L 5 KR 2666/17 WA

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2666/17 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 5 KR 1246/17) wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens - L 5 KR 1246/17 -.

Der Kläger ist seit Jahren bei der Beklagten krankenversichert, ab dem 01.04.2009 als freiwillig versichertes Mitglied, ab dem 20.04.2010 als versicherungspflichtiges Mitglied zunächst wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld, ab 20.05.2011 in der Auffangversicherung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und ab dem 28.04.2015 wiederum wegen des Bezugs von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Wegen nicht gezahlter Beiträge verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 17.12.2013 das Ruhen der Leistungsansprüche des Klägers in der Krankenversicherung ab dem 24.12.2013. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 19.06.2014), Klage (Urteil des Sozialgerichts Stuttgart [SG] vom 23.07.2015 - S 19 KR 2276/14 -) und Berufung (Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg [LSG] vom 29.04.2016 - L 4 KR 3861/15 -) des Klägers blieben erfolglos.

Erstmals am 27.08.2014 erhob der Kläger mit dem Begehren, ihm eine elektronische Versichertenkarte auszustellen, Klage zum SG (- S 19 KR 4673/14 -), die mit Urteil vom 23.07.2015 abgewiesen wurde. Die hiergegen eingelegte Berufung wies das LSG mit Beschluss vom 11.05.2016 (- L 4 KR 3864/15 -) zurück. Mit dem gleichen Begehren erhob der Kläger bereits am 14.03.2016 erneut Klage zum SG (- S 19 KR 1458/16 -), die mit Gerichtsbescheid vom 26.04.2016 abgewiesen wurde. Die hiergegen eingelegte Berufung wies das LSG mit Urteil vom 05.08.2016 (- L 4 KR 2076/16 -) zurück.

Am 25.05. und am 22.12.2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten abermals, ihm eine Versichertenkarte nach § 291 SGB V auszustellen. Am 20.01.2017 erhob der Kläger "Leistungsklage" zum SG, zu deren Begründung er vorbrachte, er sei versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und habe Anspruch auf Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte. Die Beklagte ignoriere seinen Anspruch und verstoße hierdurch gegen die guten Sitten und gegen die Grundrechte. Die Nichtausstellung einer Gesundheitskarte verfolge nur den Zweck, ihm Schaden zuzufügen. Seine Persönlichkeitsrechte seien hierdurch verletzt, er werde diskriminiert und in seinen privaten und beruflichen Plänen eingeschränkt.

Mit Gerichtsbescheid vom 09.03.2017 wies das SG die Klage unter Verweis auf die zuvor ergangenen Entscheidung ab. Im Rahmen des hiergegen vom Kläger angestrengten Berufungsverfahrens (- L 5 KR 1246/17 -) wurde durch die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger seit dem 01.04.2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch beziehe und sie, die Beklagte, daraufhin mit Bescheid vom 30.05.2017 das Ruhen der Leistungsansprüche nach § 16 Abs. 3a SGB V ab dem 01.04.2017 aufgehoben und dem Kläger mitgeteilt habe, dass er alle Leistungen wieder uneingeschränkt nutzen könne. Ferner habe sie dem Kläger mitgeteilt, dass er eine elektronische Gesundheitskarte erhalte. In der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2017 hat der Kläger mitgeteilt, die elektronische Gesundheitskarte erhalten zu haben. Mit Urteil vom 21.06.2017 wies der Senat die Berufung des Klägers zurück. Zur Begründung seiner Entscheidung führte er aus, die Beklagte habe dem Begehren des Klägers, ihm eine elektronische Gesundheitskarte zu übersenden, zwischenzeitlich entsprochen, wodurch das ursprünglich bestehende Rechtsschutzbedürfnisses entfallen sei; er bedürfe der Inanspruchnahme eines staatlichen Gerichts nicht (mehr).

Am 03.07.2017 hat der Kläger betr. des "nichtigen Scheinurteils vom 21.06.2017" neben einer Dienstaufsichtsbeschwerde und einer Verzögerungsrüge auch eine "Nichtigkeitsklage" erhoben. Letztere hat er damit begründet, dass die am Urteil vom 21.06.2017 beteiligten Richter am Landessozialgericht W. und Dr. D. kraft Gesetz ausgeschlossen und daher prozessunfähig seien, wodurch sie gesetzliche Vorschriften in schwerwiegender Weise verletzt hätten. Das Urteil vom 21.06.2017 sei daher nichtig. In der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2017 hat der Kläger die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht G.-B. und die Richter am Landessozialgericht Dr. D. und W. wegen Befangenheit abgelehnt. Die Richter hätten, so der Kläger, seine Anträge ignoriert und das Gesetz gebrochen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des erkennenden Senats vom 21.06.2017 aufzuheben und das Verfahren - L 5 KR 1246/17 wiederaufzunehmen, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.03.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unverzüglich eine elektronische Gesundheitskarte auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens L 5 KR 1246/17 - abzulehnen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Prozessakten des Verfahrens - L 5 KR 2666/17 WA -, beider Rechtszüge des Verfahrens - L 5 KR 1246717 sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2017 geworden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens in der Gestalt der Nichtigkeitsklage ist unzulässig und daher zu verwerfen.

Der Senat ist durch das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht G.-B. und die Richter am Landessozialgericht Dr. D. und W. vom 27.09.2017 nicht an einer Entscheidung in der vom Geschäftsverteilungsplan bestimmten Besetzung gehindert, da das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig ist. Der Kläger hat zur Begründung seines Gesuchs angeführt, die Richter hätten seine Anträge ignoriert und das Gesetz gebrochen. Indes vermögen allein vermeintlich fehlerhafte Prozesshandlungen der für befangen erachteten Richter die Annahme der Befangenheit nicht zu begründen, soweit, wie vorliegend, keine konkrete Ansatzpunkte für Zweifel an der Unparteilichkeit der Richters vorgetragen sind. Da das Gesuch ein Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens nicht erfordert, ist es als unzulässig zu qualifizieren (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 27.10.2009 - B 1 KR 51/09 B -, in juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 11. Aufl., 2017 § 60, Rn. 10c). Vor dem Hintergrund des offenbaren Missbrauchs des Ablehnungsrechts durch den Kläger und dem Fehlen einer ansatzweise sachlichen Begründung erfordert das Gesuch auch keine gesondert begründete Vorabentscheidung (vgl. BSG, Beschluss vom 29.03.2007 - B 9a SB 18/06 B - veröffentlicht in juris). Der Kläger wurde im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2017 noch während der mündlichen Verhandlung in Kenntnis gesetzt.

Nach § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann ein durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenes Verfahren entsprechend der Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) wieder aufgenommen werden. Die Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO ist hierbei bei schwersten Verstößen gegen das Prozessrecht zulässig. Die abschließenden Nichtigkeitsgründe des § 579 Abs. 1 ZPO erfassen Fälle, in denen das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Nr. 1), ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist (Nr. 2), bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war (Nr. 3) und eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat (Nr. 4).

Das Wiederaufnahmeverfahren ist hierbei in drei Abschnitte unterteilt, namentlich die Zulässigkeitsprüfung des Antrages (vgl. § 589 Abs. 1 ZPO), die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrages und sodann die Verhandlung und Entscheidung im ersetzenden Verfahren (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12.Aufl., 2017, § 179, Rn. 9). Die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages erfordert hierbei u.a., dass ein Nichtigkeitsgrund schlüssig behauptet wird (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RV 2/96 -, in juris). Bereits hieran fehlt es vorliegend. Der Kläger führt zur Begründung seines Wiederaufnahmeantrages einzig aus, die Richter am Landessozialgericht W. und Dr. D. seien prozessunfähig bzw. kraft Gesetzes ausgeschlossen gewesen. Hierzu enthält § 41 ZPO, der nach § 60 Abs. 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren heranzuziehen ist, einen Katalog von Fällen, in denen Richter von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen sind. Dort sind u.a. Fälle erfasst, in denen der Richter selbst Partei ist, im Verhältnis eines Mitberechtigten zu einer Partei steht, in Sachen des Ehepartners, des Lebenspartners oder eines Verwandten in gerader Linie zu entscheiden ist oder in denen er bereits anderweitig (als Prozessbevollmächtigter, Zeuge, Sachverständiger) beteiligt ist. Da der klägerische Vortrag bereits nicht erkennen lässt, welche der dortigen Konstellationen der Kläger als einschlägig erachtet, ist ein Wiederaufnahmegrund nicht schlüssig dargelegt. Soweit der Kläger - sinngemäß - vorbringt, die beteiligten Berufsrichter hätten sich im Verlauf des Verfahrens strafbar gemacht, weswegen sie von ihm als befangen abgelehnt worden seien, ist im Übrigen bereits nicht vorgetragen, dass einem Ablehnungsgesuche stattgegeben worden ist. Dies ist jedoch Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Ein bloßer (wiederholter) Befangenheitsantrag ist nicht geeignet, ein Wiederaufnahmeverfahren zu eröffnen.

Mithin ist ein Wideraufnahmegrund nicht schlüssig behauptet, weswegen die Wideraufnahmeklage als unzulässig zu verwerfen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass gleichartige Eingaben des Klägers in dieser Rechtssache künftig nicht mehr bearbeitet werden (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.04.2012 - B 11 AL 19/12 C -).
Rechtskraft
Aus
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