Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 259/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2014/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. April 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob trotz einer zweiten Berufsausbildung über September 2016 hinaus Halbwaisenrente zu gewähren ist.
Der türkische Staatsangehörige A. I. C. (Im Folgenden: Versicherter) betrieb ein Fuhrunternehmen und war bei der der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, ab 21. Juni 1999 Mitglied. Am 11. Mai 2001 kam er auf der geplanten betrieblichen Fahrt von V. über Vi. nach M. mit dem von ihm gelenkten und zuvor angemieteten Lastkraftwagen auf der Autobahn (A) 6 in Höhe des Vi.er Kreuzes aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit ins Schleudern und kippte mit seinem Fahrzeug auf die linke Seite, wodurch er eine Teildekapitation und einen Genickbruch erlitt und verstarb. Er war verheiratet, lebte jedoch von seiner Ehefrau getrennt. Aus der Ehe gingen die 1995 geborene Klägerin und ein Sohn hervor, welche bei ihrer Mutter und deren neuem Partner, den diese mittlerweile heiratete, wohnten.
Die Klägerin erlangte nach achtjährigem Gymnasium 2013 die Allgemeine Hochschulreife. Vom 1. Oktober 2013 bis 30. September 2016 absolvierte sie beim Berufskolleg W. eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Physiotherapeutin. Zum Wintersemester 2016/2017, welches am 1. Oktober 2016 begann, nahm sie nach Immatrikulation an der J.-M.-Universität W. ein Studium für das Lehramt an Realschulen mit den Hauptfächern Französisch, Geographie und Erziehungswissenschaften auf, welches sie durchweg betrieb und mit der Ersten Staatsprüfung abschließt.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2001 wurde der Klägerin eine Halbwaisenrente in Höhe von monatlich 650 DM (332,34 EUR) gewährt, wobei ausgeführt wurde, dass ihr die Rente bis 31. August 2013 gezahlt werde, also bis zum Ende des Monats, in dem sie das 18. Lebensjahr vollendet habe. Mit Bescheid vom 18. November 2013 wurde ihr unter Bezugnahme auf die Berufsausbildung als Physiotherapeutin die Halbwaisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus bewilligt und angemerkt, die Rente ende spätestens am 30. September 2016.
Mit Schreiben vom 1. Juli 2016 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die bislang gezahlte Waisenrente mit Ablauf des September dieses Jahres wegfalle, wenn nicht bestimmte Vor-aussetzungen für die Weiterzahlung vorlägen. Da sie hierauf nicht reagierte, "entzog" die Beklagte mit Bescheid vom 29. August 2016 "die Rente" mit Ablauf des Folgemonats. Die Klägerin habe ihre Berufsausbildung unterbrochen oder beendet.
Am 17. September 2016 beantragte sie die weitere Gewährung der Halbwaisenrente. Nachdem sie eine Immatrikulationsbescheinigung zum Nachweis der Aufnahme des Studiums an der J.-M.-Universität W. vorgelegt hatte, lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 ab, über den 30. September 2016 hinaus Halbwaisenrente zu bewilligen. In Anlehnung an das Unterhaltsrecht werde eine Waisenrente nur für den Abschluss einer Berufsausbildung gezahlt, mit dem die Waise auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig werden könne. Mit demjenigen als staatlich anerkannte Physiotherapeutin habe sie einen solchen vollwertigen Ausbildungsabschluss erworben. Bei dem ab Oktober 2016 aufgenommenen Lehramtsstudium handele es sich um einen neuen Ausbildungsabschnitt, weshalb kein Anspruch auf eine Waisenrente mehr bestehe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2017 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 26. Januar 2017 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben, welches am 26. April 2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, bei welcher sie auf Nachfrage mitgeteilt hat, nach Erreichen der Hochschulreife erst 17 Jahre alt gewesen zu sein. Sie habe anschließend eigentlich mit Freunden reisen wollen, was aber nicht gegangen sei, weil sie die Volljährigkeit noch nicht erreicht gehabt habe. Da ihr Onkel eine Praxis für Physiotherapie betrieben habe, sei ihr zugeredet worden, dort eine Ausbildung zu beginnen. Am Ende des zweiten Semesters habe sie ein Klinikpraktikum gemacht. Insbesondere der Körperkontakt zu den Menschen sei ihr befremdlich gewesen. Während der Schulzeit habe sie gerne Sprachen erlernt. Deswegen habe sie den Entschluss gefasst, ein Lehramtsstudium aufzunehmen. Sie erhalte keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Das SG hat die angefochtene Verwaltungsentscheidung mit Urteil vom 26. April 2017 aufgehoben und die Beklagte unter Auferlegung der außergerichtlichen Kosten verurteilt, der Klägerin über den 30. September 2016 hinaus Halbwaisenrente zu gewähren. Da sich diese weiterhin in einer Berufsausbildung befinde und noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet habe, sei die Leistung fortdauernd zu zahlen. Es sei davon auszugehen, dass das Studium einen Zeitaufwand von wöchentlich mehr als zwanzig Stunden erfordere. Dem Anspruch stehe nicht entgegen, dass sie bei Aufnahme des Lehramtsstudiums im Oktober 2016 bereits eine Ausbildung zur Physiotherapeutin abgeschlossen habe. Unter einer Berufsausbildung im Sinne des § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei auch eine Zweitausbildung zu verstehen. Durch die grammatikalische Auslegung der Vorschrift lasse sich der Wegfall des Anspruchs der Klägerin nach Beendigung ihrer Ausbildung zur Physiotherapeutin trotz begonnenem Lehramtsstudium nicht begründen. Auch die historische Auslegung führe zu keinem anderen Ergebnis. Weder der Vorgängernorm des § 595 Abs. 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) noch der Parallelvorschrift des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) könnten Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass der Gesetzgeber unter dem Begriff "Berufsausbildung" nur eine Erstausbildung verstanden habe. Aus den im Gesetz verankerten Beschränkungen des Anspruches auf den Zeitraum bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres einerseits und Ausbildungen mit einem tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als zwanzig Stunden andererseits sei dem Gesetzgeber die Möglichkeit einer Anspruchsbegrenzung gegenwärtig gewesen. Hätte er neben diesen benannten Einschränkungen weitere gewollt, wäre es ihm ohne Weiteres möglich gewesen, dies im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck zu bringen. Der systematische Kontext, in dem die Regelung stehe, liefere ebenfalls keinen Hinweis dafür, dass nur eine Erstausbildung erfasst sei. Einen Verweis auf die Regelungen der zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche, insbesondere § 1610 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), finde sich in den Vorschriften über den Anspruch auf Waisenrente (§§ 67 f. SGB VII), anders als in § 66 Abs. 1 SGB VII, nicht. Es handele sich bei der Regelung des § 67 Abs. 2 SGB VII vielmehr um eine typisierende und pauschalierende, sozialrechtlich eigenständige Regelung des Unterhaltsersatzanspruches einer Waisen auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung. Nahezu wortgleiche Formulierungen fänden sich in § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SGB VI, der den Anspruch auf Waisenrente nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung regele, und in § 45 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a Bundesversorgungsgesetz (BVG), welcher den Anspruch auf eine solche Leistung im Rahmen der Kriegsopferversorgung bestimme. Diese Vorschriften sähen ihrem Wortlaut nach ebenfalls keine weitergehende Beschränkung des Anspruches auf die Leistung vor, sondern enthielten gleichermaßen eine rein zeitliche Begrenzung auf den Zeitraum einer Berufsausbildung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Schließlich erfordere der Zweck der gesetzlichen Regelung zur Waisenrente, nach dem Tod der Versicherten den Unterhalt für die hinterbliebenen Kinder sicherzustellen, die Funktion als Unterhaltsersatz. Es handele sich um eine typisierende und pauschalierende Regelung, mit welcher der Gesetzgeber den im Allgemeinen anfallenden "typischen" Bedarf habe decken wollen, der durch den Ausfall väterlicher oder mütterlicher Unterhaltsleistungen entstehe. Eines zu kompensierenden individuellen, ohnehin nur rein fiktiv bestimmbaren Unterhaltsanspruches bedürfe es im Rahmen des Anspruches auf Waisenrente nicht. Nach der gesetzgeberischen Konstruktion komme es grundsätzlich nicht darauf an, ob Waisen in der Lage seien, aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ohnehin komme auch sonst bei geänderter Berufsplanung oder bei neu gewähltem Berufsziel oder aufgrund der Wiederholung einer Prüfung zur Notenverbesserung oder bei der Ausbildung zu einer weiteren Berufsstufe wie einer Meisterprüfung eine Zweitausbildung in Betracht. Die Möglichkeit einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Waisenrente durch Aufnahme einer Scheinausbildung werde im Übrigen durch die Regelung in § 67 Abs. 3 Satz 2 SGB VII erheblich erschwert. Auch der Schutzzweck der Norm erfordere keine einschränkende Auslegung. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie nach der bereits abgeschlossenen Ausbildung das Lehramtsstudium aufgenommen habe. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass sie sich im Alter von 17 Jahren noch in ihrer beruflichen Entwicklungs- und Findungsphase befunden und daher die Ausbildung zur Physiotherapeutin wohl mehr aus familiärem Pflichtgefühl als tatsächlicher Neigung begonnen habe und schließlich auch erfolgreich beendet worden sei. Dass das Lehramtsstudium inhaltlich in keinem Bezug oder Zusammenhang zur Ausbildung zur Physiotherapeutin stehe, sei für ihren Anspruch ohne Bedeutung.
Hiergegen hat die Beklagte am 22. Mai 2017 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und trägt im Wesentlichen vor, die Waisenrente erfülle den Zweck, nach dem Tod der ernährenden Person den Unterhalt für die infolge des Versicherungsfalls unversorgt hinterbliebenen Kinder sicherzustellen. Sie solle den Ausfall eines in pauschalierter Höhe unterstellten gesetzlichen Unterhaltsanspruches gegen Versicherte ausgleichen. Nach den zivilrechtlichen Vorschriften hätten Kinder nur Anspruch auf eine Erst-, nicht dagegen auf eine Zweitausbildung. Die Berufsausbildung ende daher mit dem ersten berufsqualifizierenden Regelabschluss, welcher die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermögliche. Die Klägerin habe nach Beendigung der dreijährigen Ausbildung zur Physiotherapeutin ein Lehramtsstudium aufgenommen, ohne sich nach eigenen Angaben um einen Arbeitsplatz als Physiotherapeutin beworben zu haben. Ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem erlernten Beruf einer Physiotherapeutin und dem nach Abschluss der Ausbildung aufgenommenen Studium sei nicht erkennbar und werde auch nicht ernsthaft vorgetragen. Unerheblich sei, ob in dem erlernten Beruf möglicherweise ein geringeres Einkommen zu erzielen sei als bei einer anderen Erwerbstätigkeit, etwa derjenigen als Lehrerin. Soweit nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften ausnahmsweise eine Weiterbildung die Unterhaltspflicht begründe, lägen die Voraussetzungen hierfür vorliegend nicht vor. Dem Abschlusszeugnis über die staatliche Prüfung zur Physiotherapeutin sei keine besondere Begabung der Klägerin zu entnehmen, welche eine Weiterbildung in Form eines Studiums erfordere. Es seien auch keine Gründe erkennbar, wonach dieser Abschluss ohne eine solche nicht eine hinreichende Lebensgrundlage biete. Da die erneute Ausbildung ab Oktober 2016 nach dem bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrecht keine Unterhaltspflicht der Eltern begründe, vermöge diese keinen weiteren Anspruch auf Waisenrente zu begründen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. April 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, das SG habe zutreffend begründet, warum sie über den 30. September 2016 hinaus Anspruch auf Gewährung einer Halbwaisenrente habe. Die Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung habe ihr trotz Aufnahme des Lehramtsstudiums Anfang Juli 2017 weiterhin Halbwaisenrente bewilligt. Selbst wenn auf das bürgerlich-rechtliche Unterhaltsrecht abgestellt würde, sei die Rente weiterhin zu bewilligen. Sie habe sich, als sie die Allgemeine Hochschulreife erlangt habe, noch in der beruflichen Findungsphase befunden. Erst nach Zureden ihres Stiefvaters habe sie sich entschlossen, eine Ausbildung zur Physiotherapeutin bei dessen Bruder zu beginnen. Ein Jahr bevor sie diese beendet habe, habe sie sie abbrechen wollen, um ein Studium zu beginnen, also frühzeitig einen Änderungswunsch kundgetan. Ihre Mutter und ihr Stiefvater hätte ihr jedoch geraten, die Ausbildung abzuschließen, um gegebenenfalls in den Semesterferien des Studiums Geld hinzuverdienen zu können. Bereits während der Ausbildung zur Physiotherapeutin habe sie erkannt, dass sie sich in diesem Beruf nicht wohlfühlen werde. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bestehe eine Unterhaltspflicht nach den Vorschriften des BGB trotz Erstausbildung ausnahmsweise auch dann, wenn diese auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes durch die Eltern beruht habe oder diese das Kind gegen seinen Willen in einen unbefriedigenden, seiner Begabung und Neigung nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt haben. Angesichts der Problematik im aktuellen Gesundheitswesen garantiere der Beruf der Physiotherapeutin ohnehin nicht, hierdurch längerfristig Erwerbseinkommen zu erzielen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (3 Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der Beklagten aufgrund der mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 2017 über ihre Berufung entscheiden, da ordnungsgemäß zum Termin geladen worden war (§ 110 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Mit der Terminsmitteilung wurde sie darüber unterrichtet, dass im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden, im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber nicht begründet.
Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens ist das angefochtene Urteil des SG vom 26. April 2017, mit dem die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2017 verurteilt wurde, der Klägerin Halbwaisenrente über den 30. September 2016 hinaus zu gewähren. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) erhobene Klage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), welche am 5. Oktober 2017 stattfand.
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung von Halbwaisenrente über den 30. September 2016 hinaus. Die angefochtene und dieses Begehren ablehnende Verwaltungsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Das SG hatte daher der Klage zu Recht stattgeben.
Gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII erhalten Kinder von verstorbenen Versicherten eine Halbwaisenrente, wenn sie noch einen Elternteil haben. Diese Rente wird nach dessen Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gezahlt. Bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres wird sie gezahlt (Nr. 2), wenn die Waise sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet (Buchst. a) oder sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchst. c liegt (Buchst. b), oder einen freiwilligen Dienst im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d des Einkommensteuergesetzes (EStG) leistet (Buchst. c) oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (Buchst. d). Eine Schulausbildung oder Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 liegt nur vor, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen Aufwand von wöchentlich mehr als zwanzig Stunden erfordert (§ 67 Abs. 3 Satz 2 SGB VII). Der tatsächliche zeitliche Aufwand ist ohne Bedeutung für Zeiten, in denen das Ausbildungsverhältnis trotz einer Erkrankung fortbesteht und damit gerechnet werden kann, dass die Ausbildung fortgesetzt wird (§ 67 Abs. 3 Satz 3 SGB VII). Das gilt auch für die Dauer der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG, § 67 Abs. 3 Satz 4 SGB VII). Der Anspruch auf Waisenrente endet nicht dadurch, dass die Waise als Kind angenommen wird (§ 67 Abs. 5 SGB VII). Die Rente beträgt nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII 20 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes für eine Halbwaise. Liegen bei einem Kind die Voraussetzungen für mehrere Waisenrenten aus der Unfallversicherung vor, wird nur die höchste Rente gezahlt und bei Renten gleicher Höhe diejenige, die wegen des frühesten Versicherungsfalls zu zahlen ist (§ 68 Abs. 3 SGB VII).
§ 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII umschreibt den Entstehenstatbestand des subjektiven Rechts auf Halbwaisenrente nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Wie in allen sozialrechtlichen (Dauer-)Schuldverhältnissen ist auch im Waisenrentenrecht dieses Teilrechtsgebietes des Sozialrechts zwischen dem Entstehen des subjektiven Rechts, also dem Stammrecht, und den sich daraus ergebenden Einzelansprüchen im Sinne des § 194 BGB zu unterscheiden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Juni 2003 - B 4 RA 37/02 -, SozR 4-2600 § 48 Nr. 2, Rz. 16). Diese Ansprüche sind bestimmungsgemäße Rechtsfrüchte im Sinne des § 99 Abs. 2 BGB. Das subjektive Recht auf Halbwaisenrente besteht solange fort, wie aus ihm noch Zahlungsansprüche entstehen können. Ob und wie lange das subjektive Recht auf Halbwaisenrente solche Ansprüche hervorbringt, bestimmt das materielle Recht in Abhängigkeit von Altersgrenzen unterschiedlich. Ohne weitere Voraussetzungen entstehen monatliche Zahlungsansprüche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII), für die Zeit danach bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres indes nur, sofern kein Verlängerungstatbestand im Sinne des § 67 Abs. 4 SGB VII gegeben ist, wenn die Waise wegen eines anerkannten Grundes gehindert war, ihren Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren (§ 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VII; vgl. Keller, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VII, Stand: Juli 2015, § 67 Rz. 19). Soweit dies nicht der Fall ist, können monatliche Zahlungsansprüche aus dem Stammrecht nicht entstehen.
Für die Zeit des am 1. Oktober 2016 aufgenommenen Studiums für das Lehramt an Realschulen mit den Hauptfächern Französisch, Geographie und Erziehungswissenschaften, welches die Klägerin seither durchweg betrieben hat, stehen ihr monatliche Ansprüche auf Halbwaisenrente nach dem Tod ihres leiblichen Vaters am 11. Mai 2001 zu. Die im Zeitpunkt der Aufnahme dieses Hochschulstudiums über 18 Jahre alte Klägerin, die sich aktuell im 23. Lebensjahr befindet, kann sich auf den Erwerbshinderungsgrund des § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 SGB VII berufen, da sie sich mit ihrem Lehramtsstudium in einer Berufsausbildung befindet.
Der Begriff der Berufsausbildung wird in § 67 SGB VII selbst nicht definiert und wurde auch in dessen Vorgängervorschrift, § 595 Abs. 2 Satz 1 RVO, nicht bestimmt. § 67 Abs. 3 Satz 2 SGB VII verlangt nur, dass die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als zwanzig Stunden erfordert. Seine Bedeutung muss daher aus dem Wortsinn sowie unter Beachtung des systematischen Zusammenhanges und des Zweckes der Regelung erschlossen werden. Den Normen des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung liegt ein eigenständiger Begriff der Berufsausbildung zugrunde, weshalb auf die aus anderen Bereichen des Sozialrechts geläufigen Begriffsbestimmungen bei der Auslegung nicht ohne Weiteres zurückgegriffen werden kann (vgl. hierzu und zum Folgenden: BSG, Urteil vom 7. Februar 2006 - B 2 U 3/05 R -, SozR 4-2700 § 90 Nr. 1, Rz. 15 f. m. w. N.). Nach dem Wortsinn dient eine Berufsausbildung der Vermittlung oder dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, die zur späteren Ausübung des Berufes benötigt werden. Daran anknüpfend ist stets eine geregelte, zu einem qualifizierten beruflichen Abschluss führende Ausbildung vorausgesetzt. Dieses Begriffsverständnis deckt sich mit der im Berufsbildungsgesetz (BBiG) beschriebenen Aufgabenstellung, nach der die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen hat (§ 1 Abs. 3 BBiG). Nicht als Berufsausbildung zu werten ist im Gegensatz dazu eine bloße berufliche Weiterbildung zur Erlangung eines bestimmten Status oder zur Verbesserung der Qualifikation und der beruflichen Chancen und Verdienstmöglichkeiten; und zwar auch dann nicht, wenn während der Weiterbildungsphase, vergleichbar einer Ausbildungssituation, die reguläre Berufstätigkeit unterbrochen und ein niedrigeres Entgelt bezogen wird. Diese Abgrenzung findet ihre Entsprechung ebenfalls im BBiG, wo zwischen Berufsausbildung auf der einen und beruflicher Fortbildung (§ 1 Abs. 4 BBiG) auf der anderen Seite unterschieden wird. Ein Hochschulstudium ist ein Teil der Berufsausbildung, wenn damit ein bestimmter beruflicher Abschluss erzielt werden kann und eine Immatrikulation als ordentlich studierende Person erfolgt (Jentsch, in: jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 67 Rz. 45). Die Klägerin nahm zum Wintersemester 2016/2017, welches am 1. Oktober 2016 begann, mittels Immatrikulation an der J.-M.-Universität W. ein Studium für das Lehramt an Realschulen mit den Hauptfächern Französisch, Geographie und Erziehungswissenschaften auf, welches sie durchweg betrieben hat und mit der Ersten Staatsprüfung (§§ 7 ff. der Lehramtsprüfungsordnung I - LPO I vom 13. März 2008, GVBl. S. 180) abschließt. Sie befindet sich damit seit 1. Oktober 2016 nach ihrer Ausbildung zur staatlich anerkannten Physiotherapeutin in einer weiteren, zweiten Berufsausbildung.
Die Waisenrente hat zwar wie andere Hinterbliebenenleistungen eine unterhaltsersetzende Funktion (vgl. BVerfG, Urteil des Erstens Senats vom 12. März 1975 - 1 BvL 15/71 u. a. -, juris, Rz. 75; Jentsch, a. a. O., Rz. 21), weshalb die Zahlung dieser Rente anteilig (§ 68 Abs. 1 SGB VII) den Ausfall eines typisierend unterstellten gesetzlichen Unterhaltsanspruches gegen die Versicherten (§§ 1601 ff. BGB) ausgleichen soll, solange ein anerkannter Erwerbshinderungsgrund besteht. Die vom BSG für das Halbwaisenrecht nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung vorgenommene Auslegung, wonach eine Berufsausbildung immer dann beendet ist, wenn der erste auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Abschluss erreicht ist (BSG, Urteil vom 18. Juni 2003 - B 4 RA 37/02 -, SozR 4-2600 § 48 Nr. 2, Rz. 23 m. w. N.), findet, anders als gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, wonach der überlebende Elternteil unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig sein muss, weder im Wortlaut als Grenze der Auslegung (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 12 KR 4/11 R -, SozR 4-2500 § 257 Nr. 1, Rz. 22 m. w. N.) von § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, wo die Unterhaltspflicht nicht ausdrücklich angeführt ist, noch in § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SGB VII eine hinreichende Stütze. Wegen der sonstigen Kriterien der Auslegung nach der juristischen Methodenlehre (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 320 ff.). wird zudem auf die Begründung des SG in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, welcher sich der Senat nach eigener Überzeugungsbildung anschließt und von einer Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit absieht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist, auch im Hinblick auf die weitere Darlegung der Beklagten im Berufungsverfahren, auszuführen, dass entgegen ihrer Auffassung die Regelung der Unterhaltspflicht im bürgerlichen Recht bei der Vorbildung zu einem Beruf nach § 1610 Abs. 2 BGB nicht einschlussweise in § 67 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SGB VII enthalten und daher bei der Auslegung dieser Vorschrift unmaßgeblich ist. Die Waisenrente für eine Berufsausbildung hängt im Unterschied zu dem bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch des § 1610 Abs. 2 BGB folglich nicht davon ab, ob Unterhaltsbedürftigkeit auf der einen und Unterhaltsfähigkeit auf der anderen Seite bestehen (vgl. auch BSG, Urteil vom 7. Juli 1965 - 12 RJ 180/62 -, BSGE 23, 166 (167)). Diese dem gesamten Unterhaltsrecht eigentümlichen Voraussetzungen fehlen dem Waisenrentenrecht nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Dieses Hinterbliebenenrentenrecht hat sich demgegenüber durch den Verzicht auf die genannten Unterhaltsvoraussetzungen vom bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrecht gelöst (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 13. März 2014 - L 17 U 269/13 -, juris, Rz. 25; Keller, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VII, Stand: Juli 2015, § 67 Rz. 33; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. März 2010 - L 3 U 208/08 -, juris, Rz. 34 und 37). Wo solche Vorschriften maßgeblich sein sollen, ist dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt, etwa für die Witwen- und Witwerrente an frühere Ehegatten nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung in § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII.
Das Studium der Klägerin für das Lehramt an Realschulen mit den Hauptfächern Französisch, Geographie und Erziehungswissenschaften an der J.-M.-Universität W. erfordert einen tatsächlichen Aufwand von wöchentlich mehr als zwanzig Stunden. Nach dem Rahmenstrukturplan "Lehramt an Realschulen" dieser Hochschule beträgt der Gesamtumfang in diesem Studiengang 210 Punkte nach dem European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS), also dem Europäisches System zur Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen. Bei 30 ECTS-Punkten, die idealerweise je Semester erworben werden sollen, ergibt sich eine Regelstudienzeit von sieben Semestern. Vor dem Hintergrund des bayerischen Fachlehrerprinzips werden von der Klägerin mit den Hauptfächern Französisch und Geographie zwei Unterrichtsfächer im Umfang von je 72 ECTS-Punkten studiert, wobei je Unterrichtsfach 60 ECTS-Punkte auf die Fachwissenschaften und je 12 ECTS-Punkte auf die zugehörige Fachdidaktik entfallen. Daneben umfasst das von ihr betriebene Studium die Erziehungswissenschaften, Praktika, die schriftliche Hausarbeit als Zulassungsarbeit und den Freien Bereich als lehramtsspezifischen Wahlbereich (vgl. im Internet unter "www.zfl.uni-wuerzburg.de/das lehramtsstudium/die einzelnen lehramtsstudiengaenge/realschule/). Vor diesem Hintergrund ist der Senat überzeugt, dass sie das Hochschulstudium mit einem tatsächlichen Aufwand von wöchentlich mehr als zwanzig Stunden betreibt. Der Bevollmächtigte der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung beim LSG bestätigt, dass es sich um ein Vollzeitstudium handelt, welches von dieser mit einem zeitlichen Umfang von mehr als zwanzig Wochenstunden auch aktuell betrieben wird. Von einer Wahrnehmung des gerichtlichen Termins in der Berufungsinstanz hatte sie Abstand genommen, da sie sich wegen des Anfang Oktober 2017 begonnenen Wintersemesters 2017/18 bereits wieder am Studienort aufgehalten hat. Keine Anspruchsvoraussetzung ist, dass die Klägerin mit dem Versicherten zum Zeitpunkt seines Todes in einem Haushalt zusammenlebte, weshalb unerheblich ist, dass sie bei ihrer Mutter und deren neuem Lebenspartner und damit in einer anderen Unterkunft als der Versicherte wohnte.
Damit ist das von der Klägerin am 1. Oktober 2016 aufgenommene Lehramtsstudium als zweite Berufsausbildung nach derjenigen zur staatlich anerkannten Physiotherapeutin ein Erwerbshinderungsgrund im Sinne des § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 SGB VII.
Die Beklage ist passivlegitimiert, also richtige Anspruchsgegnerin, da sie für Hinterbliebenenleistungen des Versicherten nach § 114 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 121 Abs. 1, § 133 Abs. 1, § 136 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit Nr. 8 der Anlage 1 zu § 114 SGB VII in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr. 1, § 37 Abs. 1, § 46 Abs. 1, § 99 ihrer mit Wirkung zum 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Satzung verbandszuständig ist; der Versicherte war Mitglied der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen, einer Rechtsvorgängerin der beklagten Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nach alledem hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Halbwaisenrente über den 30. September 2016 hinaus bis aktuell, weshalb deren Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Im Hinblick auf die nicht einheitliche Rechtsprechung der Landessozialgerichte zu der Rechtsfrage, ob eine Zweitausbildung eine Berufsausbildung im Sinne des Waisenrentenrechts der gesetzlichen Unfallversicherung ist, dient eine höchstrichterliche Klärung dem allgemeinen Interesse an der Wahrung der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob trotz einer zweiten Berufsausbildung über September 2016 hinaus Halbwaisenrente zu gewähren ist.
Der türkische Staatsangehörige A. I. C. (Im Folgenden: Versicherter) betrieb ein Fuhrunternehmen und war bei der der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, ab 21. Juni 1999 Mitglied. Am 11. Mai 2001 kam er auf der geplanten betrieblichen Fahrt von V. über Vi. nach M. mit dem von ihm gelenkten und zuvor angemieteten Lastkraftwagen auf der Autobahn (A) 6 in Höhe des Vi.er Kreuzes aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit ins Schleudern und kippte mit seinem Fahrzeug auf die linke Seite, wodurch er eine Teildekapitation und einen Genickbruch erlitt und verstarb. Er war verheiratet, lebte jedoch von seiner Ehefrau getrennt. Aus der Ehe gingen die 1995 geborene Klägerin und ein Sohn hervor, welche bei ihrer Mutter und deren neuem Partner, den diese mittlerweile heiratete, wohnten.
Die Klägerin erlangte nach achtjährigem Gymnasium 2013 die Allgemeine Hochschulreife. Vom 1. Oktober 2013 bis 30. September 2016 absolvierte sie beim Berufskolleg W. eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Physiotherapeutin. Zum Wintersemester 2016/2017, welches am 1. Oktober 2016 begann, nahm sie nach Immatrikulation an der J.-M.-Universität W. ein Studium für das Lehramt an Realschulen mit den Hauptfächern Französisch, Geographie und Erziehungswissenschaften auf, welches sie durchweg betrieb und mit der Ersten Staatsprüfung abschließt.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2001 wurde der Klägerin eine Halbwaisenrente in Höhe von monatlich 650 DM (332,34 EUR) gewährt, wobei ausgeführt wurde, dass ihr die Rente bis 31. August 2013 gezahlt werde, also bis zum Ende des Monats, in dem sie das 18. Lebensjahr vollendet habe. Mit Bescheid vom 18. November 2013 wurde ihr unter Bezugnahme auf die Berufsausbildung als Physiotherapeutin die Halbwaisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus bewilligt und angemerkt, die Rente ende spätestens am 30. September 2016.
Mit Schreiben vom 1. Juli 2016 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die bislang gezahlte Waisenrente mit Ablauf des September dieses Jahres wegfalle, wenn nicht bestimmte Vor-aussetzungen für die Weiterzahlung vorlägen. Da sie hierauf nicht reagierte, "entzog" die Beklagte mit Bescheid vom 29. August 2016 "die Rente" mit Ablauf des Folgemonats. Die Klägerin habe ihre Berufsausbildung unterbrochen oder beendet.
Am 17. September 2016 beantragte sie die weitere Gewährung der Halbwaisenrente. Nachdem sie eine Immatrikulationsbescheinigung zum Nachweis der Aufnahme des Studiums an der J.-M.-Universität W. vorgelegt hatte, lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 ab, über den 30. September 2016 hinaus Halbwaisenrente zu bewilligen. In Anlehnung an das Unterhaltsrecht werde eine Waisenrente nur für den Abschluss einer Berufsausbildung gezahlt, mit dem die Waise auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig werden könne. Mit demjenigen als staatlich anerkannte Physiotherapeutin habe sie einen solchen vollwertigen Ausbildungsabschluss erworben. Bei dem ab Oktober 2016 aufgenommenen Lehramtsstudium handele es sich um einen neuen Ausbildungsabschnitt, weshalb kein Anspruch auf eine Waisenrente mehr bestehe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2017 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 26. Januar 2017 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben, welches am 26. April 2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, bei welcher sie auf Nachfrage mitgeteilt hat, nach Erreichen der Hochschulreife erst 17 Jahre alt gewesen zu sein. Sie habe anschließend eigentlich mit Freunden reisen wollen, was aber nicht gegangen sei, weil sie die Volljährigkeit noch nicht erreicht gehabt habe. Da ihr Onkel eine Praxis für Physiotherapie betrieben habe, sei ihr zugeredet worden, dort eine Ausbildung zu beginnen. Am Ende des zweiten Semesters habe sie ein Klinikpraktikum gemacht. Insbesondere der Körperkontakt zu den Menschen sei ihr befremdlich gewesen. Während der Schulzeit habe sie gerne Sprachen erlernt. Deswegen habe sie den Entschluss gefasst, ein Lehramtsstudium aufzunehmen. Sie erhalte keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Das SG hat die angefochtene Verwaltungsentscheidung mit Urteil vom 26. April 2017 aufgehoben und die Beklagte unter Auferlegung der außergerichtlichen Kosten verurteilt, der Klägerin über den 30. September 2016 hinaus Halbwaisenrente zu gewähren. Da sich diese weiterhin in einer Berufsausbildung befinde und noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet habe, sei die Leistung fortdauernd zu zahlen. Es sei davon auszugehen, dass das Studium einen Zeitaufwand von wöchentlich mehr als zwanzig Stunden erfordere. Dem Anspruch stehe nicht entgegen, dass sie bei Aufnahme des Lehramtsstudiums im Oktober 2016 bereits eine Ausbildung zur Physiotherapeutin abgeschlossen habe. Unter einer Berufsausbildung im Sinne des § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei auch eine Zweitausbildung zu verstehen. Durch die grammatikalische Auslegung der Vorschrift lasse sich der Wegfall des Anspruchs der Klägerin nach Beendigung ihrer Ausbildung zur Physiotherapeutin trotz begonnenem Lehramtsstudium nicht begründen. Auch die historische Auslegung führe zu keinem anderen Ergebnis. Weder der Vorgängernorm des § 595 Abs. 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) noch der Parallelvorschrift des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) könnten Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass der Gesetzgeber unter dem Begriff "Berufsausbildung" nur eine Erstausbildung verstanden habe. Aus den im Gesetz verankerten Beschränkungen des Anspruches auf den Zeitraum bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres einerseits und Ausbildungen mit einem tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als zwanzig Stunden andererseits sei dem Gesetzgeber die Möglichkeit einer Anspruchsbegrenzung gegenwärtig gewesen. Hätte er neben diesen benannten Einschränkungen weitere gewollt, wäre es ihm ohne Weiteres möglich gewesen, dies im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck zu bringen. Der systematische Kontext, in dem die Regelung stehe, liefere ebenfalls keinen Hinweis dafür, dass nur eine Erstausbildung erfasst sei. Einen Verweis auf die Regelungen der zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche, insbesondere § 1610 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), finde sich in den Vorschriften über den Anspruch auf Waisenrente (§§ 67 f. SGB VII), anders als in § 66 Abs. 1 SGB VII, nicht. Es handele sich bei der Regelung des § 67 Abs. 2 SGB VII vielmehr um eine typisierende und pauschalierende, sozialrechtlich eigenständige Regelung des Unterhaltsersatzanspruches einer Waisen auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung. Nahezu wortgleiche Formulierungen fänden sich in § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SGB VI, der den Anspruch auf Waisenrente nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung regele, und in § 45 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a Bundesversorgungsgesetz (BVG), welcher den Anspruch auf eine solche Leistung im Rahmen der Kriegsopferversorgung bestimme. Diese Vorschriften sähen ihrem Wortlaut nach ebenfalls keine weitergehende Beschränkung des Anspruches auf die Leistung vor, sondern enthielten gleichermaßen eine rein zeitliche Begrenzung auf den Zeitraum einer Berufsausbildung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Schließlich erfordere der Zweck der gesetzlichen Regelung zur Waisenrente, nach dem Tod der Versicherten den Unterhalt für die hinterbliebenen Kinder sicherzustellen, die Funktion als Unterhaltsersatz. Es handele sich um eine typisierende und pauschalierende Regelung, mit welcher der Gesetzgeber den im Allgemeinen anfallenden "typischen" Bedarf habe decken wollen, der durch den Ausfall väterlicher oder mütterlicher Unterhaltsleistungen entstehe. Eines zu kompensierenden individuellen, ohnehin nur rein fiktiv bestimmbaren Unterhaltsanspruches bedürfe es im Rahmen des Anspruches auf Waisenrente nicht. Nach der gesetzgeberischen Konstruktion komme es grundsätzlich nicht darauf an, ob Waisen in der Lage seien, aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ohnehin komme auch sonst bei geänderter Berufsplanung oder bei neu gewähltem Berufsziel oder aufgrund der Wiederholung einer Prüfung zur Notenverbesserung oder bei der Ausbildung zu einer weiteren Berufsstufe wie einer Meisterprüfung eine Zweitausbildung in Betracht. Die Möglichkeit einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Waisenrente durch Aufnahme einer Scheinausbildung werde im Übrigen durch die Regelung in § 67 Abs. 3 Satz 2 SGB VII erheblich erschwert. Auch der Schutzzweck der Norm erfordere keine einschränkende Auslegung. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie nach der bereits abgeschlossenen Ausbildung das Lehramtsstudium aufgenommen habe. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass sie sich im Alter von 17 Jahren noch in ihrer beruflichen Entwicklungs- und Findungsphase befunden und daher die Ausbildung zur Physiotherapeutin wohl mehr aus familiärem Pflichtgefühl als tatsächlicher Neigung begonnen habe und schließlich auch erfolgreich beendet worden sei. Dass das Lehramtsstudium inhaltlich in keinem Bezug oder Zusammenhang zur Ausbildung zur Physiotherapeutin stehe, sei für ihren Anspruch ohne Bedeutung.
Hiergegen hat die Beklagte am 22. Mai 2017 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und trägt im Wesentlichen vor, die Waisenrente erfülle den Zweck, nach dem Tod der ernährenden Person den Unterhalt für die infolge des Versicherungsfalls unversorgt hinterbliebenen Kinder sicherzustellen. Sie solle den Ausfall eines in pauschalierter Höhe unterstellten gesetzlichen Unterhaltsanspruches gegen Versicherte ausgleichen. Nach den zivilrechtlichen Vorschriften hätten Kinder nur Anspruch auf eine Erst-, nicht dagegen auf eine Zweitausbildung. Die Berufsausbildung ende daher mit dem ersten berufsqualifizierenden Regelabschluss, welcher die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermögliche. Die Klägerin habe nach Beendigung der dreijährigen Ausbildung zur Physiotherapeutin ein Lehramtsstudium aufgenommen, ohne sich nach eigenen Angaben um einen Arbeitsplatz als Physiotherapeutin beworben zu haben. Ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem erlernten Beruf einer Physiotherapeutin und dem nach Abschluss der Ausbildung aufgenommenen Studium sei nicht erkennbar und werde auch nicht ernsthaft vorgetragen. Unerheblich sei, ob in dem erlernten Beruf möglicherweise ein geringeres Einkommen zu erzielen sei als bei einer anderen Erwerbstätigkeit, etwa derjenigen als Lehrerin. Soweit nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften ausnahmsweise eine Weiterbildung die Unterhaltspflicht begründe, lägen die Voraussetzungen hierfür vorliegend nicht vor. Dem Abschlusszeugnis über die staatliche Prüfung zur Physiotherapeutin sei keine besondere Begabung der Klägerin zu entnehmen, welche eine Weiterbildung in Form eines Studiums erfordere. Es seien auch keine Gründe erkennbar, wonach dieser Abschluss ohne eine solche nicht eine hinreichende Lebensgrundlage biete. Da die erneute Ausbildung ab Oktober 2016 nach dem bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrecht keine Unterhaltspflicht der Eltern begründe, vermöge diese keinen weiteren Anspruch auf Waisenrente zu begründen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. April 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, das SG habe zutreffend begründet, warum sie über den 30. September 2016 hinaus Anspruch auf Gewährung einer Halbwaisenrente habe. Die Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung habe ihr trotz Aufnahme des Lehramtsstudiums Anfang Juli 2017 weiterhin Halbwaisenrente bewilligt. Selbst wenn auf das bürgerlich-rechtliche Unterhaltsrecht abgestellt würde, sei die Rente weiterhin zu bewilligen. Sie habe sich, als sie die Allgemeine Hochschulreife erlangt habe, noch in der beruflichen Findungsphase befunden. Erst nach Zureden ihres Stiefvaters habe sie sich entschlossen, eine Ausbildung zur Physiotherapeutin bei dessen Bruder zu beginnen. Ein Jahr bevor sie diese beendet habe, habe sie sie abbrechen wollen, um ein Studium zu beginnen, also frühzeitig einen Änderungswunsch kundgetan. Ihre Mutter und ihr Stiefvater hätte ihr jedoch geraten, die Ausbildung abzuschließen, um gegebenenfalls in den Semesterferien des Studiums Geld hinzuverdienen zu können. Bereits während der Ausbildung zur Physiotherapeutin habe sie erkannt, dass sie sich in diesem Beruf nicht wohlfühlen werde. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bestehe eine Unterhaltspflicht nach den Vorschriften des BGB trotz Erstausbildung ausnahmsweise auch dann, wenn diese auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes durch die Eltern beruht habe oder diese das Kind gegen seinen Willen in einen unbefriedigenden, seiner Begabung und Neigung nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt haben. Angesichts der Problematik im aktuellen Gesundheitswesen garantiere der Beruf der Physiotherapeutin ohnehin nicht, hierdurch längerfristig Erwerbseinkommen zu erzielen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (3 Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der Beklagten aufgrund der mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 2017 über ihre Berufung entscheiden, da ordnungsgemäß zum Termin geladen worden war (§ 110 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Mit der Terminsmitteilung wurde sie darüber unterrichtet, dass im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden, im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber nicht begründet.
Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens ist das angefochtene Urteil des SG vom 26. April 2017, mit dem die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2017 verurteilt wurde, der Klägerin Halbwaisenrente über den 30. September 2016 hinaus zu gewähren. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) erhobene Klage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), welche am 5. Oktober 2017 stattfand.
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung von Halbwaisenrente über den 30. September 2016 hinaus. Die angefochtene und dieses Begehren ablehnende Verwaltungsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Das SG hatte daher der Klage zu Recht stattgeben.
Gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII erhalten Kinder von verstorbenen Versicherten eine Halbwaisenrente, wenn sie noch einen Elternteil haben. Diese Rente wird nach dessen Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gezahlt. Bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres wird sie gezahlt (Nr. 2), wenn die Waise sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet (Buchst. a) oder sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchst. c liegt (Buchst. b), oder einen freiwilligen Dienst im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d des Einkommensteuergesetzes (EStG) leistet (Buchst. c) oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (Buchst. d). Eine Schulausbildung oder Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 liegt nur vor, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen Aufwand von wöchentlich mehr als zwanzig Stunden erfordert (§ 67 Abs. 3 Satz 2 SGB VII). Der tatsächliche zeitliche Aufwand ist ohne Bedeutung für Zeiten, in denen das Ausbildungsverhältnis trotz einer Erkrankung fortbesteht und damit gerechnet werden kann, dass die Ausbildung fortgesetzt wird (§ 67 Abs. 3 Satz 3 SGB VII). Das gilt auch für die Dauer der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG, § 67 Abs. 3 Satz 4 SGB VII). Der Anspruch auf Waisenrente endet nicht dadurch, dass die Waise als Kind angenommen wird (§ 67 Abs. 5 SGB VII). Die Rente beträgt nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII 20 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes für eine Halbwaise. Liegen bei einem Kind die Voraussetzungen für mehrere Waisenrenten aus der Unfallversicherung vor, wird nur die höchste Rente gezahlt und bei Renten gleicher Höhe diejenige, die wegen des frühesten Versicherungsfalls zu zahlen ist (§ 68 Abs. 3 SGB VII).
§ 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII umschreibt den Entstehenstatbestand des subjektiven Rechts auf Halbwaisenrente nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Wie in allen sozialrechtlichen (Dauer-)Schuldverhältnissen ist auch im Waisenrentenrecht dieses Teilrechtsgebietes des Sozialrechts zwischen dem Entstehen des subjektiven Rechts, also dem Stammrecht, und den sich daraus ergebenden Einzelansprüchen im Sinne des § 194 BGB zu unterscheiden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Juni 2003 - B 4 RA 37/02 -, SozR 4-2600 § 48 Nr. 2, Rz. 16). Diese Ansprüche sind bestimmungsgemäße Rechtsfrüchte im Sinne des § 99 Abs. 2 BGB. Das subjektive Recht auf Halbwaisenrente besteht solange fort, wie aus ihm noch Zahlungsansprüche entstehen können. Ob und wie lange das subjektive Recht auf Halbwaisenrente solche Ansprüche hervorbringt, bestimmt das materielle Recht in Abhängigkeit von Altersgrenzen unterschiedlich. Ohne weitere Voraussetzungen entstehen monatliche Zahlungsansprüche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII), für die Zeit danach bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres indes nur, sofern kein Verlängerungstatbestand im Sinne des § 67 Abs. 4 SGB VII gegeben ist, wenn die Waise wegen eines anerkannten Grundes gehindert war, ihren Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren (§ 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VII; vgl. Keller, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VII, Stand: Juli 2015, § 67 Rz. 19). Soweit dies nicht der Fall ist, können monatliche Zahlungsansprüche aus dem Stammrecht nicht entstehen.
Für die Zeit des am 1. Oktober 2016 aufgenommenen Studiums für das Lehramt an Realschulen mit den Hauptfächern Französisch, Geographie und Erziehungswissenschaften, welches die Klägerin seither durchweg betrieben hat, stehen ihr monatliche Ansprüche auf Halbwaisenrente nach dem Tod ihres leiblichen Vaters am 11. Mai 2001 zu. Die im Zeitpunkt der Aufnahme dieses Hochschulstudiums über 18 Jahre alte Klägerin, die sich aktuell im 23. Lebensjahr befindet, kann sich auf den Erwerbshinderungsgrund des § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 SGB VII berufen, da sie sich mit ihrem Lehramtsstudium in einer Berufsausbildung befindet.
Der Begriff der Berufsausbildung wird in § 67 SGB VII selbst nicht definiert und wurde auch in dessen Vorgängervorschrift, § 595 Abs. 2 Satz 1 RVO, nicht bestimmt. § 67 Abs. 3 Satz 2 SGB VII verlangt nur, dass die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als zwanzig Stunden erfordert. Seine Bedeutung muss daher aus dem Wortsinn sowie unter Beachtung des systematischen Zusammenhanges und des Zweckes der Regelung erschlossen werden. Den Normen des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung liegt ein eigenständiger Begriff der Berufsausbildung zugrunde, weshalb auf die aus anderen Bereichen des Sozialrechts geläufigen Begriffsbestimmungen bei der Auslegung nicht ohne Weiteres zurückgegriffen werden kann (vgl. hierzu und zum Folgenden: BSG, Urteil vom 7. Februar 2006 - B 2 U 3/05 R -, SozR 4-2700 § 90 Nr. 1, Rz. 15 f. m. w. N.). Nach dem Wortsinn dient eine Berufsausbildung der Vermittlung oder dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, die zur späteren Ausübung des Berufes benötigt werden. Daran anknüpfend ist stets eine geregelte, zu einem qualifizierten beruflichen Abschluss führende Ausbildung vorausgesetzt. Dieses Begriffsverständnis deckt sich mit der im Berufsbildungsgesetz (BBiG) beschriebenen Aufgabenstellung, nach der die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen hat (§ 1 Abs. 3 BBiG). Nicht als Berufsausbildung zu werten ist im Gegensatz dazu eine bloße berufliche Weiterbildung zur Erlangung eines bestimmten Status oder zur Verbesserung der Qualifikation und der beruflichen Chancen und Verdienstmöglichkeiten; und zwar auch dann nicht, wenn während der Weiterbildungsphase, vergleichbar einer Ausbildungssituation, die reguläre Berufstätigkeit unterbrochen und ein niedrigeres Entgelt bezogen wird. Diese Abgrenzung findet ihre Entsprechung ebenfalls im BBiG, wo zwischen Berufsausbildung auf der einen und beruflicher Fortbildung (§ 1 Abs. 4 BBiG) auf der anderen Seite unterschieden wird. Ein Hochschulstudium ist ein Teil der Berufsausbildung, wenn damit ein bestimmter beruflicher Abschluss erzielt werden kann und eine Immatrikulation als ordentlich studierende Person erfolgt (Jentsch, in: jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 67 Rz. 45). Die Klägerin nahm zum Wintersemester 2016/2017, welches am 1. Oktober 2016 begann, mittels Immatrikulation an der J.-M.-Universität W. ein Studium für das Lehramt an Realschulen mit den Hauptfächern Französisch, Geographie und Erziehungswissenschaften auf, welches sie durchweg betrieben hat und mit der Ersten Staatsprüfung (§§ 7 ff. der Lehramtsprüfungsordnung I - LPO I vom 13. März 2008, GVBl. S. 180) abschließt. Sie befindet sich damit seit 1. Oktober 2016 nach ihrer Ausbildung zur staatlich anerkannten Physiotherapeutin in einer weiteren, zweiten Berufsausbildung.
Die Waisenrente hat zwar wie andere Hinterbliebenenleistungen eine unterhaltsersetzende Funktion (vgl. BVerfG, Urteil des Erstens Senats vom 12. März 1975 - 1 BvL 15/71 u. a. -, juris, Rz. 75; Jentsch, a. a. O., Rz. 21), weshalb die Zahlung dieser Rente anteilig (§ 68 Abs. 1 SGB VII) den Ausfall eines typisierend unterstellten gesetzlichen Unterhaltsanspruches gegen die Versicherten (§§ 1601 ff. BGB) ausgleichen soll, solange ein anerkannter Erwerbshinderungsgrund besteht. Die vom BSG für das Halbwaisenrecht nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung vorgenommene Auslegung, wonach eine Berufsausbildung immer dann beendet ist, wenn der erste auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Abschluss erreicht ist (BSG, Urteil vom 18. Juni 2003 - B 4 RA 37/02 -, SozR 4-2600 § 48 Nr. 2, Rz. 23 m. w. N.), findet, anders als gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, wonach der überlebende Elternteil unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig sein muss, weder im Wortlaut als Grenze der Auslegung (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 12 KR 4/11 R -, SozR 4-2500 § 257 Nr. 1, Rz. 22 m. w. N.) von § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, wo die Unterhaltspflicht nicht ausdrücklich angeführt ist, noch in § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SGB VII eine hinreichende Stütze. Wegen der sonstigen Kriterien der Auslegung nach der juristischen Methodenlehre (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 320 ff.). wird zudem auf die Begründung des SG in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, welcher sich der Senat nach eigener Überzeugungsbildung anschließt und von einer Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit absieht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist, auch im Hinblick auf die weitere Darlegung der Beklagten im Berufungsverfahren, auszuführen, dass entgegen ihrer Auffassung die Regelung der Unterhaltspflicht im bürgerlichen Recht bei der Vorbildung zu einem Beruf nach § 1610 Abs. 2 BGB nicht einschlussweise in § 67 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SGB VII enthalten und daher bei der Auslegung dieser Vorschrift unmaßgeblich ist. Die Waisenrente für eine Berufsausbildung hängt im Unterschied zu dem bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch des § 1610 Abs. 2 BGB folglich nicht davon ab, ob Unterhaltsbedürftigkeit auf der einen und Unterhaltsfähigkeit auf der anderen Seite bestehen (vgl. auch BSG, Urteil vom 7. Juli 1965 - 12 RJ 180/62 -, BSGE 23, 166 (167)). Diese dem gesamten Unterhaltsrecht eigentümlichen Voraussetzungen fehlen dem Waisenrentenrecht nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Dieses Hinterbliebenenrentenrecht hat sich demgegenüber durch den Verzicht auf die genannten Unterhaltsvoraussetzungen vom bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrecht gelöst (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 13. März 2014 - L 17 U 269/13 -, juris, Rz. 25; Keller, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VII, Stand: Juli 2015, § 67 Rz. 33; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. März 2010 - L 3 U 208/08 -, juris, Rz. 34 und 37). Wo solche Vorschriften maßgeblich sein sollen, ist dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt, etwa für die Witwen- und Witwerrente an frühere Ehegatten nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung in § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII.
Das Studium der Klägerin für das Lehramt an Realschulen mit den Hauptfächern Französisch, Geographie und Erziehungswissenschaften an der J.-M.-Universität W. erfordert einen tatsächlichen Aufwand von wöchentlich mehr als zwanzig Stunden. Nach dem Rahmenstrukturplan "Lehramt an Realschulen" dieser Hochschule beträgt der Gesamtumfang in diesem Studiengang 210 Punkte nach dem European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS), also dem Europäisches System zur Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen. Bei 30 ECTS-Punkten, die idealerweise je Semester erworben werden sollen, ergibt sich eine Regelstudienzeit von sieben Semestern. Vor dem Hintergrund des bayerischen Fachlehrerprinzips werden von der Klägerin mit den Hauptfächern Französisch und Geographie zwei Unterrichtsfächer im Umfang von je 72 ECTS-Punkten studiert, wobei je Unterrichtsfach 60 ECTS-Punkte auf die Fachwissenschaften und je 12 ECTS-Punkte auf die zugehörige Fachdidaktik entfallen. Daneben umfasst das von ihr betriebene Studium die Erziehungswissenschaften, Praktika, die schriftliche Hausarbeit als Zulassungsarbeit und den Freien Bereich als lehramtsspezifischen Wahlbereich (vgl. im Internet unter "www.zfl.uni-wuerzburg.de/das lehramtsstudium/die einzelnen lehramtsstudiengaenge/realschule/). Vor diesem Hintergrund ist der Senat überzeugt, dass sie das Hochschulstudium mit einem tatsächlichen Aufwand von wöchentlich mehr als zwanzig Stunden betreibt. Der Bevollmächtigte der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung beim LSG bestätigt, dass es sich um ein Vollzeitstudium handelt, welches von dieser mit einem zeitlichen Umfang von mehr als zwanzig Wochenstunden auch aktuell betrieben wird. Von einer Wahrnehmung des gerichtlichen Termins in der Berufungsinstanz hatte sie Abstand genommen, da sie sich wegen des Anfang Oktober 2017 begonnenen Wintersemesters 2017/18 bereits wieder am Studienort aufgehalten hat. Keine Anspruchsvoraussetzung ist, dass die Klägerin mit dem Versicherten zum Zeitpunkt seines Todes in einem Haushalt zusammenlebte, weshalb unerheblich ist, dass sie bei ihrer Mutter und deren neuem Lebenspartner und damit in einer anderen Unterkunft als der Versicherte wohnte.
Damit ist das von der Klägerin am 1. Oktober 2016 aufgenommene Lehramtsstudium als zweite Berufsausbildung nach derjenigen zur staatlich anerkannten Physiotherapeutin ein Erwerbshinderungsgrund im Sinne des § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 SGB VII.
Die Beklage ist passivlegitimiert, also richtige Anspruchsgegnerin, da sie für Hinterbliebenenleistungen des Versicherten nach § 114 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 121 Abs. 1, § 133 Abs. 1, § 136 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit Nr. 8 der Anlage 1 zu § 114 SGB VII in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr. 1, § 37 Abs. 1, § 46 Abs. 1, § 99 ihrer mit Wirkung zum 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Satzung verbandszuständig ist; der Versicherte war Mitglied der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen, einer Rechtsvorgängerin der beklagten Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nach alledem hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Halbwaisenrente über den 30. September 2016 hinaus bis aktuell, weshalb deren Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Im Hinblick auf die nicht einheitliche Rechtsprechung der Landessozialgerichte zu der Rechtsfrage, ob eine Zweitausbildung eine Berufsausbildung im Sinne des Waisenrentenrechts der gesetzlichen Unfallversicherung ist, dient eine höchstrichterliche Klärung dem allgemeinen Interesse an der Wahrung der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung.
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