L 6 U 4142/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 673/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4142/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung einer vorläufigen Rente und begehrt die Gewährung einer Dauerrente.

Die im Jahr 1966 geborene Klägerin betreibt eine Landwirtschaft mit Legehennen, Mutterschafen, Lämmern, Ziegen und Border Collies. Ihr Tagesablauf ist von der Versorgung der Hunde und Schafe geprägt, wobei sie im Winter 4 bis 5 Stunden, sonst 9 bis 15 Stunden arbeitet. Ab 2007 war sie sozialversicherungspflichtig als Familienpflegekraft bei ihren Schwiegereltern an sieben Tagen die Woche 4 bis 5 Stunden am Tag tätig.

Am 3. Juni 2009 stellte sich die Klägerin dem Neurologen und Psychiater Dr. S. notfallmäßig mit Gliederschmerzen und Schüttelfrost, Fieber und Kraftminderung der Armmuskulatur vor. Er äußerte den dringenden Verdacht auf eine Meningitis-Erkrankung. Sie habe von einem Zeckenbiss am 3. April 2009 berichtet (Arztbrief vom 4. Juni 2009). Am selben Tag noch wurde die Klägerin in der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums T. stationär bis zum 12. Juni 2009 aufgenommen. Im Entlassungsbericht wurde eine dorsale Meningitis und transverse Myelitis Höhe HWK 2 bis BWK 1 bei nachgewiesener FSME(Frühsommermeningoenzephalitis)-Infektion diagnostiziert. Unter symptomatischer Therapie sei es zu einer deutlichen Besserung der Schmerzen gekommen. Auch die Monoparese an der rechten Hand habe sich vom Kraftgrad 4/5 aus weiter verbessert, ansonsten bestehe kein Anhalt für manifeste oder latente Paresen.

In der Zeit vom 24. Juni bis 29. Juli 2009 befand sich die Klägerin zur medizinischen Rehabilitation in den Neurologischen Kliniken S. in G ... Dort wurde angeführt, dass die Klägerin im Rahmen eines Zeckenstichs eine gesicherte FSME mit remittierender neurologischer Tetrasymptomatik erlitten habe. Das Gangbild sei flüssig gewesen, einschließlich erschwerter Gangarten wie Zehen-, Fersen- und Seiltänzergang sowie monopedales Hüpfen. Extremitätenvorhalteversuche seien ohne Absinken, der Händedruck rechtsseitig reduziert gewesen (Kraftgrad 3/5). Die Beugung im Ellenbogengelenk rechts habe 3-4/5, Streckung Ellenbogengelenk 4-5/5, Handextensor rechts 3-4/5, Fingerspreizer 2/5, Fingerbeuger 3-4/5 betragen. Sonst seien keine wesentlichen Paresen erkennbar gewesen. Während der Rehabilitationsmaßnahme hätten sich die Kraft der rechten Hand, geringer die Feinmotorik und die Parästhesien in beiden Armen und im rechten Bein gebessert. Die Klägerin sei als sofort arbeitsfähig entlassen worden (Entlassungsbericht vom 30. Juli 2009). Nach einer Wiedervorstellung bei Dr. S. am 24. August 2009 berichtete dieser von einer weitgehend abgeklungenen Tetraparese. Reste der Parese gebe es vor allem am rechten Arm und in der Hand, ganz diskrete Anzeichen noch an den Beinen und auch am linken Arm. Hauptproblem sei für die Klägerin die mangelnde Kraft in Hand und Fingern sowie die Pelzigkeit. Ihr wurde Ergotherapie verordnet (Arztbrief vom 24. August 2009).

Am 27. Januar 2010 meldete die Klägerin der Beklagten einen Zeckenbiss, den sie beim täglichen Umkoppeln der Schafe im Mai 2009 erlitten habe.

Die Beklagte veranlasste zur Prüfung, ob eine Berufskrankheit vorliege, ein Gutachten bei Prof. Dr. K., Autor der Leitlinie zur FSME und Chefarzt der Neurologischen Klinik des Klinikums P ... In seiner Expertise vom 27. September 2010 wurde die Diagnose einer FSME mit aktuell residualen Schäden bestätigt. Neben einem mimischen Beben der Gesichtsmuskulatur bestünden ein Vorhaltetremor des rechten Armes, eine 4/5 bis 5/5 Parese der Oberarmabduktion und eine latente Beinparese mit aufgehobenem Einbeinhüpfen. Die psychische Belastbarkeit sei reduziert. Die Ansteckung sei wahrscheinlich während der beruflichen Tätigkeit beim Kümmern um die Schafe erfolgt, auch wenn ein Zeckenstich zu diesem Zeitpunkt nicht beobachtet worden sei. Der am 3. April 2009 wahrgenommene sei wegen der kurzen Inkubationszeit mit gewisser Wahrscheinlichkeit nicht relevant für die FSME. Ab dem Ende der Arbeitsunfähigkeit am 30. Juli 2009 sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für sechs Monate mit 30 vom Hundert (v. H.) und danach vorläufig mit 20 v. H. zu bemessen.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 2010 anerkannte die Beklagte daraufhin, dass die FSME der Klägerin eine Berufskrankheit nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) mit einem Versicherungsfall am 3. Juni 2009 sei. Die Folgen der Berufskrankheit seien eine minimale Armparese rechts, eine Störung der Feinmotorik des Armes/der rechten Hand, ein Vorhaltetremor rechts, eine latente Beinparese rechts und eine reduzierte psychische und physische Belastbarkeit. Die MdE sei wegen der Folgen der Berufskrankheit vom 3. Dezember 2009 bis 31. Januar 2010 mit 30 v. H. zu bestimmen. Die Beklagte bewilligte für diesen Zeitraum eine Rente als vorläufige Entschädigung. Danach sei die Erwerbsfähigkeit nicht mehr in einem rentenberechtigenden Grad gemindert.

