Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 198/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2998/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Urteil eines deutschen Gerichts, mit dem die Ehe zweier türkischer Staatsangehöriger - nach türkischem Recht - rechtskräftig geschieden worden ist, steht der Gewährung einer Witwen- bzw. Witwerrente nach § 46 SGB VI auch dann entgegen, wenn das nach türkischem Recht erforderliche Anerkennungsverfahren nicht durchgeführt worden ist, wenn der Inlandsbezug der Witwen- bzw- Witwerrente den Auslandsbezug überwiegt (Anschluss an BSG, Urteil vom 13.01.1999 - B 13 RJ 17/98 R -).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29.07.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin eine Witwenrente zu gewähren ist.
Die 1971 geborene Klägerin, die zwei in den Jahren 1991 und 1997 geborene Kinder hat, ist t. Staatsangehörige. Am 31.03.1989 heiratete sie den gleichfalls türkischen Staatsangehörigen Y. T. (Versicherter). Mit Urteil des Amtsgerichts H. vom 25.04.2006 (- F 5 /03 -) wurde die Ehe der Klägerin und des Versicherten unter Anwendung t. Rechts rechtskräftig geschieden. Am 25.12.2013 verstarb der Versicherte. Die Klägerin bezieht deswegen auf einen Antrag vom 20.03.2014 hin von der Beklagten seit dem 01.01.2014 eine Erziehungsrente nach § 47 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Am 30.06.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente.
Mit Bescheid vom 02.09.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, da die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten nicht mit diesem verheiratet gewesen sei, bestehe kein Anspruch auf Witwenrente. Ferner beziehe die Klägerin eine Erziehungsrente aus eigener Versicherung aufgrund des Todes des geschiedenen Ehegatten.
Hiergegen erhob die Klägerin am 10.09.2014 Widerspruch. Zu dessen Begründung brachte sie vor, dass die Ehe der Klägerin zwar in Deutschland geschieden worden sei, nach internationalem Recht müsse jedoch für die Rechtswirksamkeit der Scheidung in der T. ein Anerkennungsverfahren durchgeführt werden, welches vorliegend nicht durchgeführt worden sei, so dass ein Anspruch auf Witwenrente bestehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, Voraussetzung für den Bezug einer Witwenrente sei, dass im Zeitpunkt des Todes des Versicherten eine rechtsgültige Ehe bestanden habe. Aus dem Scheidungsurteil vom 25.04.2006 gehe jedoch hervor, dass die Klägerin am 25.04.2006 nach t. Recht rechtskräftig geschieden worden sei. Das Scheidungsurteil sei für sie, die Beklagte, verbindlich. Dass in der T. kein Anerkennungsverfahren durchgeführt worden sei, sei rechtlich ohne Bedeutung.
Hiergegen erhob die Klägerin am 20.01.2015 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Hierzu brachte sie vor, nach internationalem Recht sei eine Ehe nur dann geschieden, wenn die Scheidung im Heimatland der Ehegatten anerkannt worden sei. Jedoch hätten weder die Klägerin noch der verstorbene Versicherte ein solches Anerkenntnisverfahren in der T. durchführen lassen. Nach t. Recht könne ein solches nach 10 Jahren auch nicht mehr durchgeführt werden, sodass ein ausländisches Scheidungsurteil seine Gültigkeit verliere. Dies hätte weitreichende Konsequenzen, so hätte die Klägerin noch als Ehefrau Ansprüche geltend machen können. Hätte die Klägerin erneut heiraten wollen, wäre in Deutschland der Einwand erhoben worden, dass sie noch nicht als geschieden gelte.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und betonte, dass die Ehe der Klägerin am 25.04.2006 nach t. Recht geschieden worden sei. Das Scheidungsurteil sei für sie verbindlich.
