. Die angegebene Postfachadresse genügt, wie bereits dargelegt, den Anforderungen an eine ladungsfähigen Anschrift nicht. Auch die durch den Kläger benannte Anschrift bei der EVA stellt keine ladungsfähige Anschrift dar, da Zustellungen dort nicht bewirkt werden konnten. Der Kläger hat selbst mitgeteilt, dass die EVA zwar Briefpost entgegennimmt, Zustellungen dort aber nicht vorgenommen werden können. Dies wird dadurch bestätigt, dass Zustellungsversuche des SG an die Adresse der EVA ohne Erfolg geblieben sind. Der Kläger hat damit im gesamten erstinstanzlichen Verfahren keine (ladungsfähige) Anschrift angegeben, obwohl es ihm ohne weiteres möglich gewesen wäre, durch Beschriftung von Briefkasten oder Klingel eine solche herzustellen. Unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder ein besonders schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse (vgl. dazu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06.2016, a.a.O., m.w.N.) hinsichtlich der Angabe seiner Wohnanschrift liegen nicht vor. Von der Rechtsprechung anerkannt ist beispielsweise ein fehlender Wohnort wegen Obdachlosigkeit oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse (BVerwG, Beschluss vom 14.02.2012, a.a.O., m.w.N.). Die Befürchtung des Klägers, die Wohnung, die er wohl nur mühsam gefunden hat, zu verlieren, ist nachvollziehbar, aber mit derart gewichtigen Gründen nicht vergleichbar. Anhaltspunkte dafür, dass das Mietverhältnis beendet werden könnte, wenn die Hausverwaltung Kenntnis von der - wohl nicht genehmigten - Untervermietung erlangen würde, bestehen aber nicht. Nach den eigenen Angaben des Klägers hatte der Hauptmieter keine Einwände gegen das Anbringen des Namens am Briefkasten. Nachdem eine Zustellung an die durch den Kläger angegebene Anschrift nicht möglich war, war die Klage bereits aus diesem Grund unzulässig. Die verpflichtende Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift schränkt die Rechtsschutzgewährung nicht in unzumutbarer Weise ein (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 02.02.1996, 1 BvR 2211/94, Juris Rdnr. 2).
Die Berufung hatte daher keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Schulden für Einlagerungskosten für Hausrat und persönliche Gegenstände sowie die Übernahme laufender Kosten für die Einlagerung streitig.
Der 1964 geborene Kläger wurde Ende des Jahres 2014 aus seinem Haus im S. geräumt. Nach seinen Angaben bewohnt er derzeit eine 24 m² große Ein-Zimmer-Wohnung in M., für die monatlich eine Warmmiete in Höhe von 433,00 EUR zu entrichten ist. Einen auf den 09.05.2015 datierenden Untermietvertrag legte er bei der Beklagten vor. Der Kläger ist bei der D. AG privat krankenversichert und hat für den Basistarif 274,94 EUR und für die Pflegepflichtversicherung 27,78 EUR monatlich zu zahlen.
Am 30.10.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und gab an, ohne festen Wohnsitz zu sein. Er legte eine Bescheinigung der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e.V. (EVA) vom 04.11.2015 vor, wonach er sich Briefpost über deren Adresse (S.) zusenden lassen könne. Zugleich werde bestätigt, dass er werktäglich zu den Öffnungszeiten in der dortigen Einrichtung die Post abholen könne. Der Kläger legte außerdem folgende von ihm unterschriebene Erklärung vor: "Ich erkläre hiermit werktäglich zu den Öffnungszeiten der Einrichtung dort vorzusprechen, um die an mich adressierte Post abzuholen. Mir ist bekannt, dass die Post der Agentur für Arbeit/JobCenter innerhalb von 4 Werktagen nach Zustellung an die Einrichtung an die Agentur für Arbeit/JobCenter zurückgesandt wird, wenn ich die Post nicht abhole. Das entbindet mich nicht davon, in der Zeit, für die ich Grundsicherungsleistungen beanspruche, jede Änderung in meinen Verhältnissen der Agentur für Arbeit/JobCenter unverzüglich mitzuteilen. Ich bin unterrichtet worden, dass bei Nichteinhaltung der Anspruch auf Leistungen der Agentur für Arbeit/JobCenter verloren gehen kann. Ersatzansprüche für etwaige Schäden, die sich aus einer fahrlässigen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung der Einrichtung ergeben, sind ausgeschlossen."