Im hiergegen angestrengten Widerspruchsverfahren legte die Klägerin einen Verlaufsbericht des Universitätsklinikums T. vom 11. Januar 2011 vor, wonach sie dort von einer Schwäche der rechten Hand mit Schwierigkeiten beim Öffnen einer Flasche, Aufhalten einer Tür oder Abstützen berichtet habe. Die Kraft proximal am rechten Arm sei dagegen gut. Es bestünde Unsicherheit beim Gehen. Der neurologische Befund habe im Armhalteversuch ein Zittern und Pronation rechts, im Beinhalteversuch ein Absinken rechts, Faustschluss, Fingerstrecken, Fingerspreizen und -beugen rechts jeweils Kraftgrad 4+/5, Extension und Flexion in Handgelenk 4/5, Trizeps 4/5, Bizeps 4+/5 sowie eine leichtgradige Schwäche am rechten Bein erbracht.

Nachdem der Nervenarzt Dr. O., Chefarzt der Neurologischen A. R.-Kliniken, in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 18. März 2011 eingeschätzt hatte, dass die von der Klinik in T. zuletzt beschriebenen Lähmungen einen deutlich größeren Umfang mit wesentlich mehr betroffenen Funktionen als in dem Gutachten von Prof. Dr. K. hätten und trotz des insgesamt leichtgradigen Lähmungsbildes wegen der Betroffenheit von Arm und Bein rechts eine MdE von 30 v.H. über den 31. Januar 2010 hinaus gerechtfertigt sei, bewertete die Beklagte mit Abhilfebescheid vom 31. März 2011 die Folgen der Berufskrankheit über den 31. Januar 2010 hinaus mit 30 v. H. Der Widerspruch habe sich gegen den Bescheid vom 14. Oktober 2010 gerichtet, mit dem festgestellt worden sei, dass über Januar 2010 hinaus kein Rentenanspruch bestehe. Dementsprechend werde Rente gewährt.

Zur Prüfung der Voraussetzungen für eine Rentengewährung auf unbestimmte Zeit holte die Beklagte später das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. S. nebst psychologischem Zusatzgutachten ein. Dieser stellte nach der Untersuchung der Klägerin im Februar 2012 eine seitengleich und kräftig ausgeprägte Muskulatur an beiden Armen und Beinen fest. Es hätten symmetrische, deutlich ausgeprägte Arbeitsspuren an den Händen bestanden. Das Gangbild sei flüssig, die Mitbewegungen seitengleich. Unterschriften für Einverständniserklärungen habe die Klägerin mit der rechten Hand geleistet. Die klinische Befunderhebung sei durch unzureichende Kooperation und Verdeutlichungsversuche erschwert gewesen. So habe sie bei der Prüfung des Fersengangs diesen rechts normal gezeigt, indessen den linken Fuß platschend aufgesetzt, darauf angesprochen das Bewegungsbild umgekehrt demonstriert. Prof. Dr. S. erachtete insgesamt die Schwäche am rechten Arm und Bein als ausgeheilt und sah nur noch einen Ausfall des Achillessehnenreflexes rechts als Unfallfolge. Die in der psychologischen Untersuchung aufgetretenen kognitiven Beeinträchtigungen hielt er wegen offensichtlicher Ausgestaltung der Klägerin nicht für verwertbar. Eine messbare MdE liege nicht vor.

Darauf entzog die Beklagte der Klägerin nach vorheriger Anhörung mit Schreiben vom 15. März 2012 mit Bescheid vom 11. April 2012 die Rente als vorläufige Entschädigung ab 1. Mai 2012 und lehnte eine Rente auf unbestimmte Zeit ab, da eine rentenberechtigende MdE nicht mehr vorliege.

Im hiergegen angestrengten Widerspruchsverfahren wurde ein für die W. Versicherung AG erstelltes neurologisches Gutachten von Dr. R. von den Kliniken S. G. vom 23. Mai 2011 nebst neuropsychologischem Zusatzgutachten vorgelegt. Darin hätten beim Vorhalteversuch eine Pronation des rechten Armes und ein Absinken des rechten Beines festgestellt werden können. Die grobe Kraft im rechten Arm sei reduziert, die Feinmotorik rechts deutlich vermindert. Auch die Kraft im rechten Bein sei geringgradig vermindert, Bewegungsumfänge allerdings nicht. Es bestünden auch keine Muskelatrophien. Es wurden eine FSME, Myelitis transversa HWK 2 bis BWK 1, eine armbetonte Hemiparese rechts und eine Hemihypästhesie/-algesie distal C5 rechts als Rest einer initialen zervikalen Querschnittsymptomatik, eine Anpassungsstörung und eine Tibiakopffraktur rechts am 15. Oktober 2009 diagnostiziert. Festgestellte neurokognitive Einschränkungen müssten nach dem Juni 2009 entstanden sein, da die Klägerin damals bei einer testpsychologischen Untersuchung keine Auffälligkeiten gezeigt habe. Eine Entstehung als Folge der FSME könne somit ausgeschlossen werden. Ob die Anpassungsstörung eine reaktive Folge auf die mit der FSME einhergehenden funktionellen Einschränkungen sei oder aber Ausdruck einer Trauerreaktion auf den Tod der Schwiegereltern müsse in einem psychiatrischen Gutachten geklärt werden. In dem darauf von Dr. S. gefertigten psychiatrischen Zusatzgutachten vom 27. Juni 2011 wurde angeführt, dass die Anpassungsstörung jetzt noch auf den Unfall zu beziehen sei. Die bisher erfolgte Krankheitsbewältigung sei noch nicht geglückt. Es habe aber auch noch keine sachgerechte Behandlung stattgefunden. Danach sollte eine Besserung der Störung eintreten.

Prof. Dr. S. wandte in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28. Februar 2012 gegen das Gutachten von Dr. R. ein, dass eine detaillierte neurologische Befunderhebung nicht erfolgt sei. Insbesondere sei verkannt worden, dass die dargebotene Lähmung des rechten Armes nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspreche. Auch seien die Inkonsistenzen zu den Vorbefunden nicht bemerkt worden.

Auf Ersuchen der Beklagten erstattete Dr. O. am 19. Dezember 2012 ein weiteres Gutachten über die Klägerin. Dieser veranlasste auch eine neuropsychologische Mituntersuchung. Der neurologische Befund habe keine Lähmungen bei Funktions- und Einzelprüfungen der Extremitäten- und Rumpfmuskulatur, keine Atrophien, einen normalen Muskeltonus, einen Armhalteversuch mit Pronation rechts, eine Myoklonie beim Armhalteversuch rechts und einen Beinhalteversuch mit leichtem Absinken rechts gezeigt. Zehen- und Fersengang bzw. -stand seien beidseits unauffällig gewesen. Der Gutachter diagnostizierte eine Anpassungsstörung, eine distale Armparese rechts mit Beeinträchtigung der Feinmotorik und FSME mit Enzephalomyelitis. Diese stünden in ursächlichem Zusammenhang mit der Berufskrankheit. Das neurologische Defizit mit der distal betonten leichtgradigen Armparese rechts mit einer Störung der Feinmotorik und einer fraglichen bzw. sehr minimalen motorischen Funktionsstörung des rechten Beines sei mit einer MdE von 20 v. H. zu bemessen. Die psychische Störung mit Symptomen einer Anpassungsstörung mit Angst und Depression gemischt bedinge eine MdE von 10 v. H. Kognitive Störungen seien nicht feststellbar gewesen. Die Migräne sei offensichtlich vorbestehend und nicht sicher durch die FSME verschlechtert worden. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. Januar 2013 bewertete Dr. O. die Gesamt-MdE, die im Wesentlichen durch die somatischen Unfallfolgen bestimmt sei, mit 20 v. H. Die psychische Begleitreaktion sei darin subsumiert.

Nachdem die Klägerin hiergegen vorgebracht hatte, dass nach einer MdE-Tabelle von Prof. K., Anhang zum Werk SGB IX, bei leichten Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen eine MdE von mindestens 30 v. H. anzunehmen sei, führte der hierzu erneut befragte Dr. O. am 19. März 2013 aus, dass das SGB IX nicht für die MdE-Einschätzung heranzuziehen sei. Die neurologische Störung sei bei ihr sehr gering gewesen, wobei die Mitarbeit auch von Bedeutung sei. Zwar seien zentral bedingte Teillähmungen je Gliedmaße leichten Ausmaßes im Sinne von Restlähmungen und Tonusstörungen nach einer MdE von 30 v. H. in der gesetzlichen Unfallversicherung zu bemessen. Jedoch seien auch hier Abstufungen vorzunehmen. Im vorliegenden Fall sei eine MdE von 30 v. H. nicht gerechtfertigt, denn diese würde in ihrer Auswirkung beispielsweise dem kompletten Lähmungsbild eines Nervus radialis entsprechen. Dann würde die Streckung des Armes im Ellenbogen ausfallen, ebenso die Streckung/Hebung der Hand, die Streckung des Daumens und die Streckung aller Finger. Für das bei der Klägerin vorgefundene minimale motorische Defizit sei damit eine 30 v.H.-Bemessung nicht möglich.

Hierauf gestützt wies die Beklagte sodann mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2014 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. April 2012 zurück.

Am 17. März 2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente auf unbestimmte Zeit zu gewähren. Bei ihr liege eine höhere MdE als 30 v. H. vor. Das SG hat die behandelnden Ärzte, die Neurologin Dr. A. und den Chirurgen Dr. H. als sachverständige Zeugen befragt. Dr. A. hat am 8. Mai 2014 berichtet, dass die Klägerin in den letzten Jahren nicht in neurologischer Behandlung gewesen sei. Auf psychiatrischem Fachgebiet sei eine Anpassungsstörung beschrieben worden, eine Behandlung aber ebenfalls nicht erfolgt. Später habe sie eine armbetonte Hemiparese rechts, eine Störung der Feinmotorik der rechten Hand, eine Gangstörung, eine Belastbarkeitsminderung, Gedächtnisprobleme und am ehesten eine depressive Anpassungsstörung gesehen (vgl. Schreiben vom 1. August 2014). Dr. H. hat u.a. von geklagten Beschwerden im rechten Unterarm, die mit Nervenschmerzen und Faszikulationen einhergingen, berichtet (Schreiben vom 14. Mai 2014, Zwischenbericht vom 14. Februar 2014).

Die Beklagte hat hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme des Internisten und Sozialmediziners Dr. K. vom 11. November 2014 vorgelegt, wonach die Stellungnahme von Dr. A. im Wesentlichen die Begutachtung durch Dr. O. bestätige. Es bestünden noch neurologische Störungen. Eine MdE von 30 v. H. erscheine derzeit nicht mehr gerechtfertigt. In der weiteren Stellungnahme vom 26. Januar 2015 hat er die psychischen Beschwerden in einer Gesamt-MdE von 20 v. H. mit eingeschlossen gesehen.

Das SG hat von Amts wegen ein Gutachten bei der Neurologin und Psychiaterin Dr. M. eingeholt. Diese hat am 23. März 2015 eine allenfalls leichte feinmotorische Störung der rechten Gebrauchshand nach FSME und transversaler Myelitis C2 bis Th1 sowie ein rechtsbetontes beidseitiges Karpaltunnelsyndrom diagnostiziert. Aktuell habe sich eine gewisse Fehlhaltung mit Adduktionstendenz der rechten Hand und eine zeitweilige Schonhaltung des rechten Gebrauchsarmes gezeigt. Andererseits hätten sich seitengleiche Gebrauchsspuren an den Handinnenflächen ergeben. Die Muskelprofile an den Extremitäten seien seitengleich und ohne Atrophien gewesen. Die Tagesgestaltung und die Alltagskompetenz sei bei der Klägerin auch mit Versorgung mehrerer Hunde, vieler Schafe und Ziegen, Haushaltsarbeiten, Außer-Haus-Tätigkeiten und Pkw-Fahren ausgesprochen vielseitig und kompetent gewesen. Ihr Schriftbild sei unauffällig gewesen. Blättern in den Unterlagen sei, wenn auch feinmotorisch etwas verlangsamt, möglich gewesen. Die Psychometrie habe Hinweise auf Inkonsistenzen gezeigt. Psychiatrisch habe sich kein Stimmungstief feststellen lassen. Die psychosoziale Situation sie als geordnet angegeben worden. Dem Behandlungsverlauf nach sei von einer eher leichten Störung auszugehen. Es bestünden kein Leidensdruck und keine Inanspruchnahme psychiatrischer medikamentöser bzw. psychotherapeutischer Behandlung. Kognitive Defizite seien nicht feststellbar gewesen. Hinweise auf eine Reduktion der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit lägen bei Pflege von Hobbys, Autofahren, Kontakten und normalem Antrieb nicht vor. Die affektive Resonanz sei normal. Auf die FSME-Erkrankung sei die Querschnittsmyelitis zurückzuführen, nicht hingegen die psychischen Symptome mit Neigung zu depressiver Verstimmung. Möglicherweise seien die Symptome im Zusammenhang mit einem Tendenzverhalten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens entstanden. Hierfür sprächen testpsychologische Inkonsistenzen. Auch das Karpaltunnelsyndrom sei nicht auf die FSME-Erkrankung zurückzuführen. Gleiches gelte für die möglicherweise bestehende leichte Migräneneigung. Wegen der als Folge der FSME-Erkrankung weiterbestehenden leichten motorischen Ungeschicklichkeit betrage die MdE unter 20 v. H. Das Schädigungsbild entspreche einer inkompletten distalen Radialparese, das in der Literatur mit 20 v. H. bewertet werde.

Nach mündlicher Verhandlung vom 22. Juli 2015 hat das SG mit Urteil vom selben Tag, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 2. September 2015, die Klage abgewiesen. Richtige Klageart sei die isolierte Anfechtungsklage, denn mit Aufhebung des angefochtenen Entziehungsbescheides würde die vorläufig gewährte Rente nach Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall schon kraft Gesetzes zur Dauerrente. Die Entziehung sei zu Recht erfolgt. Bei der Klägerin liege keine MdE von mindestens 30 v.H. vor. Das SG hat sich dabei insbesondere auf das Gutachten von Dr. M. gestützt.

Am 1. Oktober 2015 hat die Klägerin beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie führt an, dass ihre feinmotorische Störung nicht nur geringfügig sei, sondern eine massive Funktionsbeeinträchtigung der rechten Hand bedinge. Außerdem müsse sie das rechte Bein nachziehen. Sie hat eine Laufanalyse der Sportmedizin des Universitätsklinikums T. vom 20. Januar 2016 vorgelegt. Dort wurden ein Zustand nach FSME mit Paresen rechtsseitig und deutlichen Veränderungen des Gangmusters diagnostiziert.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. N. eingeholt. Er hat am 27. Juni 2016 angeführt, dass als Folge der FSME-Erkrankung vor allem eine rechtsseitige Hemiparese mit distaler Armbetonung vorliege. Es sei nicht nur die feinmotorische Funktion der rechten Hand, sondern auch eine Kraftminderung nachweisbar. Die Klägerin könne zwar Schreiben, habe dabei aber große Mühe. Sie habe auch Schwierigkeiten, die Bluse auf- und zuzuknöpfen. Sie könne nach eigenen Angaben feinere Hausarbeiten, wie Kartoffelschälen, nicht mehr verrichten. Insgesamt sei der rechte Arm nicht voll belastbar. Außerdem sei das Gehvermögen eingeschränkt. Es sei ein leichtes paresebedingtes Hinken zu beobachten. Die grobe Kraft sei aber nicht reduziert. Es bestehe weiter eine Einschränkung der motorischen Koordination im rechten Bein. Beim Beinhalteversuch komme es zu einem Absinken rechts. In psychischer Hinsicht bestünden leichte Ängste und depressive Verstimmungszustände als verständliche Reaktion auf die krankheitsbedingten Funktionsstörungen. Es hätten sich keine sicheren Hinweise für psychische Einschränkungen ergeben, die durch eine organische Schädigung des Gehirns verursacht wären. Die mittelgradige Restlähmung des rechten Armes sei mit einer Teil-MdE von 40 v. H. zu bewerten, die leichte Parese des rechten Beines mit 20 v.H. und die Anpassungsstörung mit 10 v.H. Insgesamt betrage die Gesamt-MdE auf nervenärztlichem Fachgebiet 50 v. H.

Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen PD Dr. R. vom 25. September 2016 vorgelegt, wonach das Gutachten von Dr. N. Unstimmigkeiten aufweise. Er habe von einer Atrophie der rechten Oberschenkelmuskulatur berichtet, obwohl die grobe Kraft im rechten Bein nicht sicher abgeschwächt sei. Die fehlende grobe Kraftminderung im rechten Bein mache zudem nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin hinke. Im Gegensatz zu den Vorgutachtern gehe Dr. N. nicht von einer Aggravation aus. Das Gutachten sei nichts anderes als ein Gegengutachten, das nicht zuverlässig und nachvollziehbar die Ansichten der Vorgutachterin Dr. M. widerlege. Nach den Studien erholten sich nur 20 % von ihren Paresen bei Mitbeteiligung der Myelons, aber weniger als 2 % wiesen eine Verschlechterung auf, so dass die berichteten neuen Schädigungsfolgen am rechten Bein auf eine Aggravation der Klägerin hindeuteten. Eine elektrophysiologische Untersuchung mittels Elektromyographie (EMG) werde zur Objektivierung empfohlen.

Die hierzu ergänzend vom Senat befragte Dr. M. hat mit am 14. Februar 2017 eingegangenem Schreiben angegeben, dass zur Objektivierung der Befunde von ihr eine elektrophysiologische Diagnostik aussagekräftig und ausreichend dahingehend durchgeführt worden sei, dass die somatosensibel evozierten Potenziale (SEP) der oberen und unteren Extremitäten einen Normalbefund ergeben hätten. Eine EMG-Untersuchung bringe hier keine zusätzliche Information. Beim Gutachter Dr. N. vermisse sie die Stellungnahme zu den Inkonsistenzen, nämlich der guten Beschwielung der Hände und der guten Alltagskompetenz. Auch bei Dr. N. seien die Medianus- und Tibialis-SEP normal. Ein paresebedingtes Hinken habe sich bei dessen Untersuchung wie auch den Voruntersuchungen nicht beobachten lassen. Genauso werde die Prüfung eines Tendenzverhaltens im gesamten Gutachten vermisst. Verfahren zur Beschwerdevalidierung habe Dr. N. nicht durchgeführt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Juli 2015 sowie den Bescheid vom 11. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Februar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 30. April 2012 hinaus eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen eines zwischenzeitlichen Unfalls mit einem Schaf am 15. Oktober 2009, bei dem sie eine Tibiakopffraktur und in der Folge eine Thrombose erlitten hat, ist die Gewährung einer Verletztenrente von der Beklagten abgelehnt worden (Bescheid vom 10. Juli 2013, Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2014). Der Senat hat die Berufung gegen das abweisende Urteil des SG Reutlingen vom 25. Februar 2015 (S 4 U 479/14) zurückgewiesen, da bei der Klägerin keine MdE messbaren Ausmaßes aufgrund des Unfalles vom 15. Oktober 2009 vorliege (Urteil vom 20. Oktober 2016, L 6 U 869/15). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist vom Bundessozialgericht (BSG) verworfen worden (Beschluss vom 15. Februar 2017, B 2 U 278/16 B).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens ist das angefochtene Urteil des SG vom 22. Juli 2015, mit dem vorliegend der Sache nach die als isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) und kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) erhobene Klage, mit welcher sich die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 11. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2014 gegen die Aufhebung des Rechts auf Rente als vorläufige Entschädigung gewendet und die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente nach einer MdE von mindestens 30 v.H. über den 30. April 2012 hinaus wegen der Folgen der Berufskrankheit Nr. 3102 BKV, welche die Beklagte mit der Verwaltungsentscheidung vom 14. Oktober 2010 bindend (§ 77 SGG) anerkannte, begehrt hat, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf die Anfechtungs- und Leistungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen, also am 5. Oktober 2017, sowie hinsichtlich der reinen Anfechtungsklage derjenige der letzten Behördenentscheidung, mithin der Erlass des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2014 (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 33 und 34).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Beklagte war nach § 62 Abs. 2 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ermächtigt (§ 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I), die beiden im Bescheid vom 31. März 2011 enthaltenen Verwaltungsakte zu erlassen. Die Vorschrift verdrängt § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

§ 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII bestimmt, dass bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden kann, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Nach Satz 1 wird die Rente jedoch spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall kraft Gesetzes nicht mehr als "vorläufige Entschädigung", sondern als "Rente auf unbestimmte Zeit" geleistet, sodass der so bezeichnete "Vorläufigkeitsvorbehalt" in dem den Rentenanspruch feststellenden Verwaltungsakt gesetzesunmittelbar entfällt (BSG, Urteil vom 16. März 2010 - B 2 U 2/09 R -, juris, Rz. 13).

Die Spezialermächtigung des § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII greift unter drei Voraussetzungen ein: Erstens darf der Träger das Recht auf die Rente bisher nur "vorläufig" anerkannt haben. Zweitens muss er beabsichtigen, diese "vorläufige" Feststellung zu ändern und erstmals darüber zu entscheiden, ob dem Versicherten der Rentenanspruch auf unbestimmte Zeit zusteht. Drittens muss er diese Verwaltungsakte dem Versicherten innerhalb des Zeitraums von drei Jahren seit dem Versicherungsfall bekanntgeben.

Die angefochtenen Verwaltungsakte sind formell und materiell rechtmäßig.

Die Beklagte hat nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 15. März 2012 gemäß § 24 Abs. 1 SGB X) noch hinreichend bestimmt erklärt (§ 33 Abs. 1 SGB X), dass sie die Feststellung des Rechts auf Rente als vorläufige Entschädigung aufhebt. Eine objektive Erklärungsempfängerin konnte dem Bescheid vom 11. April 2012 noch entnehmen, dass dieser den Verwaltungsakt vom 31. März 2011 aufgehoben hat, durch den nach Auslegung das Recht auf Rente als vorläufige Entschädigung über den 31. Januar 2010 hinaus festgestellt worden war.

Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII liegen vor. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 31. März 2011 festgestellt, dass die Klägerin ein Recht auf eine Rente als vorläufige Entschädigung hat. Der Vorbehalt erleichterter Abänderbarkeit ist nicht kraft Gesetzes entfallen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ), da der Dreijahreszeitraum bei Erlass der angefochtenen Verwaltungsentscheidung noch nicht verstrichen war. Seit dem Versicherungsfall vom 3. Juni 2009 (§ 9 Abs. 5 SGB VII) waren keine drei Jahre vergangen.

Im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 11. April 2012 hat die Beklagte den Umfang der MdE abschließend bewerten können und müssen. Eine vorläufige Rente soll innerhalb des Dreijahreszeitraums nur gewährt werden, wenn die MdE noch nicht abschließend bewertet werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Immer dann, wenn die Gesundheitssituation der Versicherten eine abschließende Feststellung der MdE über den Dreijahreszeitraum hinaus zulässt, liegen die Voraussetzungen für eine vorläufige Bewilligung nicht mehr vor. In einem solchen Fall müssen die Trägerinnen über eine Rente auf unbestimmte Zeit entscheiden. Die Beklagte konnte die MdE der Klägerin abschließend feststellen, denn in ihren Gesundheitsfolgen war eine Stabilisierung erreicht, die die Prognose gerechtfertigt hat, die festgestellte MdE werde über den Zeitraum von drei Jahren nach dem Versicherungsfall hinaus in dem gegebenen Umfang fortbestehen. Sind die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII gegeben, hat die Beklagte trotz des Wortes "kann" kein Ermessen. Denn die Erkenntnis, welche MdE voraussichtlich über den Ablauf des Dreijahreszeitraums fortbestehen wird, ist eine Tatsachenfeststellung. Von ihr allein hängt es ab, ob die Versicherten wegen seines Versicherungsfalls überhaupt ein Recht auf Rente nach § 56 Abs. 1 SGB VII (i. V. m. § 80a Abs. 1, § 221 Abs. 2 SGB VII) haben; gegebenenfalls hängt von ihr auch die Höhe der Rente ab. Auf sie besteht mitunter ein Rechtsanspruch nach § 56 Abs. 1 und 3 SGB VII, der für ein Ermessen in Bezug auf seine Feststellung durch den leistungspflichtigen Träger keinen Raum lässt. Das Gesetz trägt mit dem Wort "kann" nur dem Umstand Rechnung, dass die abschließende Feststellung der MdE zu einer anderen als "vorläufig" festgesetzt, aber auch zu derselben führen kann. Es befugt und verpflichtet die Trägerinnen, die abschließende Tatsachenfeststellung ungeachtet der bisherigen MdE-Feststellungen und insbesondere ohne das Erfordernis einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu treffen (BSG, a. a. O., Rz. 25 f.).

Rechtsgrundlage für die begehrte Rentengewährung ist vorliegend § 56 Abs. 1 in Verbindung mit § 80a Abs. 1, § 221 Abs. 2 SGB VII. Danach haben landwirtschaftliche Unternehmerinnen wie die Klägerin, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls, hier einer Berufskrankheit, über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente nach § 56 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 80a Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren (§ 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII).

Die Erhöhung der Mindest-MdE für einen Anspruch auf Rente von 20 v. H. nach § 56 Abs. 1 SGB VII auf 30 v. H. durch § 80a SGB VII für landwirtschaftliche Unternehmerinnen wie die Klägerin begegnet dabei keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und ist insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar. Denn dem Nachteil eines erst ab einer MdE von 30 v. H. entstehenden Rentenanspruches steht der Vorteil eines geringeren Beitrags in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft gegenüber, so dass ein hinreichender Sachgrund für diese Differenzierung besteht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juli 2016 - L 1 U 5200/15 -, juris, Rz. 39 ff.).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Entscheidend ist, in welchem Ausmaß Versicherte durch die Folgen des Versicherungsfalls in ihrer Fähigkeit gehindert sind, zuvor offenstehende Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 123). Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die diese gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 16 m.w.N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, BSGE 93, 63 (65)).

Zudem müssen der Gesundheitsschaden und insbesondere der Funktionsverlust, aus dem sich die MdE ableitet, durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht worden sein. Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Er-folg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R -, juris, Rz. 16). Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rz. 25 ff.). Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Folgen der Berufskrankheit erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen konkret zu bezeichnende Krankheiten (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 (203) und vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18; Urteile des Senats vom 26. November 2015 - L 6 U 50/15 , juris, Rz. 48 m.w.N. und vom 17. März 2016 - L 6 U 4796/13 -, juris, Rz. 37) die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R , juris, Rz. 17 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur BKV ab 1. Mai 2012 nicht mit einer höheren MdE als 20 v.H. zu bewerten sind.

Folge der auf die Berufskrankheit nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur BKV zurückzuführenden FSME ist eine Störung der Feinmotorik der rechten Gebrauchshand. Diese Gesundheitsstörung ist in ihren funktionellen Auswirkungen lediglich leichtgradig und entspricht im Schädigungsbild einer inkompletten distalen Radialisparese. Eine Bewertung mit einer MdE von mehr als 20 v. H. kommt hierfür nicht in Betracht. Denn in der unfallmedizinischen Literatur wird erst eine Schädigung des ganzen Nervus radialis mit einer MdE von 30 v. H. eingeschätzt, wobei sich dies auf den vollständigen Ausfall des betroffenen Nervs bezieht und Teillähmungen (Paresen) geringer zu bemessen sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 252). Typische Ausfallerscheinungen wie insbesondere eine Lähmung der Hand- und Fingerstrecker (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 249) liegen bei der Klägerin nicht vor, so dass die MdE keine 30 v. H. erreicht.

Der Senat folgt damit dem Gutachten der Sachverständigen Dr. M., die nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat, dass im Hinblick auf die vielseitigen Aktivitäten der Klägerin und ihren Tätigkeiten im Tagesablauf und Freizeitbereich (Versorgung mehrerer Hunde, vieler Schafe und Ziegen, Haushaltsarbeiten, Außer-Haus-Tätigkeiten, Pkw-Fahren) nur eine leichte feinmotorische Ungeschicklichkeit als Folge der FSME-Erkrankung weiterbesteht. So hat sich bei der von Dr. M. durchgeführten neurologischen Untersuchung eine gewisse Fehlhaltung mit Adduktionstendenz der rechten Hand mit zeitweiliger Schonhaltung des rechten Gebrauchsarmes gezeigt, der etwa beim An- und Ausziehen weniger eingesetzt wird als links. Andererseits stellte Dr. M. aber seitengleiche Gebrauchsspuren an den Handinnenflächen fest, was gegen eine einseitige Schonung spricht. Auch das Schriftbild der Klägerin war unauffällig und ein Blättern in den Unterlagen möglich, wenn auch feinmotorisch rechtsseitig etwas verlangsamt.

Demgegenüber hat der Sachverständige Dr. N. in seinem im Berufungsverfahren nach § 109 SGG eingeholten Gutachten zwar ausgeführt, dass eine paresebedingte Funktionsstörung der rechten Gebrauchshand erheblichen Ausmaßes bestehe, die mit einer Teil-MdE von 40 v. H. zu bewerten sei. Dieser Einschätzung kann jedoch nicht gefolgt werden. So gibt bereits Dr. N. selbst an, dass der die Funktion der rechten Hand zusätzlich behindernde rechtsseitig betonte Tremor nicht sehr ausgeprägt ist. Sensibilitätsstörungen, also "erhebliche Taubheitsgefühle", hat er nicht finden können. Im Rahmen der neurophysiologischen Diagnostik hat er zudem bezüglich der motorisch evozierten Potenziale sowie der somatosensibel evozierten Potenziale hinsichtlich Medianus und Tibialis jeweils einen Normalbefund erhoben. Ein objektiver Nachweis einer Nervenstörung liegt damit nicht vor (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 250 f.). Hierauf weist auch Dr. M. in ihrer vom Senat angeforderten ergänzenden Stellungnahme auf das Gutachten von Dr. N. hin. Zu dem von ihm angenommenen Ausmaß der Funktionsstörungen stehen zudem die gute Beschwielung der Hände sowie die erhaltenen Alltagskompetenzen im Widerspruch, der von ihm nicht erörtert wird. Er übernimmt vielmehr unkritisch die Angaben der Klägerin, dass sie "viele Hausarbeiten" und "insbesondere feinere Verrichtungen wie beispielsweise Kartoffelschälen" nicht mehr ausüben könne.

Die paresebedingte Funktionsstörung des rechten Beines bedingt zur Überzeugung des Senats keine eigenständige messbare MdE.

Seine diesbezügliche Überzeugung stützt der Senat auf das Gutachten von Dr. O. vom 19. Dezember 2012, das der Senat als öffentliche Urkunde nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 418 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) heranzieht. Darin wird ein Nachziehen des rechten Beines – besonders beim Treppensteigen – als Beschwerdevortrag der Klägerin aufgeführt und als "minimale bzw. fragliche motorische Funktionsstörung des rechten Beines" bewertet. Bei der vorangegangenen Begutachtung durch Dr. S. am 7. Februar 2012 zeigte sie im Übrigen rechts einen normalen Fersengang und setzte links den Fuß platschend auf. Als sie darauf angesprochen wurde, kehrte sich das Bewegungsbild um. Die Hüftbeuger- und streckermuskulatur sowie der Kniestrecker zeigten eine regelrechte Kraftentfaltung. Im Übrigen waren Zehen- und Fersengang tadellos, der Muskeltonus ungestört. Auch die kleine Zehenhebermuskulatur war normal ausgeprägt, die Zehnspreizung beidseits regelrecht. Die Muskeleigenreflexe waren seitengleich und lebhaft auslösbar, lediglich der Achillessehnenreflex rechts nicht. Dr. M. führt zudem in ihrer ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Senat aus, dass sie im Rahmen der Untersuchung für das erstinstanzliche Gutachten am 13. März 2015 kein paresebedingtes Hinken beobachten konnte. Diese Feststellungen begründen ernsthafte Zweifel daran, ob ein solches überhaupt besteht oder ob sie dieses vortäuschte. Dafür spricht, dass Unsicherheiten beim Gehen erstmals 2011 während ihres Aufenthaltes in der Uniklinik T. beschrieben wurden, während bei den Erstbehandlungen und auch bei den Erstbegutachtungen nur Missempfindungen am rechten Bein, keinesfalls aber manifeste oder latente Paresen genannt wurden. Der Senat misst diesen Aussagen einen erhöhten Beweiswert zu, weil sie, was die Diagnosen in der erstbehandelnden Klinik wie der Rehabilitationsmaßnahme anbetreffen, zum einen aufgrund längerer stationärer Beobachtung gemacht werden konnten, zum anderen für die therapeutischen Konsequenzen daraus essentiell waren, auch unbeeinflusst von einem später deutlichen Rentenbegehren.

Auf diese Problematik geht Dr. N. in seinem Gutachten nicht ein. Er teilt insoweit lediglich mit, dass das Gehvermögen beeinträchtigt und ein leichtes paresebedingtes Hinken zu beobachten sei. Es bestünde eine Einschränkung der motorischen Koordination im rechten Bein. Beim Beinhalteversuch komme es zu einem Absinken rechts. Auffällig sei darüber hinaus eine leichte Atrophie der rechtsseitigen Oberschenkelmuskulatur. Obwohl er selbst festgestellt hat, dass die grobe Kraft in den Beinen nicht reduziert sei, setzt er sich mit diesem Widerspruch nicht auseinander. So bemängelt PD Dr. R. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte zu Recht, dass die von Dr. N. berichtete Atrophie der rechten Oberschenkelmuskultur als Zeichen des Muskelabbaus durch mangelnde Versorgung über die zuführenden Nerven unstimmig ist gegenüber der nicht sicher abgeschwächten groben Kraft im rechten Bein und dass eine Erklärung hierfür im Gutachten ebenso fehlt wie für die nicht nachvollziehbare Feststellung, dass die grobe Kraft im rechten Bein zwar nicht abgeschwächt ist, die Klägerin jedoch deutlich hinkt. Darüber hinaus weist PD Dr. R. darauf hin, dass die Muskeleigenreflexe der Klägerin am Arm rechts gegenüber links gesteigert sind. Dies würde für eine spastische Parese des rechten Armes, aber einer schlaffen Parese des rechten Beines sprechen. Bei einer Rückenmarksentzündung (Myelitis) praktisch des gesamten Halsmarkes, wie sie bei der Klägerin in der Kernspintomografie dokumentiert wurde, wäre demgegenüber eine spastische Parese des rechten Beines, aber eine eher schlaffe Parese des rechten Armes zu erwarten. Nachvollziehbar bemängelt PD Dr. R. daher, dass sich im Gutachten von Dr. N. keine Grundlage zum Ausschluss einer Aggravation bei der Klägerin findet. Eine Auseinandersetzung mit der Möglichkeit eines Tendenzverhaltens vermisst auch Dr. M. in ihrer ergänzenden Stellungnahme auf das Gutachten von Dr. N ... Verfahren zur Beschwerdevalidierung wurden von ihm nicht durchgeführt. Die aufgezeigten Unstimmigkeiten hätten den Sachverständigen jedoch auch nach Ansicht des Senats zu einer genaueren Prüfung eines Aggravationsverhaltens veranlassen müssen, was jedoch unterblieben ist.

In Kenntnis der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Laufanalyse der Sportmedizin des Universitätsklinikums T. vom 20. Januar 2016 stellt Dr. N. – ungeachtet der Aggravationsproblematik – dennoch nur eine lediglich "leichte Restparese des rechten Beins mit leicht behinderter Gehfähigkeit" fest. Dass er diese dann vor diesem Hintergrund mit einer Teil-MdE von 20 v. H. bewertet, ist nicht nachvollziehbar. Selbst unterstellt, dass die motorischen Funktionsstörungen des rechten Beines bestehen, sind sie in Übereinstimmung mit der Einschätzung von Dr. O. als so minimal zu bewerten, dass sie keine messbare MdE bedingen.

Die von der Klägerin geklagte psychische Störung bedingt zur Überzeugung des Senats ebenfalls keine eigenständige messbare MdE.

Hiervon ist der Senat aufgrund des Gutachtens von Dr. M. überzeugt, die darin einen psychopathologischen Normalbefund erhoben hat. Die Schilderung einer depressiven Stimmungslage, die zumindest zeitweilig auftreten solle, konnte die Sachverständige nicht verifizieren. Stattdessen wurden von der Klägerin konflikthafte Situationen in der Familie und eine gewisse Unzufriedenheit angedeutet. Die psychosoziale Situation wurde aber als geordnet angegeben. Es ergab sich kein Hinweis auf eine Reduktion der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit. Der Antrieb war normal, Kontakt und Kommunikation flüssig. Die Klägerin schilderte Konzentrations- und Orientierungsstörungen, die in der Untersuchungssituation nicht festzustellen waren. Das Konzentrationsvermögen war vielmehr durchgängig erhalten und fiel auch während der lang anhaltenden Untersuchung nicht ab. Dr. M. stellte hingegen deutliche Hinweise auf ein Tendenzverhalten im Rahmen des Rentenbegehrens fest. So erreichte die Klägerin in der Psychometrie einen auffälligen Punktwert im strukturierten Fragebogen simulierter Symptome (SFSS, deutsche Version des SIMS – structured inventory of malignered symptomatology nach Cima et al. 2003) und legte im Zahlenverbindungstest (ZVT) eine massive Verlangsamung dar, die nicht ihrem sonstigen Verhalten entsprach und nicht vereinbar ist mit dem Umstand, dass die Klägerin Pkw fährt. Insbesondere fehlt eine zum Beschwerdevorbringen korrelierende Inanspruchnahme psychiatrischer medikamentöser bzw. psychotherapeutischer Behandlung, was auf einen tatsächlich fehlenden Leidensdruck schließen lässt.

Dass Dr. N. in seinem Gutachten demgegenüber eine ängstlich-depressive Anpassungsstörung festgestellt hat, die er mit einer Teil-MdE von 10 v. H. bewertet, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Wiederum mangelt es an Beschwerdevalidierungen. Er übernimmt vielmehr lediglich das Vorbringen der Klägerin, dass sie vermehrt unter Ängsten leide, sich depressiv fühle und grundlos weinen müsse. Einen dies stützenden psychopathologischen Befund hat er nicht erhoben, sondern stellt fest, dass sie ein gutes Auffassungs- und Konzentrationsvermögen sowie eine normale Gedächtnisfunktion habe. Formale oder inhaltliche Denkstörungen sind nicht aufgefallen, ebenso wenig Wahrnehmungsstörungen. Psychomotorisch wirkte die Klägerin nicht verlangsamt, im Antrieb nicht reduziert. Der von Dr. N. erhobene Tagesablauf deckt sich zudem in Ordnung und Struktur mit demjenigen im Gutachten von Dr. M. und lässt mit der Betreuung der Hunde und Schafe sowie Erledigung von Hausarbeit keine wesentliche Beeinträchtigung erkennen. Die sich aufgrund der Vorgutachten aufdrängende Auseinandersetzung mit einem Tendenzverhalten der Klägerin geschieht im Gutachten von Dr. N. nur dahin, dass er mitteilt, im Gutachten von Dr. M. würde ihm die Würdigung der psychischen Situation fehlen. Die angegebene depressive Symptomatik einfach nur als "Tendenzverhalten" zu interpretieren, erscheine ihm zu einfach. Dies genügt jedoch nicht, um die von Dr. M. belegten Anhaltspunkte eines Tendenzverhaltens zu entkräften. Eine im Gegenteil notwendige objektivierte Validierung der Beschwerden gelingt Dr. N. demgegenüber nicht.

Auch eine Stützrente nach § 56 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 in Verbindung mit § 80a Abs. 1 Satz 2 SGB VII kommt nicht in Betracht, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht durch weitere Versicherungsfälle gemindert ist, deren Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen. Insbesondere bedingen die Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. Oktober 2009 keine MdE messbaren Ausmaßes. Über das darauf gerichtete Rentenbegehren wurde zwischenzeitlich rechtskräftig entschieden.

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Bewilligung von Rente als vorläufige Entscheidung wurde rechtmäßig ab 1. Mai 2012 aufgehoben. Ein Recht auf eine Rente auf unbestimmte Zeit bestimmt damit ebenfalls nicht.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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