L 6 VH 1337/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 VH 134/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VH 1337/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. März 2017 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch in den Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob weitere Gesundheitsstörungen als Folge einer Inhaftierung anzuerkennen und deswegen höhere Versorgungsleistungen zu gewähren sind.

Der 1928 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Mit fünfzehn Jahren wurde er verpflichtet, als Marinehelfer bei der damaligen Reichswehr Dienst zu leisten. Er geriet in britische Kriegsgefangenschaft, von der er schließlich 1946 nach G. in M.-V., welches damals in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone lag, zurückkehrte. Anfang 1948 begann er eine Lehre als Schuhmacher. Vom 21. Oktober 1948 bis 17. Januar 1954 war er aufgrund einer Verurteilung zu einem 25-jährigen Freiheitsentzug wegen illegaler Organisation in Anstalten in Sch. und B. inhaftiert. Im Rahmen einer Amnestie war er begnadigt worden. Er floh im März 1954 in die Bundesrepublik Deutschland, wo er seine Ausbildung fortsetzte und wenige Jahre später die Meisterprüfung ablegte. 1955 hatte er geheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Er arbeitete bis 1962 als Schuhmacher, gab diesen Beruf dann wegen immer wieder auftretender Rückenschmerzen auf. Anschließend war er bei der E. AG beschäftigt, wo er betriebsintern im Labor eine Weiterbildung durchführte. Nach siebeneinhalb Jahren beendete er wegen anhaltender Nackenschmerzen auch diese Tätigkeit und arbeitete ab 1969 bei der B. G ... Seine dortige Beschäftigung als Bote gab er Ende 1989 vorzeitig wegen einer eingetretenen Schwerbehinderung im Alter von 61 Jahren auf.

Bereits im Juni 1954 hatte der Kläger erstmalig einen Antrag auf Versorgungsleistungen gestellt. Mit Bescheid vom 20. August 1954 wurden vom damaligen Versorgungsamt K. folgende kriegsbedingte Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt: "Erschöpfungszustand, Eiweißmangelschaden, Zwerchfellschwarte links, Narbe nach Strumektomie". Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE; seit 21. Dezember 2007 Grad der Schädigungsfolgen - GdS) wurde zunächst mit 70 vom Hundert (v. H.) ab 1. Juni 1954 festgestellt.

Die Stadt K. bescheinigte dem Kläger Anfang März 1956 gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Häftlingshilfegesetz (HHG), dass bei ihm die Voraussetzungen des § 1 und § 9 HHG vorlägen und Ausschließungsgründe nach § 2 Abs. 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 HHG nicht gegeben seien. Er sei Mitte Oktober 1948 in politischen Gewahrsam genommen und Mitte Januar 1954 entlassen worden. Mitte März 1954 sei er im Land B. eingetroffen.

Im Anschluss an diese Entscheidung kam es im Hinblick auf die anerkannten Schädigungsfolgen und die hieraus folgende MdE zu zahlreichen Neufeststellungen und Anträgen sowie Petitionen. Aufgrund eines vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) geschlossenen Vergleiches im Verfahren S 6 V 1130/92 wurden mit dem ausführenden Bescheid vom 25. September 1995 als Schädigungsfolgen nach dem HHG in Verbindung mit dem BVG seit 1. Januar 1984 zusätzlich anerkannt: "völlig vernarbte geringfügige Lungentuberkulose, zwei Narben nach Kropfoperation, geringgradige Schwerhörigkeit rechts bei Narbentrommelfellen beiderseits, leichte Rippenfellschwarte rechts, psychische Störungen". Die MdE wurde unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG schließlich mit 40 v. H. bewertet. In diesem gerichtlichen Verfahren wurden unter anderem ein internistisches Gutachten von Dr. M.-R. von August 1993, wonach sich keine gravierenden Beeinträchtigungen auf seinem Fachgebiet hätten eruieren lassen, und eine orthopädische Expertise von Dr. Sch. von Juni 1994, nach welcher die Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule schicksalhaft eingetreten seien, eingeholt.

Zudem bewilligte das Versorgungsamt K. dem Kläger mit Bescheid vom 13. September 1996 ab 1. Januar 1984 einen Berufsschadensausgleich und ging bei dessen Berechnung im Hinblick auf das vom Kläger angegebene Berufsziel von der selbstständigen Tätigkeit eines Orthopädieschuhmachermeisters als Vergleichseinkommen aus, also von dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A9. Der von ihm gegen diese Einstufung eingelegte Widerspruch wurde vom Landesversorgungsamt B.-W. mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1997 zurückgewiesen. Seinen im März 1998 gestellten Antrag, ihm im Wege des Zugunstenverfahrens einen Berufsschadensausgleich nach einem höheren Vergleichseinkommen zugrunde zu legen, lehnte das Versorgungsamt K. mit Bescheid vom 2. Juni 1998 mit der Begründung ab, ohne die Schädigung hätte er wahrscheinlich die Zusatzprüfung "Orthopädie" abgelegt und sich als Schuhmachermeister selbstständig gemacht. Ausgehend von einer solchen Tätigkeit sei als Vergleichseinkommen zu Recht das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A9 angesetzt worden. Neue Gesichtspunkte oder rechtserhebliche Tatsachen, welche die frühere Entscheidung als rechtswidrig erscheinen ließen, seien nicht vorgebracht worden. Der Widerspruch des Klägers wurde vom Landesversorgungsamt B.-W. mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2000 zurückgewiesen. Die hiergegen beim SG erhobene Klage, welche mit Urteil vom 10. April 2001 im Verfahren S 6 V 1962/00 abgewiesen wurde, blieb ebenso erfolglos wie die dagegen eingelegte Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG), welches das Rechtsmittel mit Beschluss vom 22. August 2001 im Verfahren L 11 V 2435/01 zurückwies.

Mit Bescheid vom 11. September 2002 berechnete das Versorgungsamt K. die Versorgungsbezüge wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse (Änderung der Zusatz- oder Betriebsrente) ab 1. Juli 2002 neu und forderte die dadurch eingetretene Überzahlung zurück. Nach erfolglosem Widerspruch, welcher vom Landesversorgungsamt B.-W. mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2002 zurückgewiesen wurde, erhob der Kläger hiergegen Klage beim SG, welche mit Urteil vom 28. Oktober 2003 im Verfahren S 6 V 3843/02 abgewiesen wurde. Die Berufung wies das LSG mit Urteil vom 13. März 2008 im Verfahren L 6 VH 5227/07 zurück. Die beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde mit Beschluss vom 7. Mai 2008 im Verfahren B 9 VH 1/08 zurückgewiesen.

Am 19. April 2006 wandte sich der Kläger erneut an den Petitionsausschuss des Landtages von B.-W. Dieser gab die Beschlussempfehlung, dass über die teilweise Neubezeichnung der Schädigungsfolgen hinaus der Petition nicht abgeholfen werden könne (Drs. 14/1751, S. 26). Es sollten nunmehr unter anderem "Narben nach Kropfoperation" anerkannt werden, wodurch sich keine Änderung der MdE ergebe. Das nunmehr zuständige Landratsamt K. bezeichnete daraufhin "auf Weisung" mit streitgegenständlichem Bescheid vom 5. November 2007 die anerkannten Schädigungsfolgen wie folgt: "völlig vernarbte geringfügige Lungentuberkulose, Narben nach Kropfoperation, geringgradige Schwerhörigkeit rechts bei Narben-Trommelfellen beiderseits, leichte Rippenfellschwarte rechts, psychische Störungen". Außerdem stellte dieser Verwaltungsträger fest, dass der Kläger durch diese Gesundheitsstörungen in seiner Erwerbsfähigkeit unverändert um 40 v. H. nach § 30 Abs. 1 und 2 BVG erwerbsgemindert sei, wodurch sich keine Änderung in der laufenden Zahlung der Versorgungsbezüge ergebe. Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte er geltend, die Neubezeichnung sei unpräzise, weiterhin blieben die inneren Narben unberücksichtigt, außerdem seien alle Bescheide mit der Schädigungsfolge "zwei Narben" aufzuheben. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2014 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Rechtsbehelf zurück. Der ausführende Bescheid habe lediglich die Petition hinsichtlich der anerkannten Schädigungsfolgen nach dem HHG umgesetzt. Mit Bescheid vom 20. Juni 2013 berechnete das Landratsamt K. die Versorgungsbezüge aufgrund der 19. Verordnung zur Anpassung des Vermessungsbetrages und von Geldleistungen nach dem BVG 2013 (19. KOV-AnpV 2013) ab 1. Juli 2013 neu. Bei der Berechnung der einkommensabhängigen Leistungen wurden sonstige Zuwendungen (55,50 EUR), die Zusatzrente (482,67 EUR) und eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (1.284,91 EUR) berücksichtigt sowie dem Kläger eine Beschädigtengrundrente in Höhe von 174 EUR und ein Berufsschadensausgleich in Höhe von 79 EUR, also insgesamt Versorgungsbezüge in Höhe von 253 EUR, gewährt. Der Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium St. mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2014 zurückgewiesen. Das SG hat die gegen beide Verwaltungsentscheidungen erhobene Klage im Verfahren S 8 VH 1039/14 mit Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2014 abgewiesen. Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 17. Dezember 2015 im Verfahren L 6 VH 3264/14 zurückgewiesen.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23. Juni 2016 berechnete das Landratsamt K. die Versorgungsbezüge aufgrund der 22. Verordnung zur Anpassung des Vermessungsbetrages und von Geldleistungen nach dem BVG 2016 (22. KOV-AnpV 2016) ab 1. Juli 2016 neu. Bei der Berechnung der einkommensabhängigen Leistungen wurden sonstige Zuwendungen (55,50 EUR), die Zusatzrente (504,92 EUR) und eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (1.390,38 EUR) berücksichtigt sowie dem Kläger eine Beschädigtengrundrente in Höhe von 189 EUR und ein Berufsschadensausgleich in Höhe von 95 EUR, also insgesamt Versorgungsbezüge in Höhe von 284 EUR, gewährt. Der Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium St. mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2016 zurückgewiesen. Das SG hat die hiergegen am 17. Januar 2017 erhobene Klage im Verfahren S 13 VH 134/17 nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 6. März 2017 abgewiesen. Es hat das Begehren des Klägers dahingehend ausgelegt, den Beklagten zu verurteilen, ihm einen höheren Berufsschadensausgleich unter Berücksichtigung eines GdS von 40 und einer Einstufung nach der Besoldungsgruppe A 11/DA 12 zu bewilligen. Die Klage sei unzulässig, da der Beklagte keine Verwaltungsentscheidung zu einem Recht auf Berufsschadensausgleich getroffen habe. Dies sei ihm bereits mittels mehrerer erst- und zweitinstanzlicher Entscheidungen dargelegt worden und entspreche der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Verwaltungsentscheidungen zur jeweiligen Anpassung der Leistungshöhe träfen keine Entscheidung dem Grunde nach, sondern knüpften an den bisherigen, so bezeichneten "Grundlagenbescheid" an. Dies gelte auch für einkommensabhängige Leistungen wie den Berufsschadensausgleich.

Mit Schreiben vom 19. Juni 2012, welches drei Tage später beim Landratsamt K. einging, hatte der Kläger auf einen Widerspruch vom 26. März 2012 Bezug genommen und die aus seiner Sicht unterbliebene Bearbeitung beanstandet. Die Versorgungsverwaltung unterschlage die Beantwortung der beantragten inneren und äußeren Narben nach einer Operation der Schilddrüse sowie die schädigungsbedingten Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule. Am 13. Januar 2016 beantragte er ausdrücklich die Neufeststellung seiner Versorgungsbezüge. Dr. B. führte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme von Juli 2016 aus, der Urteilsbegründung des erkennenden Senats vom 17. Dezember 2015 sei hinsichtlich der Operationsnarben nichts hinzuzufügen. Die Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule seien nach dem orthopädischen Gutachten von Dr. Sch. von Juni 1994 schicksalhaft eingetretene Veränderungen. Ein ursächlicher Zusammenhang zu den schweren körperlichen Belastungen während der Zeit der Inhaftierung habe nicht hergestellt werden können. Es ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte für eine andere Beurteilung. Mit weiterem streitgegenständlichen Bescheid vom 15. August 2016 lehnte das Landratsamt K. die mit den "Anträgen" vom 22. Juni 2012 und 13. Januar 2016 begehrte Neufeststellung des Versorgungsanspruches ab. Nach ärztlicher Überprüfung sei bei den anerkannten Schädigungsfolgen keine Verschlimmerung eingetreten, welche zur Erhöhung des GdS berechtige. Diese seien auch weiterhin mit einem solchen von 40 ausreichend bewertet. Vom Kläger seien zum wiederholten Mal äußere und innere Narben nach einer Operation der Schilddrüse sowie an der Hals- und Lendenwirbelsäule geltend gemacht worden. Unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. verbleibe es bei den bisherigen Feststellungen, sowohl in Bezug auf die anerkannten Schädigungsfolgen als auch des GdS. Der Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium St. mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2016 zurückgewiesen. Das SG hat die hiergegen am 17. Januar 2017 erhobene Klage im Verfahren S 13 VH 138/17 nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 6. März 2017 abgewiesen. Es hat das Begehren des Klägers dahingehend ausgelegt, den Beklagten zu verpflichten, eine Schilddrüsenerkrankung, Operationsnarben an dieser Hormondrüse sowie Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule als Folgen des schädigenden Ereignisses festzustellen und diesen zu verurteilen, ihm eine Beschädigtengrundrente nach einem GdS von 50 zu gewähren. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung des Beklagten sei rechtmäßig, insbesondere seien die angeführten Gesundheitsstörungen nicht schädigungsbedingt, was der erkennende Senat im Urteil vom 17. Dezember 2015 in Bezug auf die Schilddrüse überzeugend dargelegt habe. Bereits der Gutachter Dr. M.-R. habe nach seiner Expertise von August 1993 insoweit keine gravierenden internistischen Beschwerden feststellen können, sondern lediglich eine reizlose Narbe am Hals. Die Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule seien nach dem Gutachten von Dr. Sch. von Juni 1994 schicksalhaft aufgetreten und nicht bedingt durch die Inhaftierung.

Gegen beide Entscheidungen hat der Kläger jeweils am 5. April 2017 Berufung beim LSG eingelegt, welche unter den Aktenzeichen (Az.) L 6 VH 1337/17 und L 6 VH 1338/17 geführt worden sind. Die Rechtsstreitigkeiten sind mit Beschluss vom 12. Juni 2017 unter dem Az. L 6 VH 1337/17 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Er trägt im Wesentlichen vor, das SG habe den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht aufgeklärt und deswegen nicht berücksichtigt, dass er wesentlich höhere Entschädigungsansprüche habe. Die Erkrankung der Schilddrüse mit anschließender Operation und die Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule seien von dem Beklagten anzuerkennen.

Der Kläger beantragt,

die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. März 2017 und der Bescheid vom 15. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2016 werden aufgehoben, der Bescheid vom 23. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2016 wird teilweise aufgehoben sowie der Beklagte oder Beigeladene verpflichtet, eine Schilddrüsenerkrankung, Operationsnarben an dieser Hormondrüse und Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule als Folgen der Inhaftierungen von Mitte Oktober 1948 bis Mitte Januar 1954 festzustellen und einer von diesen verurteilt, ihm deswegen eine Beschädigtengrundrente nach einem höheren Grad der Schädigungsfolgen als 40 und einen höheren Berufsschadensausgleich unter Berücksichtigung eines Grades der Schädigungsfolgen von mindestens 40 und einer Einstufung nach der Besoldungsgruppe A 11/DA 12 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufungen des Klägers zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, dieser dringe mit seinen Begehren nicht durch.

Der Kläger hat im Juli 2017 seinen Wohnsitz in das AWO Seniorenhaus in R.-Pf. verlegt, woraufhin dieses Bundesland notwendig beigeladen worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten (14 Bände, 1 Heft) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 in Verbindung mit § 105 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Halbsatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegten sowie auch im Übrigen zulässigen, insbesondere statthaften Berufungen des Klägers sind nicht begründet. Das SG hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens sind die Gerichtsbescheide des SG vom 6. März 2017, mit denen die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG; vgl. BSG, Urteile vom 15. Dezember 1999 - B 9 VS 2/98 R -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 16 und 29. April 2010 - B 9 VS 1/09 R -, SozR 4-3100 § 16b Nr. 1) und kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobenen Klagen, mit welchen der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 15. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2016 und teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 23. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2016 die Verpflichtung des Beklagten oder nunmehr Beigeladenen zu den Feststellungen einer Schilddrüsenerkrankung, von Operationsnarben an dieser Hormondrüse und von Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule als Folgen der Inhaftierungen von Mitte Oktober 1948 bis Mitte Januar 1954 sowie deren Verurteilung zur Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach einem höheren GdS als 40 und eines höheren Berufsschadensausgleiches unter Berücksichtigung eines GdS von mindestens 40 und einer Einstufung nach der Besoldungsgruppe A 11/DA 12 verfolgt hat, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist sowohl für Verpflichtungs- als auch für Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 R -, BSGE 104, 116 (124); Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34 f.), welche am 3. August 2017 stattfand.

Das LSG ist auch nach dem Wohnsitzwechsel des Klägers (§ 7 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) örtlich zuständig geblieben, was sich aus der örtlichen Zuständigkeit des SG zur Zeit der Klageerhebungen Mitte Januar 2017 (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i. V. m. § 1 SGG-Ausführungsgesetz - AGSGG) ableitet (vgl. Urteil des Senats vom 31. Juli 2006 - L 6 V 3067/06 -, juris, Rz. 7; Keller, a. a. O., § 57 Rz. 1a), als er seinen Wohnsitz noch in K. hatte.

Eine notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG war vorzunehmen, da durch den Wohnsitzwechsel des Klägers nach J. im Landkreis G. das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung L., deren Rechtsträger der Beigeladene ist, für seine Versorgungsangelegenheiten örtlich zuständig geworden ist (§ 3 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung - KOVVfG i. d. F. vom 19. Juni 2001, BGBl I S. 1064). Dieser ist daher an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Ob hierdurch ein Beteiligtenwechsel auf Beklagtenseite kraft Gesetzes eingetreten ist, lässt der Senat offen, da die Rechte aller Beteiligten durch die notwendige Beiladung hinreichend gewahrt sind (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Februar 2003 - L 7 VH 41/02 -, juris, Rz. 39). Das BSG hatte den Wechsel in Bezug auf die vorherige Fassung verneint (BSG, Urteil vom 4. Februar 1998 - B 9 V 6/96 R -, SozR 3-3100 § 89 Nr. 4), für die aktuelle indes für durchaus nachvollziehbar und rechtlich begründet erachtet, ohne allerdings endgültig hierüber entschieden zu haben (BSG, Beschluss vom 25. Oktober 2004 - B 7 SF 20/04 S -, juris, Rz. 8).

Die Berufungen sind unbegründet. Soweit der Kläger unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 23. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2016 die Verurteilung der Beklagten oder Beigeladenen erstrebt, ihm einen höheren Berufsschadensausgleich unter Berücksichtigung eines GdS von mindestens 40 und einer Einstufung nach der Besoldungsgruppe A 11/DA 12 zu gewähren, ist die Klage bereits unzulässig, da hierüber keine Verwaltungsentscheidung getroffen worden ist. Im Übrigen sind die Rechtsmittel mangels Begründetheit der Klagen unbegründet.

Die auf Gewährung eines höheren Berufsschadensausgleiches gerichtete Klage ist bereits unzulässig, da mit dem Bescheid vom 23. Juni 2016 lediglich auf der Grundlage der 22. KOV-AnpV 2016 die Höhe der Versorgungsleistungen angepasst und nicht über ein Recht auf die begehrte höhere Leistung versagt wurde. Damit liegen die Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht vor. Der Kläger ist insoweit, bezogen auf die gegen diese Verwaltungsentscheidung gerichtete Anfechtungsklage, nicht klagebefugt im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Es reicht zwar aus, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und Rechtsschutzsuchende die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstreben, von der sie behaupten, sie sei nicht rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SGB 2/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 5, Rz. 18). An der Klagebefugnis fehlt es demgegenüber, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R -, BSGE 90, 127 (130)), weil hinsichtlich des Klagebegehrens keine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorliegt (BSG, Urteil vom 21. September 2010 - B 2 U 25/09 R -, juris, Rz. 12). ). Solange der zuständige Verwaltungsträger nicht über einen Anspruch auf Bewilligung eines höheren Berufsschadensausgleiches entschieden hat, können Betroffene, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde (§ 88 SGG), welche vorliegend nicht ersichtlich ist, kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung haben. Über ein Recht auf einen (höheren) Berufsschadensausgleich aufgrund der Inhaftierungen von Mitte Oktober 1948 bis Mitte Januar 1954 ist mit dem Anpassungsbescheid vom 23. Juni 2016 nicht entschieden worden. Dies hätte der Kläger bereits aus den ihn betreffenden Entscheidungen des Senats vom 2. Oktober 2012 und 17. Dezember 2015 ableiten können. Die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage zieht die Unzulässigkeit der mit ihr insoweit kombinierten Leistungsklage nach sich.

Soweit der Kläger die Verpflichtung des Beklagten oder Beigeladenen zu den Feststellungen einer Schilddrüsenerkrankung, Operationsnarben an dieser Hormondrüse und Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule als Folgen der Inhaftierungen von Mitte Oktober 1948 bis Mitte Januar 1954 verfolgt, ist die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Er hat hierauf keinen Anspruch. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind daher insoweit rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Die Klage ist insoweit zwar zulässig, insbesondere liegen mit der Klagebefugnis die Sachentscheidungsvoraussetzungen vor. Nach Auslegung des Bescheides vom 15. August 2016 hat das Landratsamt K. festgestellt, dass eine Schilddrüsenerkrankung, Operationsnarben an dieser Hormondrüse und Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule nicht Folgen der Inhaftierungen sind. Dabei ist Maßstab hierfür der Empfängerhorizont verständiger Beteiligter, die die Zusammenhänge berücksichtigen, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2008 - B 5a/5 R 20/06 R -, BSGE 100, 1, (2) m. w. N.; Urteil des Senats vom 30. Juli 2015 - L 6 U 3058/14 -, juris, Rz. 53). Gemessen daran hat die Ausgangsbehörde diese negative Feststellung getroffen, indem sie zwar tenorierte, dass kein Anspruch auf Neufeststellung des Versorgungsanspruches besteht. Sie hat indes nach der Darlegung, der Kläger habe zum wiederholten Mal äußere und innere Narben nach einer Operation der Schilddrüse sowie an der Hals- und Lendenwirbelsäule geltend gemacht, bekundet, dass es auch in Bezug auf die anerkannten Schädigungsfolgen bei den bisherigen Feststellungen verbleibt. Verständige Beteiligte durften diese behördliche Erklärung dahingehend verstehen, dass eine Schilddrüsenerkrankung, Operationsnarben an dieser Hormondrüse und Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule nicht Folgen der Gewahrsame sind, zumal dies zwischen dem Kläger und dem Beklagten zuvor mehrfach im Streit stand.

Die Klage ist indes unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf die jeweilige behördliche Feststellung der begehrten Gesundheitsstörungen als Folgen der Inhaftierungen von Mitte Oktober 1948 bis Mitte Januar 1954 hat.

Anspruchsgrundlage für einen solchen Feststellungsanspruch und Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des feststellenden Verwaltungsaktes für die Versorgungsbehörde ist § 4 Abs. 1 HHG, wonach gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 HHG Berechtigte, die infolge des Gewahrsams eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (BVG) erhalten, soweit ihnen nicht wegen desselben schädigenden Ereignisses ein Anspruch auf Versorgung unmittelbar aufgrund des BVG zusteht. Ermächtigung und Anspruchsgrundlage erfassen hierbei nicht nur die abschließende Entscheidung über den Versorgungsanspruch, sondern ausnahmsweise auch die einzelner Anspruchselemente (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 (277 ff.) zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung), vorliegend die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung Folge eines schädigenden Ereignisses ist (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 Var. 3 SGG).

Der Anwendungsbereich des HHG ist eröffnet, da die Stadt K: dem Kläger im März 1956 bescheinigte, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 HHG vorliegen, also er insbesondere nach dem 8. Mai 1945 in der sowjetischen Besatzungszone aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihm nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen wurde, und Ausschließungsgründe nach § 2 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 HHG nicht gegeben sind (§ 10 Abs. 4 Satz 1 HHG). Eine Anwendungskonkurrenz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG; vgl. Urteil des Senats vom 26. Februar 2015 - L 6 VU 4119/14 -, juris, Rz. 32) besteht schon deshalb nicht, da der Kläger die Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 Satz 1 HHG bereits vor Inkrafttreten des StrRehaG am 4. November 1992 (BGBl I S. 1814) beantragte und erhielt (vgl. Urteil des Senats vom 23. Juni 2016 - L 6 VH 4633/14 -, juris, Rz. 53).

Die Anspruchsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 HHG liegen nicht vor. Hierdurch ist für die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreigliedrige Kausalkette vorgegeben: Ein mit dem Gewahrsam zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung geführt haben, die wiederum die geltend gemachte Schädigungsfolge bedingt haben muss. Dabei müssen sich die drei Glieder selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen, während für den ursächlichen Zusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 3/13 R -, SozR 4-3200 § 81 Nr. 6, Rz. 14 m. w. N.). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, SozR 4-7945 § 3 Nr. 1, Rz. 17). Ein Gesundheitsschaden muss darüber hinaus nicht nur sicher feststehen. Er muss auch durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM-IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 - L 6 VS 2234/15 -, juris, Rz. 33 m. w. N.).

Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben besteht über die bereits anerkannten Gesundheitsstörungen als Folgen der Inhaftierungen hinaus kein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer weiteren Schilddrüsenerkrankung, weiteren Operationsnarben an dieser Hormondrüse und Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule einerseits sowie dem schädigenden Ereignis andererseits. Insoweit stützt sich der Senat auf die Begründung des SG in der angefochtenen Entscheidung im Verfahren S 13 VH 138/17, denen es sich nach eigener Überzeugungsbildung anschließt, und sieht von einer Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Hierzu hat der Kläger im Berufungsverfahren nichts Substanzielles vorgetragen.

Die ob einer behaupteten Verschlimmerung des Gesundheitszustandes auf Bewilligung einer Beschädigtengrundrente nach einem höheren GdS als 40 gerichtete Klage ist ebenfalls unbegründet, der Kläger insoweit also auch nicht in seinen Rechten verletzt.

Grundlage für diesen Klageanspruch ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des GdS um wenigstens 10 folgt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12 zum Grad der Behinderung). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des (teilweise) aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).

Bei dem den im Verfahren S 6 V 1130/92 beim SG geschlossenen Vergleich ausführenden Bescheid vom 25. September 1995 über die Feststellung des GdS mit 40 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.), welcher Vergleichsmaßstab ist (Urteil des Senats vom 20. Oktober 2016 - L 6 U 34/16 -, juris, Rz. 46; vgl. auch Steinwedel, in jurisPR-SozR 5/2017, Anm. 3). Demgegenüber wurde mit dem Bescheid vom 5. November 2007 dieser Regelungsinhalt nur aufgegriffen, ohne eine erneute Rechtsfolge setzen zu wollen. In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidung von September 1995 vorlagen, ist indes keine wesentliche Änderung eingetreten. Die gewahrsamsbedingten Gesundheitsstörungen sind weiterhin mit Funktionseinschränkungen verbunden, welche mit einem GdS von 40 ausreichend bewertet sind.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach § 4 Abs. 1 HHG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, unter anderem auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG. Die Höhe dieser Rente richtet sich ausschließlich nach dem GdS, welcher im Falle des Klägers weiterhin mit einem solchen von 40 ausreichend bewertet ist, was der Senat unter Berücksichtigung der Anlage zu § 2 VersMedV aus den überzeugenden Ausführungen des Versorgungsarztes Dr. B. in seiner Stellungnahme von Juli 2016 ableitet (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2016 - B 9 SB 1/15 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 22, Rz. 22). Die anerkannten Schädigungsfolgen haben sich danach nicht maßgeblich verschlechtert. Eine weitere Schilddrüsenerkrankung, weitere Operationsnarben an dieser Hormondrüse und Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sind, wie bereits dargelegt, nicht auf die Inhaftierungen zurückzuführen. Insbesondere die normale Operation, wie sie beim Kläger nach einem haftbedingt aufgetretenem Kropf, also einer tastbaren Vergrößerung der Schilddrüse, durchgeführt wurde, hat auch keine innenliegenden Eingriffsnarben zur Folge. Diese treten bei Fistelungen und Entfernungen der Halsweichteile auf, also bei Folgestörungen, von denen bei ihm nichts bekannt ist. Ohnehin hat bereits der Gutachter Dr. M.-R. nach seiner Expertise von August 1993 keine gravierenden internistischen Beschwerden feststellen können, sondern lediglich eine reizlose Narbe am Hals. Die Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule sind nach dem orthopädischen Gutachten von Dr. Sch. von Juni 1994 schicksalhaft eingetretene Veränderungen.

Nach alledem waren die Berufungen des Klägers zurückzuweisen.

Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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