Mit Bescheid vom 24.03.2016 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2016 bis 31.07.2016 monatlich 706,72 EUR, wobei sie neben dem Regelbedarf in Höhe von 404,00 EUR Zuschüsse zur privaten Kranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 302,72 EUR berücksichtigte. Nach Vorlage des Untermietvertrages gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 10.06.2016 für die Zeit vom 01.02.2016 bis 31.07.2016 monatlich 1.139,72 EUR (404,00 EUR Regelbedarf, 302,72 EUR Zuschüsse zur privaten Kranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung und 433,00 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung).
Am 27.05.2016 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme von Einlagerungskosten. Er legte die Rechnungen der Firma R. GmbH vom 06.05.2016, aus denen hervorgeht, dass die Lagermiete "für 1 Wechselkoffer" monatlich 210,00 EUR netto und für zwei Monate 499,80 EUR brutto beträgt, und sich für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.06.2016 eine offene Forderung für Lagerkosten in Höhe von 2.740,20 EUR ergibt. Ferner legte er eine Rechnung der Firma m. vor, aus denen monatliche Einlagerungskosten von 35,00 EUR hervorgehen.
Mit Bescheid vom 09.06.2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme von Einlagerungskosten ab. Neben den 2.740,20 EUR fielen monatlich weitere 249,90 EUR an; bei der Leistungserbringung seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Derzeit lebe der Kläger in einer Wohnung und habe genügend Möbel zum Leben. Falls er umziehe, was bislang nicht in Aussicht stehe, könnten eventuell fehlende Möbel als Erstausstattung angeschafft werden. Dies sei günstiger als die Übernahme der Einlagerungskosten. Damit entspreche die Übernahme der Einlagerungskosten nicht der Wirtschaftlichkeit und müsse deshalb abgelehnt werden.
Zur Begründung seines hiergegen am 27.06.2016 eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, die von ihm angemietete Wohnung sei zu klein, um seinen Hausrat unterzubringen und er sei auf den zusätzlichen Lagerraum angewiesen. Da in dem Container Hausrat untergebracht sei, müsse er nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als Teil der Kosten der Unterkunft angesehen werden. Wenn diese Kosten die angemessenen Kosten der Unterkunft überstiegen, sei eine Aufforderung zur Kostensenkung mit einer angemessenen Frist zu erlassen. Bis zu deren Ablauf seien die vollen Kosten der Unterkunft zu übernehmen. Bisher sei eine solche Aufforderung nicht ergangen und es sei daher auch keine Frist abgelaufen, die es der Beklagten ermögliche, die Kosten der Unterkunft auf den Angemessenheitssatz abzusenken.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, es bestehe keine rechtliche Grundlage für die Übernahme der Einlagerungskosten. Zunächst sei davon auszugehen, dass es sich um Schulden handle, die bereits vor der Antragstellung auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) entstanden seien. Eine Übernahme dieser Schulden scheide bereits aus. Darüber hinaus seien die Kosten der Einlagerung als unangemessen anzusehen. Es sei darauf hinzuweisen, dass eine längere Einlagerungszeit dazu führe, dass das Verhältnis zwischen eingelagerten Gegenständen und den dafür gezahlten Kosten gemessen an den Kosten, welche für eine Erstausstattung anfallen könnten, unwirtschaftlich werde. Der Kläger verfüge über einen bewohnten Raum in der Größe von 24 m² in Untermiete. Bei den Kosten für die Einlagerung gehe es um Rückstände seit dem 01.07.2015 in Höhe von derzeit 2.740,20 EUR. Es sei derzeit nicht absehbar, dass sich die Situation und das weitere Aufkommen von Schulden zeitnah ändere. Der Kläger habe bislang keine Versuche unternommen, persönliche Gegenstände aus dem Lager zu entfernen oder das Lagergut zu reduzieren. Wenn man die Kosten und Mietrückstände der Einlagerung mit den Kosten für eine komplette Erstausstattung einer Wohnung inklusive Hausrat und Elektrogeräte in Höhe von ca. 1.500,00 EUR vergleiche, müsse festgestellt werden, dass eine Übernahme nicht als angemessen und verhältnismäßig erachtet werden könne. Daher sei es dem Kläger zuzumuten, entweder für die Kosten selbst aufzukommen oder die Entscheidung zu treffen, die Sachen vernichten zu lassen. Ein Anspruch auf Übernahme der Schulden ergebe sich auch nicht aus § 20 Abs. 8 SGB II, wonach Schulden übernommen werden könnten, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt sei. Dies sei jedoch aufgrund des Schreibens vom 06.05.2016 nicht glaubhaft gemacht, da weder die Kündigung ausgesprochen worden sei noch der Verlust des Lagerguts drohe. Der Widerspruchsbescheid wurde an den Kläger mit der Anschrift "S." versandt; die in der Akte befindliche Mehrfertigung des Widerspruchsbescheids trägt den Vermerk "bef.".