Mit Urteil vom 29.07.2016 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Witwenrente zu, da sie vor dem Tod des Versicherten von diesem bereits rechtskräftig geschieden worden sei. Zwar seien die deutschen (Familien-)Gerichte für Ehesachen zuständig, wenn beide Ehegatten, wie vorliegend, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt haben, die Scheidung folge jedoch nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) dem Recht, das zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend gewesen sei. Selbige unterlägen nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehörten, vorliegend dem t. Recht. Folglich richte sich die Scheidung nach t. Recht. Ob das Urteil eines deutschen Gerichtes, durch das die Ehe zweier ausländischer Staatsangehöriger nach dem Recht deren Heimatstaates geschieden werde, in Deutschland Gestaltungswirkung entfalte, solange noch eine nach dem betreffenden Heimatrecht erforderliche Anerkennung durch eine Stelle des Staates fehle, sei anhand einer Abwägung zu beurteilen. Maßgeblich sei hierbei, ob eine Rechtsangelegenheit einen so starken Auslandsbezug aufweise, dass es nicht mehr vertretbar erscheine, bei der Heranziehung eines deutschen Scheidungsurteils das Fehlen eines ausländischen Wirksamkeitserfordernisses unberücksichtigt zu lassen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber durch die Inanspruchnahme einer internationalen Zuständigkeit in Ehesachen zum Ausdruck gebracht habe, dass er ausländischen Ehegatten mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland eine effektive Möglichkeit der Scheidung eröffnen wolle. Auch habe die Witwenrente im Wesentlichen eine Unterhaltsersatzfunktion, ihr komme mithin eine existentielle Bedeutung für den überlebenden Partner zu. Schließlich sprächen auch Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes für einen starken Inlandsbezug, sodass im vorliegenden Rechtsstreit für die Annahme, dass eine wirksame Scheidung vorliege, auf die Durchführung eines Anerkenntnisverfahrens nach t. Recht verzichtet werden könne. Das rechtskräftige Scheidungsurteil stehe hiernach einem Anspruch auf Witwenrente entgegen.
Gegen das am 08.08.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.08.2016 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, das SG habe verkannt, dass selbst der Bundesgerichtshof, soweit es um die Prüfung von nach ausländischem Recht zu beurteilenden Ehehindernissen gehe, auf die Anerkennung des Scheidungsurteils nach dem betreffenden ausländischen Recht abstelle. Demnach sei ein deutsches Scheidungsurteil nach t. Recht erst dann anerkannt, wenn es in einem gerichtlichen Anerkenntnisverfahren durch ein türkisches Familiengericht rechtskräftig festgestellt worden sei. Der Umstand, dass der Witwenrente nach deutschem Recht eine Unterhaltsersatzfunktion zukomme, werde dadurch entkräftet, dass, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Anerkenntnisverfahrens, nach t. Recht ein Unterhaltsanspruch trotz Rechtskraft eines deutschen Scheidungsurteils bestehe. Einer solchen Möglichkeit sei sie durch den Tod ihres Ehegatten beraubt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29.07.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.01.2014 eine Witwenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verweist die Beklagte auf ihren erstinstanzlichen Vortrag sowie die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Mit Schriftsatz vom 20.02.2017 hat die Klägerin, mit solchem vom 22.02.2017 die Beklagte das Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführte Leistungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, führt jedoch für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente.
Nach § 46 Abs. 1 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht für längstens 24 Kalendermonate nach dem Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Nach § 46 Abs. 2 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen (Nr. 1), das 47. Lebensjahr vollendet haben (Nr. 2) oder erwerbsgemindert sind (Nr. 3).
(Grund-)Voraussetzung für den Bezug der Witwenrente ist, dass die Klägerin Witwe des verstorbenen Versicherten ist. Witwe oder Witwer ist grundsätzlich, wer mit dem versicherten Ehegatten bei dessen Tod verheiratet gewesen ist. Dies setzt den Bestand einer wirksam geschlossenen Ehe voraus, die beim Tod des versicherten Ehegatten noch Bestand gehabt hat (Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, Stand: Sept. 2015, § 46 SGB VI, Rn. 11). Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden worden ist. Da das Sozialversicherungsrecht keinen eigenständigen Ehebegriff kennt, ist hierbei grundsätzlich an die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen anzuknüpfen. Nach § 1564 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] kann eine Ehe nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag eines oder beider Ehegatten geschieden werden. Die Ehe ist nach § 1564 Satz 2 BGB mit der Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft eines Scheidungsurteils ist der überlebende Ehegatte demzufolge Witwe bzw. Witwer i.S.d. § 46 SGB VI.
