Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 R 2498/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5278/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14. September 2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 13. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2013 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte eine Rentenbewilligung zurücknehmen und vom Kläger 8.396,65 EUR zurückfordern durfte.
Der 1957 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit Januar 1987 als Gastwirt freiwillig versichert und führte in der Folge Beiträge ab. Nach einem Herz- und Nierenversagen im November 2010 beantragte der Kläger am 17.05.2011 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. In einem Beiblatt zum Antrag wies er darauf hin, dass die Gaststätte noch auf seinen Namen laufe, aber von Mitarbeitern geführt werde. Er verfüge über einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 90 und dem Merkzeichen G. In dem Gutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin T. vom 02.08.2011 gab der Kläger ebenfalls an, dass sein Hotelbetrieb noch auf seinen Namen laufe, ein Verpachten aber aufgrund der finanziellen Lage nicht möglich sei. Die Ehefrau würde nun alle Geschäfte erledigen, diese habe Bankvollmacht, mache die Buchhaltung und organisiere den Betrieb. Er bekomme das nicht mehr hin. Unter Berücksichtigung deren Einschätzung, der Kläger sei nur noch unter drei Stunden am Tag leistungsfähig (Diagnose: ausgeprägte kognitive und motorische Defizite bei septischem, kardiogenem und hämorrhagischem Schock infolge einer Pneumokokkenpneumonie 11/2010 mit dilatatifer Kardiomyopathie mit initial schwerstgradig und zuletzt noch mittelgradig eingeschränkter linksventrikulärer Funktion sowie akutem anurischem Nierenversagen mit Dialysepflichtigkeit), bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 25.08.2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.12.2010 auf Dauer. Die Rente stehe dem Kläger unter Berücksichtigung des Hinzuverdienstes i. H. v. 3/4 zu, weswegen monatlich 410,93 EUR gezahlt würden. Unter "Mitteilungspflichten und Mitwirkungspflichten" im Bescheid führte die Beklagte unter anderem aus, dass der Kläger unverzüglich mitteilen müsse, wenn das Einkommen über der Hinzuverdienstgrenze liege. Hierzu verwies die Beklagte auf die Anlage 19 zum Bescheid. Ferner führte sie aus, dass auch dann, wenn der Kläger eine selbstständige Tätigkeit tatsächlich nicht ausübe, aber steuerrechtlich "Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit" vorlägen, er dies mitteilen müsse. Zuvor hatte das Steuerbüro D. der Beklagten unter dem 15.08.2011 per Fax den Bescheid über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für 2009 für Herrn und Frau D. und M. M., W., übersandt. In diesem Steuerbescheid werden Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 6.516 EUR für das Jahr 2009 festgestellt. Ausweislich der Anlage 21 zum Bescheid legte die Beklagte für die Zeit ab 01.12.2010 einen anzurechnenden Hinzuverdienst von 543 EUR monatlich zugrunde. Unter dem 25.08.2011 ist in den Akten der Beklagten ein Telefonat mit dem Kläger vermerkt, wonach dieser telefonisch mitgeteilt haben soll, dass das Einkommen in 2010 und 2011 eher weniger als in 2009 geworden sei. Genau könne er das jedoch noch nicht sagen. Mehr sei es keinesfalls.
Unter dem 27.01.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, verpflichtet zu sein, in regelmäßigen Abständen die Höhe der erzielten Einkommen zu überprüfen und bat um Übersendung der beigefügten Erklärung. In dieser, vom Steuerberater ausgefüllten Bescheinigung, wurde mitgeteilt, dass der Kläger im Gasthaus zur Krone zwar nicht mehr aktiv tätig sei, aber noch immer dessen Eigentümer. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien derzeit noch nicht bekannt, eine Schätzung des Gewinns für 2011 betrage ca. 48.000 EUR. Hierauf forderte die Beklagte mit Schreiben vom 19.03.2012 die Übersendung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2010. In diesem am 03.04.2012 eingegangenen Steuerbescheid vom 24.01.2012 für das Jahr 2010 sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 24.054 EUR festgestellt worden.
Mit Schreiben vom 16.07.2012 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Zurücknahme des Bescheides vom 25.08.2011 an, weil die Rente ab 01.12.2010 aufgrund der Einkünfte aus der Selbstständigkeit nicht mehr zu zahlen sei. Es sei beabsichtigt, den überzahlten Betrag i. H. v. 8.396,65 EUR zurückzufordern. Der Kläger habe im Jahr 2010 laut Steuerbescheid einen Gewinn i. H. v. 24.054 EUR erzielt und damit die Hinzuverdienstgrenze überschritten. Damit sei die Rente für die Zeit vom 01.12.2010 bis laufend nicht mehr zu leisten. Hierdurch sei die genannte Rentenüberzahlung entstanden. Die Rücknahme für die Vergangenheit sei zulässig, weil sich der Kläger nicht auf Vertrauen auf den Bestand des Bescheides berufen könne (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) und die Fristen des § 45 Abs. 3 und 4 SGB X noch nicht abgelaufen seien. Aufgrund der Hinweise im Bescheid vom 25.08.2011 habe der Kläger die Rechtswidrigkeit gekannt. Hierauf teilte der Kläger unter dem 10.08.2012 mit, dass der im Steuerbescheid ausgewiesene Gewinn im Gewerbebetrieb erwirtschaftet worden sei, allerdings nicht durch ihn, sondern durch seine Ehefrau, die Geschäftsführerin im Gewerbebetrieb sei. Eine beabsichtigte Verpachtung an die Ehefrau sei unterblieben, weil der Gewerbebetrieb hoch verschuldet sei und die kreditgebenden Banken seinen Verbleib im Betrieb forderten, um die Kredite nicht fällig zu stellen. Er habe die Erwerbsunfähigkeitsrente, die monatlich zugeflossen sei, für seinen Lebensunterhalt verbraucht. Ihm sei die Rechtswidrigkeit des Bescheides auch nicht bekannt gewesen. Der Bescheid des Finanzamtes L. über die Einkommensteuer 2010, in welchem die Einkünfte festgesetzt worden seien, datiere auf den 24.01.2012. Insofern könne ihm keine Kenntnis einer etwaigen Rechtswidrigkeit unterstellt werden.
Mit Bescheid vom 13.09.2012 nahm die Beklagte den Bescheid vom 25.08.2011 gemäß § 45 SGB X i. V. m. § 96a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für die Zeit vom 01.12.2010 an bezüglich der Rentenhöhe zurück und forderte den überzahlten Betrag i. H. v. 8.396,65 EUR vom Kläger zurück. Zur Begründung führte die Beklagte unter anderem aus, dass es bei der Anrechnung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 96a SGB VI rein auf die steuerliche Zuordnung der Einkünfte ankomme. Es sei daher unerheblich, ob der Kläger in eigener Person Leistungen zu erbringen hatte oder lediglich als "Geschäftsführer" repräsentativ den Betrieb vertrete oder nur "stiller Teilhaber" sei. Gegenüber dem ärztlichen Dienst habe der Kläger bei der Begutachtung im August 2011 angegeben, zu diesem Zeitpunkt keine Einkünfte gehabt zu haben. Am 25.08.2011 habe er den Steuerbescheid für 2009 mit einem zu versteuernden Einkommen aus Gewerbebetrieb i. H. v. 6.516 EUR übersandt. Auf telefonische Rückfrage durch die Sachbearbeiterin (Frau H.) habe er angegeben, dass das Einkommen 2010 und 2011 eher weniger geworden sei, mehr sei es keinesfalls. Der Steuerberater habe angegeben, das geschätzte Einkommen für 2011 betrage ca. 48.000 EUR. Unter dem 24.01.2012 sei dann im Einkommensteuerbescheid das Einkommen mit 24.054 EUR nachgewiesen worden. Die Beklagte müsse davon ausgehen, dass dem Kläger zumindest die Höhe der Einkünfte in 2010 am 25.08.2011 bereits bekannt gewesen sei bzw. er hätte abschätzen können, dass diese nicht wie 2009 lediglich 6.516 EUR oder weniger betragen würden. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Zurücknahme des Verwaltungsaktes und der Rückforderung der Überzahlung ab dem 01.12.2010 seien damit erfüllt. Eine aus der Rückforderung folgende besondere Härte oder wirtschaftliche Überforderung könne unter Berücksichtigung und Kompensation je nach Lage des Falles auch später noch dadurch erfolgen, dass die Möglichkeit eines Ratenzahlungsantrages bestehe. Somit sei auch im Rahmen der Ermessensausübung keine andere Entscheidung möglich.
Am 06.03.2013 meldete der Kläger sein Gewerbe bei der Stadt W. ab, worauf die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Anrechnung von Einkommen ab 01.03.2013 zahlte.
Mit dem gegen den Bescheid vom 13.09.2012 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Bescheides durch nichts erwiesen sei. Durch den Bescheid des Finanzamtes L. sei ersichtlich, dass er positive Kenntnis über die Höhe der Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb erst am 24.01.2012 gehabt habe. Die Annahme der Beklagten, er habe zumindest die Höhe der Einkünfte 2010 am 25.08.2011 gekannt, sei evident unzutreffend, wie der Finanzamtsbescheid zeige. Ferner wies er darauf hin, dass die Diskrepanz zwischen dem geschätzten und dem tatsächlichen Einkommen in den Jahren 2010 und 2011 durch eine bessere Auslastung des Geschäfts und bessere Betriebszahlen zustande gekommen sei. Diese seien für ihn nicht vorhersehbar gewesen. Ferner bestritt er, mit der Mitarbeiterin Frau H. kommuniziert zu haben, auch die Bevollmächtigten hätten dieser gegenüber keine Erklärung abgegeben.
In ihrem Widerspruchsbescheid vom 23.04.2013 führte die Beklagte aus, dass der Bescheid vom 25.08.2011 unter Berücksichtigung der maßgeblichen Einkünfte aus 2010 i. H. v. 24.054 EUR rechtswidrig begünstigend gewesen sei, weil sämtliche Hinzuverdienstgrenzen unzulässig überschritten gewesen seien. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X seien erfüllt. Es erscheine naturgemäß sehr unwahrscheinlich, dass eine derart gravierende Einkommenssteigerung über zwei Jahre hinweg gänzlich unbemerkt geblieben sei. Der Kläger habe damit rechnen müssen, dass sich der Rentenzahlbetrag ändern könne und unter Umständen auf null reduziert würde. Auch im Rahmen der Ermessensausübung könne unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Rechtmäßigkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit sowie der Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Versicherten von einer Rückforderung nicht abgesehen werden.
Gegen den den Bevollmächtigten des Klägers am 29.04.2013 zugegangenen Widerspruchsbescheid haben diese am 29.05.2013 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.