Am 26.09.2016 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 4 AS 5181/16 ER) gestellt und zugleich Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er sei der Ansicht, dass es sich bei den Einlagerungskosten um Kosten der Unterkunft handle. Außerdem beantrage er hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Den Widerspruchsbescheid des Beklagten habe er erst am 26.08.2016 unter seiner Zustellanschrift bei der EVA erhalten. Der Zustelltag sei im entsprechenden Zustellbuch der EVA vermerkt. Diese Zustellanschrift habe er, da er keinen festen Wohnsitz habe. Er sei dort nicht amtlich gemeldet. Er habe dann leider den Monat Juli 2016 mit August 2016 verwechselt. Es sei zu befürchten, dass seine wertvollen persönlichen Gegenstände von der Firma R. GmbH demnächst vollständig entsorgt werden, weil die Einlagerungskosten noch nicht bezahlt worden seien. Hierzu werde auf die in Kopie beigefügten Schreiben der Firma vom 27.11.2015 (nochmalige Entsorgungsandrohung) und vom 07.09.2016 (Kontoauszug per 07.09.2016, Forderung 3.070,80 EUR) verwiesen. Er sei finanziell nicht in der Lage, die Einlagerungskosten selbst zu übernehmen.
Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 27.10.2016 zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist durch den Senat mit Beschluss vom 28. April 2017 (L 9 AS 4402/16 ER-B) zurückgewiesen worden.
Nach vorheriger Anhörung, die dem Kläger persönlich ausgehändigt worden ist, hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.12.2016 abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig, da der Kläger die Klagefrist nicht eingehalten und keine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt habe. Für den Beginn der Klagefrist könne nicht auf den 26.08.2016 abgestellt werden. Denn für den Fristbeginn sei auf den Zeitpunkt des Zugangs des streitbefangenen Widerspruchsbescheides und nicht, wie der Kläger offenbar meine, auf den Zeitpunkt der persönlichen Kenntnisnahme abzustellen. Der Widerspruchsbescheid vom 21.07.2016 sei, wie dem Vermerk "bef." zu entnehmen sei, am selben Tag zur Post aufgegeben worden. Er gelte nach der Vermutungsregelung des § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) damit als am 13.05.2016 (gemeint wohl 24.07.2016) bekanntgegeben. Da er eine vollständige und richtige Rechtsbehelfsbelehrung enthalte, habe die Klagefrist am Tag nach der Eröffnung, worunter auch die Bekanntgabe falle, d.h. am 25.07.2016 zu laufen begonnen und mit Ablauf des 24.08.2016 geendet. Die erst am 26.09.2016 erhobene Klage sei damit nicht fristgerecht eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme bezüglich der Klagefrist nicht in Betracht, da der Kläger keine Gründe vorgetragen habe, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten. Soweit er einem Rechtsirrtum unterlegen sei, indem er davon ausgegangen sei, die Klagefrist werde ab dem Zeitpunkt gerechnet, zu dem er den Widerspruchsbescheid zur Kenntnis genommen habe, lasse dies das Verschulden des Klägers in Bezug auf die Fristversäumnis nicht entfallen. Denn ein Rechtsirrtum im Sinne des § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könne nur dann unverschuldet sein, wenn der Beteiligte ihn auch bei sorgfältiger Prüfung nicht vermeiden könne. Dies sei nicht der Fall. Der Kläger sei gehalten gewesen, die Rechtsbehelfsbelehrung zu beachten. Im Übrigen habe er keine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt. Zur Bezeichnung des Klägers gehörten grundsätzlich die Angabe des vollständigen Namens und der ladungsfähigen Anschrift, also der Anschrift mit Angabe der Wohnung nach Ort, Straße, Hausnummer und ggf. weiteren Unterscheidungsmerkmalen ohne Rücksicht auf den Wohnsitz im Rechtssinne, unter der der Beteiligte tatsächlich jedenfalls für eine gewisse Zeit zu erreichen sei. Die bloße Angabe einer Email-Adresse, einer Telefonnummer oder eines Postfachs genüge nicht. Bei Klageerhebung habe der Kläger eine Postfachadresse angegeben, welche nach den aufgezeigten Grundsätzen gerade nicht ausreiche. Zudem sei der Kläger unter der Adresse der EVA tatsächlich nicht erreichbar gewesen. Auch nachdem ihm mit Schreiben vom 21.10.2016 bzw. vom 25.10.2016, welche er am 25.10.2016 persönlich bei Gericht abgeholt habe, die Zweifel des Gerichts an der Zulässigkeit aufgrund der fehlenden Anschrift mitgeteilt worden seien, habe er sich auf die Adresse bei der EVA berufen. Mit Schreiben vom 26.10.2016 und 05.12.2016 bestehe er weiterhin darauf, dass es sich bei der angegebenen Anschrift der EVA um seine Zustellanschrift handle. An diese habe das Gericht bereits mehrmals vergeblich versucht, per Postzustellungsurkunde zuzustellen. Auch sei die Zustellung an die Adresse des Appartements im S.-Zentrum gescheitert. Der Gerichtsbescheid ist an das Postfach des Klägers übersandt worden. Er hat mit Empfangsbekenntnis bestätigt, den Gerichtsbescheid am 12.12.2016 erhalten zu haben.
Am 10.01.2017 hat der Kläger beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und als Adresse wiederum die Anschrift der EVA angegeben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Klage sei zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Bei der Anschrift der EVA handle es sich um eine Anschrift, aus der heraus Wohnsitzlose Klagen erheben könnten. Dass die Zustellung durch das postalische Spezialkonstrukt der Postzustellungsurkunde bei der EVA nicht möglich gewesen sei, entbinde nicht davon, andere Zustellungsarten zu benutzen, was auch bei der EVA möglich gewesen wäre. Zuletzt hat er angegeben, Schreiben könnten ihm über die Caritas zugestellt werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2016 zu verurteilen, die aufgelaufenen Lagerungskosten in Höhe von 2.740,20 EUR sowie für die Zeit ab 1. Februar 2016 höhere Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung monatlicher Lagerungskosten in Höhe von 249,90 EUR zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers, der Berufungsausschließungsgründe nicht entgegenstehen (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Berufung ist insbesondere ordnungsgemäß eingelegt worden. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist, nicht schriftlich, nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG).
Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG, der über die Verweisungsnorm des § 153 Abs. 1 SGG im Berufungsverfahren neben der Vorschrift des § 151 SGG entsprechend gilt (Binder in Hk-SGG, 4. Aufl. 2012, § 151 Rdnr. 27), muss die Klage bzw. die Berufung den (Berufungs-)Kläger, den (Berufungs-)Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des (Berufungs-)Klägers gehören grundsätzlich die Angabe des vollständigen Namens und der ladungsfähigen Anschrift - also der Anschrift mit Angabe der Wohnung nach Ort, Straße, Hausnummer und ggf. weiteren Unterscheidungsmerkmalen ohne Rücksicht auf den Wohnsitz im Rechtssinne (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13.04.1999, 1 C 24/97; Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 04.03.1986, VI ZR 242/84, Juris Rdnr. 4), unter der der Beteiligte tatsächlich jedenfalls für eine gewisse Zeit zu erreichen ist; die bloße Angabe einer Email-Adresse, einer Telefonnummer oder eines Postfachs genügen nicht (Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 18.11.2003, B 1 KR 1/02 S, Juris Rdnrn. 4, 9, Bayerisches LSG, Beschluss vom 01.03.2012, L 8 SO 3/12 B ER, Juris Rdnr. 19, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 92 Rdnr. 4). Bei dem Erfordernis der Anschriftenangabe des Rechtsuchenden handelt es sich um eine wesentliche, ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung eines jeden Rechtsschutzbegehrens, also auch der Berufung. Unterlässt der (Berufungs-)Kläger die Angabe seiner Anschrift, ist das Rechtsschutzbegehren grundsätzlich unzulässig (BSG, Beschluss vom 18.11.2003, a.a.O.), es sei denn, die Anschrift lässt sich im Einzelfall unschwer ermitteln oder gewichtige Gründe rechtfertigen ausnahmsweise ein Absehen von der Angabe der Anschrift (BSG a.a.O.; Bayerisches LSG jeweils a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 14.02.2012, 9 B 79/11, Juris, m.w.N; vgl. zu den Anforderungen an die Angabe einer Anschrift auch ausführlich LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06.2016, L 7 SO 4619/15, Juris, m.w.N.). Die Berufung genügt - zwischenzeitlich - diesen Anforderungen. Aus der Verwaltungsakte lässt sich die tatsächliche Anschrift des Klägers - S. - unschwer entnehmen. Eine Zustellung an diese Adresse ist aber nicht möglich, da der Kläger, wie er im Erörterungstermin erläutert hat, weder an der Wohnungstür noch am Briefkasten seinen Namen angebracht hat. Das Anschrifterfordernis ist aber gerade deswegen unumgänglich, um die rechtswirksame Zustellung gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen bewirken zu können (vgl. § 63 Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 166 ff. Zivilprozessordnung (ZPO); BSG, Beschluss vom 18.11.2003, a.a.O.). Dass auf das verfahrensrechtliche Mittel einer öffentlichen Zustellung wegen unbekannten Aufenthalts des Betroffenen zurückgegriffen werden könnte, steht dem nicht entgegen. Diese Zustellungsart kommt nach ihren strengen Voraussetzungen wegen der Gefahr der möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur in atypischen Fällen in Betracht; als Regelzustellung bei planmäßigem, nicht gerechtfertigtem Schweigen eines Betroffenen über seinen Aufenthalt ist sie nicht vorgesehen (BSG, Urteil vom 18.11.2013, a.a.O.). Der Kläger hat zwischenzeitlich mit der Anschrift der Caritas eine ladungsfähige Anschrift benannt, da dort auch Zustellungen gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen entgegengenommen und bewirkt werden können. Dem Senat ist daher eine prozessordnungsgemäße Kommunikation mit dem Kläger möglich. Die Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist aber nicht begründet, da das SG die Klage zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat. Im Klageverfahren hat der Kläger trotz wiederholter Aufforderung des SG keine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt. Zwar war auch dem SG die tatsächliche Wohnanschrift bekannt und hat es auch versucht, an diese Adresse Zustellungen vorzunehmen. Eine Zustellung an die Wohnanschrift blieb aber in Ermangelung einer Beschriftung von Briefkasten oder Tür ohne Erfolg. Die angegebene Postfachadresse genügt, wie bereits dargelegt, den Anforderungen an eine ladungsfähigen Anschrift nicht. Auch die durch den Kläger benannte Anschrift bei der EVA stellt keine ladungsfähige Anschrift dar, da Zustellungen dort nicht bewirkt werden konnten. Der Kläger hat selbst mitgeteilt, dass die EVA zwar Briefpost entgegennimmt, Zustellungen dort aber nicht vorgenommen werden können. Dies wird dadurch bestätigt, dass Zustellungsversuche des SG an die Adresse der EVA ohne Erfolg geblieben sind. Der Kläger hat damit im gesamten erstinstanzlichen Verfahren keine (ladungsfähige) Anschrift angegeben, obwohl es ihm ohne weiteres möglich gewesen wäre, durch Beschriftung von Briefkasten oder Klingel eine solche herzustellen. Unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder ein besonders schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse (vgl. dazu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06.2016, a.a.O., m.w.N.) hinsichtlich der Angabe seiner Wohnanschrift liegen nicht vor. Von der Rechtsprechung anerkannt ist beispielsweise ein fehlender Wohnort wegen Obdachlosigkeit oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse (BVerwG, Beschluss vom 14.02.2012, a.a.O., m.w.N.). Die Befürchtung des Klägers, die Wohnung, die er wohl nur mühsam gefunden hat, zu verlieren, ist nachvollziehbar, aber mit derart gewichtigen Gründen nicht vergleichbar. Anhaltspunkte dafür, dass das Mietverhältnis beendet werden könnte, wenn die Hausverwaltung Kenntnis von der - wohl nicht genehmigten - Untervermietung erlangen würde, bestehen aber nicht. Nach den eigenen Angaben des Klägers hatte der Hauptmieter keine Einwände gegen das Anbringen des Namens am Briefkasten. Nachdem eine Zustellung an die durch den Kläger angegebene Anschrift nicht möglich war, war die Klage bereits aus diesem Grund unzulässig. Die verpflichtende Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift schränkt die Rechtsschutzgewährung nicht in unzumutbarer Weise ein (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 02.02.1996, 1 BvR 2211/94, Juris Rdnr. 2).
Die Berufung hatte daher keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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