L 11 EG 2246/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 EG 4019/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 2246/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.05.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).

Am 20.02.2015 beantragte die Klägerin für ihren am 25.01.2015 geborenen Sohn J. Elterngeld für den 1.-12. Lebensmonat bei der Beklagten. Im Antrag gab sie an, dass ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland sei. Der Ehemann der Klägerin (E) gab an, dass er nach Brasilien versetzt worden und dort erwerbstätig sei. Die Klägerin erklärte in einer Anlage zum Antrag, dass E seit 01.02.2015 bis voraussichtlich 31.01.2018 bei M.-B. do Brasil Ltda, einer Tochtergesellschaft der D. AG, in Brasilien tätig sei. Es handle sich bei dem Auslandseinsatz um eine Versetzung, die vertraglich von vornherein zeitlich befristet sei. Während des Auslandseinsatzes bestehe der ursprüngliche Arbeitsvertrag im Inland mit der E. GmbH (- ebenfalls eine Tochtergesellschaft der D. AG -) fort, ergänzt um einen zusätzlichen Auslandsvertrag mit der D. AG. Des Weiteren habe aufgrund der Einreisebestimmungen ein lokaler Vertrag mit der M.-B. do Brasil Ltda geschlossen werden müssen, jedoch habe der deutsche Arbeitsvertrag gegenüber dem lokalen Vertrag Vorrang. Es bestehe ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung, des Weiteren eine Anwartschaftsversicherung bei der bisherigen gesetzlichen Krankenkasse. Die gemeinsame Wohnung in S. werde aufrechterhalten.

Die Klägerin war bei der A. K. GmbH & Co KG beschäftigt und bezog vom 11.12.2014 bis 22.03.2015 einen Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld iHv 72,29 EUR kalendertäglich. Die A. Baden-Württemberg, bei der die Klägerin gesetzlich versichert war, zahlte im gleichen Zeitraum kalendertäglich 13 EUR Mutterschaftsgeld. Ab dem 11.12.2014 bezog die Klägerin kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit.

Mit Schreiben vom 24.02.2015 forderte die Beklagte von der Klägerin weitere Angaben zum Aufenthalt in Deutschland und zur Entsendung ihres Ehemannes. Die Klägerin teilte mit, dass sie sich ab Geburt des Kindes bis 31.01.2018 zu 50 % in Deutschland und zu 50 % in Brasilien aufhalten werde. Beigefügt war eine Bestätigung der D. AG, wonach E vom 01.02.2015 bis 31.01.2018 bei der brasilianischen Einsatzgesellschaft tätig sei. Träger der Personal- und Sachkosten sei zu 100 % die Einsatzgesellschaft. Das tägliche Weisungsrecht obliege der Einsatzgesellschaft. Eine Entsendung im Sinne von § 4 SGB IV liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 17.03.2015 lehnte die Beklagte die Gewährung von Elterngeld ab. Zur Begründung führte sie aus, dass Anspruch auf Elterngeld nur bestehe, wenn die Klägerin ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe oder sie als Ehegatte eines entsandten Arbeitnehmers gemäß § 4 SGB IV dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliege. Dies sei hier nicht der Fall.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren teilte die Personalabteilung der D. AG der Beklagten mit, dass E zunächst alleine zum 01.02.2015 nach Brasilien gereist sei. Die Klägerin und das Kind seien erst am 13.03.2015 nachgereist. Daraufhin gewährte die Beklagte der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 26.05.2015 Elterngeld für den zweiten Lebensmonat des Kindes (25.02.2015 bis 24.03.2015) unter Anrechnung von Mutterschaftsgeld iHv 128,57 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2015 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin ab dem 13.03.2015 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe. Nach Aktenlage liege auch bezüglich E keine Entsendung gemäß § 4 SGB IV vor. Lediglich die Rentenversicherungspflicht in Deutschland bestehe aufgrund einer eigens hierfür eingeholten Ausnahmegenehmigung der DVKA fort.

Hiergegen hat die Klägerin am 24.07.2015 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.05.2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin seit dem 13.03.2015 weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, sondern in Brasilien habe. Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten würden die Feststellungen der Rückkehrabsicht und der Möglichkeit der jederzeitigen Rückkehr in die Wohnung nicht ausreichen, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen. Auch kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen und daher nicht zwischenzeitliches Wohnen in der bisherigen Wohnung bedeuten würden, könnten daran nichts ändern. Die Klägerin habe sich die weit überwiegende Zeit im Zeitraum vom 25.03.2015 bis 24.01.2016 in Brasilien aufgehalten. Zudem liege keine Entsendung des E gemäß § 4 SGB IV vor. Hierfür wäre regelmäßig Voraussetzung, dass der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleibe, wesentliche Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses erfüllt würden und sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den inländischen Arbeitgeber richte. Nach der Bescheinigung des Arbeitgebers des E trage die Einsatzgesellschaft in Brasilien die Sach- und Personalkosten des Einsatzes zu 100 %. Auch das tägliche Weisungsrecht obliege der Einsatzgesellschaft. Eine Entsendung nach § 4 SGB IV sei vom Arbeitgeber des E explizit verneint worden. Eine entsprechende Anwendung der Ausnahme bezüglich der Entsendung auf den vorliegenden Fall scheide aus. Auf die ständige Rechtsprechung des Senats werde verwiesen.

Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 18.05.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 18.06.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie im hier streitgegenständlichen Zeitraum einen inländischen Wohnsitz inne gehabt habe. Es sei zuzugestehen, dass sie sich im Zeitraum vom 25.03.2015 bis 24.01.2016 quantitativ häufiger in Brasilien als in Deutschland aufgehalten habe. Dies sei aber kein alleiniges Indiz dafür, dass keine hinreichend intensive Beziehung zum Inland vorgelegen habe. Bei den Aufenthalten in der Wohnung in S. habe der Wohnaufenthalt im Vordergrund gestanden, um ihrem Sohn eine sichere und ruhige Lebensatmosphäre bereiten zu können und mit ihm die vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchungen in Deutschland durchzuführen. Zum anderen sei von vornherein beabsichtigt gewesen, dass sie sich im Falle einer weiteren Schwangerschaft überwiegend in Deutschland aufhalten würde, um gesundheitliche Risiken für das ungeborene Kind auszuschließen. Diese Schwangerschaft sei schon im hier maßgeblichen Zeitraum geplant gewesen. Sie habe sich allerdings zufällig erst ab April 2016 verwirklicht. Bei Antragstellung sei eine frühere Schwangerschaft möglich gewesen. Auf eine solche Prognose komme es maßgeblich an. Die Klägerin trägt vor, sie habe im hier maßgeblichen Zeitraum alle Voraussetzungen in Deutschland geschaffen, um unmittelbar nach Kenntnis der Schwangerschaft nach Deutschland kommen zu können. Deshalb habe sie sich nicht nur zu Besuchszwecken, sondern auch zur Vorbereitung auf die Schwangerschaft in Deutschland aufgehalten. Eine hinreichend intensive Beziehung zum Inland sei damit gegeben. Außerdem sei der Jahreszeitraum völlig willkürlich. Die Klägerin ist weiter der Ansicht, dass die Voraussetzungen einer Entsendung nach § 1 Abs 2 S 1 Nr 1 BEEG iVm § 4 SGB IV beim E vorliegen würden. Der Einsatz des E sei von vornherein zeitlich begrenzt gewesen. Ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis im Inland bestehe. E arbeite zwar bei der Einsatzgesellschaft in Brasilien und erbringe die geschuldete Arbeitsleistung gegenüber der Einsatzgesellschaft. Das Arbeitsverhältnis des E bleibe aber mit der Heimatsgesellschaft für die Dauer des internationalen Einsatzes mit allen Rechten und Pflichten bestehen. E könne von der Heimatsgesellschaft nach Deutschland zurückgerufen werden. Der Arbeitsentgeltanspruch richte sich - jedenfalls zum Teil - auch gegen den inländischen Arbeitgeber. E erhalte ca 75 % seiner Vergütung über die Einsatzgesellschaft in Brasilien, den Rest von der Heimatgesellschaft. E bleibe organisatorisch auch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert. Er berichte regelmäßig an den Leiter der D. Busentwicklung weltweit/Geschäftsführer Entwicklung E. in Deutschland. Zudem reise E regelmäßig für ein- bis zweiwöchige Arbeitsaufenthalte nach Deutschland, im Zeitraum April 2015 bis Januar 2016 allein siebenmal.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.05.2016 aufzuheben, den Bescheid vom 17.03.2015 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 26.05.2015 und des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für den 3. bis 12. Lebensmonat ihres am 25.01.2015 geborenen Sohnes Elterngeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom Bescheid vom 17.03.2015 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 26.05.2015 und des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2015, mit dem der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Elterngeld ab dem 3. Lebensmonat ihres am 25.01.2015 geborenen Kindes J. mangels Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland abgelehnt worden ist.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung von weiterem Elterngeld.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich allein nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (( BEEG ); Gesetz vom 05.12.2006, BGBl I 2748) in der ab 01.01.2015 gültigen Fassung. Das zwischenstaatliche Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Förderativen Republik Brasilien über Soziale Sicherheit vom 03.12.2009 (BGBl II 2010, 920) enthält keine Bestimmungen zum Elterngeld. In Art 2 des Abkommens ist zum sachlichen Geltungsbereich geregelt, dass sich das Abkommen auf die deutschen Rechtsvorschriften über die Unfallversicherung, die Rentenversicherung, die hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und die Alterssicherung für Landwirte bezieht.

Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4).

Gem § 4 Abs 5 BEEG kann ein Elternteil höchstens zwölf Monatsbeträge Elterngeld zuzüglich vier zustehende Monatsbeträge Elterngeld Plus beziehen. Er kann Elterngeld nur beziehen, wenn er es mindestens für zwei Monate in Anspruch nimmt. Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 BEEG anzurechnende Leistungen zustehen, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Elterngeld bezieht.

Die genannten Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Zwar lebte sie im hier streitigen Zeitraum mit ihrem am 25.01.2015 geborenen Sohn J. in einem Haushalt zusammen und erzog und betreute dieses Kind selbst. Sie übte in den ersten zwölf Lebensmonaten auch keine Erwerbstätigkeit aus. Die Klägerin hatte jedoch ab dem 13.03.2015 bis mindestens 24.01.2016 weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.

Zur Auslegung des Begriffs des Wohnsitzes in § 1 Abs 1 Nr 1 BEEG ist die allgemein im Sozialrecht geltende Regelung des § 30 Abs 3 SGB I heranzuziehen. Dabei sind gemäß § 37 Satz 1 iVm § 68 Nr 15 SGB I die Besonderheiten des BEEG zu berücksichtigen (BSG 30.09.2010, B 10 EG 9/09 R, juris-RdNr 56). Dementsprechend ist der Begriff des Wohnsitzes bzw des gewöhnlichen Aufenthaltes hier nicht nur der sachliche Anknüpfungspunkt für den persönlichen Anwendungsbereich der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs bzw der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs. Es handelt sich vielmehr um ein materielles Tatbestandsmerkmal (vgl Schlegel in jurisPK-SGB I, § 30 RdNr 14).

Nach § 30 Abs 3 Satz 1 SGB I hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Dabei sind die objektiven Verhältnisse entscheidend, die den Schluss auf den Willen zur Wohnsitzbegründung zulassen müssen (Buchner/Becker in Mutterschutzgesetz, Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 8. Auflage, § 1 BEEG RdNr 7). Die polizeiliche Meldung allein reicht nicht aus (BSG 10. 12.1985, 10 RKg 14/85, SozR 5870 § 2 Nr 44). Ob die Voraussetzungen des § 30 Abs 3 Satz 1 SGB I vorliegen, ist im Wege der vorausschauenden Betrachtungsweise zu beurteilen. Denn die Rechtsprechung des BSG bezieht in die Beantwortung der Frage, wann diese Voraussetzungen vorliegen, auch ein prognostisches Element mit ein. Dies gilt auch für die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthaltes, den jemand dort hat, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs 3 Satz 2 SGB I). Die Bejahung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland nach § 30 Abs 3 SGB I hängt daher auch von einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts einer Person in Deutschland ab (BSG 03.12.2009, B 10 EG 6/08 R, SozR 4-7833 § 1 Nr 10).

Ein Doppelwohnsitz im In- und Ausland bzw ein Auseinanderfallen von Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt soll nach der Rechtsprechung des BSG im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) möglich sein, erfordert jedoch hinreichend intensive Beziehungen zum Inland (Schlegel in jurisPK-SGB I, § 30 RdNr 41 mit Verweis auf BSG 28.02.1980, 8b RKg 6/79, SozR 5870 § 1 Nr 7). Eine vorübergehende räumliche Trennung vom Wohnort steht der Beibehaltung eines Wohnsitzes nicht entgegen. Allerdings reicht die Feststellung, dass ein Auslandsaufenthalt ausschließlich der Durchführung einer zeitlich befristeten Maßnahme dient und der Betroffene die Absicht hat, nach dem Abschluss der Maßnahme zurückzukehren, allein nicht aus, vom Fortbestand des bisherigen Wohnsitzes während des Auslandsaufenthalts auszugehen. Die Feststellung der Rückkehrabsicht besagt grundsätzlich nichts darüber, ob der Inlandswohnsitz während des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes beibehalten oder aufgegeben und nach der Rückkehr neu begründet wird. Der Inlandswohnsitz wird in solchen Fällen nur dann beibehalten, wenn der Betroffene entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat (keine Wohnsitzbegründung am Ort des Auslandsaufenthalts) oder er zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, er aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse verfügt (zwei Wohnsitze) und einer davon am bisherigen Wohnort liegt (BSG 28.05.1997, 14/10 RKg 14/94, SozR 3-5870 § 2 Nr 36 zum Kindergeld). Dabei kann die Unterhaltung der Wohnung im Inland mit der jederzeitigen Möglichkeit der dauerhaften Rückkehr hierfür genügen (BSG 26.07.1979, 8b RKg 12/78, SozR 5870 § 1 Nr 4 zum Kindergeld). Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten, reichen die Feststellung der Rückkehrabsicht und der Möglichkeit der jederzeitigen Rückkehr in die Wohnung allerdings allein nicht aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen (BSG 28.05.1997, 14/10 RKg 14/94, SozR 3-5870 § 2 Nr 36). Auch kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen und daher nicht "zwischenzeitliches Wohnen" in der bisherigen Wohnung bedeuten, ändern daran nichts (BSG 28.05.1997, 14/10 RKg 14/94, SozR 3-5870 § 2 Nr 36 mwN; ebenso BFH 14.10.2011, III B 202/10, juris, zu § 8 der Abgabenordnung mwN). Die Annahme der Jahresfrist als Differenzierungskriterium ist auch nicht willkürlich.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hatte die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum vom 13.03.2015 bis mindestens 24.01.2016 keinen inländischen Wohnsitz und keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs 3 SGB I in Deutschland. Die Klägerhin hielt sich ab 13.03.2015 überwiegend in Brasilien auf, weil ihr Ehemann für die geplante Dauer von 3 Jahren ab 01.02.2015 bei dem in Brasilien ansässigen Tochterunternehmen der D. AG, der M.-B. do Brasil Ltda beschäftigt war. Die Klägerin flog am 13.03.2015 zusammen mit ihrem Sohn nach Brasilien und hielt sich ab dann mit der gesamten Familie dort auf. Dies entnimmt der Senat unter anderem den eigenen Angaben der Klägerin im Berufungsverfahren. Der Lebensmittelpunkt der Klägerin befand sich damit in Brasilien. Das Ehepaar hatte zwar seine Wohnung in Deutschland nicht aufgegeben. Diese war vollständig eingerichtet und konnte genutzt werden. Auch fielen für die Wohnung übliche Kosten an (u.a. Miete und Strom). E war jedoch vertraglich in Brasilien gebunden und war nicht in der Lage, ohne Vertragsbruch frei über das Ende seines Auslandsaufenthalts zu entscheiden (anders in dem vom BSG am 26.07.1979 entschiedenen Fall, 8b RKg 12/78, SozR 5870 § 1 Nr 4 zum Kindergeld). Die Wohnung in Deutschland wurde auch lediglich für kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken von der Klägerin genutzt. Das steht für den Senat aufgrund der eigenen Angaben der Klägerin fest. So nahm die Klägerin ua ärztliche Termine für sich und ihren Sohn (zB Vorsorgeuntersuchungen) in Deutschland war. E war mehrfach in Deutschland aufgrund dienstlicher Termine bei der D. AG. Dies ist jedoch hier nicht relevant. Entscheidend ist vielmehr, dass sich nicht nur die Klägerin, sondern auch ihr Ehemann und ihr Sohn die überwiegende Zeit in Brasilien aufhielten. Damit hatte die Klägerin ihren Lebensmittelpunkt an den Einsatzort ihres Ehemannes in Brasilien verlagert und hielt sich dort - auch aus prognostischer Sicht - nicht nur vorübergehend auf. Bestätigt wird diese Wertung von den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten in der Berufungsbegründung. Dort stellte er klar, dass die Klägerin sich im hier maßgeblichen Zeitraum quantitativ häufiger in Brasilien als in Deutschland aufgehalten hat.

Der Vortrag, dass die Klägerin schon innerhalb des hier maßgeblichen Zeitraums eine weitere Schwangerschaft geplant habe und mit Beginn dieser Schwangerschaft aufgrund gesundheitlicher Risiken in Brasilien die überwiegende Zeit wieder in Deutschland habe wohnen wollen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Gleiches gilt für den Vortrag, dass die Klägerin in ihren Besuchszeiten in Deutschland die Wohnung für eine weitere Schwangerschaft vorbereitet habe. Diesen Vortrag unterstellt Senat als zutreffend. Eine Beweiserhebung ist deshalb nicht erforderlich. Tatsächlich wurde die Klägerin aber erst im April 2016 wieder schwanger, so dass sie sich auch erst seither wieder überwiegend in Deutschland aufhält. Dies entnimmt der Senat der Berufungsbegründung. Es ist für den Senat zudem offensichtlich, dass der tatsächliche Eintritt einer geplanten Schwangerschaft nicht konkret absehbar ist. Aus diesem Umstand kann deshalb auch keine Prognose bezüglich des Lebensmittelpunkts entnommen werden. Vielmehr handelt es sich dabei ausschließlich um eine familieninterne Planung ohne Auswirkung auf den Wohnsitz.

Auch die Voraussetzungen des § 1 Abs 2 Satz 1 BEEG sind nicht erfüllt. Danach hat Anspruch auf Elterngeld auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr 1 zu erfüllen, nach § 4 SGB IV dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist (Nr 1), Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes H., der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e.V., des Deutschen katholischen Missionsrates oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist (Nr 2) oder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt (Nr 3). Dies gilt auch für mit der nach Satz 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten, Ehegattinnen, Lebenspartner oder Lebenspartnerinnen (§ 1 Abs 2 Satz 2 BEEG).

Keiner der genannten Ausnahmetatbestände des § 1 Abs 2 BEEG ist vorliegend erfüllt. E unterlag insbesondere nicht nach § 4 SGB IV dem deutschen Sozialversicherungsrecht gem § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1, Satz 2 BEEG.

Nach § 4 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 4 SGB IV setzt ein fortbestehendes Versicherungspflichtverhältnis zunächst voraus, dass vor Beginn der Entsendung ein Beschäftigungsverhältnis mit dem entsendenden Arbeitgeber in Deutschland bestanden hat (BT-Drucks 7/4122, 30; BSG 05.12.2006, B 11a AL 3/06 R, SozR 4-2400 § 4 Nr 1 mwN). Erforderlich ist ferner, dass das Beschäftigungsverhältnis während der Zeit der Entsendung fortbesteht und dass es nach Beendigung der Entsendung weiter geführt werden soll, weshalb § 4 Abs 1 SGB IV eine "im Voraus" feststehende zeitliche Begrenzung fordert (BSG 05.12.2006, B 11a AL 3/06 R, SozR 4-2400 § 4 Nr 1 mwN). Maßgebend ist, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt (BSG 05.12.2006, B 11a AL 3/06 R, SozR 4-2400 § 4 Nr 1 mwN). Voraussetzung ist regelmäßig, dass der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleibt, wesentliche Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses (vgl § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV) erfüllt werden und sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den inländischen Arbeitgeber richtet (BSG 05.12.2006, B 11a AL 3/06 R, SozR 4-2400 § 4 Nr 1 mwN). Bei der Entsendung zu einem rechtlich selbstständigen Unternehmen innerhalb eines Konzerns, aber auch bei der Entsendung zu einer rechtlich und selbständigen Zweigniederlassung eines Unternehmens, bestimmt sich der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses nach den tatsächlichen Merkmalen der Beschäftigung und nicht nach dem Arbeitsvertrag mit dem entsendenden Unternehmen.

Gemessen an diesen Voraussetzungen lag der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses des E in Brasilien. Eine echte Entsendung lag nicht vor. Die vorgelegte Bescheinigung der inländischen Arbeitgeberin vom 09.03.2015 enthält eine zutreffende Beschreibung des Sachverhalts, indem sie deutlich macht, dass keine Entsendung vorgelegen hat. Die Arbeitgeberin bescheinigt und davon geht der Senat aus, dass Träger der Personal- und Sachkosten zu 100 % die Einsatzgesellschaft in Brasilien war und das tägliche Weisungsrecht ebenfalls der Einsatzgesellschaft oblag.

E war ab 01.02.2015 bei einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft der D. AG als "E3 Produktentwicklung" beschäftigt. Schon die rechtliche Selbstständigkeit der Einsatzgesellschaft in einem Konzern spricht gegen eine Ausstrahlung im Sinne des § 4 SGB IV (vgl BSG 05.12.2006, B 11a AL 3/06 R, SozR 4-2400 § 4 Nr 1; Urteile des Senats vom 17.07.2012, L 11 EG 2929/10; 22.01.2013, L 11 EG 3335/12).

Unter Zugrundelegung der im Klageverfahren (auszugsweise) vorgelegten Vereinbarung für den internationalen Einsatz sowie der eigenen Stellungnahme der Klägerin im Verwaltungsverfahren vom 10.03.2015 steht für den Senat fest, dass zwischen E und M.-B. do Brasil Ltda ein eigener Arbeitsvertrag geschlossen worden ist, die geschuldete Arbeitsleistung gegenüber der Einsatzgesellschaft in Brasilien erbracht wird, das Weisungsrecht (auch bezüglich Tätigkeit und Arbeitsort) bei der Einsatzgesellschaft in Brasilien lag, sich die deutsche Gesellschaft aber vorbehalten hat, E während der Dauer des Einsatzes zurück zu berufen, sofern organisatorische oder andere Gründe dies erforderlich machen würden. Der Auslandseinsatz war auf drei Jahre befristet.

Der Umstand, dass möglicherweise ein eigenständiger Entgeltanspruch gegenüber der D. AG bestand, führt im konkreten Fall nicht zur Annahme einer Entsendung gem § 4 SGB IV. Denn zum einen erhielt E tatsächlich gerade nicht sein vollständiges Arbeitsentgelt von der deutschen Gesellschaft, sondern schon nach eigenen Angaben überwiegend von der brasilianischen Tochtergesellschaft. Zum anderen hat die Arbeitgeberin bescheinigt, dass Träger der Personal- und Sachkosten zu 100 % die Einsatzgesellschaft in Brasilien ist. Mögliche konzerninterne Finanzausgleiche sind unerheblich (BSG 05.12.2006, B 11a AL 3/06 R, SozR 4-2400 § 4 Nr 1).

Für den Senat steht nach Auswertung sämtlicher vorliegenden Unterlagen und Angaben der Beteiligten eindeutig fest, dass der Schwerpunkt des tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisses bei der ausländischen Gesellschaft lag. Das inländische Arbeitsverhältnis mit der D. AG tritt hierbei in den Hintergrund. Denn es fehlt diesbezüglich an tatsächlichen Beschäftigungsmerkmalen und an einer wesentlichen tatsächlichen Eingliederung in den inländischen Betrieb.

Eine entsprechende Anwendung des § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BEEG auf den vorliegenden Fall scheidet aus. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ist Voraussetzung, dass § 4 SGB IV erfüllt ist. Eine erweiternde Auslegung der elterngeldrechtlichen Regelungen kommt nicht in Betracht (Buchner/Becker, BEEG, § 1 RdNr 18).

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht (vgl Senaturteil vom 24.03.2015, L 11 EG 272/14).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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