Zur Begründung hat der Kläger darauf hingewiesen, dass die Beklagte ihm mit Rentenbescheid vom 25.08.2011 ohne Widerrufsvorbehalt oder ähnlichem Rente wegen voller Erwerbsminderung i. H. v. 3/4 bewilligt habe. Grundlage für diesen Rentenbescheid sei das Einkommen, der Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit im Jahr 2009 i. H. v. 6.516 EUR gewesen. Der Einkommensteuerbescheid habe für das Jahr 2010 zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen. Die Behauptungen der Beklagten träfen zum Teil nachweislich nicht zu. Er könne sich heute nicht mehr erinnern, ob er am 25.08.2011 mit Frau H. telefoniert habe und ob er irgendwelche Angaben zu seinem Einkommen im Jahr 2010 gemacht habe. Allerdings habe der Beklagten der Steuerbescheid für das Jahr 2009 bereits seit dem 15.08.2011, mithin bereits zehn Tage vor dem angeblichen Telefonat vorgelegen. Die Aufhebung des Bescheids und die Rückforderung der überzahlten Renten für die Vergangenheit komme nicht in Betracht. Er beruhe nicht auf fehlerhaften Angaben. Denn selbst wenn er die behaupteten Angaben zu den voraussichtlich niedrigeren Einkünften gemacht hätte, hätte er damit keine Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten verletzen können. Die Beklagte könne die rückwirkende Aufhebung auch nicht auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X stützen. Tatsachen, woraus sich eine positive Kenntnis betreffend die Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheides ergeben würde, habe die Beklagte nicht vorgetragen. Auch für eine grob fahrlässige Unkenntnis lägen keine Anhaltspunkte vor.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat eingeräumt, dass ein entsprechender Rücknahmevorbehalt fehle. Der Kläger habe jedoch 2010 ungefähr das Vierfache und 2011 das Siebenfache seines 2009 erzielten Gewinnes erreicht und hätte aus der Darstellung der Hinzuverdienstgrenzen durchaus erkennen können, dass der zulässige Hinzuverdienst überschritten werde. Im Rahmen seiner Mitteilungspflichten wäre er zu einer unverzüglichen Mitteilung verpflichtet gewesen.
Der Kläger hat ergänzend darauf hingewiesen, dass im Sommer 2011 bis mindestens Oktober 2011 eine schwere Alkoholproblematik vorgelegen habe sowie eine schwere depressive Episode. Er hat hierzu ein ärztliches Attest des Dr. R. vorgelegt, der unter dem 12.12.2013 ausgeführt hat, dass Aussagen aus diesem Zeitraum genau zu prüfen und gegebenenfalls vor dem Hintergrund der Erkrankung zu relativieren seien. Das SG hat hierauf den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K. als sachverständigen Zeugen gehört (zu den gemachten Angaben wird auf Bl. 39 f. der Akten verwiesen). Hierzu haben die Beteiligten nochmals Stellung genommen (Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 25.09.2014, Schriftsatz der Beklagten vom 07.10.2014 unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. S. vom 25.09.2014).
Mit Urteil vom 14.09.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen der Beklagten in Bescheid und Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Dem Kläger sei zuzustimmen, dass er positive Kenntnis über seine steuerrechtlichen Einkünfte im Jahr 2010 erst im Jahr 2012 erlangt habe. Jedoch hätte es für seine Ehefrau und seinen Steuerberater bereits im August 2011 ersichtlich gewesen sein müssen, dass die Einkünfte in den Jahren 2010 und 2011 aus dem Betrieb des Hotels deutlich höher sein würden als im Jahr 2009. Denn bei Übersendung des Steuerbescheides für 2009 an die Beklagte sei das Geschäftsjahr 2010 bereits seit mehr als acht Monaten abgeschlossen und der Gewinn aus dem Betrieb des Hotels nicht mehr geringfügig, sondern erheblich gestiegen gewesen. Die erhebliche Steigerung der Gewinne hätten der Ehefrau des Klägers und seinem Steuerberater im August 2011 zumindest dem Grunde nach auffallen müssen. Diese grobe Fahrlässigkeit der Ehefrau, die die Geschäfte für den Kläger geführt habe, und seines Steuerberaters müsse sich der Kläger zurechnen lassen. Denn er habe das Hotel nicht selber geführt und sei nach Auskunft seines Hausarztes gesundheitlich auch nicht zur selbstständigen Führung seiner Finanzen in der Lage gewesen. Die Verpflichtung zur Nachfrage bei Personen, die sich mit seinen finanziellen Verhältnissen auskannten, folge auch aus den gegenseitigen Pflichten der Beteiligten im Sozialversicherungsverhältnis. Nach Ansicht der Kammer seien beide Parteien dazu verpflichtet, den Eintritt eines Schadens bei der jeweils anderen Partei zu vermeiden. Die Beklagte habe auch ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Zwar habe sie in dem ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13.09.2012 keine Ermessenserwägungen vorgetragen, sondern sich im Wesentlichen auf die Mitteilung beschränkt, dass die Rücknahme auch im Wege des Ermessens gerechtfertigt sei. Jedoch habe die Beklagte dies im Widerspruchsbescheid nachgeholt. Anhaltspunkte für einen Ermessensnichtgebrauch oder ein Überschreiten seien daher nicht mehr gegeben. Die Beklagte habe nach Ansicht der Kammer in die Abwägung alle wesentlichen Erwägungen eingestellt und in nachvollziehbarer Weise berücksichtigt. Im Übrigen sei der Vertrauensschutz auch nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ausgeschlossen. Denn der Kläger bzw. dessen Ehefrau oder Steuerberater hätten die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 25.08.2011 erkennen müssen.
Gegen das dem Kläger am 26.11.2015 zugestellte Urteil hat dieser am 23.12.2015 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages hat er an seiner Rechtsauffassung festgehalten.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 14.02.2017 den Sach- und Streitstand erörtert und insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG, Urteil vom 09.10.2012 – B 5 R 8/12 R –) und das in diesem Urteil angesprochene Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses hingewiesen.
Der Kläger hat die Steuerbescheide für die Jahre 2011, 2012 und 2013 vorgelegt (Einkünfte aus Gewerbebetrieb in 2011: 43.642 EUR, in 2012: 57.850 EUR, in 2013 Veräußerungsgewinn 870.978 EUR abzüglich Einkünfte von -33.089 EUR).
Mit Bescheid vom 03.04.2017 hat die Beklagte "den bisherigen Bescheid" hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 01.01.2011 aufgehoben. Für die Zeit ab dem 01.04.2017 werde laufend eine Rente i. H. v. 607,34 EUR gezahlt. Für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2017 betrage die Nachzahlung 1.119,74 EUR (gemeint: 01.01.2013 bis 28.02.2013). Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen die Rente für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2012 nicht und ab dem 01.01.2013 in voller Höhe zustehe. Dieser Bescheid werde gemäß § 96 SGG Bestandteil des anhängigen Klageverfahrens. Auf Seite 7 des Bescheides (unten) ist der Kläger auf sein Recht, Widerspruch einlegen zu können, hingewiesen worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14. September 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch sie hat an der bislang vertretenen Rechtsauffassung festgehalten und auf ihren erstinstanzlichen Vortrag sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Ferner hat sie ergänzt, dass das Finanzamt in der Regel die Steuervorauszahlungen den zu erwartenden Einnahmen anpasse und der Kläger bzw. dessen Ehefrau auch aus den vermutlich erheblich höheren Steuervorauszahlungen die immensen Einkommenssteigerungen hätten erkennen können.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist auch begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist zunächst der Bescheid vom 13.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2013, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 25.08.2011 bezüglich der Rentenhöhe zurückgenommen und die bis 31.08.2012 eingetretene Überzahlung vom Kläger zurückgefordert hat. Mit der vom Kläger erhobenen reinen Anfechtungsklage macht er geltend, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Auszahlung der Rente in bewilligter Höhe ganz zurückzunehmen und die Überzahlung von ihm zurückzuverlangen.
Der Bescheid vom 03.04.2017 ist nur insoweit gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden, als er dem geltend gemachten Anspruch für die Zeit ab 01.01.2013 abgeholfen hat und die Rente ab diesem Zeitpunkt ohne Anrechnung von Einkommen gezahlt wurde. Hierdurch ist der Kläger aber nicht beschwert. Nach § 96 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Geändert oder ersetzt wird ein Bescheid immer, wenn er denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsbescheid betrifft, bzw. wenn in dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (vgl. nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 96 RdNr. 4 ff. m. w. N.). Der Bescheid vom 03.04.2017 enthält indes mehrere Regelungen. So wird dem Kläger – nachdem der Beklagte bereits nach Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Anrechnung von Einkommen ab 01.03.2013 gezahlt hat – nunmehr (ebenfalls ohne Anrechnung von Einkommen) Rente bereits ab 01.01.2013 gezahlt. Soweit der Beklagte "den bisherigen Bescheid" hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 01.01.2011 nach dem Wortlaut der Entscheidung aufgehoben hat, ergibt sich für den nach der Abhilfe mit Wirkung ab 01.01.2013 noch streitigen Zeitraum (01.12.2010 bis 31.12.2012) kein vom Bescheid vom 13.09.2012 abweichender Regelungsgehalt. Insoweit diente der Bescheid ganz offensichtlich nur der Überprüfung der Entscheidung vom 13.09.2012 dahingehend, ob aufgrund der im Berufungsverfahren vorgelegten Steuerbescheide Änderungen hinsichtlich des von der Zurücknahme betroffenen Zeitraumes eingetreten sind. Nachdem die nachgewiesenen Einkünfte – wie noch auszuführen sein wird – keine Änderung in der materiellrechtlichen Beurteilung rechtfertigten, enthält dieser Bescheid bezogen auf die bereits anhängige Anfechtungsklage keine zusätzliche Beschwer. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte diesbezüglich eine weitere Regelung mit Außenwirkung treffen wollte. Insoweit fehlt es beispielsweise an einer ausdrücklichen Aufhebung des Bescheides vom 13.09.2012. Darüber hinaus enthält der Bescheid vom 03.04.2017 sowohl eine Rechtsbehelfsbelehrung zur Möglichkeit der Einlegung des Widerspruchs (Seite 7 unten) als auch den Vermerk, dieser Bescheid sei "Bestandteil" des anhängigen Klageverfahrens. Letzteres ist nur als nachgeschobene Begründung für die vormals ausgesprochene Zurücknahme des bewilligten Zahlbetrages der Rente durch eine erst im Berufungsverfahren eröffnete Möglichkeit der Berechnung auf der Grundlage von Steuerbescheiden nachvollziehbar, was aber weder zu abändernden noch zu ersetzenden Verfügungssätzen im Zusammenhang mit dem hier angefochtenen Zahlungsgebot, 8.396,65 EUR an die Beklagte zurückzuzahlen, führte. Durch die Bewilligung eines Zahlbetrages an Rente ab 01.01.2013 – im Gegensatz zur Bewilligung im Bescheid vom 25.08.2011 – ohne Anrechnung von Einkommen ist der Kläger nicht beschwert. Entsprechendes hat er weder geltend gemacht noch sind solche Gesichtspunkte für die Zeit ab 01.01.2013 ersichtlich. Ist der Bescheid vom 03.04.2017 daher nicht Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits geworden, war der Antrag des Klägers dementsprechend auch nicht sachdienlich dahingehend auszulegen.
Die Zurücknahme des monatlichen Rentenzahlbetrages mit Wirkung ab dem 01.12.2010 und bis 31.12.2012 hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Damit war die Beklagte auch nicht berechtigt, vom Kläger die nach ihrer Rechtsauffassung überzahlten Rentenbeträge gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern.
Dies folgt nicht schon aus formellen Gründen. Denn hinsichtlich der Rücknahme des Rentenzahlbetrages in voller Höhe genügt der Bescheid vom 13.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2013 noch den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Aus dem Verfügungssatz muss für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Unschädlich ist es, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl. BSG, Urteile vom 20.03.2013 – B 5 R 16/12 R –, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 20/09 –, beide Juris). Soweit hinsichtlich dieser Voraussetzungen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 13.09.2012 bestehen, ist festzuhalten, dass unter Berücksichtigung des Anhörungsschreibens und der Ausführungen im Widerspruchsbescheid hinreichend deutlich ist, von welchem konkreten Einkommen die Beklagte ausgegangen ist, welche Hinzuverdienstgrenze hierdurch überschritten wird und dass für den Zeitraum ab 01.12.2010 kein Anspruch auf Zahlung einer Rente mehr besteht, sowie, dass es zu einer Rentenüberzahlung in Höhe von 8.396,65 EUR für die Zeit vom 01.12.2010 bis 31.08.2012 gekommen ist, weswegen die Beklagte vom Kläger Erstattung verlangt. Da die gesamten bislang gewährten Leistungen zurückgefordert wurden, ist hier auch unschädlich, dass eine grundsätzlich erforderliche konkrete Berechnung des Monatsbetrages des Rechts auf Rente unter Berücksichtigung eines angerechneten Einkommens nicht beigefügt war.
Rechtsgrundlage für die verfügte Verpflichtung des Klägers, erbrachte Leistungen zu erstatten, ist § 50 Abs. 1 SGB X, der dies von der Reichweite der Aufhebung des bewilligenden Verwaltungsakts abhängig macht. Dem Kläger stehen die Zahlungen zu, weil ihm aufgrund des ihn begünstigenden Dauerverwaltungsakts vom 25.08.2011 bindend (§ 77 SGG) und nicht nur einstweilig oder vorläufig ein Rentenstammrecht mit entsprechendem Wert für die Zeit ab 01.12.2010 zuerkannt ist und die Beklagte nicht berechtigt ist, diesen mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Eine Berechtigung zur Zurücknahme des bewilligten Rentenzahlbetrages besteht nicht aus § 45 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 SGB X, auf den sich die Beklagte stützt. Der Anwendungsbereich der §§ 45 und 48 SGB X unterscheidet sich danach, ob die aufzuhebende Leistungsbewilligung im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens (vgl. § 39 SGB X) rechtswidrig war – dann § 45 SGB X – oder erst danach – dann § 48 SGB X – rechtswidrig wurde. Die beiden Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnisses im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, ab. Dabei ist die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig abzuklären (BSG, Urteil vom 28.06.1999 – 4 RA 57/89 –: sog. Verbot vorzeitigen Verfahrensabschlusses, ebenso BSG, Urteile vom 07.04.2016 – B 5 R 26/15 R –, vom 09.10.2012 – B 5 R 8/12 R –, und vom 21.06.2011 – B 4 AS 22/10 R –, alle Juris). Gerade die Anerkennung eines Rentenanspruchs bezweckt, eine geschützte, unmittelbar, d.h. ohne weitere Sachaufklärung einklagbare Rechtsposition festzustellen, auf deren Bestand der Rentner vertrauen und deswegen sich auf Dauer in seiner Lebensführung einrichten darf (BSG, Urteil vom 28.06.1990 – 4 RA 57/89 –, a. a. O.). Entsprechend sind im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung bereits (objektiv) feststehende, die Höhe des Anspruchs betreffende Umstände, auch wenn sie in der Zukunft liegen, zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 02.06.2004 – B 7 AL 58/03 R –, Juris).
Ein auch ggf. teilweises Entfallen von monatlichen Rentenansprüchen setzt voraus, dass das für denselben Zeitraum tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit die in § 96a Abs. 2 SGB VI (in der hier anzuwendenden und bis 30.06.2017 gültigen Fassung, im Folgenden: a. F.) genannten, auf einen Monat bezogenen Beträge übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 2 im Laufe eines Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Nach § 96a Abs. 1a Nr. 2 SGB VI a. F. wird abhängig vom erzielten Hinzuverdienst eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe, in Höhe von 3/4, 1/2 oder 1/4 bewilligt.
Nach dem Wortlaut des § 96a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VI a. F. sind Arbeitseinkommen und Arbeitsentgelt gleich zu behandeln, so dass das Überschreiten der jeweiligen Hinzuverdienstgrenzen durch Arbeitseinkommen ebenfalls rentenschädlich ist und zur jeweils niedrigeren Rente führt. Wie für den Begriff Arbeitsentgelt enthält § 96a Abs. 1 SGB VI a. F. auch zum Begriff Arbeitseinkommen keine nähere Bestimmung, so dass auch hier auf die allgemeinen Vorschriften des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) zurückzugreifen ist (vgl. § 1 Abs. 3 SGB IV). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Dieser Begriff des Arbeitseinkommens ist dem § 96a Abs. 1 SGB VI a. F. zugrunde zu legen.
Nach dem Einkommensteuerrecht, zu dem durch § 15 SGB IV eine Parallelität angestrebt wird, wird der Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit regelmäßig jährlich ermittelt. Nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Einnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Durch die damit erfolgte Gewinnermittlung fehlt es an der Möglichkeit, Monat für Monat ein erzieltes Arbeitseinkommen der jeweiligen monatlichen Hinzuverdienstgrenze gegenüber zu stellen, denn die Feststellung des konkreten Gewinns in einem einzelnen Monat ist auf dieser Basis nicht möglich.
Soweit nur ein Jahreseinkommen festgestellt werden kann bzw. festgestellt worden ist, besteht lediglich die Möglichkeit, ein – durchschnittliches – monatliches Einkommen zu ermitteln, indem das Jahreseinkommen durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, geteilt wird. Auf dieser Grundlage ist auch die Umsetzung der zweimaligen Überschreitungsmöglichkeit bei der Anrechnung eines auf Jahresbasis ermittelten Arbeitseinkommens nicht möglich (vgl. zum vorgenannten ausführlich: BSG, Urteil vom 03.05.2005 – B 13 RJ 8/04 R –, SozR 4-2600 § 96a Nr. 7).
Unter Berücksichtigung dessen ist der Verwaltungsakt über die Festsetzung des monatlichen Zahlbetrags der Rente der Beklagten schon deshalb bei seinem Erlass rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte gegen das Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses verstoßen hat, indem sie entgegen § 20 Abs. 1 und 2 SGB X trotz der Einkommensabhängigkeit abschließend (zu alternativen Handlungsmöglichkeiten vgl. Urteil BSG vom 28.06.1990 – 4 RA 57/89 –, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2016 – L 10 R 3153/13 –, beide Juris) über den monatlichen Zahlbetrag der Rente des Klägers entschieden hat, obwohl sie die erforderlichen steuerrechtlichen Feststellungen nicht getroffen hatte und ihr auch der Steuerbescheid für 2010 nicht vorlag, dem sie die erforderlichen Informationen jedenfalls hätte entnehmen können. Die Rentenbewilligung im Bescheid vom 25.08.2011 als den Kläger dauerhaft begünstigender Verwaltungsakt war daher von Anfang an rechtswidrig.
Zum Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses hat das BSG in seinem Urteil vom 09.10.2012 – B 5 R 8/12 R –, Juris), dem sich der Senat in vollem Umfang anschließt, u.a. Folgendes ausgeführt:
" Das einkommensteuerrechtliche Jährlichkeitsprinzip (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 EStG) erlaubt nämlich eine Feststellung von Arbeitseinkommen nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die entsprechenden Einnahmen zufließen und "für" das sozialrechtlich eine Berücksichtigung erfolgen soll. Da vor Ablauf des Kalenderjahres rechtlich nicht von einem "Einkommen" Selbstständiger gesprochen werden kann, ergibt sich sozialrechtlich notwendig eine zeitliche Verzögerung bei der endgültigen Bemessung des Zahlbetrags der Sozialleistung. Dies entspricht der originären Funktion der Einkommensarten, die ihrerseits nach § 38 AO i. V. m. § 36 Abs. 1 EStG erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes, das heißt nach § 25 Abs. 1 EStG des Kalenderjahres, entstehende Steuerschuld als maßgebliche Rechtsfolge steuerrechtlicher Normen mit zu begründen (vgl. BVerfGE 127, 31, 48 m. w. N.). Vor Ablauf des Kalenderjahres ist im Sinne des Steuerrechts zu verstehendes Arbeitseinkommen daher auch im Kontext von § 96a SGB VI nicht (tatsächlich) "erzielt" und damit sozialrechtlich berücksichtigungsfähig. Anders als bei monatlich abgerechneten Arbeitsentgelten aus abhängiger Beschäftigung kann folglich bei einer Gewinnermittlung auf Jahresbasis ein konkreter Gewinn für einzelne Monate nicht jeweils parallel ermittelt und unterjährig laufend der jeweiligen monatlichen Hinzuverdienstgrenze gegenübergestellt werden. Vielmehr besteht – jedenfalls grundsätzlich und in aller Regel – erst im Nachhinein im Wege der Division des Jahreseinkommens durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, die Möglichkeit, ein durchschnittliches Monatseinkommen zu ermitteln " Und ferner: " Schließlich durfte die Beklagte mangels gesetzlicher Grundlage Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit für ein abgelaufenes Kalenderjahr zur abschließenden Feststellung der hierfür entstandenen Ansprüche auch nicht auf lediglich hypothetischer Grundlage abschließend feststellen. Der materiell-rechtliche Tatbestand von § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI erfordert vielmehr für die abschließende Feststellung des sich unter Berücksichtigung des Einkommens aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit ergebenden monatlichen Zahlbetrages stets die abschließende Feststellung des tatsächlich erzielten Arbeitseinkommens auf der Basis der umfassenden und vollständigen Ermittlung (§ 20 SGB X) und Feststellung aller steuerrechtlich relevanten Umstände (BSGE 94, 286 RdNr. 15 f. = SozR 4-2600 § 96a Nr. 7). Eine lediglich hypothetische Gewinn-Schätzung des Versicherten selbst und/oder eines zugezogenen Sach- und Rechtskundigen genügt insofern entgegen der Vorgehensweise der Beklagten von vorneherein nicht."
Damit ist nicht nur die Heranziehung des im Jahr 2009 erzielten Einkommens im Bescheid vom 25.08.2011 rechtswidrig, sondern auch das Abstellen der Beklagten auf unterjährige Schätzungen des Klägers oder dessen Steuerberaters zur Begründung der Rechtswidrigkeit im bewilligenden Bescheid (ohne im Übrigen die im Jahr 2012 möglichen Ermittlungen zu den Einkünften 2011 selbst durchgeführt zu haben). Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass es in dem vorliegenden Verfahren keine Hinweise darauf gibt, dass ausnahmsweise anstelle des erst mit Ablauf des laufenden Kalenderjahres entstehenden und feststellbaren Gewinns aus einer selbstständigen Tätigkeit schon Teile auf der Basis einer unterjährigen Prognose ermittelten Jahresergebnisses ausreichend gewesen sein könnten, um laufende monatliche Zahlungsansprüche zu entziehen. Die Beklagte verkennt insoweit, das es hierbei nicht auf den Umsatz ankommt, sondern auf eine unter Berücksichtigung des § 15 EStG erfolgte Gewinnermittlung.
Nach dem nunmehr im Berufungsverfahren erstmals durch die Vorlage der Steuerbescheide für die Jahre 2010, 2011 und 2012 geklärten Sachverhalt war der monatliche Zahlbetrag der Rente des Klägers aus dem Rentenbescheid vom 25.08.2011 auch deshalb rechtswidrig, weil der Kläger Einkommen erzielt hat, welches die Hinzuverdienstgrenzen überschritten hat.
Ausweislich der vorliegenden Einkommensteuerbescheide hat der Kläger in den Jahren 2010 bis 2012 Einkommen wie folgt erzielt:
Steuerbescheid vom 24.01.2012 für das Jahr 2010: 24.054 EUR, Steuerbescheid vom 20.11.2012 für das Jahr 2011: 43.642 EUR, Steuerbescheid vom 10.12.2013 für das Jahr 2012: 57.850 EUR.
Die Hinzuverdienstgrenze für die Zeit vom 01.07.2010 bis zum 31.12.2010 betrug für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe der geringsten Teilrente von 1/4 1.073 EUR, so dass dem Kläger wegen des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze bei einem monatlichen Einkommen von 2.004,50 EUR (24.054 EUR: 12 Monate) kein zahlbarer Rentenanspruch zustand. Gleiches gilt für das Jahr 2011 (Hinzuverdienstgrenze ab 01.07.2011: 1073,10, monatliches Einkommen: 43.642 EUR: 12 Monate = 3.636,83 EUR) und das Jahr 2012 (Hinzuverdienstgrenze ab 01.01.2012: 1.102,50, monatliches Einkommen: 43.642 EUR: 12 Monate = 3.636,83 EUR).
Diese Einkünfte sind auch allein dem Kläger zuzuordnen. Soweit der Kläger geltend macht, sie seien nicht von ihm, sondern von der Ehefrau erwirtschaftet worden, ändert dies nichts an der rechtlichen Zuordnung. Wie die Ermittlung der Höhe des Gewinns hat auch die Zuordnung des Gewinns zu der jeweiligen Person nach steuerrechtlichen Maßstäben zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004 – B 5 RJ 56/02 R –, Juris). Bei Einnahmen aus einem Gewerbebetrieb kommt es darauf an, wer Unternehmer bzw. Mitunternehmer ist. Unternehmer ist die Person, die selbstständig und nachhaltig in der Absicht der Gewinnerzielung tätig wird, § 15 Abs. 2 des EStG. Dabei kommt es weder auf die von den Beteiligten ausdrücklich gewählte Bezeichnung ihrer Rechtsbeziehungen noch auf den nach außen durch Handelsregistereintragung oder gewerbepolizeiliche Anmeldung gesetzten Rechtsschein an. (Mit-)Unternehmer i.S. des § 15 EStG ist vielmehr, wer (Mit-)Unternehmerinitiative entfalten kann und ein (Mit-)Unternehmerrisiko trägt, also die Person, nach deren Willen und auf deren Rechnung und Gefahr das Unternehmen in der Weise geführt wird, dass sich der Erfolg oder Misserfolg in ihrem Vermögen unmittelbar niederschlägt (vgl. BFH, Urteil vom 17.05.2006 – VIII R 21/04 – Juris Rn. 24). Unternehmerinitiative ergibt sich vor allem aus der Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen. Unternehmerrisiko trägt, wer am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens Teil hat. Wer nicht am laufenden Gewinn oder am Gesamtgewinn der Gesellschaft beteiligt ist, ist danach regelmäßig nicht Mitunternehmer. Die Merkmale der Unternehmerinitiative und des Unternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. Sie müssen jedoch beide vorliegen (vgl. hierzu LSG Hessen, Urteil vom 02.07.2013 – L 2 R 97/12 –, Juris). Die Ehefrau des Klägers war unter Berücksichtigung dessen keine Mitunternehmerin. Sie profitierte zwar von dem Gewinn dahingehend, dass der Kläger und sie davon einen Teil ihres Lebensunterhalts bestreiten konnten. Dies bedeutet aber nicht, dass sie an Gewinn und Verlust beteiligt war. Die Einlassungen des Klägers, von einer Verpachtung abgesehen zu haben, weil sonst Kreditverträge gekündigt worden wären und die Entscheidung, den Betrieb zu verkaufen, belegen, dass er weiterhin für die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen verantwortlich war. Dies wird letztlich auch durch die steuerrechtliche Einordnung in den Steuerbescheiden bestätigt, die diesen Gewinn nicht (auch) der Ehefrau, sondern allein ihm zugeordnet haben und gegen deren Richtigkeit der Kläger keine Einwendungen vorgebracht hat.
Hinsichtlich der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen ist der Bescheid vom 25.08.2011 nicht nur für den Zeitraum 01.12.2010 bis zum 31.12.2010 anfänglich rechtswidrig; § 45 SGB X ist auch für die Jahre 2011 und 2012 anzuwenden.
Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 25.08.2011 waren – nachdem das Kalenderjahr 2010 abgelaufen war – nach dem Jährlichkeitsprinzip alle Tatsachen gegeben, die für eine Berücksichtigung des Erwerbseinkommens nach § 96a SGB VI notwendig waren, sie waren der Beklagten nur nicht bekannt. Darauf, wann der Steuerbescheid vorgelegen hat, kommt es nicht an. Der Einkommenssteuerbescheid bewirkt – wie ausgeführt – gerade keine nachträgliche Änderung. Da § 15 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) nur auf die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts Bezug nimmt, den Einkommenssteuerbescheiden aber keine eigenständige Bedeutung zumisst, entfalten diese keine rechtliche Wirkung im Sinne einer Bindung für das sozialrechtliche Verfahren (vgl. BSG, Urteil vom 09.10. 2012 – B 5 R 8/12 R –, Juris), auch wenn tatsächlich regelmäßig auf die Feststellung der Finanzverwaltung zurückgegriffen werden kann. Erlässt die Verwaltung einen endgültigen Bescheid auf der Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Dies gilt unabhängig davon, zu welchen Ermittlungen sich die Verwaltung aufgrund der Angaben des Antragstellers vor Erlass des Ausgangsverwaltungsakts gedrängt sehen musste (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 21/10 R –, Juris).
Unabhängig davon, dass sich die Beklagte sowohl bei der Anhörung des Klägers als auch in den angefochtenen Bescheiden allein auf § 45 SGB X gestützt und für das Jahr 2011 (für die Verweigerung von Zahlungen für das Jahr 2012 fehlt es an einer Begründung) nicht auf eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X abgestellt hat, ist eine wesentliche Änderung nicht deshalb eingetreten, weil das Einkommen des Klägers erst nach Ablauf der Kalenderjahre 2011 und 2012 für die jeweiligen Kalenderjahre feststellbar war. Erlässt die Verwaltung auf der Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts einen endgültigen Bescheid, ist dieser von Anfang an rechtswidrig, soweit objektiv erst später ermittelbare Umstände (z. B. ein künftiges Einkommen) lediglich eine vorläufige Bewilligung gerechtfertigt hätten (Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 95. EL Juli 2017, § 48 SGB X, Rdnr. 8a) § 48 Abs. 1 SGB X ermächtigt nicht zur Rücknahme wegen solcher Tatsachen, die objektiv bereits bei Erlass des früheren Verwaltungsakts gegeben waren. Eine solche Tatsache ist auch die Abhängigkeit der gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung von dem Einkommen des Klägers, welches als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erheblichen Schwankungen unterliegt und daher keiner Vorhersage zugänglich ist. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides war das im Jahr 2010 erzielte Einkommen nicht auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2009 zu bestimmen und für das laufende Jahr 2011 nicht verlässlich vorherzusehen. Mit dem Hessischen LSG (Urteil vom 02.07.2013 – L 2 R 97/12 –, Juris) ist der Senat der Auffassung, dass § 48 SGB X für bereits anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte nur dann anwendbar ist, wenn sich die nachträgliche Änderung der Verhältnisse auf Umstände bezieht, auf denen die anfängliche Rechtswidrigkeit nicht beruht. Insoweit berücksichtigt der Senat in Übereinstimmung mit der vorgenannten Entscheidung des LSG Hessen, dass sich aus den speziell für anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte anwendbaren §§ 44 und 45 SGB X entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber bei einer anfänglichen Rechtswidrigkeit dem Vertrauensschutz größeres Gewicht zugemessen hat, als er dies insbesondere bei einer nachträglichen Rechtswidrigkeit aufgrund der Erzielung von Einkommen getan hat. Bei Anwendbarkeit des § 48 SGB X in den Fällen eines aus den gleichen Gründen anfänglich und nachträglich rechtswidrigen Verwaltungsakts würde der durch § 45 SGB X gesetzte Vertrauensschutz aufgrund der Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X bei Anrechnung von Einkommen vollständig unterlaufen. Diesen besonderen Vertrauensschutz hat das BSG in der o.g. Entscheidung auch noch einmal besonders betont (Urteil vom 09.10.2012 – B 5 R 8/12 R –).
Die Aufhebung des monatlichen Zahlbetrages des Rechts auf Rente für die Vergangenheit scheitert zudem gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X schon daran, dass dem Kläger kein Verschulden im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorgeworfen werden kann und auch keine Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X vorliegen. Dafür, dass der Kläger den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt haben könnte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X), sind weder Umstände vorgetragen worden noch sind diese ersichtlich. Dem Kläger kann auch nicht der Vorwurf gemacht werden, der Verwaltungsakt beruhe auf Angaben, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Hierzu hat das BSG (Urteil vom 09.10.2012 – B 5 R 8/12 R –, BSGE 112, 74-85, SozR 4-1300 § 45 Nr. 10) bereits klargestellt, dass "Angaben" im Sinne dieser Norm nur im Sinne der Angabe von Tatsachen zu verstehen ist, zu denen der Antragsteller materiell- und verwaltungsverfahrensrechtlich (§ 21 Abs. 2 Satz 3 SGB X, § 60 SGB I) verpflichtet ist. Damit dürfen auf den Antragsteller weder die Anwendung von Rechtsnormen noch die Subsumtion unter einzelne Rechtsbegriffe überwälzt werden. Die entsprechenden Äußerungen des Klägers im Verwaltungsverfahren sind folglich bereits keine "Angaben" i. S. von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, weil es sich auch bei den geforderten und getätigten Schätzungen von Einkommen nicht um Tatsachenangaben handelt, da sich entsprechende Feststellungen auf das Vorliegen eines Rechtsbegriffes (Gewinnermittlung nach den Vorschriften des Einkommenssteuerrechts) beziehen. Der Steuerbescheid der Finanzverwaltung für das Jahr 2010 wurde erst am 24.01.2012 und damit deutlich nach der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung erlassen.
Aus demselben Grund kann dem Kläger auch nicht vorgeworfen werden, die anfängliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt oder grob fahrlässig nicht gekannt zu haben. Nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. HS SGB X ist grobe Fahrlässigkeit gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn er bereits einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG, Urteil vom 08.02.2001, SozR 3-1300 § 45 SGB X Nr. 45 S. 152 ff.; BSGE 62, 32, 35; 42, 184, 187). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist nicht von einem objektiven, sondern von einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab auszugehen (BSG, Urteile vom 09.02.2006 – B 7a AL 58/05 R und vom 24.04.1997 – 11 RAr 89/96 –). Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten gemäß dem subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff zu beurteilen ( BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273).
Unter Berücksichtigung dessen, dass die Bewilligung im Bescheid allein auf der Grundlage eines für die Rentengewährung im Dezember 2010 nicht maßgeblichen Steuerbescheides für 2009 und eines Aktenvermerkes über eine telefonische Anfrage einer Sachbearbeiterin der Beklagten erfolgte (dessen Inhalt vom Kläger im Übrigen bestritten wird), der Aktenvermerk keinen Aufschluss darüber gibt, in welchem Umfang dem Kläger erläutert wurde, was genau unter Einkommen in 2010 und 2011 zu verstehen ist, und letztlich auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass in einem solchen Telefonat die Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuergesetzes im Detail erläutert worden sind, liegt die Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis der im Bescheid vom 25.08.2011 erfolgten Bewilligung oder gar die Kenntnis einer rechtswidrigen Bewilligung fern. Schon aufgrund der fehlenden Tatsachengrundlage scheidet die Zurechnung einer Kenntnis Dritter aus.
Liegen damit die Voraussetzungen für eine Zurücknahme der Bewilligung für die Vergangenheit nicht vor, weil diese rechtswidrig ist, ist die Beklagte nach § 50 Abs. 1 SGB X nicht berechtigt, den Zahlbetrag der Rente für den genannten Zeitraum zurückzunehmen und die gewährten Leistungen zurückzuverlangen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Anwendbarkeit des § 48 SGB X auf anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte war die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte eine Rentenbewilligung zurücknehmen und vom Kläger 8.396,65 EUR zurückfordern durfte.
Der 1957 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit Januar 1987 als Gastwirt freiwillig versichert und führte in der Folge Beiträge ab. Nach einem Herz- und Nierenversagen im November 2010 beantragte der Kläger am 17.05.2011 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. In einem Beiblatt zum Antrag wies er darauf hin, dass die Gaststätte noch auf seinen Namen laufe, aber von Mitarbeitern geführt werde. Er verfüge über einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 90 und dem Merkzeichen G. In dem Gutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin T. vom 02.08.2011 gab der Kläger ebenfalls an, dass sein Hotelbetrieb noch auf seinen Namen laufe, ein Verpachten aber aufgrund der finanziellen Lage nicht möglich sei. Die Ehefrau würde nun alle Geschäfte erledigen, diese habe Bankvollmacht, mache die Buchhaltung und organisiere den Betrieb. Er bekomme das nicht mehr hin. Unter Berücksichtigung deren Einschätzung, der Kläger sei nur noch unter drei Stunden am Tag leistungsfähig (Diagnose: ausgeprägte kognitive und motorische Defizite bei septischem, kardiogenem und hämorrhagischem Schock infolge einer Pneumokokkenpneumonie 11/2010 mit dilatatifer Kardiomyopathie mit initial schwerstgradig und zuletzt noch mittelgradig eingeschränkter linksventrikulärer Funktion sowie akutem anurischem Nierenversagen mit Dialysepflichtigkeit), bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 25.08.2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.12.2010 auf Dauer. Die Rente stehe dem Kläger unter Berücksichtigung des Hinzuverdienstes i. H. v. 3/4 zu, weswegen monatlich 410,93 EUR gezahlt würden. Unter "Mitteilungspflichten und Mitwirkungspflichten" im Bescheid führte die Beklagte unter anderem aus, dass der Kläger unverzüglich mitteilen müsse, wenn das Einkommen über der Hinzuverdienstgrenze liege. Hierzu verwies die Beklagte auf die Anlage 19 zum Bescheid. Ferner führte sie aus, dass auch dann, wenn der Kläger eine selbstständige Tätigkeit tatsächlich nicht ausübe, aber steuerrechtlich "Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit" vorlägen, er dies mitteilen müsse. Zuvor hatte das Steuerbüro D. der Beklagten unter dem 15.08.2011 per Fax den Bescheid über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für 2009 für Herrn und Frau D. und M. M., W., übersandt. In diesem Steuerbescheid werden Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 6.516 EUR für das Jahr 2009 festgestellt. Ausweislich der Anlage 21 zum Bescheid legte die Beklagte für die Zeit ab 01.12.2010 einen anzurechnenden Hinzuverdienst von 543 EUR monatlich zugrunde. Unter dem 25.08.2011 ist in den Akten der Beklagten ein Telefonat mit dem Kläger vermerkt, wonach dieser telefonisch mitgeteilt haben soll, dass das Einkommen in 2010 und 2011 eher weniger als in 2009 geworden sei. Genau könne er das jedoch noch nicht sagen. Mehr sei es keinesfalls.
Unter dem 27.01.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, verpflichtet zu sein, in regelmäßigen Abständen die Höhe der erzielten Einkommen zu überprüfen und bat um Übersendung der beigefügten Erklärung. In dieser, vom Steuerberater ausgefüllten Bescheinigung, wurde mitgeteilt, dass der Kläger im Gasthaus zur Krone zwar nicht mehr aktiv tätig sei, aber noch immer dessen Eigentümer. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien derzeit noch nicht bekannt, eine Schätzung des Gewinns für 2011 betrage ca. 48.000 EUR. Hierauf forderte die Beklagte mit Schreiben vom 19.03.2012 die Übersendung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2010. In diesem am 03.04.2012 eingegangenen Steuerbescheid vom 24.01.2012 für das Jahr 2010 sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 24.054 EUR festgestellt worden.
Mit Schreiben vom 16.07.2012 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Zurücknahme des Bescheides vom 25.08.2011 an, weil die Rente ab 01.12.2010 aufgrund der Einkünfte aus der Selbstständigkeit nicht mehr zu zahlen sei. Es sei beabsichtigt, den überzahlten Betrag i. H. v. 8.396,65 EUR zurückzufordern. Der Kläger habe im Jahr 2010 laut Steuerbescheid einen Gewinn i. H. v. 24.054 EUR erzielt und damit die Hinzuverdienstgrenze überschritten. Damit sei die Rente für die Zeit vom 01.12.2010 bis laufend nicht mehr zu leisten. Hierdurch sei die genannte Rentenüberzahlung entstanden. Die Rücknahme für die Vergangenheit sei zulässig, weil sich der Kläger nicht auf Vertrauen auf den Bestand des Bescheides berufen könne (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) und die Fristen des § 45 Abs. 3 und 4 SGB X noch nicht abgelaufen seien. Aufgrund der Hinweise im Bescheid vom 25.08.2011 habe der Kläger die Rechtswidrigkeit gekannt. Hierauf teilte der Kläger unter dem 10.08.2012 mit, dass der im Steuerbescheid ausgewiesene Gewinn im Gewerbebetrieb erwirtschaftet worden sei, allerdings nicht durch ihn, sondern durch seine Ehefrau, die Geschäftsführerin im Gewerbebetrieb sei. Eine beabsichtigte Verpachtung an die Ehefrau sei unterblieben, weil der Gewerbebetrieb hoch verschuldet sei und die kreditgebenden Banken seinen Verbleib im Betrieb forderten, um die Kredite nicht fällig zu stellen. Er habe die Erwerbsunfähigkeitsrente, die monatlich zugeflossen sei, für seinen Lebensunterhalt verbraucht. Ihm sei die Rechtswidrigkeit des Bescheides auch nicht bekannt gewesen. Der Bescheid des Finanzamtes L. über die Einkommensteuer 2010, in welchem die Einkünfte festgesetzt worden seien, datiere auf den 24.01.2012. Insofern könne ihm keine Kenntnis einer etwaigen Rechtswidrigkeit unterstellt werden.
Mit Bescheid vom 13.09.2012 nahm die Beklagte den Bescheid vom 25.08.2011 gemäß § 45 SGB X i. V. m. § 96a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für die Zeit vom 01.12.2010 an bezüglich der Rentenhöhe zurück und forderte den überzahlten Betrag i. H. v. 8.396,65 EUR vom Kläger zurück. Zur Begründung führte die Beklagte unter anderem aus, dass es bei der Anrechnung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 96a SGB VI rein auf die steuerliche Zuordnung der Einkünfte ankomme. Es sei daher unerheblich, ob der Kläger in eigener Person Leistungen zu erbringen hatte oder lediglich als "Geschäftsführer" repräsentativ den Betrieb vertrete oder nur "stiller Teilhaber" sei. Gegenüber dem ärztlichen Dienst habe der Kläger bei der Begutachtung im August 2011 angegeben, zu diesem Zeitpunkt keine Einkünfte gehabt zu haben. Am 25.08.2011 habe er den Steuerbescheid für 2009 mit einem zu versteuernden Einkommen aus Gewerbebetrieb i. H. v. 6.516 EUR übersandt. Auf telefonische Rückfrage durch die Sachbearbeiterin (Frau H.) habe er angegeben, dass das Einkommen 2010 und 2011 eher weniger geworden sei, mehr sei es keinesfalls. Der Steuerberater habe angegeben, das geschätzte Einkommen für 2011 betrage ca. 48.000 EUR. Unter dem 24.01.2012 sei dann im Einkommensteuerbescheid das Einkommen mit 24.054 EUR nachgewiesen worden. Die Beklagte müsse davon ausgehen, dass dem Kläger zumindest die Höhe der Einkünfte in 2010 am 25.08.2011 bereits bekannt gewesen sei bzw. er hätte abschätzen können, dass diese nicht wie 2009 lediglich 6.516 EUR oder weniger betragen würden. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Zurücknahme des Verwaltungsaktes und der Rückforderung der Überzahlung ab dem 01.12.2010 seien damit erfüllt. Eine aus der Rückforderung folgende besondere Härte oder wirtschaftliche Überforderung könne unter Berücksichtigung und Kompensation je nach Lage des Falles auch später noch dadurch erfolgen, dass die Möglichkeit eines Ratenzahlungsantrages bestehe. Somit sei auch im Rahmen der Ermessensausübung keine andere Entscheidung möglich.
Am 06.03.2013 meldete der Kläger sein Gewerbe bei der Stadt W. ab, worauf die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Anrechnung von Einkommen ab 01.03.2013 zahlte.
Mit dem gegen den Bescheid vom 13.09.2012 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Bescheides durch nichts erwiesen sei. Durch den Bescheid des Finanzamtes L. sei ersichtlich, dass er positive Kenntnis über die Höhe der Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb erst am 24.01.2012 gehabt habe. Die Annahme der Beklagten, er habe zumindest die Höhe der Einkünfte 2010 am 25.08.2011 gekannt, sei evident unzutreffend, wie der Finanzamtsbescheid zeige. Ferner wies er darauf hin, dass die Diskrepanz zwischen dem geschätzten und dem tatsächlichen Einkommen in den Jahren 2010 und 2011 durch eine bessere Auslastung des Geschäfts und bessere Betriebszahlen zustande gekommen sei. Diese seien für ihn nicht vorhersehbar gewesen. Ferner bestritt er, mit der Mitarbeiterin Frau H. kommuniziert zu haben, auch die Bevollmächtigten hätten dieser gegenüber keine Erklärung abgegeben.
In ihrem Widerspruchsbescheid vom 23.04.2013 führte die Beklagte aus, dass der Bescheid vom 25.08.2011 unter Berücksichtigung der maßgeblichen Einkünfte aus 2010 i. H. v. 24.054 EUR rechtswidrig begünstigend gewesen sei, weil sämtliche Hinzuverdienstgrenzen unzulässig überschritten gewesen seien. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X seien erfüllt. Es erscheine naturgemäß sehr unwahrscheinlich, dass eine derart gravierende Einkommenssteigerung über zwei Jahre hinweg gänzlich unbemerkt geblieben sei. Der Kläger habe damit rechnen müssen, dass sich der Rentenzahlbetrag ändern könne und unter Umständen auf null reduziert würde. Auch im Rahmen der Ermessensausübung könne unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Rechtmäßigkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit sowie der Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Versicherten von einer Rückforderung nicht abgesehen werden.
Gegen den den Bevollmächtigten des Klägers am 29.04.2013 zugegangenen Widerspruchsbescheid haben diese am 29.05.2013 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.
Zur Begründung hat der Kläger darauf hingewiesen, dass die Beklagte ihm mit Rentenbescheid vom 25.08.2011 ohne Widerrufsvorbehalt oder ähnlichem Rente wegen voller Erwerbsminderung i. H. v. 3/4 bewilligt habe. Grundlage für diesen Rentenbescheid sei das Einkommen, der Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit im Jahr 2009 i. H. v. 6.516 EUR gewesen. Der Einkommensteuerbescheid habe für das Jahr 2010 zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen. Die Behauptungen der Beklagten träfen zum Teil nachweislich nicht zu. Er könne sich heute nicht mehr erinnern, ob er am 25.08.2011 mit Frau H. telefoniert habe und ob er irgendwelche Angaben zu seinem Einkommen im Jahr 2010 gemacht habe. Allerdings habe der Beklagten der Steuerbescheid für das Jahr 2009 bereits seit dem 15.08.2011, mithin bereits zehn Tage vor dem angeblichen Telefonat vorgelegen. Die Aufhebung des Bescheids und die Rückforderung der überzahlten Renten für die Vergangenheit komme nicht in Betracht. Er beruhe nicht auf fehlerhaften Angaben. Denn selbst wenn er die behaupteten Angaben zu den voraussichtlich niedrigeren Einkünften gemacht hätte, hätte er damit keine Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten verletzen können. Die Beklagte könne die rückwirkende Aufhebung auch nicht auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X stützen. Tatsachen, woraus sich eine positive Kenntnis betreffend die Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheides ergeben würde, habe die Beklagte nicht vorgetragen. Auch für eine grob fahrlässige Unkenntnis lägen keine Anhaltspunkte vor.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat eingeräumt, dass ein entsprechender Rücknahmevorbehalt fehle. Der Kläger habe jedoch 2010 ungefähr das Vierfache und 2011 das Siebenfache seines 2009 erzielten Gewinnes erreicht und hätte aus der Darstellung der Hinzuverdienstgrenzen durchaus erkennen können, dass der zulässige Hinzuverdienst überschritten werde. Im Rahmen seiner Mitteilungspflichten wäre er zu einer unverzüglichen Mitteilung verpflichtet gewesen.
Der Kläger hat ergänzend darauf hingewiesen, dass im Sommer 2011 bis mindestens Oktober 2011 eine schwere Alkoholproblematik vorgelegen habe sowie eine schwere depressive Episode. Er hat hierzu ein ärztliches Attest des Dr. R. vorgelegt, der unter dem 12.12.2013 ausgeführt hat, dass Aussagen aus diesem Zeitraum genau zu prüfen und gegebenenfalls vor dem Hintergrund der Erkrankung zu relativieren seien. Das SG hat hierauf den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K. als sachverständigen Zeugen gehört (zu den gemachten Angaben wird auf Bl. 39 f. der Akten verwiesen). Hierzu haben die Beteiligten nochmals Stellung genommen (Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 25.09.2014, Schriftsatz der Beklagten vom 07.10.2014 unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. S. vom 25.09.2014).
Mit Urteil vom 14.09.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen der Beklagten in Bescheid und Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Dem Kläger sei zuzustimmen, dass er positive Kenntnis über seine steuerrechtlichen Einkünfte im Jahr 2010 erst im Jahr 2012 erlangt habe. Jedoch hätte es für seine Ehefrau und seinen Steuerberater bereits im August 2011 ersichtlich gewesen sein müssen, dass die Einkünfte in den Jahren 2010 und 2011 aus dem Betrieb des Hotels deutlich höher sein würden als im Jahr 2009. Denn bei Übersendung des Steuerbescheides für 2009 an die Beklagte sei das Geschäftsjahr 2010 bereits seit mehr als acht Monaten abgeschlossen und der Gewinn aus dem Betrieb des Hotels nicht mehr geringfügig, sondern erheblich gestiegen gewesen. Die erhebliche Steigerung der Gewinne hätten der Ehefrau des Klägers und seinem Steuerberater im August 2011 zumindest dem Grunde nach auffallen müssen. Diese grobe Fahrlässigkeit der Ehefrau, die die Geschäfte für den Kläger geführt habe, und seines Steuerberaters müsse sich der Kläger zurechnen lassen. Denn er habe das Hotel nicht selber geführt und sei nach Auskunft seines Hausarztes gesundheitlich auch nicht zur selbstständigen Führung seiner Finanzen in der Lage gewesen. Die Verpflichtung zur Nachfrage bei Personen, die sich mit seinen finanziellen Verhältnissen auskannten, folge auch aus den gegenseitigen Pflichten der Beteiligten im Sozialversicherungsverhältnis. Nach Ansicht der Kammer seien beide Parteien dazu verpflichtet, den Eintritt eines Schadens bei der jeweils anderen Partei zu vermeiden. Die Beklagte habe auch ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Zwar habe sie in dem ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13.09.2012 keine Ermessenserwägungen vorgetragen, sondern sich im Wesentlichen auf die Mitteilung beschränkt, dass die Rücknahme auch im Wege des Ermessens gerechtfertigt sei. Jedoch habe die Beklagte dies im Widerspruchsbescheid nachgeholt. Anhaltspunkte für einen Ermessensnichtgebrauch oder ein Überschreiten seien daher nicht mehr gegeben. Die Beklagte habe nach Ansicht der Kammer in die Abwägung alle wesentlichen Erwägungen eingestellt und in nachvollziehbarer Weise berücksichtigt. Im Übrigen sei der Vertrauensschutz auch nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ausgeschlossen. Denn der Kläger bzw. dessen Ehefrau oder Steuerberater hätten die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 25.08.2011 erkennen müssen.
Gegen das dem Kläger am 26.11.2015 zugestellte Urteil hat dieser am 23.12.2015 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages hat er an seiner Rechtsauffassung festgehalten.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 14.02.2017 den Sach- und Streitstand erörtert und insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG, Urteil vom 09.10.2012 – B 5 R 8/12 R –) und das in diesem Urteil angesprochene Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses hingewiesen.
Der Kläger hat die Steuerbescheide für die Jahre 2011, 2012 und 2013 vorgelegt (Einkünfte aus Gewerbebetrieb in 2011: 43.642 EUR, in 2012: 57.850 EUR, in 2013 Veräußerungsgewinn 870.978 EUR abzüglich Einkünfte von -33.089 EUR).
Mit Bescheid vom 03.04.2017 hat die Beklagte "den bisherigen Bescheid" hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 01.01.2011 aufgehoben. Für die Zeit ab dem 01.04.2017 werde laufend eine Rente i. H. v. 607,34 EUR gezahlt. Für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2017 betrage die Nachzahlung 1.119,74 EUR (gemeint: 01.01.2013 bis 28.02.2013). Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen die Rente für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2012 nicht und ab dem 01.01.2013 in voller Höhe zustehe. Dieser Bescheid werde gemäß § 96 SGG Bestandteil des anhängigen Klageverfahrens. Auf Seite 7 des Bescheides (unten) ist der Kläger auf sein Recht, Widerspruch einlegen zu können, hingewiesen worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14. September 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch sie hat an der bislang vertretenen Rechtsauffassung festgehalten und auf ihren erstinstanzlichen Vortrag sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Ferner hat sie ergänzt, dass das Finanzamt in der Regel die Steuervorauszahlungen den zu erwartenden Einnahmen anpasse und der Kläger bzw. dessen Ehefrau auch aus den vermutlich erheblich höheren Steuervorauszahlungen die immensen Einkommenssteigerungen hätten erkennen können.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist auch begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist zunächst der Bescheid vom 13.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2013, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 25.08.2011 bezüglich der Rentenhöhe zurückgenommen und die bis 31.08.2012 eingetretene Überzahlung vom Kläger zurückgefordert hat. Mit der vom Kläger erhobenen reinen Anfechtungsklage macht er geltend, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Auszahlung der Rente in bewilligter Höhe ganz zurückzunehmen und die Überzahlung von ihm zurückzuverlangen.
Der Bescheid vom 03.04.2017 ist nur insoweit gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden, als er dem geltend gemachten Anspruch für die Zeit ab 01.01.2013 abgeholfen hat und die Rente ab diesem Zeitpunkt ohne Anrechnung von Einkommen gezahlt wurde. Hierdurch ist der Kläger aber nicht beschwert. Nach § 96 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Geändert oder ersetzt wird ein Bescheid immer, wenn er denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsbescheid betrifft, bzw. wenn in dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (vgl. nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 96 RdNr. 4 ff. m. w. N.). Der Bescheid vom 03.04.2017 enthält indes mehrere Regelungen. So wird dem Kläger – nachdem der Beklagte bereits nach Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Anrechnung von Einkommen ab 01.03.2013 gezahlt hat – nunmehr (ebenfalls ohne Anrechnung von Einkommen) Rente bereits ab 01.01.2013 gezahlt. Soweit der Beklagte "den bisherigen Bescheid" hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 01.01.2011 nach dem Wortlaut der Entscheidung aufgehoben hat, ergibt sich für den nach der Abhilfe mit Wirkung ab 01.01.2013 noch streitigen Zeitraum (01.12.2010 bis 31.12.2012) kein vom Bescheid vom 13.09.2012 abweichender Regelungsgehalt. Insoweit diente der Bescheid ganz offensichtlich nur der Überprüfung der Entscheidung vom 13.09.2012 dahingehend, ob aufgrund der im Berufungsverfahren vorgelegten Steuerbescheide Änderungen hinsichtlich des von der Zurücknahme betroffenen Zeitraumes eingetreten sind. Nachdem die nachgewiesenen Einkünfte – wie noch auszuführen sein wird – keine Änderung in der materiellrechtlichen Beurteilung rechtfertigten, enthält dieser Bescheid bezogen auf die bereits anhängige Anfechtungsklage keine zusätzliche Beschwer. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte diesbezüglich eine weitere Regelung mit Außenwirkung treffen wollte. Insoweit fehlt es beispielsweise an einer ausdrücklichen Aufhebung des Bescheides vom 13.09.2012. Darüber hinaus enthält der Bescheid vom 03.04.2017 sowohl eine Rechtsbehelfsbelehrung zur Möglichkeit der Einlegung des Widerspruchs (Seite 7 unten) als auch den Vermerk, dieser Bescheid sei "Bestandteil" des anhängigen Klageverfahrens. Letzteres ist nur als nachgeschobene Begründung für die vormals ausgesprochene Zurücknahme des bewilligten Zahlbetrages der Rente durch eine erst im Berufungsverfahren eröffnete Möglichkeit der Berechnung auf der Grundlage von Steuerbescheiden nachvollziehbar, was aber weder zu abändernden noch zu ersetzenden Verfügungssätzen im Zusammenhang mit dem hier angefochtenen Zahlungsgebot, 8.396,65 EUR an die Beklagte zurückzuzahlen, führte. Durch die Bewilligung eines Zahlbetrages an Rente ab 01.01.2013 – im Gegensatz zur Bewilligung im Bescheid vom 25.08.2011 – ohne Anrechnung von Einkommen ist der Kläger nicht beschwert. Entsprechendes hat er weder geltend gemacht noch sind solche Gesichtspunkte für die Zeit ab 01.01.2013 ersichtlich. Ist der Bescheid vom 03.04.2017 daher nicht Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits geworden, war der Antrag des Klägers dementsprechend auch nicht sachdienlich dahingehend auszulegen.
Die Zurücknahme des monatlichen Rentenzahlbetrages mit Wirkung ab dem 01.12.2010 und bis 31.12.2012 hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Damit war die Beklagte auch nicht berechtigt, vom Kläger die nach ihrer Rechtsauffassung überzahlten Rentenbeträge gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern.
Dies folgt nicht schon aus formellen Gründen. Denn hinsichtlich der Rücknahme des Rentenzahlbetrages in voller Höhe genügt der Bescheid vom 13.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2013 noch den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Aus dem Verfügungssatz muss für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Unschädlich ist es, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl. BSG, Urteile vom 20.03.2013 – B 5 R 16/12 R –, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 20/09 –, beide Juris). Soweit hinsichtlich dieser Voraussetzungen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 13.09.2012 bestehen, ist festzuhalten, dass unter Berücksichtigung des Anhörungsschreibens und der Ausführungen im Widerspruchsbescheid hinreichend deutlich ist, von welchem konkreten Einkommen die Beklagte ausgegangen ist, welche Hinzuverdienstgrenze hierdurch überschritten wird und dass für den Zeitraum ab 01.12.2010 kein Anspruch auf Zahlung einer Rente mehr besteht, sowie, dass es zu einer Rentenüberzahlung in Höhe von 8.396,65 EUR für die Zeit vom 01.12.2010 bis 31.08.2012 gekommen ist, weswegen die Beklagte vom Kläger Erstattung verlangt. Da die gesamten bislang gewährten Leistungen zurückgefordert wurden, ist hier auch unschädlich, dass eine grundsätzlich erforderliche konkrete Berechnung des Monatsbetrages des Rechts auf Rente unter Berücksichtigung eines angerechneten Einkommens nicht beigefügt war.
Rechtsgrundlage für die verfügte Verpflichtung des Klägers, erbrachte Leistungen zu erstatten, ist § 50 Abs. 1 SGB X, der dies von der Reichweite der Aufhebung des bewilligenden Verwaltungsakts abhängig macht. Dem Kläger stehen die Zahlungen zu, weil ihm aufgrund des ihn begünstigenden Dauerverwaltungsakts vom 25.08.2011 bindend (§ 77 SGG) und nicht nur einstweilig oder vorläufig ein Rentenstammrecht mit entsprechendem Wert für die Zeit ab 01.12.2010 zuerkannt ist und die Beklagte nicht berechtigt ist, diesen mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Eine Berechtigung zur Zurücknahme des bewilligten Rentenzahlbetrages besteht nicht aus § 45 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 SGB X, auf den sich die Beklagte stützt. Der Anwendungsbereich der §§ 45 und 48 SGB X unterscheidet sich danach, ob die aufzuhebende Leistungsbewilligung im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens (vgl. § 39 SGB X) rechtswidrig war – dann § 45 SGB X – oder erst danach – dann § 48 SGB X – rechtswidrig wurde. Die beiden Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnisses im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, ab. Dabei ist die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig abzuklären (BSG, Urteil vom 28.06.1999 – 4 RA 57/89 –: sog. Verbot vorzeitigen Verfahrensabschlusses, ebenso BSG, Urteile vom 07.04.2016 – B 5 R 26/15 R –, vom 09.10.2012 – B 5 R 8/12 R –, und vom 21.06.2011 – B 4 AS 22/10 R –, alle Juris). Gerade die Anerkennung eines Rentenanspruchs bezweckt, eine geschützte, unmittelbar, d.h. ohne weitere Sachaufklärung einklagbare Rechtsposition festzustellen, auf deren Bestand der Rentner vertrauen und deswegen sich auf Dauer in seiner Lebensführung einrichten darf (BSG, Urteil vom 28.06.1990 – 4 RA 57/89 –, a. a. O.). Entsprechend sind im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung bereits (objektiv) feststehende, die Höhe des Anspruchs betreffende Umstände, auch wenn sie in der Zukunft liegen, zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 02.06.2004 – B 7 AL 58/03 R –, Juris).
Ein auch ggf. teilweises Entfallen von monatlichen Rentenansprüchen setzt voraus, dass das für denselben Zeitraum tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit die in § 96a Abs. 2 SGB VI (in der hier anzuwendenden und bis 30.06.2017 gültigen Fassung, im Folgenden: a. F.) genannten, auf einen Monat bezogenen Beträge übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 2 im Laufe eines Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Nach § 96a Abs. 1a Nr. 2 SGB VI a. F. wird abhängig vom erzielten Hinzuverdienst eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe, in Höhe von 3/4, 1/2 oder 1/4 bewilligt.
Nach dem Wortlaut des § 96a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VI a. F. sind Arbeitseinkommen und Arbeitsentgelt gleich zu behandeln, so dass das Überschreiten der jeweiligen Hinzuverdienstgrenzen durch Arbeitseinkommen ebenfalls rentenschädlich ist und zur jeweils niedrigeren Rente führt. Wie für den Begriff Arbeitsentgelt enthält § 96a Abs. 1 SGB VI a. F. auch zum Begriff Arbeitseinkommen keine nähere Bestimmung, so dass auch hier auf die allgemeinen Vorschriften des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) zurückzugreifen ist (vgl. § 1 Abs. 3 SGB IV). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Dieser Begriff des Arbeitseinkommens ist dem § 96a Abs. 1 SGB VI a. F. zugrunde zu legen.
Nach dem Einkommensteuerrecht, zu dem durch § 15 SGB IV eine Parallelität angestrebt wird, wird der Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit regelmäßig jährlich ermittelt. Nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Einnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Durch die damit erfolgte Gewinnermittlung fehlt es an der Möglichkeit, Monat für Monat ein erzieltes Arbeitseinkommen der jeweiligen monatlichen Hinzuverdienstgrenze gegenüber zu stellen, denn die Feststellung des konkreten Gewinns in einem einzelnen Monat ist auf dieser Basis nicht möglich.
Soweit nur ein Jahreseinkommen festgestellt werden kann bzw. festgestellt worden ist, besteht lediglich die Möglichkeit, ein – durchschnittliches – monatliches Einkommen zu ermitteln, indem das Jahreseinkommen durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, geteilt wird. Auf dieser Grundlage ist auch die Umsetzung der zweimaligen Überschreitungsmöglichkeit bei der Anrechnung eines auf Jahresbasis ermittelten Arbeitseinkommens nicht möglich (vgl. zum vorgenannten ausführlich: BSG, Urteil vom 03.05.2005 – B 13 RJ 8/04 R –, SozR 4-2600 § 96a Nr. 7).
Unter Berücksichtigung dessen ist der Verwaltungsakt über die Festsetzung des monatlichen Zahlbetrags der Rente der Beklagten schon deshalb bei seinem Erlass rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte gegen das Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses verstoßen hat, indem sie entgegen § 20 Abs. 1 und 2 SGB X trotz der Einkommensabhängigkeit abschließend (zu alternativen Handlungsmöglichkeiten vgl. Urteil BSG vom 28.06.1990 – 4 RA 57/89 –, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2016 – L 10 R 3153/13 –, beide Juris) über den monatlichen Zahlbetrag der Rente des Klägers entschieden hat, obwohl sie die erforderlichen steuerrechtlichen Feststellungen nicht getroffen hatte und ihr auch der Steuerbescheid für 2010 nicht vorlag, dem sie die erforderlichen Informationen jedenfalls hätte entnehmen können. Die Rentenbewilligung im Bescheid vom 25.08.2011 als den Kläger dauerhaft begünstigender Verwaltungsakt war daher von Anfang an rechtswidrig.
Zum Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses hat das BSG in seinem Urteil vom 09.10.2012 – B 5 R 8/12 R –, Juris), dem sich der Senat in vollem Umfang anschließt, u.a. Folgendes ausgeführt:
" Das einkommensteuerrechtliche Jährlichkeitsprinzip (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 EStG) erlaubt nämlich eine Feststellung von Arbeitseinkommen nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die entsprechenden Einnahmen zufließen und "für" das sozialrechtlich eine Berücksichtigung erfolgen soll. Da vor Ablauf des Kalenderjahres rechtlich nicht von einem "Einkommen" Selbstständiger gesprochen werden kann, ergibt sich sozialrechtlich notwendig eine zeitliche Verzögerung bei der endgültigen Bemessung des Zahlbetrags der Sozialleistung. Dies entspricht der originären Funktion der Einkommensarten, die ihrerseits nach § 38 AO i. V. m. § 36 Abs. 1 EStG erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes, das heißt nach § 25 Abs. 1 EStG des Kalenderjahres, entstehende Steuerschuld als maßgebliche Rechtsfolge steuerrechtlicher Normen mit zu begründen (vgl. BVerfGE 127, 31, 48 m. w. N.). Vor Ablauf des Kalenderjahres ist im Sinne des Steuerrechts zu verstehendes Arbeitseinkommen daher auch im Kontext von § 96a SGB VI nicht (tatsächlich) "erzielt" und damit sozialrechtlich berücksichtigungsfähig. Anders als bei monatlich abgerechneten Arbeitsentgelten aus abhängiger Beschäftigung kann folglich bei einer Gewinnermittlung auf Jahresbasis ein konkreter Gewinn für einzelne Monate nicht jeweils parallel ermittelt und unterjährig laufend der jeweiligen monatlichen Hinzuverdienstgrenze gegenübergestellt werden. Vielmehr besteht – jedenfalls grundsätzlich und in aller Regel – erst im Nachhinein im Wege der Division des Jahreseinkommens durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, die Möglichkeit, ein durchschnittliches Monatseinkommen zu ermitteln " Und ferner: " Schließlich durfte die Beklagte mangels gesetzlicher Grundlage Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit für ein abgelaufenes Kalenderjahr zur abschließenden Feststellung der hierfür entstandenen Ansprüche auch nicht auf lediglich hypothetischer Grundlage abschließend feststellen. Der materiell-rechtliche Tatbestand von § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI erfordert vielmehr für die abschließende Feststellung des sich unter Berücksichtigung des Einkommens aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit ergebenden monatlichen Zahlbetrages stets die abschließende Feststellung des tatsächlich erzielten Arbeitseinkommens auf der Basis der umfassenden und vollständigen Ermittlung (§ 20 SGB X) und Feststellung aller steuerrechtlich relevanten Umstände (BSGE 94, 286 RdNr. 15 f. = SozR 4-2600 § 96a Nr. 7). Eine lediglich hypothetische Gewinn-Schätzung des Versicherten selbst und/oder eines zugezogenen Sach- und Rechtskundigen genügt insofern entgegen der Vorgehensweise der Beklagten von vorneherein nicht."
Damit ist nicht nur die Heranziehung des im Jahr 2009 erzielten Einkommens im Bescheid vom 25.08.2011 rechtswidrig, sondern auch das Abstellen der Beklagten auf unterjährige Schätzungen des Klägers oder dessen Steuerberaters zur Begründung der Rechtswidrigkeit im bewilligenden Bescheid (ohne im Übrigen die im Jahr 2012 möglichen Ermittlungen zu den Einkünften 2011 selbst durchgeführt zu haben). Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass es in dem vorliegenden Verfahren keine Hinweise darauf gibt, dass ausnahmsweise anstelle des erst mit Ablauf des laufenden Kalenderjahres entstehenden und feststellbaren Gewinns aus einer selbstständigen Tätigkeit schon Teile auf der Basis einer unterjährigen Prognose ermittelten Jahresergebnisses ausreichend gewesen sein könnten, um laufende monatliche Zahlungsansprüche zu entziehen. Die Beklagte verkennt insoweit, das es hierbei nicht auf den Umsatz ankommt, sondern auf eine unter Berücksichtigung des § 15 EStG erfolgte Gewinnermittlung.
Nach dem nunmehr im Berufungsverfahren erstmals durch die Vorlage der Steuerbescheide für die Jahre 2010, 2011 und 2012 geklärten Sachverhalt war der monatliche Zahlbetrag der Rente des Klägers aus dem Rentenbescheid vom 25.08.2011 auch deshalb rechtswidrig, weil der Kläger Einkommen erzielt hat, welches die Hinzuverdienstgrenzen überschritten hat.
Ausweislich der vorliegenden Einkommensteuerbescheide hat der Kläger in den Jahren 2010 bis 2012 Einkommen wie folgt erzielt:
Steuerbescheid vom 24.01.2012 für das Jahr 2010: 24.054 EUR, Steuerbescheid vom 20.11.2012 für das Jahr 2011: 43.642 EUR, Steuerbescheid vom 10.12.2013 für das Jahr 2012: 57.850 EUR.
Die Hinzuverdienstgrenze für die Zeit vom 01.07.2010 bis zum 31.12.2010 betrug für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe der geringsten Teilrente von 1/4 1.073 EUR, so dass dem Kläger wegen des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze bei einem monatlichen Einkommen von 2.004,50 EUR (24.054 EUR: 12 Monate) kein zahlbarer Rentenanspruch zustand. Gleiches gilt für das Jahr 2011 (Hinzuverdienstgrenze ab 01.07.2011: 1073,10, monatliches Einkommen: 43.642 EUR: 12 Monate = 3.636,83 EUR) und das Jahr 2012 (Hinzuverdienstgrenze ab 01.01.2012: 1.102,50, monatliches Einkommen: 43.642 EUR: 12 Monate = 3.636,83 EUR).
Diese Einkünfte sind auch allein dem Kläger zuzuordnen. Soweit der Kläger geltend macht, sie seien nicht von ihm, sondern von der Ehefrau erwirtschaftet worden, ändert dies nichts an der rechtlichen Zuordnung. Wie die Ermittlung der Höhe des Gewinns hat auch die Zuordnung des Gewinns zu der jeweiligen Person nach steuerrechtlichen Maßstäben zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004 – B 5 RJ 56/02 R –, Juris). Bei Einnahmen aus einem Gewerbebetrieb kommt es darauf an, wer Unternehmer bzw. Mitunternehmer ist. Unternehmer ist die Person, die selbstständig und nachhaltig in der Absicht der Gewinnerzielung tätig wird, § 15 Abs. 2 des EStG. Dabei kommt es weder auf die von den Beteiligten ausdrücklich gewählte Bezeichnung ihrer Rechtsbeziehungen noch auf den nach außen durch Handelsregistereintragung oder gewerbepolizeiliche Anmeldung gesetzten Rechtsschein an. (Mit-)Unternehmer i.S. des § 15 EStG ist vielmehr, wer (Mit-)Unternehmerinitiative entfalten kann und ein (Mit-)Unternehmerrisiko trägt, also die Person, nach deren Willen und auf deren Rechnung und Gefahr das Unternehmen in der Weise geführt wird, dass sich der Erfolg oder Misserfolg in ihrem Vermögen unmittelbar niederschlägt (vgl. BFH, Urteil vom 17.05.2006 – VIII R 21/04 – Juris Rn. 24). Unternehmerinitiative ergibt sich vor allem aus der Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen. Unternehmerrisiko trägt, wer am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens Teil hat. Wer nicht am laufenden Gewinn oder am Gesamtgewinn der Gesellschaft beteiligt ist, ist danach regelmäßig nicht Mitunternehmer. Die Merkmale der Unternehmerinitiative und des Unternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. Sie müssen jedoch beide vorliegen (vgl. hierzu LSG Hessen, Urteil vom 02.07.2013 – L 2 R 97/12 –, Juris). Die Ehefrau des Klägers war unter Berücksichtigung dessen keine Mitunternehmerin. Sie profitierte zwar von dem Gewinn dahingehend, dass der Kläger und sie davon einen Teil ihres Lebensunterhalts bestreiten konnten. Dies bedeutet aber nicht, dass sie an Gewinn und Verlust beteiligt war. Die Einlassungen des Klägers, von einer Verpachtung abgesehen zu haben, weil sonst Kreditverträge gekündigt worden wären und die Entscheidung, den Betrieb zu verkaufen, belegen, dass er weiterhin für die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen verantwortlich war. Dies wird letztlich auch durch die steuerrechtliche Einordnung in den Steuerbescheiden bestätigt, die diesen Gewinn nicht (auch) der Ehefrau, sondern allein ihm zugeordnet haben und gegen deren Richtigkeit der Kläger keine Einwendungen vorgebracht hat.
Hinsichtlich der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen ist der Bescheid vom 25.08.2011 nicht nur für den Zeitraum 01.12.2010 bis zum 31.12.2010 anfänglich rechtswidrig; § 45 SGB X ist auch für die Jahre 2011 und 2012 anzuwenden.
Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 25.08.2011 waren – nachdem das Kalenderjahr 2010 abgelaufen war – nach dem Jährlichkeitsprinzip alle Tatsachen gegeben, die für eine Berücksichtigung des Erwerbseinkommens nach § 96a SGB VI notwendig waren, sie waren der Beklagten nur nicht bekannt. Darauf, wann der Steuerbescheid vorgelegen hat, kommt es nicht an. Der Einkommenssteuerbescheid bewirkt – wie ausgeführt – gerade keine nachträgliche Änderung. Da § 15 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) nur auf die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts Bezug nimmt, den Einkommenssteuerbescheiden aber keine eigenständige Bedeutung zumisst, entfalten diese keine rechtliche Wirkung im Sinne einer Bindung für das sozialrechtliche Verfahren (vgl. BSG, Urteil vom 09.10. 2012 – B 5 R 8/12 R –, Juris), auch wenn tatsächlich regelmäßig auf die Feststellung der Finanzverwaltung zurückgegriffen werden kann. Erlässt die Verwaltung einen endgültigen Bescheid auf der Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Dies gilt unabhängig davon, zu welchen Ermittlungen sich die Verwaltung aufgrund der Angaben des Antragstellers vor Erlass des Ausgangsverwaltungsakts gedrängt sehen musste (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 21/10 R –, Juris).
Unabhängig davon, dass sich die Beklagte sowohl bei der Anhörung des Klägers als auch in den angefochtenen Bescheiden allein auf § 45 SGB X gestützt und für das Jahr 2011 (für die Verweigerung von Zahlungen für das Jahr 2012 fehlt es an einer Begründung) nicht auf eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X abgestellt hat, ist eine wesentliche Änderung nicht deshalb eingetreten, weil das Einkommen des Klägers erst nach Ablauf der Kalenderjahre 2011 und 2012 für die jeweiligen Kalenderjahre feststellbar war. Erlässt die Verwaltung auf der Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts einen endgültigen Bescheid, ist dieser von Anfang an rechtswidrig, soweit objektiv erst später ermittelbare Umstände (z. B. ein künftiges Einkommen) lediglich eine vorläufige Bewilligung gerechtfertigt hätten (Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 95. EL Juli 2017, § 48 SGB X, Rdnr. 8a) § 48 Abs. 1 SGB X ermächtigt nicht zur Rücknahme wegen solcher Tatsachen, die objektiv bereits bei Erlass des früheren Verwaltungsakts gegeben waren. Eine solche Tatsache ist auch die Abhängigkeit der gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung von dem Einkommen des Klägers, welches als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erheblichen Schwankungen unterliegt und daher keiner Vorhersage zugänglich ist. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides war das im Jahr 2010 erzielte Einkommen nicht auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2009 zu bestimmen und für das laufende Jahr 2011 nicht verlässlich vorherzusehen. Mit dem Hessischen LSG (Urteil vom 02.07.2013 – L 2 R 97/12 –, Juris) ist der Senat der Auffassung, dass § 48 SGB X für bereits anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte nur dann anwendbar ist, wenn sich die nachträgliche Änderung der Verhältnisse auf Umstände bezieht, auf denen die anfängliche Rechtswidrigkeit nicht beruht. Insoweit berücksichtigt der Senat in Übereinstimmung mit der vorgenannten Entscheidung des LSG Hessen, dass sich aus den speziell für anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte anwendbaren §§ 44 und 45 SGB X entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber bei einer anfänglichen Rechtswidrigkeit dem Vertrauensschutz größeres Gewicht zugemessen hat, als er dies insbesondere bei einer nachträglichen Rechtswidrigkeit aufgrund der Erzielung von Einkommen getan hat. Bei Anwendbarkeit des § 48 SGB X in den Fällen eines aus den gleichen Gründen anfänglich und nachträglich rechtswidrigen Verwaltungsakts würde der durch § 45 SGB X gesetzte Vertrauensschutz aufgrund der Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X bei Anrechnung von Einkommen vollständig unterlaufen. Diesen besonderen Vertrauensschutz hat das BSG in der o.g. Entscheidung auch noch einmal besonders betont (Urteil vom 09.10.2012 – B 5 R 8/12 R –).
Die Aufhebung des monatlichen Zahlbetrages des Rechts auf Rente für die Vergangenheit scheitert zudem gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X schon daran, dass dem Kläger kein Verschulden im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorgeworfen werden kann und auch keine Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X vorliegen. Dafür, dass der Kläger den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt haben könnte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X), sind weder Umstände vorgetragen worden noch sind diese ersichtlich. Dem Kläger kann auch nicht der Vorwurf gemacht werden, der Verwaltungsakt beruhe auf Angaben, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Hierzu hat das BSG (Urteil vom 09.10.2012 – B 5 R 8/12 R –, BSGE 112, 74-85, SozR 4-1300 § 45 Nr. 10) bereits klargestellt, dass "Angaben" im Sinne dieser Norm nur im Sinne der Angabe von Tatsachen zu verstehen ist, zu denen der Antragsteller materiell- und verwaltungsverfahrensrechtlich (§ 21 Abs. 2 Satz 3 SGB X, § 60 SGB I) verpflichtet ist. Damit dürfen auf den Antragsteller weder die Anwendung von Rechtsnormen noch die Subsumtion unter einzelne Rechtsbegriffe überwälzt werden. Die entsprechenden Äußerungen des Klägers im Verwaltungsverfahren sind folglich bereits keine "Angaben" i. S. von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, weil es sich auch bei den geforderten und getätigten Schätzungen von Einkommen nicht um Tatsachenangaben handelt, da sich entsprechende Feststellungen auf das Vorliegen eines Rechtsbegriffes (Gewinnermittlung nach den Vorschriften des Einkommenssteuerrechts) beziehen. Der Steuerbescheid der Finanzverwaltung für das Jahr 2010 wurde erst am 24.01.2012 und damit deutlich nach der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung erlassen.
Aus demselben Grund kann dem Kläger auch nicht vorgeworfen werden, die anfängliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt oder grob fahrlässig nicht gekannt zu haben. Nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. HS SGB X ist grobe Fahrlässigkeit gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn er bereits einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG, Urteil vom 08.02.2001, SozR 3-1300 § 45 SGB X Nr. 45 S. 152 ff.; BSGE 62, 32, 35; 42, 184, 187). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist nicht von einem objektiven, sondern von einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab auszugehen (BSG, Urteile vom 09.02.2006 – B 7a AL 58/05 R und vom 24.04.1997 – 11 RAr 89/96 –). Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten gemäß dem subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff zu beurteilen ( BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273).
Unter Berücksichtigung dessen, dass die Bewilligung im Bescheid allein auf der Grundlage eines für die Rentengewährung im Dezember 2010 nicht maßgeblichen Steuerbescheides für 2009 und eines Aktenvermerkes über eine telefonische Anfrage einer Sachbearbeiterin der Beklagten erfolgte (dessen Inhalt vom Kläger im Übrigen bestritten wird), der Aktenvermerk keinen Aufschluss darüber gibt, in welchem Umfang dem Kläger erläutert wurde, was genau unter Einkommen in 2010 und 2011 zu verstehen ist, und letztlich auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass in einem solchen Telefonat die Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuergesetzes im Detail erläutert worden sind, liegt die Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis der im Bescheid vom 25.08.2011 erfolgten Bewilligung oder gar die Kenntnis einer rechtswidrigen Bewilligung fern. Schon aufgrund der fehlenden Tatsachengrundlage scheidet die Zurechnung einer Kenntnis Dritter aus.
Liegen damit die Voraussetzungen für eine Zurücknahme der Bewilligung für die Vergangenheit nicht vor, weil diese rechtswidrig ist, ist die Beklagte nach § 50 Abs. 1 SGB X nicht berechtigt, den Zahlbetrag der Rente für den genannten Zeitraum zurückzunehmen und die gewährten Leistungen zurückzuverlangen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Anwendbarkeit des § 48 SGB X auf anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte war die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved