Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 5597/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3107/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der 1971 geborene Kläger hat den Beruf des Einzelhandelskaufmann erlernt und arbeitete zuletzt in einem Call-Center. Er ist seit 2011 arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Kläger beantragte am 14.02.2012 bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der Kläger wurde daraufhin im Auftrag der Beklagten am 16.08.2012 von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. untersucht. Dieser stellte in seinem Gutachten vom selben Tag folgende Diagnose: Besonderheiten der Persönlichkeit (F60.9 + G). Eine quantitative Leistungseinschränkung sei sowohl hinsichtlich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit im Call-Center als auch hinsichtlich leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu erkennen. Qualitativ sei die geistig-psychische Belastbarkeit eingeschränkt. Es bestehe eine erschwerte Anpassung bei verminderter Frustrationstoleranz, sowie aus Selbstbild und Selbstwahrnehmung resultierende Konflikte mit erschwerter Impulskontrolle. Verantwortungen für Personen seien nicht mehr möglich, ebenso sollten keine Tätigkeiten mit überwiegendem Publikumsverkehr ausgeübt werden.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 11.09.2012 ab. Der Kläger könne nach der medizinischen Beurteilung noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung bestehe daher nicht.
Nachdem der Kläger hiergegen am 08.10.2012 Widerspruch erhoben hatte, ließ die Beklagte den Kläger erneut auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet begutachten. Der Kläger wurde am 10.04.2013 von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. untersucht. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 15.04.2013 folgende Diagnosen: Narzisstische Persönlichkeitsstörung (F60.1). Der Kläger sei bei diversen qualitativen Einschränkungen aus psychiatrischer Sicht voll leistungsfähig und könne sowohl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Call-Center als auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich noch sechs Stunden und mehr verrichten. Dr. P. empfahl eine orthopädische Zusatzgutachtung, da der Kläger auch Symptomatiken auf orthopädischem Fachgebiet beschrieben habe.
Der Kläger wurde daraufhin am 19.08.2013 im Auftrag der Beklagten von dem Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. D. untersucht. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 21.08.2013 folgende Diagnosen: 1. Unklare Gonalgie rechts 2. Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung 3. Retrolisthesis L4/5 Die Tätigkeit als Einzelkaufmann sei leidensgerecht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe ein positives Leistungsbild für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in Vollzeit in wechselnden Körperhaltungen. Tätigkeiten in Zwangshaltung oder in gebeugter Körperhaltung sowie Hebe- und Tragebelastungen über 15 Kilogramm seien nicht mehr leidensgerecht.
Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2013 zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung. Er sei unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch in der Lage, sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nach dem 01.01.1961 geboren sei.
Hiergegen hat der Kläger am 12.12.2013 Klage beim Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und sein Begehren nach Gewährung einer Erwerbsminderungsrente weiter verfolgt. Das SG hat Beweis erhoben und zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. J. hat am 14.04.2014 erklärt, dass er den Kläger seit 2011 behandle und dieser unter Dauerbeschwerden im Bereich der LWS sowie Kniegelenksbeschwerden leide. Bei leichten körperlichen Tätigkeiten (möglichst Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung) bestünden von orthopädischer Seite aus keine Einschränkungen. Der Kläger könne daher mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein. Die Fachärztin für Neurologie PD Dr. S. mit Schreiben vom 24.04.2014 hat mitgeteilt, dass sich der Kläger seit 2012 etwa dreimal pro Jahr bei ihr vorstelle. Nach ihrer Einschätzung sei der Kläger nur noch für unter drei Stunden arbeitsfähig ohne Gesundheitsgefährdung. Arbeiten unter Zeitdruck, in extremer Hitze oder Kälte sowie im Schichtdienst seien zu vermeiden. Über eine gleichzeitige psychiatrische Behandlung sei ihr nichts bekannt. In der Region sei ein Behandlungsplatz bei einem Psychiater aber auch schwer zu bekommen. Sie empfehle daher, den Kläger psychiatrisch begutachten zu lassen.
Das SG hat daraufhin von Amts wegen ein psychiatrisches Gutachten bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. E. eingeholt. Dieser hat den Kläger am 18.09.2014 untersucht und in seinem Gutachten vom 13.10.2014 ausgeführt, dass seitens des psychiatrischen Fachgebietes eine depressive Episode im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung beseht. Es würden Affektivität, Antrieb, Denken und Kognition sowie Vegetativum beeinträchtigt. Es handle sich hierbei nicht um eine seelisch bedingte Störung und nicht um eine Erkrankung des Organs Gehirn. Bei der Untersuchung hätten sich keine Hinweise auf Simulation und Aggravation gezeigt. Zwar habe eine Fragebogenuntersuchung eine Tendenz zur schlechten Selbsteinschätzung aufgewiesen, was aber nicht mit Simulation und Aggravation gleichzusetzen sei. Die Erkrankung könne nicht durch eine Willensanstrengung aus eigener Kraft überwunden werden. Es sei aber möglich, die Erkrankung mit ärztlicher Hilfe zu überwinden. Der Kläger könne regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sollten keine Akkord-, Fließband-, Schicht-, Nachtarbeiten sowie keine Tätigkeiten mit vermehrter geistiger Anforderung, mit vermehrtem Publikumsverkehr oder besonderer nervlicher Beanspruchung durchgeführt werden. Diese Tätigkeiten könnten dauerhaft, d. h. nach Therapie und unter Annahme eines therapeutischen Erfolges (der in etwa 80 % der Fälle gegeben sei), mindestens sechs Stunden täglich durchgeführt werden. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht unerlässlich und auch hinsichtlich der Wegstrecke gebe es keine Einschränkung. Es sei eine wesentliche Besserung zu erwarten, dahingehend, dass die Einschränkungen entfielen. Dies sei prinzipiell innerhalb von wenigen Monaten möglich und es könne auch zu einer Vollremission der Beschwerden kommen.
Hierzu hat die behandelnde Ärztin PD Dr. S. in einer fachärztlichen Bescheinigung vom 10.11.2014 und einer ergänzenden Befragung als sachverständige Zeugin mit Aussage vom 23.12.2014 ausgeführt, dass die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung bislang nicht unbekannt gewesen sei. Entsprechend erfolge bereits seit mehreren Jahren eine antidepressive Medikation. Dennoch habe die Arbeitsfähigkeit nicht wieder hergestellt werden können. Sie sei daher skeptisch, ob dies in den nächsten sechs Monaten gelingen werde.
In einer vom SG von Amts wegen eingeholten ergänzenden Stellungnahme hat Prof. Dr. E. am 27.02.2015 ausgeführt, auch vor dem Hintergrund der Ausführungen von PD Dr. S. sei festzustellen, dass die Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft seien. Die bisherige Medikation sei nicht ausreichend und eine stationäre Behandlung habe bislang nicht stattgefunden. Es sei weiter festzustellen, dass der Kläger eine Einzelhandelstätigkeit aktuell täglich nicht sechs Stunden und mehr durchführen könne. Leichte Sortiertätigkeiten, überhaupt leichteste körperliche Tätigkeiten seien aber durchführbar. Insofern ergäben sich keine Änderungen am Inhalt und am Ergebnis seines Gutachtens.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.06.2015 abgewiesen. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Der Kläger sei nach dem medizinischen Beweisergebnis weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Er könne noch mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten. Hierbei stütze sich die Kammer auf das Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen, insbesondere auf das Gutachten des Prof. Dr. E. Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers sei danach im Wesentlichen durch Erkrankung auf dem psychiatrischem Fachgebiet eingeschränkt. Er leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung. Auf Grund dieser Erkrankung lägen Einschränkungen vor, die das berufliche Leistungsvermögen dahingehend einschränkten, dass Akkord-, Fließband , Schicht- und Nachtarbeiten nicht mehr ausgeübt werden könnten. Auszuschließen seien außerdem Tätigkeiten mit vermehrter geistiger Anforderung, vermehrtem Publikumsverkehr und besonderer nervlicher Beanspruchung. Selbst wenn man zu dem Ergebnis komme, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung ein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden arbeitstäglich aufgewiesen habe, so führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn Prof. Dr. E. habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Behandlungsmöglichkeiten beim Kläger nicht ausgeschöpft seien und von einer wesentlichen Besserung nach Absolvierung einer stationären Therapie bzw. weiterer antidepressiver Medikation auszugehen sei. Damit könne jedenfalls nicht angenommen werden, dass der Kläger auch nicht auf absehbare Zeit außer Stande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Auch die Beeinträchtigung auf orthopädischem Fachgebiet führten nach übereinstimmender Einschätzung der Ärzte nicht zu einer quantitativen Leistungseinschränkung. Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) scheitere schon daran, dass der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren sei.
Gegen das ihm am 13.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.07.2015 Berufung eingelegt. Dem Gutachten von Prof. Dr. E. sei nicht zu folgen. Man habe bereits in erster Instanz erhebliche Kritik daran geübt. Insbesondere sei der Kläger seit längerer Zeit in psychiatrischer Behandlung, stehe insbesondere unter einer antidepressiven Therapie. Diese habe bislang nicht zum Erfolg geführt. Auf Grund seiner Erkrankung lebe der Kläger auch sehr zurückgezogen. Er verlasse kaum das Haus.
Nachdem zunächst Dr. D. mit Verfügung vom 22.03.2016 mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden war, hat der Kläger mit Schreiben vom 21.10.2016 mitgeteilt, dass er den ersten vom Gutachter anberaumten Termin aufgrund erheblicher gesundheitlicher Gründe nicht habe wahrnehmen können. Zudem sei er nun auf Grund der Pflege und Betreuungsbedürftigkeit seiner Eltern nach W. gezogen. Er bitte um einen wohnortnäheren Gutachter. Im weiteren hat er dann mitgeteilt, dass er auf Grund seiner psychischen Erkrankung große Probleme habe, längere Anfahrtswege zurückzulegen. Er sehe sich nicht in der Lage, einen Begutachtungstermin in Freudenstadt wahrzunehmen. Daraufhin hat der Senat den Gutachtensauftrag an Dr. D. aufgehoben und mit Verfügung vom 05.12.2016 den Arzt für Nervenheilkunde Dr. R., D., mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. Dieser hat den Kläger am 01.03.2017 untersucht und in seinem Gutachten vom 10.04.2017 folgende Diagnosen gestellt: 1. Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit sowohl Anteilen einer narzisstischen als auch schizoiden und emotional-instabilen Persönlichkeit 2. Zustand nach Cannabis-Abusus 3. Degeneratives Lendenwirbelsäulenleiden mit leichten bis mittelgradigen Funktionsstörungen ohne radikuläre Ausfallsymptomatik. Der Kläger sei wach, ansprechbar und voll orientiert gewesen. Affektiv habe er etwas gereizt und gespannt, jedoch nicht depressiv herabgestimmt und ausreichend affektiv schwingungsfähig sowie im Antrieb nicht gemindert gewirkt. Psychomotorisch wirke er etwas unruhig und angespannt. Das formale Denken sei etwas weitschweifig, umständlich, inhaltlich gedanklich seien Symptome einer narzisstischen und emotional instabilen Persönlichkeit deutlich. Im Gespräch seien Konzentration und Merkfähigkeit nicht relevant gemindert gewesen. Zum Tagesablauf befragt habe der Kläger angegeben, zwischen 8.00 Uhr und 11.00 Uhr aufzustehen. Er versorge sich selbst. Er spiele Gitarre und Violine. Er lerne spanisch. Außerdem sehe der Kläger fern, regle den Haushalt, gehe selten einkaufen und koche auch selten. Er habe ein paar Freunde und Bekannte, mit denen er musiziere, Konsolenspiele spiele und Gespräche führe. Er gehe meist erst gegen 1.00 Uhr oder 2.00 Uhr zu Bett. Auf Grund der Wirbelsäulenveränderungen seien körperliche leichte und mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zehn Kilogramm durchaus möglich. Die Arbeiten sollten wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen erfolgen. Arbeiten mit Treppensteigen seien durchaus möglich, Arbeiten auf Gerüsten und Leitern sollten vermieden werden. Gleiches gelte auch für Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit. Ebenso sollten Tätigkeiten in Kälte ohne Schutz vermieden werden. Auf Grund der Persönlichkeitsstörung sollten Arbeiten mit Publikumsverkehr und mit erhöhter Verantwortung unterbleiben. Der Kläger sei unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungseinschränkung durchaus in der Lage, vollschichtig, d. h. mindestens sechs Stunden täglich, zu arbeiten. Qualitative Leistungseinschränkungen seien hier ausreichend, um das Leistungsbild zu determinieren. Zusätzliche betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich und der Kläger sei in der Lage, sich auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme jeder neuen Tätigkeit verbunden seien. Der Kläger sei in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern zu Fuß zurückzulegen und zweimal täglich auch während der Hauptverkehrszeiten öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Für 500 Meter benötige er höchstens 15 bis 20 Minuten. Der Kläger sei pünktlich zur Begutachtung mit dem Roller erschienen. Er habe einen Führerschein für Roller und PKW. Der von ihm festgestellte Zustand bestehe schon seit Jahren. Eine wesentliche Änderung der Leistungsfähigkeit habe sich im Laufe des Verfahrens nicht ergeben. Auffällig sei, dass gegenwärtig keine konsequente nervenärztliche oder psychotherapeutische Behandlung erfolge. Hier bestehe sicherlich weiter Handlungsbedarf. Im Rahmen einer konsequenten Behandlung sei von einer weiteren Stabilisierung in einem Zeitfenster von weniger als sechs Monaten auszugehen. Im Rahmen einer laborchemischen Untersuchung habe er auch eine erhebliche Inkonsistenz hinsichtlich der Einnahme der Medikation feststellen können. Der Kläger sei seit Januar 2017 in W. in nervenärztlicher Behandlung. Seither hätten zwei Kontakte stattgefunden. Davor sei er bis 2014 bei Frau PD Dr. S. in Offenburg in Behandlung gewesen. Er sei auch mal in Psychotherapie gewesen, genauere Angabe seien hier nicht erhältlich gewesen.
Mit Schreiben vom 22.05.2017 hat der Kläger beantragt, Dr. B., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in N., mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu beauftragen. Mit Schreiben vom 07.06.2017 hat der Kläger mitgeteilt, dass der Gutachter ihm mitgeteilt habe, dass er aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage sei, ein Gutachten zu erstellen. Man werde einen anderen Gutachter benennen und bitte daher um Fristverlängerung. Mit Schreiben vom 31.07.2017 hat der Kläger sodann mitgeteilt, dass kein Antrag gemäß § 109 SGG gestellt werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Freiburg vom 19. Juni 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 11. September 2012 sowie den Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren. Weiter wird ausgeführt, dass man die Kritik am Gutachten von Prof. Dr. E. nicht nachvollziehen könne.
Mit Schreiben vom 04.08.2017 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG). Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 19.06.2015 und der Bescheid der Beklagten vom 11.09.2012 sowie der Widerspruchsbescheid vom 09.12.2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Zu einem anderen Ergebnis führen auch nicht die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen. Der Senat kann nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere unter Berücksichtigung des im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Nervenarztes Dr. R., nicht feststellen, dass das Leistungsvermögen des Klägers auf unter sechs Stunden täglich für körperlich leichte Tätigkeiten herabgesunken ist. Der Schwerpunkt der Erkrankungen liegt auf psychiatrischem Fachgebiet, wobei der Kläger unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leidet. Daneben bestehen Wirbelsäulenbeschwerden.
Die Erkrankungen und die daraus gefolgerte Leistungseinschränkung entnimmt der Senat im Wesentlichen aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. R. Die Ausführungen des Gutachters sind schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Der Senat hat daher keinen Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und an der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln, zumal der Kläger selbst gegen das Gutachten keine substantiierten Einwände vorgetragen hat. Der Gutachter hat den Krankheitsverlauf ausführlich geschildert, ist den Beschwerden nachgegangen und hat den Kläger sorgfältig und umfassend untersucht.
Dr. R. hat eine umfassende Anamnese erhoben, den Kläger nach seinem Tagesablauf befragt, die Medikamenteneingabe laborchemisch überprüft und verschiedene neurologische Zusatzuntersuchungen durchgeführt. Nachvollziehbar hat er sodann dargelegt, dass die vorliegenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet zwar gewisse qualitative Einschränkungen mit sich bringen (insbesondere die Vermeidung von Arbeiten mit Publikumsverkehr und mit erhöhter Verantwortung), es dem Kläger aber weiterhin erlauben auch sechs Stunden und mehr täglich erwerbstätig zu sein. Die weiter bestehenden Wirbelsäulenleiden führen - wie dies im Übrigen sogar der behandelnde Orthopäde bestätigt hat - ebenfalls nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens, sondern lediglich dazu, dass schwere Arbeiten sowie das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten auf Gerüsten und Leitern sowie Akkord-, Fließband, Schicht- und Nachtarbeiten vermieden werden sollten. Ebenso sollte der Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen ermöglicht werden. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem vom Kläger beim Gutachter geschilderten Tagesablauf. Der Kläger ist in der Lage, sich selbst und seinen Haushalt zu versorgen. Ein ausgeprägter sozialer Rückzug konnte nicht festgestellt werden. Der Kläger schilderte vielfältige Hobbys (Gitarre und Violine spielen, Spanisch lernen) und Kontakte zu Freunden und Bekannten, mit denen er sich zum Musizieren, Konsolenspiele spielen und zu Gesprächen trifft. Dies ist umso aussagekräftiger, als es sich dabei nicht nur um die Beibehaltung eines über lange Zeit eingeübten Lebensalltags handelt, sondern der Kläger offensichtlich nach seinem 2016 erfolgten Umzug aus Offenburg nach W. in der Lage war, sich in der neuen Umgebung aktiv neu einzurichten und dabei auch soziale Kontakte neu zu knüpfen oder ggf. aus früheren Zeiten bestehende Kontakte wiederaufzunehmen. Zudem pflegt und betreut er nach eigenen Angaben zumindest in einem gewissen Umfang seine Eltern. Diese Gestaltung des Alltags des Klägers lässt für den Senat keine Anhaltspunkte erkennen, die eine rentenrelevante Einschränkung des quantitativen Belastungsvermögens für leichte Tätigkeiten begründen könnten.
Auch die fehlende Behandlung der Erkrankungen spricht gegen eine zeitliche Reduzierung des Leistungsvermögens. So ist der Kläger zwar wohl in größeren zeitlichen Abständen beim Neurologen in Behandlung, eine ambulante Psychotherapie oder gar eine stationäre Behandlung erfolgt seit längerem nicht mehr. Selbst die ihm verordneten Medikamente konnten im Rahmen der laborchemischen Untersuchung nicht oder nur unterhalb des therapeutischen Bereichs nachgewiesen werden. Auch hieraus lässt sich folgern, dass doch kein entsprechend gravierender Leidensdruck besteht und damit auch keine entsprechend gravierenden Beeinträchtigungen im alltäglichen Lebensbereich.
Zu keinem anderen Ergebnis führt das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme von Prof. Dr. E. Auch er kommt in seinem psychiatrischen Gutachten zu dem Ergebnis, dass dem Kläger täglich eine mindestens sechsstündige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch zugemutet werden kann. Wie das SG weiter zutreffend ausgeführt hat, führt auch die Tatsache, dass Prof. Dr. E. nicht ausschließt, dass der Klägeraußerhalb des Begutachtungszeitpunktes möglicherweise weitere Symptome aufgewiesen hat und deshalb für diese Zeiträume ggf. von einem weniger als sechsstündigen Leistungsvermögen auszugehen sei, zu keinem anderen Ergebnis. Das SG hat hier zunächst darauf hingewiesen, dass der Gutachter dargelegt habe, dass die Behandlungsmöglichkeiten bei weitem nicht ausgeschöpft seien und deshalb nicht angenommen werden könne, dass der Kläger auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeines Arbeitsmarktes tätig zu sein. Darüber hinaus lässt sich den Ausführungen des Gutachters gerade nicht entnehmen, dass eine auch zeitliche Leistungsminderung nachgewiesen ist. Er kann sie nur nicht völlig ausschließen. Die anspruchsbegründenden Tatsachen für den Anspruch auf Rente wegen voller bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung müssen aber im Vollbeweis nachgewiesen sein. Dem Vollbeweis unterliegt also der Umstand, dass das Leistungsvermögen des Versicherten allein wesentlich bedingt durch Krankheit oder Behinderung ab einem bestimmten Zeitpunkt dauerhaft derart herabgesunken ist, dass er mit seinem Restleistungsvermögen nicht mehr in der Lage ist, mindestens drei bzw. sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. Bayrisches Landessozialgericht, Urteil v. 26.07.2006, - L 16 R 100/02 -, juris). Dies lässt sich dem Gutachten von Prof. Dr. E. aber gerade nicht entnehmen.
Gestützt wird die Leistungseinschätzung von Dr. R. auch von den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. P., Dr. B. und Dr. D. Auch diese Gutachter bestätigten ein Leistungsvermögen für eine mindestens sechsstündige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Wie schon das SG sieht der Senat die teilweise davon abweichenden Bewertungen der behandelnden Ärzte durch die eingeholten Gutachten als widerlegt an. Der behandelnde Orthopäde Dr. J. ist sogar selbst zu der Einschätzung gelangt, dass die Erkrankungen des Klägers zwar zu qualitativen, nicht aber zu quantitativen Leistungseinschränkungen führen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes - beispielsweise wegen eingeschränkter Wegefähigkeit - beeinträchtigt ist, liegen nicht vor. Sowohl Dr. R. als auch Prof. Dr. E. haben - wie auch die im Verwaltungsverfahren beauftragten Gutachter - hier keine Einschränkungen beschrieben, wobei der Kläger nach seinen eigenen Angaben zudem über einen Führerschein und einen Motorroller verfügt, den er auch regelmäßig benutzt.
Es liegt beim Kläger auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erfordern würde. Ob eine Verweisungstätigkeit benannt werden muss, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach den Umständen des Einzelfalles festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2006 - B 13 RJ 38/05 R - ,juris, Rn. 23 m.w.N., und zuletzt Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - , dokumentiert in juris und in NZS 2012, 302). Die beim Kläger bestehenden, oben genannten qualitativen Einschränkungen entsprechen im Wesentlichen dem Leistungsbild einer leichten Tätigkeit und sind nicht so vielfältig, als dass sie sämtliche in Betracht kommenden Tätigkeiten ausschließen würden. Auch besteht keine besonders ungewöhnliche oder schwerwiegende Leistungseinschränkung (wie z.B. die Einarmigkeit oder die Nichtbenutzbarkeit der Hände). Der Kläger kann mit dem bei ihm vorliegenden Leistungsbild noch die meisten körperlichen Tätigkeiten, die bei ungelernten Tätigkeiten gefordert werden (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw.), verrichten.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn er ist 1971 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geboren.
Weitere Ermittlungen waren nicht geboten. Der Senat sieht den Sachverhalt durch das Gutachten von Dr. R. als umfassend aufgeklärt. Den zunächst gestellten Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG hat der Kläger inzwischen zurückgenommen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der 1971 geborene Kläger hat den Beruf des Einzelhandelskaufmann erlernt und arbeitete zuletzt in einem Call-Center. Er ist seit 2011 arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Kläger beantragte am 14.02.2012 bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der Kläger wurde daraufhin im Auftrag der Beklagten am 16.08.2012 von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. untersucht. Dieser stellte in seinem Gutachten vom selben Tag folgende Diagnose: Besonderheiten der Persönlichkeit (F60.9 + G). Eine quantitative Leistungseinschränkung sei sowohl hinsichtlich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit im Call-Center als auch hinsichtlich leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu erkennen. Qualitativ sei die geistig-psychische Belastbarkeit eingeschränkt. Es bestehe eine erschwerte Anpassung bei verminderter Frustrationstoleranz, sowie aus Selbstbild und Selbstwahrnehmung resultierende Konflikte mit erschwerter Impulskontrolle. Verantwortungen für Personen seien nicht mehr möglich, ebenso sollten keine Tätigkeiten mit überwiegendem Publikumsverkehr ausgeübt werden.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 11.09.2012 ab. Der Kläger könne nach der medizinischen Beurteilung noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung bestehe daher nicht.
Nachdem der Kläger hiergegen am 08.10.2012 Widerspruch erhoben hatte, ließ die Beklagte den Kläger erneut auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet begutachten. Der Kläger wurde am 10.04.2013 von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. untersucht. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 15.04.2013 folgende Diagnosen: Narzisstische Persönlichkeitsstörung (F60.1). Der Kläger sei bei diversen qualitativen Einschränkungen aus psychiatrischer Sicht voll leistungsfähig und könne sowohl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Call-Center als auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich noch sechs Stunden und mehr verrichten. Dr. P. empfahl eine orthopädische Zusatzgutachtung, da der Kläger auch Symptomatiken auf orthopädischem Fachgebiet beschrieben habe.
Der Kläger wurde daraufhin am 19.08.2013 im Auftrag der Beklagten von dem Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. D. untersucht. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 21.08.2013 folgende Diagnosen: 1. Unklare Gonalgie rechts 2. Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung 3. Retrolisthesis L4/5 Die Tätigkeit als Einzelkaufmann sei leidensgerecht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe ein positives Leistungsbild für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in Vollzeit in wechselnden Körperhaltungen. Tätigkeiten in Zwangshaltung oder in gebeugter Körperhaltung sowie Hebe- und Tragebelastungen über 15 Kilogramm seien nicht mehr leidensgerecht.
Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2013 zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung. Er sei unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch in der Lage, sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nach dem 01.01.1961 geboren sei.
Hiergegen hat der Kläger am 12.12.2013 Klage beim Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und sein Begehren nach Gewährung einer Erwerbsminderungsrente weiter verfolgt. Das SG hat Beweis erhoben und zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. J. hat am 14.04.2014 erklärt, dass er den Kläger seit 2011 behandle und dieser unter Dauerbeschwerden im Bereich der LWS sowie Kniegelenksbeschwerden leide. Bei leichten körperlichen Tätigkeiten (möglichst Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung) bestünden von orthopädischer Seite aus keine Einschränkungen. Der Kläger könne daher mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein. Die Fachärztin für Neurologie PD Dr. S. mit Schreiben vom 24.04.2014 hat mitgeteilt, dass sich der Kläger seit 2012 etwa dreimal pro Jahr bei ihr vorstelle. Nach ihrer Einschätzung sei der Kläger nur noch für unter drei Stunden arbeitsfähig ohne Gesundheitsgefährdung. Arbeiten unter Zeitdruck, in extremer Hitze oder Kälte sowie im Schichtdienst seien zu vermeiden. Über eine gleichzeitige psychiatrische Behandlung sei ihr nichts bekannt. In der Region sei ein Behandlungsplatz bei einem Psychiater aber auch schwer zu bekommen. Sie empfehle daher, den Kläger psychiatrisch begutachten zu lassen.
Das SG hat daraufhin von Amts wegen ein psychiatrisches Gutachten bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. E. eingeholt. Dieser hat den Kläger am 18.09.2014 untersucht und in seinem Gutachten vom 13.10.2014 ausgeführt, dass seitens des psychiatrischen Fachgebietes eine depressive Episode im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung beseht. Es würden Affektivität, Antrieb, Denken und Kognition sowie Vegetativum beeinträchtigt. Es handle sich hierbei nicht um eine seelisch bedingte Störung und nicht um eine Erkrankung des Organs Gehirn. Bei der Untersuchung hätten sich keine Hinweise auf Simulation und Aggravation gezeigt. Zwar habe eine Fragebogenuntersuchung eine Tendenz zur schlechten Selbsteinschätzung aufgewiesen, was aber nicht mit Simulation und Aggravation gleichzusetzen sei. Die Erkrankung könne nicht durch eine Willensanstrengung aus eigener Kraft überwunden werden. Es sei aber möglich, die Erkrankung mit ärztlicher Hilfe zu überwinden. Der Kläger könne regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sollten keine Akkord-, Fließband-, Schicht-, Nachtarbeiten sowie keine Tätigkeiten mit vermehrter geistiger Anforderung, mit vermehrtem Publikumsverkehr oder besonderer nervlicher Beanspruchung durchgeführt werden. Diese Tätigkeiten könnten dauerhaft, d. h. nach Therapie und unter Annahme eines therapeutischen Erfolges (der in etwa 80 % der Fälle gegeben sei), mindestens sechs Stunden täglich durchgeführt werden. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht unerlässlich und auch hinsichtlich der Wegstrecke gebe es keine Einschränkung. Es sei eine wesentliche Besserung zu erwarten, dahingehend, dass die Einschränkungen entfielen. Dies sei prinzipiell innerhalb von wenigen Monaten möglich und es könne auch zu einer Vollremission der Beschwerden kommen.
Hierzu hat die behandelnde Ärztin PD Dr. S. in einer fachärztlichen Bescheinigung vom 10.11.2014 und einer ergänzenden Befragung als sachverständige Zeugin mit Aussage vom 23.12.2014 ausgeführt, dass die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung bislang nicht unbekannt gewesen sei. Entsprechend erfolge bereits seit mehreren Jahren eine antidepressive Medikation. Dennoch habe die Arbeitsfähigkeit nicht wieder hergestellt werden können. Sie sei daher skeptisch, ob dies in den nächsten sechs Monaten gelingen werde.
In einer vom SG von Amts wegen eingeholten ergänzenden Stellungnahme hat Prof. Dr. E. am 27.02.2015 ausgeführt, auch vor dem Hintergrund der Ausführungen von PD Dr. S. sei festzustellen, dass die Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft seien. Die bisherige Medikation sei nicht ausreichend und eine stationäre Behandlung habe bislang nicht stattgefunden. Es sei weiter festzustellen, dass der Kläger eine Einzelhandelstätigkeit aktuell täglich nicht sechs Stunden und mehr durchführen könne. Leichte Sortiertätigkeiten, überhaupt leichteste körperliche Tätigkeiten seien aber durchführbar. Insofern ergäben sich keine Änderungen am Inhalt und am Ergebnis seines Gutachtens.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.06.2015 abgewiesen. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Der Kläger sei nach dem medizinischen Beweisergebnis weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Er könne noch mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten. Hierbei stütze sich die Kammer auf das Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen, insbesondere auf das Gutachten des Prof. Dr. E. Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers sei danach im Wesentlichen durch Erkrankung auf dem psychiatrischem Fachgebiet eingeschränkt. Er leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung. Auf Grund dieser Erkrankung lägen Einschränkungen vor, die das berufliche Leistungsvermögen dahingehend einschränkten, dass Akkord-, Fließband , Schicht- und Nachtarbeiten nicht mehr ausgeübt werden könnten. Auszuschließen seien außerdem Tätigkeiten mit vermehrter geistiger Anforderung, vermehrtem Publikumsverkehr und besonderer nervlicher Beanspruchung. Selbst wenn man zu dem Ergebnis komme, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung ein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden arbeitstäglich aufgewiesen habe, so führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn Prof. Dr. E. habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Behandlungsmöglichkeiten beim Kläger nicht ausgeschöpft seien und von einer wesentlichen Besserung nach Absolvierung einer stationären Therapie bzw. weiterer antidepressiver Medikation auszugehen sei. Damit könne jedenfalls nicht angenommen werden, dass der Kläger auch nicht auf absehbare Zeit außer Stande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Auch die Beeinträchtigung auf orthopädischem Fachgebiet führten nach übereinstimmender Einschätzung der Ärzte nicht zu einer quantitativen Leistungseinschränkung. Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) scheitere schon daran, dass der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren sei.
Gegen das ihm am 13.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.07.2015 Berufung eingelegt. Dem Gutachten von Prof. Dr. E. sei nicht zu folgen. Man habe bereits in erster Instanz erhebliche Kritik daran geübt. Insbesondere sei der Kläger seit längerer Zeit in psychiatrischer Behandlung, stehe insbesondere unter einer antidepressiven Therapie. Diese habe bislang nicht zum Erfolg geführt. Auf Grund seiner Erkrankung lebe der Kläger auch sehr zurückgezogen. Er verlasse kaum das Haus.
Nachdem zunächst Dr. D. mit Verfügung vom 22.03.2016 mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden war, hat der Kläger mit Schreiben vom 21.10.2016 mitgeteilt, dass er den ersten vom Gutachter anberaumten Termin aufgrund erheblicher gesundheitlicher Gründe nicht habe wahrnehmen können. Zudem sei er nun auf Grund der Pflege und Betreuungsbedürftigkeit seiner Eltern nach W. gezogen. Er bitte um einen wohnortnäheren Gutachter. Im weiteren hat er dann mitgeteilt, dass er auf Grund seiner psychischen Erkrankung große Probleme habe, längere Anfahrtswege zurückzulegen. Er sehe sich nicht in der Lage, einen Begutachtungstermin in Freudenstadt wahrzunehmen. Daraufhin hat der Senat den Gutachtensauftrag an Dr. D. aufgehoben und mit Verfügung vom 05.12.2016 den Arzt für Nervenheilkunde Dr. R., D., mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. Dieser hat den Kläger am 01.03.2017 untersucht und in seinem Gutachten vom 10.04.2017 folgende Diagnosen gestellt: 1. Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit sowohl Anteilen einer narzisstischen als auch schizoiden und emotional-instabilen Persönlichkeit 2. Zustand nach Cannabis-Abusus 3. Degeneratives Lendenwirbelsäulenleiden mit leichten bis mittelgradigen Funktionsstörungen ohne radikuläre Ausfallsymptomatik. Der Kläger sei wach, ansprechbar und voll orientiert gewesen. Affektiv habe er etwas gereizt und gespannt, jedoch nicht depressiv herabgestimmt und ausreichend affektiv schwingungsfähig sowie im Antrieb nicht gemindert gewirkt. Psychomotorisch wirke er etwas unruhig und angespannt. Das formale Denken sei etwas weitschweifig, umständlich, inhaltlich gedanklich seien Symptome einer narzisstischen und emotional instabilen Persönlichkeit deutlich. Im Gespräch seien Konzentration und Merkfähigkeit nicht relevant gemindert gewesen. Zum Tagesablauf befragt habe der Kläger angegeben, zwischen 8.00 Uhr und 11.00 Uhr aufzustehen. Er versorge sich selbst. Er spiele Gitarre und Violine. Er lerne spanisch. Außerdem sehe der Kläger fern, regle den Haushalt, gehe selten einkaufen und koche auch selten. Er habe ein paar Freunde und Bekannte, mit denen er musiziere, Konsolenspiele spiele und Gespräche führe. Er gehe meist erst gegen 1.00 Uhr oder 2.00 Uhr zu Bett. Auf Grund der Wirbelsäulenveränderungen seien körperliche leichte und mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zehn Kilogramm durchaus möglich. Die Arbeiten sollten wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen erfolgen. Arbeiten mit Treppensteigen seien durchaus möglich, Arbeiten auf Gerüsten und Leitern sollten vermieden werden. Gleiches gelte auch für Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit. Ebenso sollten Tätigkeiten in Kälte ohne Schutz vermieden werden. Auf Grund der Persönlichkeitsstörung sollten Arbeiten mit Publikumsverkehr und mit erhöhter Verantwortung unterbleiben. Der Kläger sei unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungseinschränkung durchaus in der Lage, vollschichtig, d. h. mindestens sechs Stunden täglich, zu arbeiten. Qualitative Leistungseinschränkungen seien hier ausreichend, um das Leistungsbild zu determinieren. Zusätzliche betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich und der Kläger sei in der Lage, sich auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme jeder neuen Tätigkeit verbunden seien. Der Kläger sei in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern zu Fuß zurückzulegen und zweimal täglich auch während der Hauptverkehrszeiten öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Für 500 Meter benötige er höchstens 15 bis 20 Minuten. Der Kläger sei pünktlich zur Begutachtung mit dem Roller erschienen. Er habe einen Führerschein für Roller und PKW. Der von ihm festgestellte Zustand bestehe schon seit Jahren. Eine wesentliche Änderung der Leistungsfähigkeit habe sich im Laufe des Verfahrens nicht ergeben. Auffällig sei, dass gegenwärtig keine konsequente nervenärztliche oder psychotherapeutische Behandlung erfolge. Hier bestehe sicherlich weiter Handlungsbedarf. Im Rahmen einer konsequenten Behandlung sei von einer weiteren Stabilisierung in einem Zeitfenster von weniger als sechs Monaten auszugehen. Im Rahmen einer laborchemischen Untersuchung habe er auch eine erhebliche Inkonsistenz hinsichtlich der Einnahme der Medikation feststellen können. Der Kläger sei seit Januar 2017 in W. in nervenärztlicher Behandlung. Seither hätten zwei Kontakte stattgefunden. Davor sei er bis 2014 bei Frau PD Dr. S. in Offenburg in Behandlung gewesen. Er sei auch mal in Psychotherapie gewesen, genauere Angabe seien hier nicht erhältlich gewesen.
Mit Schreiben vom 22.05.2017 hat der Kläger beantragt, Dr. B., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in N., mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu beauftragen. Mit Schreiben vom 07.06.2017 hat der Kläger mitgeteilt, dass der Gutachter ihm mitgeteilt habe, dass er aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage sei, ein Gutachten zu erstellen. Man werde einen anderen Gutachter benennen und bitte daher um Fristverlängerung. Mit Schreiben vom 31.07.2017 hat der Kläger sodann mitgeteilt, dass kein Antrag gemäß § 109 SGG gestellt werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Freiburg vom 19. Juni 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 11. September 2012 sowie den Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren. Weiter wird ausgeführt, dass man die Kritik am Gutachten von Prof. Dr. E. nicht nachvollziehen könne.
Mit Schreiben vom 04.08.2017 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG). Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 19.06.2015 und der Bescheid der Beklagten vom 11.09.2012 sowie der Widerspruchsbescheid vom 09.12.2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Zu einem anderen Ergebnis führen auch nicht die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen. Der Senat kann nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere unter Berücksichtigung des im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Nervenarztes Dr. R., nicht feststellen, dass das Leistungsvermögen des Klägers auf unter sechs Stunden täglich für körperlich leichte Tätigkeiten herabgesunken ist. Der Schwerpunkt der Erkrankungen liegt auf psychiatrischem Fachgebiet, wobei der Kläger unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leidet. Daneben bestehen Wirbelsäulenbeschwerden.
Die Erkrankungen und die daraus gefolgerte Leistungseinschränkung entnimmt der Senat im Wesentlichen aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. R. Die Ausführungen des Gutachters sind schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Der Senat hat daher keinen Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und an der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln, zumal der Kläger selbst gegen das Gutachten keine substantiierten Einwände vorgetragen hat. Der Gutachter hat den Krankheitsverlauf ausführlich geschildert, ist den Beschwerden nachgegangen und hat den Kläger sorgfältig und umfassend untersucht.
Dr. R. hat eine umfassende Anamnese erhoben, den Kläger nach seinem Tagesablauf befragt, die Medikamenteneingabe laborchemisch überprüft und verschiedene neurologische Zusatzuntersuchungen durchgeführt. Nachvollziehbar hat er sodann dargelegt, dass die vorliegenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet zwar gewisse qualitative Einschränkungen mit sich bringen (insbesondere die Vermeidung von Arbeiten mit Publikumsverkehr und mit erhöhter Verantwortung), es dem Kläger aber weiterhin erlauben auch sechs Stunden und mehr täglich erwerbstätig zu sein. Die weiter bestehenden Wirbelsäulenleiden führen - wie dies im Übrigen sogar der behandelnde Orthopäde bestätigt hat - ebenfalls nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens, sondern lediglich dazu, dass schwere Arbeiten sowie das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten auf Gerüsten und Leitern sowie Akkord-, Fließband, Schicht- und Nachtarbeiten vermieden werden sollten. Ebenso sollte der Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen ermöglicht werden. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem vom Kläger beim Gutachter geschilderten Tagesablauf. Der Kläger ist in der Lage, sich selbst und seinen Haushalt zu versorgen. Ein ausgeprägter sozialer Rückzug konnte nicht festgestellt werden. Der Kläger schilderte vielfältige Hobbys (Gitarre und Violine spielen, Spanisch lernen) und Kontakte zu Freunden und Bekannten, mit denen er sich zum Musizieren, Konsolenspiele spielen und zu Gesprächen trifft. Dies ist umso aussagekräftiger, als es sich dabei nicht nur um die Beibehaltung eines über lange Zeit eingeübten Lebensalltags handelt, sondern der Kläger offensichtlich nach seinem 2016 erfolgten Umzug aus Offenburg nach W. in der Lage war, sich in der neuen Umgebung aktiv neu einzurichten und dabei auch soziale Kontakte neu zu knüpfen oder ggf. aus früheren Zeiten bestehende Kontakte wiederaufzunehmen. Zudem pflegt und betreut er nach eigenen Angaben zumindest in einem gewissen Umfang seine Eltern. Diese Gestaltung des Alltags des Klägers lässt für den Senat keine Anhaltspunkte erkennen, die eine rentenrelevante Einschränkung des quantitativen Belastungsvermögens für leichte Tätigkeiten begründen könnten.
Auch die fehlende Behandlung der Erkrankungen spricht gegen eine zeitliche Reduzierung des Leistungsvermögens. So ist der Kläger zwar wohl in größeren zeitlichen Abständen beim Neurologen in Behandlung, eine ambulante Psychotherapie oder gar eine stationäre Behandlung erfolgt seit längerem nicht mehr. Selbst die ihm verordneten Medikamente konnten im Rahmen der laborchemischen Untersuchung nicht oder nur unterhalb des therapeutischen Bereichs nachgewiesen werden. Auch hieraus lässt sich folgern, dass doch kein entsprechend gravierender Leidensdruck besteht und damit auch keine entsprechend gravierenden Beeinträchtigungen im alltäglichen Lebensbereich.
Zu keinem anderen Ergebnis führt das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme von Prof. Dr. E. Auch er kommt in seinem psychiatrischen Gutachten zu dem Ergebnis, dass dem Kläger täglich eine mindestens sechsstündige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch zugemutet werden kann. Wie das SG weiter zutreffend ausgeführt hat, führt auch die Tatsache, dass Prof. Dr. E. nicht ausschließt, dass der Klägeraußerhalb des Begutachtungszeitpunktes möglicherweise weitere Symptome aufgewiesen hat und deshalb für diese Zeiträume ggf. von einem weniger als sechsstündigen Leistungsvermögen auszugehen sei, zu keinem anderen Ergebnis. Das SG hat hier zunächst darauf hingewiesen, dass der Gutachter dargelegt habe, dass die Behandlungsmöglichkeiten bei weitem nicht ausgeschöpft seien und deshalb nicht angenommen werden könne, dass der Kläger auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeines Arbeitsmarktes tätig zu sein. Darüber hinaus lässt sich den Ausführungen des Gutachters gerade nicht entnehmen, dass eine auch zeitliche Leistungsminderung nachgewiesen ist. Er kann sie nur nicht völlig ausschließen. Die anspruchsbegründenden Tatsachen für den Anspruch auf Rente wegen voller bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung müssen aber im Vollbeweis nachgewiesen sein. Dem Vollbeweis unterliegt also der Umstand, dass das Leistungsvermögen des Versicherten allein wesentlich bedingt durch Krankheit oder Behinderung ab einem bestimmten Zeitpunkt dauerhaft derart herabgesunken ist, dass er mit seinem Restleistungsvermögen nicht mehr in der Lage ist, mindestens drei bzw. sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. Bayrisches Landessozialgericht, Urteil v. 26.07.2006, - L 16 R 100/02 -, juris). Dies lässt sich dem Gutachten von Prof. Dr. E. aber gerade nicht entnehmen.
Gestützt wird die Leistungseinschätzung von Dr. R. auch von den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. P., Dr. B. und Dr. D. Auch diese Gutachter bestätigten ein Leistungsvermögen für eine mindestens sechsstündige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Wie schon das SG sieht der Senat die teilweise davon abweichenden Bewertungen der behandelnden Ärzte durch die eingeholten Gutachten als widerlegt an. Der behandelnde Orthopäde Dr. J. ist sogar selbst zu der Einschätzung gelangt, dass die Erkrankungen des Klägers zwar zu qualitativen, nicht aber zu quantitativen Leistungseinschränkungen führen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes - beispielsweise wegen eingeschränkter Wegefähigkeit - beeinträchtigt ist, liegen nicht vor. Sowohl Dr. R. als auch Prof. Dr. E. haben - wie auch die im Verwaltungsverfahren beauftragten Gutachter - hier keine Einschränkungen beschrieben, wobei der Kläger nach seinen eigenen Angaben zudem über einen Führerschein und einen Motorroller verfügt, den er auch regelmäßig benutzt.
Es liegt beim Kläger auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erfordern würde. Ob eine Verweisungstätigkeit benannt werden muss, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach den Umständen des Einzelfalles festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2006 - B 13 RJ 38/05 R - ,juris, Rn. 23 m.w.N., und zuletzt Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - , dokumentiert in juris und in NZS 2012, 302). Die beim Kläger bestehenden, oben genannten qualitativen Einschränkungen entsprechen im Wesentlichen dem Leistungsbild einer leichten Tätigkeit und sind nicht so vielfältig, als dass sie sämtliche in Betracht kommenden Tätigkeiten ausschließen würden. Auch besteht keine besonders ungewöhnliche oder schwerwiegende Leistungseinschränkung (wie z.B. die Einarmigkeit oder die Nichtbenutzbarkeit der Hände). Der Kläger kann mit dem bei ihm vorliegenden Leistungsbild noch die meisten körperlichen Tätigkeiten, die bei ungelernten Tätigkeiten gefordert werden (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw.), verrichten.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn er ist 1971 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geboren.
Weitere Ermittlungen waren nicht geboten. Der Senat sieht den Sachverhalt durch das Gutachten von Dr. R. als umfassend aufgeklärt. Den zunächst gestellten Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG hat der Kläger inzwischen zurückgenommen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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