L 4 KR 1796/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 20/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1796/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. April 2017 wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von EUR 278,44 zuzüglich Zinsen "seit Sept 2016"; vorrangig ist die Statthaftigkeit der Berufung zu klären.

Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Im August 2016 reichte sie einen Heil- und Kostenplan des Dr. K. für die Versorgung mit Zahnersatz vom 15. Juli 2016 ein. Die geschätzten Behandlungskosten betrugen EUR 928,89. Hieran beteiligte die Beklagte sich mit einem Festzuschuss in Höhe von EUR 334,13.

Unter dem 18. September 2016 beantragte die Klägerin die "Befreiung von Zahnersatz-Zuzahlungen nach § 55 Abs. 2 (Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) SGB V". Mit Bescheid vom 11. Oktober 2016 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die monatlichen Bruttoeinnahmen, bei denen auch das monatliche Einkommen des Ehemanns der Klägerin zu berücksichtigen sei, überstiegen die maßgebliche Härtegrenze. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2016 zurück.

Am 2. Januar 2017 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) und verfolgte ihr Begehren weiter. Zudem habe die Beklagte fälschlicherweise die Erhöhung des Festzuschusses um 20 Prozent wegen ihrer eigenen Bemühungen zur Grunderhaltung der Zähne nicht berücksichtigt.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 18. April 2017 wies das SG die Klage ab. Die Klage sei unbegründet. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 SGB V für eine Verdopplung des Festkostenzuschusses seien wegen der Einnahmen der Klägerin und der ihres Ehemannes nicht erfüllt, die maßgebliche Grenze von EUR 1.597,75 überschritten. Über die Frage, ob der Klägerin ein weiterer Bonus in Höhe von 20 Prozent nach § 55 Abs. 1 Satz 3 SGB V zustehe, habe keine Entscheidung getroffen werden müssen. Die Beklagte habe hierüber im angefochtenen Bescheid keine Regelung getroffen. Insoweit mangele es an einem erforderlichen Vorverfahren. In der Rechtsmittelbelehrung nannte der Gerichtsbescheid das Rechtsmittel der Berufung.

Gegen den ihr am 19. April 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4. Mai 2017 unter sinngemäßer Wiederholung ihres bisherigen Vortrags beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und die Beklagte zur Zahlung von EUR 278,44 "plus Zinsen seit Sept 2016" aufgefordert. Ihr gehe es um den "Bonus", der ihr laut "Vertrag, Satzung oder wie auch immer" zustehe.

Die Klägerin beantragt (teilweise sachgerecht gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. April 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2016 zur Zahlung von EUR 278,44 "plus Zinsen seit Sept 2016" zu "verurteilen".

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren Vortrag vor dem SG.

Mit Schreiben vom 13. Juni 2017 hat der Senat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Berufung nicht zulässig sei. Denn die Berufung habe der Zulassung bedurft, da mit dem alleine geltend gemachten Betrag von EUR 278,44 der für eine statthafte Berufung erforderliche Beschwerdewert von EUR 750,00 nicht überschritten sei. Die geltend gemachten Zinsen seien bei der Berechnung des Beschwerdewerts nicht zu berücksichtigen. Auch betreffe die Berufung nicht Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr, weil es der Sache nach um die (einmalige) Zahlung eines höheren Festzuschusses wegen der im Jahr 2016 erfolgten Versorgung mit Zahnersatz gehe. Das SG habe die Berufung nicht zugelassen. Der Umstand, dass es eine Rechtsmittelbelehrung erteilt habe, wonach der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne, stelle nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) keine Zulassung der Berufung dar. Statthaftes Rechtsmittel sei zum einen die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung. Beim Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung sei aber zuerst zu prüfen, ob überhaupt Gründe für eine Zulassung der Berufung vorlägen, was nicht erkennbar sei. Eine Entscheidung in der Sache, also ob der mit der Berufung geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von EUR 278,44 zuzüglich Zinsen bestehe, erfolge zunächst nicht. Statthafter Rechtsbehelf sei zum anderen der Antrag auf mündliche Verhandlung beim Sozialgericht. Werde ein solcher Antrag gestellt, müsse das SG eine mündliche Verhandlung anberaumen und (erneut) in der Sache entscheiden. Da das SG eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung erteilt habe, könnten die zuvor genannten Rechtsmittel noch fristgerecht erhoben werden.

Die Klägerin hat anschließend erklärt, sie nehme die Berufung nicht zurück. Sie überlasse es dem Gericht, ob mit oder ohne mündliche Verhandlung entschieden werde. Sie hat sich nach Ankündigung des Senats, er beabsichtige, den Rechtsstreit im 2. Halbjahr 2017 ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, nicht mehr geäußert.

Die Beklagte hat sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unzulässig und daher gemäß § 158 Satz 1 SGG zu verwerfen.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung, bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil bzw. - wenn wie vorliegend das SG durch Gerichtsbescheid entschied - in dem Gerichtsbescheid (§ 105 Abs. 2 Satz 1 SGG) des SGs, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach den für die Bestimmung des Beschwerdewertes maßgeblichen Ausführungen in der Berufungsschrift verlangt die Klägerin die Zahlung von EUR 278,44 zuzüglich Zinsen. Mit dem Betrag von EUR 278,44 ist der für eine statthafte Berufung erforderliche Beschwerdewert von EUR 750,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) nicht überschritten. Die geltend gemachten Zinsen sind bei der Berechnung des Beschwerdewerts nicht zu berücksichtigen. Auch betrifft die Berufung nicht Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), weil es der Sache nach um die (einmalige) Zahlung eines höheren Festzuschusses wegen der im Jahr 2016 erfolgten Versorgung mit Zahnersatz geht.

Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen. Eine solche Zulassung ist weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides vom 18. April 2017 erfolgt. Die beigefügte (und unzutreffende) Rechtsmittelbelehrung, nach der der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könnte, stellt keine Berufungszulassung dar (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 – B 9 SB 45/11 B – in juris, Rn. 12).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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