Dies wird bei einer Scheidung zweier ausländischer Staatsangehöriger durch die Regelungen des deutschen internationalen Privatrechts überlagert. Eine Scheidung unterlag nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in der bis zum 28.01.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 03.04.2009 (BGBl. I 700) hierbei dem Recht, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend war. Diese unterliegen gem. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören bzw. während der Ehe zuletzt angehörten. Die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 (Rom III-VO) und des dortigen Art. 8, nach dem das Scheidungsrecht grundsätzlich dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts unterworfen ist, ist vorliegend nicht anzuwenden, da die Verordnung erst zum 21.06.2012, d. h. nach der rechtskräftigen Scheidung der Klägerin, in Kraft getreten ist. Mithin verbleibt es vorliegend bei den bisherigen Kollisionsregelungen des EGBGB. Nach selbigem ist für die Scheidung der Klägerin, wie vom SG zutreffend angenommen und vom Amtsgericht H. seinem Urteil vom 25.04.2006 zu Grunde gelegt, t. Recht anzuwenden. Ein hierzu ergangenes rechtskräftiges deutsches Scheidungsurteil entfaltet in der T. bzw. dem t. Rechtsraum jedoch keine unmittelbaren rechtlichen Wirkungen. Es kann gleichwohl als zwingendes Beweismittel in das türkische Verfahren eingeführt werden und so Beachtung finden. Die Prüfung und Entscheidung eines Ersuchens auf Anerkennung eines ausländischen, also etwa eines deutschen Scheidungsurteils, unterliegt dem Verfahren über die Vollstreckbarerklärung, wonach der andere Ehegatte als Beklagter zu benennen und der Anerkennungsantrag diesem zusammen in der Angabe des Verhandlungstermins zuzustellen und am Tag der Verhandlung im einfachen Verfahren zu prüfen und eine Entscheidung zu fällen ist. Mithin bedarf ein deutsches Scheidungsurteil in der T. der Anerkennung durch ein t. Gericht. Inwieweit das Urteil eines deutschen Familiengerichts, durch das die Ehe zweier t. Staatsangehöriger nach dem t. Recht geschieden wird, in Deutschland trotz dieses Anerkennungserfordernisses Gestaltungswirkung entfaltet, beurteilt sich nach Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13.01.1999, - B 13 RJ 17/98 R -, in juris) anhand einer differenzierenden Betrachtungsweise. Dem liegt zu Grunde, dass der deutsche Gesetzgeber einerseits durch die Inanspruchnahme einer internationalen Zuständigkeit in Ehesachen zum Ausdruck gebracht hat, dass er ausländischen Ehegatten mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland eine effektive Möglichkeit der Scheidung eröffnen wollte, andererseits jedoch eine Rechtsangelegenheit einen so starken Auslandsbezug haben kann, dass es nicht mehr vertretbar ist, bei der Heranziehung eines deutschen Scheidungsurteils das Fehlen eines ausländischen Wirksamkeitserfordernisses unberücksichtigt zu lassen. Hieraus folgert das BSG, dass zwischen den gegenständlichen Prinzipien eines äußeren und inneren Entscheidungseinklangs abzuwägen ist.
Diese Abwägung führt vorliegend dazu, dass der Inlandsbezug des streitigen Sachverhalts überwiegt. So kommt der Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Wesentlichen eine Unterhaltsersatzfunktion zu. Diese rechtfertigt es, die begehrte Leistung, die vorliegend bei einem unverändert bestehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hier zur Bestreitung des Lebensunterhalts herangezogen werden soll, dem deutschen Recht zu unterwerfen. Soweit dem entgegengebracht wird, dass, ohne eine Anerkennung des deutschen Scheidungsurteils, möglicherweise Unterhaltsansprüche o. ä. nach t. Recht bestanden haben könnten, bedingt dies keine abweichende Beurteilung, da jedenfalls zu Lebzeiten keine entsprechenden Anträge gestellt worden sind und nach dem Ableben des Versicherten auch nicht mehr gestellt werden können. In Ansehung dessen, dass es bei der Witwenrente um die Versorgung des überlebenden Partners, also um eine Frage von existenzieller Bedeutung geht, ist den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes überdies ein besonderes Gewicht beizumessen. Da andererseits klägerseits keine konkreten Tatsachen betreffend eines überwiegenden Auslandsbezuges vorgebracht worden sind, überwiegt auch zur Überzeugung des Senats der Bezug der Rechtsangelegenheit zum hiesigen Rechtsraum, sodass bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Scheidung vom 25.04.2006 die fehlende Anerkennung durch ein türkisches Gericht nicht ins Gewicht fällt. In Ansehung der rechtskräftigen Scheidung der Klägerin ist diese daher nicht Witwe des Versicherten.
Die Klägerin hat mithin keinen Anspruch auf Witwenrente nach § 46 SGB VI. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 02.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin eine Witwenrente zu gewähren ist.
Die 1971 geborene Klägerin, die zwei in den Jahren 1991 und 1997 geborene Kinder hat, ist t. Staatsangehörige. Am 31.03.1989 heiratete sie den gleichfalls türkischen Staatsangehörigen Y. T. (Versicherter). Mit Urteil des Amtsgerichts H. vom 25.04.2006 (- F 5 /03 -) wurde die Ehe der Klägerin und des Versicherten unter Anwendung t. Rechts rechtskräftig geschieden. Am 25.12.2013 verstarb der Versicherte. Die Klägerin bezieht deswegen auf einen Antrag vom 20.03.2014 hin von der Beklagten seit dem 01.01.2014 eine Erziehungsrente nach § 47 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Am 30.06.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente.
Mit Bescheid vom 02.09.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, da die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten nicht mit diesem verheiratet gewesen sei, bestehe kein Anspruch auf Witwenrente. Ferner beziehe die Klägerin eine Erziehungsrente aus eigener Versicherung aufgrund des Todes des geschiedenen Ehegatten.
Hiergegen erhob die Klägerin am 10.09.2014 Widerspruch. Zu dessen Begründung brachte sie vor, dass die Ehe der Klägerin zwar in Deutschland geschieden worden sei, nach internationalem Recht müsse jedoch für die Rechtswirksamkeit der Scheidung in der T. ein Anerkennungsverfahren durchgeführt werden, welches vorliegend nicht durchgeführt worden sei, so dass ein Anspruch auf Witwenrente bestehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, Voraussetzung für den Bezug einer Witwenrente sei, dass im Zeitpunkt des Todes des Versicherten eine rechtsgültige Ehe bestanden habe. Aus dem Scheidungsurteil vom 25.04.2006 gehe jedoch hervor, dass die Klägerin am 25.04.2006 nach t. Recht rechtskräftig geschieden worden sei. Das Scheidungsurteil sei für sie, die Beklagte, verbindlich. Dass in der T. kein Anerkennungsverfahren durchgeführt worden sei, sei rechtlich ohne Bedeutung.
Hiergegen erhob die Klägerin am 20.01.2015 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Hierzu brachte sie vor, nach internationalem Recht sei eine Ehe nur dann geschieden, wenn die Scheidung im Heimatland der Ehegatten anerkannt worden sei. Jedoch hätten weder die Klägerin noch der verstorbene Versicherte ein solches Anerkenntnisverfahren in der T. durchführen lassen. Nach t. Recht könne ein solches nach 10 Jahren auch nicht mehr durchgeführt werden, sodass ein ausländisches Scheidungsurteil seine Gültigkeit verliere. Dies hätte weitreichende Konsequenzen, so hätte die Klägerin noch als Ehefrau Ansprüche geltend machen können. Hätte die Klägerin erneut heiraten wollen, wäre in Deutschland der Einwand erhoben worden, dass sie noch nicht als geschieden gelte.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und betonte, dass die Ehe der Klägerin am 25.04.2006 nach t. Recht geschieden worden sei. Das Scheidungsurteil sei für sie verbindlich.
Mit Urteil vom 29.07.2016 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Witwenrente zu, da sie vor dem Tod des Versicherten von diesem bereits rechtskräftig geschieden worden sei. Zwar seien die deutschen (Familien-)Gerichte für Ehesachen zuständig, wenn beide Ehegatten, wie vorliegend, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt haben, die Scheidung folge jedoch nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) dem Recht, das zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend gewesen sei. Selbige unterlägen nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehörten, vorliegend dem t. Recht. Folglich richte sich die Scheidung nach t. Recht. Ob das Urteil eines deutschen Gerichtes, durch das die Ehe zweier ausländischer Staatsangehöriger nach dem Recht deren Heimatstaates geschieden werde, in Deutschland Gestaltungswirkung entfalte, solange noch eine nach dem betreffenden Heimatrecht erforderliche Anerkennung durch eine Stelle des Staates fehle, sei anhand einer Abwägung zu beurteilen. Maßgeblich sei hierbei, ob eine Rechtsangelegenheit einen so starken Auslandsbezug aufweise, dass es nicht mehr vertretbar erscheine, bei der Heranziehung eines deutschen Scheidungsurteils das Fehlen eines ausländischen Wirksamkeitserfordernisses unberücksichtigt zu lassen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber durch die Inanspruchnahme einer internationalen Zuständigkeit in Ehesachen zum Ausdruck gebracht habe, dass er ausländischen Ehegatten mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland eine effektive Möglichkeit der Scheidung eröffnen wolle. Auch habe die Witwenrente im Wesentlichen eine Unterhaltsersatzfunktion, ihr komme mithin eine existentielle Bedeutung für den überlebenden Partner zu. Schließlich sprächen auch Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes für einen starken Inlandsbezug, sodass im vorliegenden Rechtsstreit für die Annahme, dass eine wirksame Scheidung vorliege, auf die Durchführung eines Anerkenntnisverfahrens nach t. Recht verzichtet werden könne. Das rechtskräftige Scheidungsurteil stehe hiernach einem Anspruch auf Witwenrente entgegen.
Gegen das am 08.08.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.08.2016 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, das SG habe verkannt, dass selbst der Bundesgerichtshof, soweit es um die Prüfung von nach ausländischem Recht zu beurteilenden Ehehindernissen gehe, auf die Anerkennung des Scheidungsurteils nach dem betreffenden ausländischen Recht abstelle. Demnach sei ein deutsches Scheidungsurteil nach t. Recht erst dann anerkannt, wenn es in einem gerichtlichen Anerkenntnisverfahren durch ein türkisches Familiengericht rechtskräftig festgestellt worden sei. Der Umstand, dass der Witwenrente nach deutschem Recht eine Unterhaltsersatzfunktion zukomme, werde dadurch entkräftet, dass, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Anerkenntnisverfahrens, nach t. Recht ein Unterhaltsanspruch trotz Rechtskraft eines deutschen Scheidungsurteils bestehe. Einer solchen Möglichkeit sei sie durch den Tod ihres Ehegatten beraubt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29.07.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.01.2014 eine Witwenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verweist die Beklagte auf ihren erstinstanzlichen Vortrag sowie die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Mit Schriftsatz vom 20.02.2017 hat die Klägerin, mit solchem vom 22.02.2017 die Beklagte das Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführte Leistungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, führt jedoch für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente.
Nach § 46 Abs. 1 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht für längstens 24 Kalendermonate nach dem Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Nach § 46 Abs. 2 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen (Nr. 1), das 47. Lebensjahr vollendet haben (Nr. 2) oder erwerbsgemindert sind (Nr. 3).
(Grund-)Voraussetzung für den Bezug der Witwenrente ist, dass die Klägerin Witwe des verstorbenen Versicherten ist. Witwe oder Witwer ist grundsätzlich, wer mit dem versicherten Ehegatten bei dessen Tod verheiratet gewesen ist. Dies setzt den Bestand einer wirksam geschlossenen Ehe voraus, die beim Tod des versicherten Ehegatten noch Bestand gehabt hat (Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, Stand: Sept. 2015, § 46 SGB VI, Rn. 11). Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden worden ist. Da das Sozialversicherungsrecht keinen eigenständigen Ehebegriff kennt, ist hierbei grundsätzlich an die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen anzuknüpfen. Nach § 1564 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] kann eine Ehe nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag eines oder beider Ehegatten geschieden werden. Die Ehe ist nach § 1564 Satz 2 BGB mit der Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft eines Scheidungsurteils ist der überlebende Ehegatte demzufolge Witwe bzw. Witwer i.S.d. § 46 SGB VI.
Dies wird bei einer Scheidung zweier ausländischer Staatsangehöriger durch die Regelungen des deutschen internationalen Privatrechts überlagert. Eine Scheidung unterlag nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in der bis zum 28.01.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 03.04.2009 (BGBl. I 700) hierbei dem Recht, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend war. Diese unterliegen gem. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören bzw. während der Ehe zuletzt angehörten. Die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 (Rom III-VO) und des dortigen Art. 8, nach dem das Scheidungsrecht grundsätzlich dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts unterworfen ist, ist vorliegend nicht anzuwenden, da die Verordnung erst zum 21.06.2012, d. h. nach der rechtskräftigen Scheidung der Klägerin, in Kraft getreten ist. Mithin verbleibt es vorliegend bei den bisherigen Kollisionsregelungen des EGBGB. Nach selbigem ist für die Scheidung der Klägerin, wie vom SG zutreffend angenommen und vom Amtsgericht H. seinem Urteil vom 25.04.2006 zu Grunde gelegt, t. Recht anzuwenden. Ein hierzu ergangenes rechtskräftiges deutsches Scheidungsurteil entfaltet in der T. bzw. dem t. Rechtsraum jedoch keine unmittelbaren rechtlichen Wirkungen. Es kann gleichwohl als zwingendes Beweismittel in das türkische Verfahren eingeführt werden und so Beachtung finden. Die Prüfung und Entscheidung eines Ersuchens auf Anerkennung eines ausländischen, also etwa eines deutschen Scheidungsurteils, unterliegt dem Verfahren über die Vollstreckbarerklärung, wonach der andere Ehegatte als Beklagter zu benennen und der Anerkennungsantrag diesem zusammen in der Angabe des Verhandlungstermins zuzustellen und am Tag der Verhandlung im einfachen Verfahren zu prüfen und eine Entscheidung zu fällen ist. Mithin bedarf ein deutsches Scheidungsurteil in der T. der Anerkennung durch ein t. Gericht. Inwieweit das Urteil eines deutschen Familiengerichts, durch das die Ehe zweier t. Staatsangehöriger nach dem t. Recht geschieden wird, in Deutschland trotz dieses Anerkennungserfordernisses Gestaltungswirkung entfaltet, beurteilt sich nach Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13.01.1999, - B 13 RJ 17/98 R -, in juris) anhand einer differenzierenden Betrachtungsweise. Dem liegt zu Grunde, dass der deutsche Gesetzgeber einerseits durch die Inanspruchnahme einer internationalen Zuständigkeit in Ehesachen zum Ausdruck gebracht hat, dass er ausländischen Ehegatten mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland eine effektive Möglichkeit der Scheidung eröffnen wollte, andererseits jedoch eine Rechtsangelegenheit einen so starken Auslandsbezug haben kann, dass es nicht mehr vertretbar ist, bei der Heranziehung eines deutschen Scheidungsurteils das Fehlen eines ausländischen Wirksamkeitserfordernisses unberücksichtigt zu lassen. Hieraus folgert das BSG, dass zwischen den gegenständlichen Prinzipien eines äußeren und inneren Entscheidungseinklangs abzuwägen ist.
Diese Abwägung führt vorliegend dazu, dass der Inlandsbezug des streitigen Sachverhalts überwiegt. So kommt der Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Wesentlichen eine Unterhaltsersatzfunktion zu. Diese rechtfertigt es, die begehrte Leistung, die vorliegend bei einem unverändert bestehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hier zur Bestreitung des Lebensunterhalts herangezogen werden soll, dem deutschen Recht zu unterwerfen. Soweit dem entgegengebracht wird, dass, ohne eine Anerkennung des deutschen Scheidungsurteils, möglicherweise Unterhaltsansprüche o. ä. nach t. Recht bestanden haben könnten, bedingt dies keine abweichende Beurteilung, da jedenfalls zu Lebzeiten keine entsprechenden Anträge gestellt worden sind und nach dem Ableben des Versicherten auch nicht mehr gestellt werden können. In Ansehung dessen, dass es bei der Witwenrente um die Versorgung des überlebenden Partners, also um eine Frage von existenzieller Bedeutung geht, ist den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes überdies ein besonderes Gewicht beizumessen. Da andererseits klägerseits keine konkreten Tatsachen betreffend eines überwiegenden Auslandsbezuges vorgebracht worden sind, überwiegt auch zur Überzeugung des Senats der Bezug der Rechtsangelegenheit zum hiesigen Rechtsraum, sodass bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Scheidung vom 25.04.2006 die fehlende Anerkennung durch ein türkisches Gericht nicht ins Gewicht fällt. In Ansehung der rechtskräftigen Scheidung der Klägerin ist diese daher nicht Witwe des Versicherten.
Die Klägerin hat mithin keinen Anspruch auf Witwenrente nach § 46 SGB VI. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 02.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved