L 11 R 3450/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 25 R 6730/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3450/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.08.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1960 geborene Klägerin ist gelernte Hauswirtschaftsleiterin. Sie arbeitete viele Jahre in der elterlichen Bäckerei mit, ab 1999 dann in verschiedenen Altersheimen in Großküchen, zuletzt in leitender Funktion im G. L. Seniorenstift. Danach war sie wiederum als Bäckereiverkäuferin tätig, zuletzt bis 31.10.2011 (Auslaufen eines befristeten Vertrags). Ab 03.11.2011 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld, vom 24.10. bis 26.11.2012 Übergangsgeld und anschließend Krankengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs. Vom 01.01. bis 30.09.2015 bezog sie Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende, seither lebt sie von dem Erlös ihres Hausverkaufs. Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung von 40 vH anerkannt seit 24.04.2012 (Bescheid vom 12.07.2012). Im Wege eines gerichtlichen Vergleichs wurde der GdB auf 50 vH erhöht ab 01.04.2014.

Aus einer vom 24.10. bis 26.11.2012 durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Z.klinik St. B. wurde die Klägerin mit den Diagnosen Persönlichkeit mit ängstlich vermeidenden und asthenischen Zügen, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, unklares Abdomen Va Appendizitis, chronisch rezidivierendes Zervikalsyndrom entlassen. Es wurde eingeschätzt, dass auch in der Tätigkeit als Bäckereiverkäuferin noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen bestehe; lediglich Tätigkeiten mit sehr ausgeprägten Anforderungen an die psychische Belastbarkeit oder mit Nachtschicht seien zu vermeiden.

Am 22.05.2013 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte ließ ein Gutachten durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. erstellen. In dem Gutachten vom 29.07.2013 wurde unter Berücksichtigung der Diagnosen leichte depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung, somatoforme Schmerzstörung, kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlichen und dependenten Anteilen ein mindestens sechststündiges Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Bäckereiverkäuferin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgestellt. Mit Bescheid vom 06.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.11.2013 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab, da die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Hiergegen richtet sich die am 28.11.2013 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage.

Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Neurologe und Psychiater Dr. Lu. sieht allenfalls eine Belastbarkeit für eine drei- bis sechsstündige Erwerbstätigkeit für leichte Tätigkeiten, nicht als Bäckereiverkäuferin (Schreiben vom 22.05.2014). Dipl.-Psych. S. verweist mit Schreiben vom 15.06.2014 auf eine aktuelle Verschlechterung und hält es nicht für vorstellbar, dass die Klägerin den psychophysischen Anforderungen selbst einer Tätigkeit als Bäckereiverkäuferin gewachsen sei. Dr. A., Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie sieht den Schwerpunkt der Leiden im psychischen Bereich, aus orthopädischer Sicht bestehe keine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit (Schreiben vom 23.05.2014). Die Hausärztin M. sieht aufgrund depressiver Symptomatik keine Arbeitsfähigkeit (Schreiben vom 24.06.2014). Das SG hat weiter das im Schwerbehindertenverfahren S 25 SB 2828/13 eingeholte nervenärztliche Gutachten von Dr. V. vom 06.04.2014 beigezogen und selbst ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. Dipl.-Psych. F. eingeholt. In dem Gutachten vom 24.01.2015 gelangt dieser zu der Einschätzung eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens für Tätigkeiten ohne besondere Verantwortung oder besondere Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit und ohne Publikumsverkehr bei Vorliegen einer gegenwärtig allenfalls leichten depressiven Störung, somatoformer Schmerzstörung, einzelnen asthenischen bzw dependenten, ängstlich vermeidenden Persönlichkeitszügen und Hinweisen auf sozialphobisches Geschehen. Auf Antrag der Klägerin hat das SG ein weiteres Gutachten bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie St. eingeholt. In dem Gutachten vom 02.09.2015 diagnostiziert Herr St. eine rezidivierende depressive Störung mittelschwerer Ausprägung, ausgeprägte sozial phobische Krankheitssymptome und kombinierte Persönlichkeitsstörung und gelangt zu der Auffassung, dass keine dreistündige Belastbarkeit mehr bestehe.

Mit Urteil vom 24.08.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten. Maßgebend sei das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet. Gestützt auf das gerichtliche Sachverständigengutachten von Dr. Dipl.-Psych. F. bestehe allenfalls eine leichte depressive Störung, was auch durch den von der Klägerin bei der Begutachtung geschilderten Tagesablauf plausibel sei. Eine Schizophrenie im engeren Sinne habe Dr. Dipl.-Psych. F. ausgeschlossen. Die am Morgen zu beobachtenden halluzinatorischen Erlebnisse seien als Trugbilder in der Übergangszeit zwischen Schlaf und Aufwachen zu sehen, die durch die Medikation der Klägerin verstärkt werden könnten und so dem physiologischen Bereich zuzuordnen und iatrogen verursacht seien. Das Gutachten des Herrn St. sei nicht überzeugend. Das Ergebnis sei nicht nachvollziehbar hergeleitet und stütze sich lediglich auf die Darstellungen der Klägerin und die Diagnosen, ohne darzustellen, inwieweit aus den Diagnosen überhaupt eine Leistungsreduzierung folge. Es bestehe auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Klägerin habe sich nicht aus gesundheitlichen Gründen von der Tätigkeit als Hauswirtschaftsleiterin gelöst und zuletzt als Bäckereiverkäuferin gearbeitet. Damit könne sie auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.

Gegen das ihren Bevollmächtigten am 01.09.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.09.2016 eingelegte Berufung der Klägerin. Entsprechend der Einschätzung ihrer behandelnden Ärzte Dr. Lu. und Dipl.-Psych. S. sowie des Gutachters St. seien die Voraussetzungen für die Rente gegeben. Das Gutachten von Dr. F. sei nicht nachvollziehbar, die Einschätzung von Herrn St. dagegen plausibel. Vom 08.03. bis 19.04.2016 habe sich die Klägerin erneut in stationärer Behandlung in der Sch.-Klinik befunden. Zwar habe eine relativ gute Stabilisierung des psychischen Zustand erreicht werden können, jedoch habe weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestanden. Insgesamt bestünden seit Jahren eine chronische Schmerzstörung und eine depressive Erkrankung, ohne dass durch stationäre Krankenhausbehandlungen, Reha-Maßnahmen oder ambulante Behandlungen eine durchgreifende Besserung hätte erzielt werden können. Eine weitere stationäre Behandlung in der Sch.-Klinik wegen mittelgradiger depressiver Episode sei vom 28.02. bis 11.04.2017 erfolgt. Bei den Feststellungen einer nur leichtgradigen depressiven Störung durch die gerichtlichen Sachverständigen handele es sich nur um Momentaufnahmen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.08.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 06.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.05.2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält unter Bezugnahme auf Stellungnahmen ihres ärztlichen Dienstes (Dr. E.-D. vom 14.12.2016 und 21.07.2017) an ihrem bisherigen Standpunkt fest.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens bei der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie-Psychotherapie Dr. G.-P ... Diese kommt im Gutachten vom 02.06.2017 zu der Einschätzung, dass die Klägerin bei Vorliegen einer rezidivierenden depressiven Störung, aktuell leichte Episode, somatoformer Schmerzstörung und kombinierter Persönlichkeitsstörung nur noch körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden arbeitstäglich durchführen könne.

Mit Schreiben vom 31.07.2017 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass eine Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgesehen ist. Die Klägerin hat in der verlängerten Stellungnahmefrist auf ihre früher vorgetragenen Bedenken hingewiesen; sie geht weiterhin vom Vorliegen einer im Durchschnitt bestehenden mindestens mittelgradigen Depression aus. Dr. G.-P. weiche hinsichtlich der Befunderhebung binnen weniger Tage erheblich von den Ärzten der Sch.-Klinik ab, ihr Gutachten enthalte auch keine Ausführungen zum Antrieb, so dass dieses Gutachten der Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden könne. Hilfsweise werde beantragt, Herrn St. nach § 109 SGG gutachtlich anzuhören.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die beigezogenen Akten S 25 SB 2828/13 und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Der Bescheid der Beklagten vom 06.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen und dies nach eingehenden medizinischen Sachverhaltsermittlungen zutreffend und nachvollziehbar begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab 01.05.2013, da sie nicht erwerbsgemindert ist.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflicht-beiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).

Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Zur Überzeugung des Senats kann die Klägerin täglich noch mindestens sechs Stunden körperlich leichte Tätigkeiten verrichten, weshalb sie nicht erwerbsgemindert ist. Zu vermeiden sind lediglich Tätigkeiten mit ausgeprägten Anforderungen an Konzentration, Nachtschicht und Publikumsverkehr.

Diese Überzeugung schöpft der Senat aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. Dipl.-Psych. F., Dr. G.-P. und dem Verwaltungsgutachten von Dr. L., das im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird. Die Gutachter haben sorgfältig eigene Befunde erhoben und daraus in Auseinandersetzung mit bereits vorliegenden Beurteilungen nachvollziehbar und überzeugend in übereinstimmender Beurteilung abgeleitet, dass die Klägerin mit gewissen qualitativen Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich erwerbstätig sein kann.

Maßgeblich für das berufliche Leistungsvermögen sind allein die Einschränkungen auf nervenärztlichem Gebiet. Dies ergibt sich übereinstimmend aus allen ärztlichen Beurteilungen einschließlich der Stellungnahmen der behandelnden Ärzte. Die orthopädischerseits bestehenden Erkrankungen Lumbago, Dorsalgie und Zervikobrachialgie bedingen auch nach Ansicht des behandelnden Arztes Dr. A. keine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Eine Verschlechterung auf orthopädischem Gebiet ist seither nicht zu verzeichnen, wie auch durch den völlig unauffälligen neurologischen Befund bei der 2017 erfolgten Untersuchung durch die Sachverständige Dr. G.-P. bestätigt wird. Die bestehende arterielle Hypertonie ist gut eingestellt (vgl Entlassungsbericht Sch.-Klinik vom 13.06.2017).

Auf nervenärztlichem Gebiet steht im Vordergrund eine rezidivierende depressive Störung leichter, zeitweise mittelschwerer Ausprägung, eine somatoforme Schmerzstörung und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung. Dies ergibt sich übereinstimmend sowohl aus den Gutachten von Dr. L., Dr. F. und Dr. G.-P. als auch von Herrn St. und den Entlassungsberichten der Sch.-Klinik sowie der S.-Klinik Z. (dort stationär vom 31.07. bis 24.09.2013). Verschlechterungen des psychischen Zustands konnten durch die stationären Behandlungen jeweils gut wieder aufgefangen werden, wie sich aus den jeweiligen Entlassungsberichten eindeutig entnehmen lässt (Sch.-Klinik vom 07.09.2016 und 13.06.2017, S.-Klinik vom 17.10.2013).

Eine durchgehend mittelschwere Ausprägung der Depression ist nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Gutachten auszuschließen. Dies ergibt sich zunächst aus den erhobenen Befunden, die sowohl bei Dr. Dipl.-Psych. F., als auch bei Dr. G.-P. und Dr. L. keinesfalls für eine schwerer ausgeprägte Depression sprechen. Bereits das SG hat insoweit zutreffend und überzeugend auch auf die gut erhaltene Tagesstruktur angesichts des von der Klägerin geschilderten Tagesablaufs sowohl gegenüber Dr. F. als auch gegenüber Dr. V. hingewiesen ohne Verlust von Freude oder eigenen Interessen. Auch aus dem Arztbrief von Dr. Lu. vom 20.05.2015 (Blatt 145 SG-Akte) ergibt sich ein relativ unauffälliger psychischer Befund ohne Bewusstseinsstörung und ohne Beeinträchtigung von Aufmerksamkeit- oder Gedächtnisleistungen mit ausreichender affektiver Schwingungsfähigkeit, regelrechtem Antrieb und Psychomotorik und ausreichender sozialer Integration bei wechselhafter Stimmung mit rezidivierender Hoffnungslosigkeit und rezidivierendem Rückzug sowie Ängsten bezüglich Versagen. Auch zuletzt bei Dr. G.-P. bestand eine klare Bewusstseinslage, ungestörtes Auffassungsvermögen, keine Umstellungserschwernis und eine subdepressive Stimmung bei etwas eingeschränkter Modulationsfähigkeit, gehemmtem psychomotorischem Antrieb und Affektminderung (zum psychischen Befund: Blatt 63 Senatsakte). Hieraus hat die Gutachterin nachvollziehbar und plausibel eine gegenwärtig leichte depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung abgeleitet. Die Kritik des Bevollmächtigten der Klägerin, Dr. G.-P. habe sich zum Antrieb der Klägerin nicht geäußert, trifft nicht zu. Die von der Klägerin wiederholt geschilderten Trugbilder werden von Dr. F. ausdrücklich als hypnagoge Halluzinationen eingeordnet. Diese Auffassung bestätigt auch der Entlassungsbericht der Sch.-Klinik vom 13.06.2017, dort wird ausdrücklich bestätigt, dass keine Realitätsverkennung bei der Klägerin vorliege. Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit bestehen damit insoweit nicht.

Soweit die Klägerin wenige Tage nach der Untersuchung durch die Gutachterin Dr. G.-P. erneut in der Sch.-Klinik stationär behandelt wurde, steht dies den getroffenen Feststellungen nicht entgegen. Die Klägerin sollte insoweit aus dem sie stark belastenden persönlichen Umfeld herausgenommen werden bei Mutter-Sohn-Konflikt, nachdem der 25-jährige Sohn nach einer gescheiterten Partnerschaft zu ihr in die 2-Zimmer-Wohnung zurückgezogen war. Auch von dieser Behandlung in der Sch.-Klinik im Frühjahr 2017 konnte die Klägerin profitieren, wie sich dem Entlassungsbericht entnehmen lässt. Dort wird ausgeführt, dass sie im Verlauf der Behandlung eine verbesserte Selbstfürsorge gezeigt habe und darin bestärkt worden sei, auf ihre Belastungsgrenzen zu achten und das Erlernte im Alltag konsequent umzusetzen.

Der Leistungsbeurteilung durch den Gutachter St. vermag der Senat dagegen nicht zu folgen. Das insgesamt sehr knappe Gutachten (8 Seiten einschließlich Wiederholung der Fragestellung und Aktenauszug) ist nicht plausibel und nachvollziehbar. Dr. E.-D. vom beratungsärztlichen Dienst der Beklagten weist zutreffend darauf hin, dass lediglich die Angaben der Klägerin referiert werden und ein psychischer Befund erhoben wird – weder über den Tagesablauf, noch über psychische oder somatische Vorerkrankungen wird berichtet, es wird auch kein neurologischer Befund erhoben. Aus dem geschilderten psychischen Befund (freundlich zugewandt; Konzentrationsfähigkeit leicht vermindert; Gedächtnisleistungen ungestört; inhaltliches Denken frei von paranoiden Ideen oder Halluzinationen; fraglich phasenhaft Ich-Grenzen Auflockerung; im Affekt niedergedrückt traurig, verzweifelt, hoffnungslos; psychomotorisch innere Unruhe; vereinzelt verminderter Schwung; reduzierte Initiative; Schlafstörungen; sozial isoliert) und den daraus abgeleiteten Diagnosen lassen sich keine qualitativen Leistungseinschränkungen ableiten. Herr St. gibt für das von ihm angenommene aufgehobene Leistungsvermögen auch keinerlei nachvollziehbare Begründung. Seine Argumentation, dass bei langjähriger Erfahrung eine sekundär chronisch verlaufende Depression, die mit komplexen Persönlichkeitsstrukturen und ausgeprägten körperlichen Krankheitssymptomen vergesellschaftet sei, zu vorzeitiger Erwerbsminderung führen könne, sagt nichts über den hier zu beurteilenden Einzelfall aus.

Ebenso führen auch die sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte der Klägerin, soweit sie von quantitativen Leistungseinschränkungen ausgehen, zu keiner anderen Beurteilung. Nachvollziehbare Begründungen für die angenommene Leistungseinschränkung werden nicht genannt. Im Übrigen kommt der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteile vom 18.06.2013, L 11 R 506/12; 17.01.2012, L 11 R 4953) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Eine solche Konsistenzprüfung haben die behandelnden Ärzte – aus therapeutischer Sicht nicht zu beanstanden – nicht vorgenommen.

Die Klägerin ist auch wegefähig im rentenrechtlichen Sinne. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr 2 mwN; 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr 2; 14.03.2002, B 13 RJ 25/01 R); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (zB Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R (juris) mwN).

Die erforderliche Wegefähigkeit ist zur Überzeugung des Senats gegeben. Dies ergibt sich ausdrücklich aus den Gutachten von Dr. F. und Dr. G.-P ... Danach kann die Klägerin viermal täglich eine Wegstrecke von 500 m in einem Zeitbedarf von jeweils 20 Minuten zurücklegen bzw zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen und ein privates Fahrzeug selbständig führen. Soweit Herr St. bezweifelt, dass die Klägerin zum Aufsuchen einer Arbeitsstelle ein Fahrzeug führen könne, wird dies schon dadurch widerlegt, dass sie zu den Untersuchungen bei Dr. F. und Dr. G.-P. in Stuttgart jeweils selbstständig mit ihrem Pkw von ihrem Wohnort B. aus angereist ist.

Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht, ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200 § 1246 Nr 90). Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn – wie hier - Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Gegenstände, einfache Prüfarbeiten oder die leichte Bedienung von Maschinen noch uneingeschränkt möglich sind. Einschränkungen, die dem entgegenstehen könnten, lassen sich den vorliegenden Gutachten nicht entnehmen. Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Die Klägerin ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit Rentenantragstellung und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI); sie hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass sie vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, ist die vor dem Stichtag geborene Klägerin angesichts der zuletzt ausgeübten maßgeblichen Tätigkeit als Bäckereiverkäuferin auf den gesamten Arbeitsmarkt verweisbar. Da die Klägerin Einwendungen hierzu nicht vorgebracht hat, wird insoweit auf die überzeugenden Ausführungen des SG Bezug genommen und die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurückgewiesen (§ 153 Abs 2 SGG).

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Insbesondere die Gutachten von Dr. F. und Dr. G.-P. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten geht von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen zur Leistungsfähigkeit des Versicherten gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. Eine Verpflichtung zu weiterer Beweiserhebung besteht selbst bei einander widersprechenden Gutachtenergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen (BSG 08.12.2009, B 5 R 148/09 B, juris).

Der Senat war auch nicht verpflichtet, auf den schriftsätzlich gestellten Antrag ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG bei Herrn St. einzuholen. Gemäß § 109 Abs 1 SGG muss ein bestimmter Arzt auf Antrag des Versicherten gutachtlich gehört werden. Diesem Antrag ist das SG bereits mit der Anhörung des Herrn St. nachgekommen. Damit ist das Antragsrecht nach § 109 SGG verbraucht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats steht dem Versicherten das Recht, die gutachtliche Anhörung eines bestimmtes Arztes zu beantragen, nur einmal in beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung (Urteile des Senats vom 01.02.2011, L 11 R 221/09; 29.09.2009, L 11 R 742/09, nicht veröffentlicht, Beschluss vom 07.10.2010, L 11 R 3854/09, nicht veröffentlicht; 13.11.2012, L 11 R 5317/10, juris; ebenso LSG Baden-Württemberg 06.02.2006, L 1 U 2572/05, juris; 23.02.2012, L 6 SB 1583/11; 28.09.2012, L 4 R 1947/11). Das Gericht ist nicht verpflichtet, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen (BSG 14.05.1991, 5 RJ 32/90, SozR 3-1500 § 109 Nr 1). Außerdem handelt es sich bei § 109 SGG um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist (BSG 17.03.2010, B 3 P 33/09 B, juris). Eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigt sich daher allenfalls bei Vorliegen besonderer Umstände, die hier weder dargetan noch ersichtlich sind. Insbesondere hat Herr St. die Klägerin bereits im Jahr 2015 begutachtet; seither ist keine wesentliche Änderung des Sachverhalts eingetreten bzw vorgetragen. Der Antrag der Klägerin zielt in der Sache auch weniger auf weitere Sachaufklärung als auf eine weitere ärztliche Bewertung der vorliegenden Gutachten. Einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein sog Obergutachten sehen die Prozessordnungen - auch das SGG - jedoch nicht vor (BSG 23.05.2006, B 13 RJ 272/05 B, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved