L 5 R 2842/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3537/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2842/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.06.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente.

Der 1968 geborene Kläger absolvierte eine Ausbildung zum Informationselektroniker. Von 1999 bis Anfang 2013 war er als Netzwerktechniker in der Betreuung von Großbauten beschäftigt, wobei er zuletzt Krankengeld bezog. Vom 03.01.2013 bis 28.01.2013 ist im Versicherungsverlauf Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vermerkt. Vom 29.01.2013 bis 27.01.2014 bezog der Kläger sodann Arbeitslosengeld. Vom 27.12.2014 bis 31.12.2015 sind Pflichtbeitragszeiten für Pflegetätigkeit vorgemerkt.

Am 27.01.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Daraufhin holte die Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und ließ den Kläger durch die Ärztin für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. L. begut-achten. In Ihrem Gutachten vom 24.02.2014 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 17.02.2014 diagnostizierte sie einen unklaren Muskel- und Gelenkschmerz wechselnden Ausmaßes ohne derzeitige Funktionsbeeinträchtigungen sowie eine arterielle Hypertonie. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über sechs¬ Stunden werktäglich zu verrichten.

In einer gutachterlichen Äußerung vom 06.03.2013 schätzte die Ärztin der Bundesagentur für Arbeit Dr. K.-F. das arbeitstägliche Leistungsvermögen des Klägers demgegenüber auf drei- bis unter sechsstündig ein. Die Leistungsfähigkeit sei aufgrund der nicht geklärten ausgeprägten Muskel- und Gelenk¬schmerzen mit daraus resultierender Konzentrationsschwäche und verstärkter Erschöpfbarkeit qualitativ und quantitativ eingeschränkt.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag gestützt auf das Gutachten der Dr. L. mit Bescheid vom 06.03.2014 mit der Begründung ab, der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Hiergegen legte Kläger am 31.03.2014 Widerspruch ein. Seine Beschwerden seien durchgehend seit 2007 vorhanden und dokumentiert. Er leide an ihnen massiv, auch wenn sie in wechselnder Stärke vorhanden seien. Es bestehe nur noch ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen. Insoweit legte der Kläger ergänzend das Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. F./L. (Facharzt für Innere Medizin/Facharzt für Allgemeinmedizin) vom 24.03.2014 vor, wonach er lediglich noch über ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen verfüge.

Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. begutachten. In ihrem Gutachten vom 22.08.2014 nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 16.07.2014 diagnostizierte sie eine funktionell leichtgradige Blutwerterhöhung (CK-Erhöhung), eine Myalgie und unzureichend organmedizinisch ableitbares Klagen über Schmerz, Konzentrationsstörung und Leistungsminderung im Sinne einer funktio¬nell leichtgradigen Neurasthenie. Der Kläger könne mit angemessener Willensanspannung seine gesundheitlichen Störungen überwinden und einer sechs- und mehrstündigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Eine Behandlung durch einen Psychiater und Neurologen sei zu empfehlen. Im Fol¬genden wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2014 als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 22.10.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er leide seit 2007 unter schubweisen Erkrankungen in unter¬schiedlichen Körperregionen und zum Teil auch starken Sehstörungen sowie Schwindel. Im Jahre 2007 sei es zu zwei Ereignissen gekommen, die entweder einzeln oder kumulativ für den Ge¬sundheitszustand ursächlich sein dürften. Zum einen seien im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit Bleigelakkus explodiert und zum anderen habe er in S. einen Insektenstich erlitten. Die nicht diagnostizierte Erkrankung führe zu einer regelmäßigen Arbeitsunfähigkeit, die durch¬schnittlich alle vier bis sechs Wochen für die Dauer einer Woche auftrete. Daher sei ein Anstel¬lungsverhältnis mit einem Arbeitgeber faktisch ausgeschlossen. Ergänzend wurden zahlreiche ärztliche Befundberichte und Arztbriefe vorgelegt.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG befragte zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S. teilte in seiner Stellungnahme vom 09.02.2015 mit, der Kläger sei seit 2008 lediglich nochmals 2014 in Behandlung gewesen. Die erhöhten CK Werte und die insofern eingeschränkte berufliche Leistungsfähigkeit bestünden schon seit 2004. Der Augenarzt Dr. S. gab in seiner Stellungnahme vom 16.02.2015 an, der Kläger verfüge über eine Normalsichtigkeit und ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Innere Medizin Dr. F. führte unter dem 16.02.2015 aus, es bestehe eine Diskrepanz zwischen den anhaltenden subjektiven Be-schwerden des Klägers und den objektivierbaren Befunden. Seit 2007 seien Myalgien bekannt, der Gesundheitszustand habe sich seither weder verbessert noch verschlechtert. Der Kläger kön-ne körperlich leichte und nervlich wenig belastende Tätigkeiten im Rahmen einer Fünf-Tage Woche ausüben, eine genaue Angabe bezüglich des Zeitumfanges könne nicht getroffen werden. Der Internist Dr. K. gab in seiner Stellungnahme vom 09.03.2015 an, der Kläger habe sich zuletzt 2011 vorgestellt. Angaben zur aktuellen beruflichen Belastbarkeit seien ihm nicht möglich.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers beauftragte das SG gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Facharzt für Innere Medizin Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser teilte in seinem internistisch-rheumatologischen Gutachten vom 23.11.2015 nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 04.11.2015 nachfolgende Diagnosen mit: schwere Schmerzstörung mit Manifestation an muskuloskelettalen System mit schubartigem Verlauf, kontrollkonstante belastungsabhängige Erhöhung des Muskelenzyms CK, An¬haltspunkte für das Vorliegen einer zusätzlichen entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung (Psoriasis-Arthropathie). Darüber hinaus sei fachfremd eine von der (Schmerz-)Symptomatik abhängige Herabgestimmtheit bei eher durchhalteorientierter Primärpersönlichkeit zu berücksichtigen. Es seien allenfalls noch leichte Kontroll-, Sortier- oder Verpackungsarbeiten - zeitreduziert - möglich. Maßgeblich sei in erster Linie die Werkzeugstörung des muskuloskelettalen Systems, aber auch die allgemeine Minderbelastbarkeit aufgrund der gestörten Erholungsfunktion des Schlafs und eines substantiell herabgesetzten Durchhaltevermögens bei krankheitsbedingter "Fatigue". Ein Leistungsvermögen von über vier Stunden pro Arbeitstag sei nicht gegeben. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Kläger aufgrund von Schubsituationen mehrmals im Jahr für mehrere Tage bis wenige Wochen in anhaltende Zustände der Leistungsunfähigkeit gerate.

Hierzu legte die Beklagte mit Schreiben vom 15.01.2016 die sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. Z. vom 11.01.2016 vor. Das Gutachten des Dr. H. sei weder nachvollziehbar noch schlüssig. Der Gutachter habe Krankheiten lediglich vermutet oder unterstellt, die nicht bewiesen seien.

Mit Urteil vom 30.06.2016 wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, da er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche verfüge. Die im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme ermittelten Gesundheitsstörungen mit Schwerpunkt auf internistisch-rheumatologischem Gebiet schränkten das qualitative Leistungs¬vermögen des Klägers ein, berührten aber seine quantitative körperliche und geistige Leistungs¬fähigkeit für die Verrichtung leichter Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht. Das Gericht mache sich diesbezüglich die Einschätzung von Dr. Z., Dr. L. und Dr. H. nach eigener kritischer Urteils- und Überzeugungsbildung zu eigen. Dr. L., Dr. H. und Dr. Z. hätten für die Kammer schlüssig und nachvollziehbar herausgearbeitet, dass sich anhand der von ihnen erhobenen Befunde lediglich qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens rechtfertigen ließen. Gegen eine Limitierung des zeitlichen Leistungsvermögens spreche auch der strukturierte Tagesablauf. Hinsichtlich des quantitativen Leistungsvermögens stelle die Kammer zudem entscheidend auf die nicht ausgeschöpften ambulanten Behandlungsmaßnahmen ab. Wenn der Kläger insoweit vortrage, es gebe keine neuen Erkenntnisse beziehungsweise Behandlungsansätze, auch wenn er sich erneut untersuchen lassen würde, überzeuge dies nicht. Dr. H. habe ausgeführt, eine Gefährdung des bestehenden vollschichtigen Erwerbsvermögens könne unter Ausschöpfung am-bulanter Maßnahmen abgewendet werden. Dem Kläger sei zu einer Vorstellung bei einem Psychia¬ter und Neurologen zu raten. Damit wäre bei einer Myopathie/Myalgie mit CK-Erhöhung unkla¬rer Ursache eine fachspezifische und umfassende ärztliche Betreuung ohne Medikamente mit Suchtpotential, wie Tetrazepam, möglich. Mit angemessener Willensanspannung könnten ge-sundheitliche Störungen überwunden und einer sechs- und mehrstündigen Erwerbstätigkeit nach-gegangen werden. Der gegenteiligen Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers durch Dr. H. habe sich die Kammer nicht anschließen können. Soweit davon ausgegangen werde, dass sich aus den erhöhten CK Werten insgesamt eine allgemeine Minderbelastbarkeit aufgrund einer gestörten Erholungs¬funktion des Schlafes und eines substantiell herabgesetzten Durchhaltevermögens bei krank¬heitsbedingter "Fatigue" ableiten lasse, überzeuge dies nicht. Die Kammer vermöge nicht zu er¬kennen, aus welchen medizinischen Befunden diese Begleiterscheinungen abzuleiten seien. Zudem gehe Dr. H. ohne nähere Begründung von einer Einschränkung der Wegefähigkeit aus, obwohl er eine seitengleiche Muskulatur und einen unauffälligen neurologischen Befund beschreibe. Zwar bejahe er ein erschwertes Gangbild des Klägers, verzichte indes aber auf weitere Belastungsuntersuchungen. Tatsächlich habe Dr. H. seine Diagnosen im Wesentlichen auf die subjektiv vom Kläger vorgetragenen Be¬schwerden gestützt, ohne diese auf ihre Validität zu prüfen. Mit ungenauen und spekulativen Be-schreibungen könnten rentenrelevante Einschränkungen des Leistungsvermögens jedoch nicht belegt werden. Seine Leistungseinschätzung sei insgesamt unschlüssig und für die Kammer nicht nachvollziehbar. Es bestünden im Hinblick auf Lage, Verteilung, Umfang und Vorhersehbarkeit von zu erwartenden Arbeitsunfähigkeitszeiten auch keine ernsthaften Zweifel, dass der Kläger noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Ar¬beitsmarktes in einem Betrieb einsetzbar sei. Das Risiko einer häufigen Arbeitsunfähigkeit könne erst dann zu einer Erwerbsminderung führen, wenn feststehe, dass die (vollständige) Arbeitsunfähig¬keit so häufig auftrete, dass die während eines Arbeitsjahres zu erbringenden Arbeitsleistungen nicht mehr den Mindestanforderungen entsprächen, die ein "vernünftig und billig denkender Ar¬beitgeber" zu stellen berechtigt sei, sodass eine Einstellung oder Weiterbeschäftigung eines sol¬chen Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt praktisch ausgeschlossen sei. Diese Min-destanforderungen seien dann nicht mehr als erfüllt anzusehen, wenn der Versicherte die Arbeits-leistung für einen Zeitraum von mehr als 26 Wochen (sechs Monate bzw. die Hälfte) im Jahr gesundheitsbedingt nicht mehr erbringen könne (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 31.10.2012, - B 13 R 107/12 B -, in juris m.w.N.). Die Voraus¬setzungen lägen schon nach den eigenen Angaben des Klägers nicht vor. Zudem stütze sich das Gericht auf die überzeugenden Darlegungen von Dr. L. und Dr. H ... Schließlich ergebe sich aus den bei dem Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkun¬gen zur Überzeugung des Gerichts keine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch stel¬lten diese qualitativen Einschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschrän¬kungen dar.

Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 11.07.2016 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 01.08.2016 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung des Klägers. Er leide unter dauerhaften Schmerzen in den Extremitäten, die bei längeren Ruhepausen (beim Schlafen, Sitzen, Auto fahren) an Stär¬ke zunähmen. Er benötige immer wieder Pausen und könne keine langen Stre¬cken gehen. Er habe immer wieder starke Sehstörungen (kurzzeitig sehr unschar¬fes Sehen) einhergehend mit Drehschwindel und Sturzgefahr. Beide Achillesseh¬nen schmerzten und sein rechtes Sprunggelenk bzw. rechter Fuß werde in unregelmäßigen Abständen dick und schmerze sehr. Er habe stechende Schmerzen in den Unter¬armen sowie besonders in den Finger- und Handgelenken beider Arme (mehr rechtslastig). Die Beschwerden seien immer präsent und würden in einem Rhythmus von 1 bis 3 Monaten im¬mer wieder stärker. Es gebe dann immer 2 bis 4 Tage, an denen er das Haus nicht verlassen könne. In der Nacht wache er vom "Brennen" der Oberschenkel¬muskulatur oder den Gelenkschmerzen auf. Der gestörte nächtliche Schlaf mache sich tagsüber in Abgeschlagenheit, Konzentrationsschwäche und Gereiztheit be¬merkbar. Er habe tagsüber auch Schlafattacken. Er müsse sich dann einfach eine Weile hinlegen und schlafen. Dies alles beeinträchtige sein alltägliches Leben sehr und mache eine Arbeitsleistung, auch im Hinblick auf die geforderten leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in einem zeitlichen Umfang von 6 Stunden oder mehr, unmöglich. Seit etwa 1¾ Jahren spüre er vermehrt auch die psychische Belastung durch die langanhal¬tende Beschwerdesymptomatik. Anfang 2016 sei es daher zu einer Depression gekom¬men. Er nehme Antidepressiva ein und sei in fachärztlicher Behandlung. Aufgrund der geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen lägen daher die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Ren¬ten wegen Erwerbsminderung vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.06.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 06.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 01.01.2014 eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zunächst den behandelnden Facharzt für Psychiatrie B. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 17.01.2017 mitgeteilt, der Kläger habe sich bei ihm am 19.02., 06.07. und 05.10.2016 vorgestellt. Er habe beim Kläger eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, eine mittelgradige Anpassungsstörung, eine Zwangsstörung sowie eine somatoforme autonome Funktionsstörung mehrerer Organe und Systeme diagnostiziert. Dr. F. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.02.2017 ausgeführt, dass beim Kläger die unklare Myopathie mit Myalgien sowie polyarthralgischen Beschwerden im Vordergrund stehe, die schubweise und unregelmäßig, meist über einige Tage anhaltend, auftrete.

Der Senat hat daraufhin den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. H. mit der nervenärztlichen Begutachtung des Klägers beauftragt. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 31.05.2017 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers auf psychiatrischem Fachgebiet eine somatoforme Schmerzstörung sowie eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 10.07.2017 Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. H. erhoben und eine Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie B. vom 05.07.2017 vorgelegt. Hierzu hat sich Dr. H. in seinem Schreiben vom 19.07.2017 geäußert.

Im Rahmen des Erörterungstermins am 20.09.2017 hat der Berichterstatter die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zu entscheiden. Den Beteiligten haben sich mit der Vorgehensweise einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten für den Kläger geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden ist, verwiesen.

II.

Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.

Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten gehört.

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 06.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt. Er hat hierauf keinen Anspruch.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch (SGB) VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554).

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll- bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeinen Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

In Anlegung dieser Maßstäbe ist der Kläger nicht erwerbsgemindert. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gutachten des Dr. H. aus dem Berufungsverfahren sowie auf die Gutachten der Dr. H. und Dr. L. aus dem Verwaltungsverfahren, die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat.

Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 31.05.2017 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 30.05.2017 auf psychiatrischem Fachgebiet eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Die Kriterien für das Vorliegen einer mittelgradigen oder gar schweren depressiven Episode waren nicht erfüllt. Anhaltspunkte für einen phasenhaften Krankheitsverlauf im Sinne einer rezidivierenden depressiven Störung ergaben sich ebenfalls nicht. Auch eine auf eine Zwangsstörung beziehbare Symptomatik ließ sich nicht herausarbeiten. Eine Angsterkrankung im Sinne des psychiatrischen Klassifikationssystem ICD zeigte sich ebenso wenig wie eine posttraumatische Belastungsstörung, eine wahnhafte Störung oder eine psychotische Erkrankung. Es zeigten sich auch keine kognitiven Leistungseinschränkungen. Die Auffassung, die Konzentration, das Durchhaltevermögen und das Gedächtnis waren durchweg intakt. Nachvollziehbar und schlüssig ergeben sich hieraus gewisse qualitative Leistungseinschränkungen. Eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit oder durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck muss vermieden werden. Dies gilt gleichermaßen für besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration sowie für eine besonders hohe Verantwortung und eine besonders hohe geistige Beanspruchung. Das letztgenannte ist dabei so zu verstehen, dass der Kläger Tätigkeiten mit einer das normale Maß deutlich übersteigenden Verantwortung oder mit einer das normale Maß deutlich übersteigenden geistigen Beanspruchung aufgrund der bei ihm vorliegenden Erkrankung nicht verrichten kann. Bei Berücksichtigung dieser Einschränkungen ist der Kläger jedoch noch in der Lage, ohne eine unmittelbare Gefährdung der Gesundheit, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Diese Einschätzung wird dadurch belegt, dass der Kläger im Rahmen der Begutachtung bewusstseinsklar und allseits orientiert war. Störungen der Auffassung, der Konzentration und des Durchhaltevermögens zeigten sich nicht. Auch mnestische Störungen ließen sich nicht feststellen, weder die Merkfähigkeit oder das Kurzzeitgedächtnis noch das Langzeitgedächtnis betreffend. Der formale Gedankengang war geordnet und nicht verlangsamt. Inhaltliche Denkstörungen zeigten sich nicht. Beeinträchtigungs- und Verfolgungsideen konnten ebenso wenig wie Sinnestäuschungen oder Ichstörungen beobachtet werden. Die Stimmungslage war insgesamt leicht gedrückt, themenabhängig kam es jedoch zu einer Auflockerung. Die affektive Schwingungsfähigkeit war nur diskret reduziert. Die Psychomotorik war ausreichend lebendig. Der Antrieb war nur leicht reduziert. Gereizt oder aggressiv trat der Kläger nicht auf. Auch distanzlose Tendenzen gab es nicht. Die Leistungseinschätzung von Dr. H. wird im Übrigen auch durch das Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren von Dr. H. gestützt. Diese ging bei vergleichbaren Befunden von einer entsprechenden Leistungseinschätzung aus.

Eine Erwerbsminderung ergibt sich zur Überzeugung des Senats auch nicht aufgrund der Erkrankungen auf internistischem bzw. rheumatologischen Fachgebiet. Soweit Dr. H. in seinem Gutachten vom 23.11.2015 neben einer Schmerzstörung eine kontrollkonstante belastungsabhängige Erhöhung des Muskelenzyms CK und Anhaltspunkte für das Vorliegen einer zusätzlichen entzündlich rheumatischen Systemerkrankung annimmt, resultiert hieraus zur Überzeugung des Senats keine quantitative Leistungsstörung. Die klinische Wertigkeit einer erhöhten CK bei einer unauffällig beschriebenen weiterführenden Diagnostik einschließlich Muskelbiopsie ist fraglich. Der Gutachter verknüpft insoweit die chronische Schmerzstörung mit der Enzym-erhöhung, obwohl diese nach eigener Auskunft nicht regelhaft zu Beschwerden führen muss. Dementsprechend weist auch Dr. Z. zutreffend darauf hin, dass gleichzeitig die großen Gelenke bei der gutachterlichen Untersuchung weitgehend unauffällig und frei beweglich waren. Im Übrigen beschreibt Dr. H. eine seitengleiche Muskulatur und einen unauffälligen neurologischen Befund. Damit wird die quantitative Leistungsminderung ausschließlich aufgrund der vom Kläger vorgetragenen Beschwerden formuliert, ohne dass diesbzgl. eine Konsistenzprüfung erfolgt ist. In Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. L. ist daher der Senat der Auffassung, dass der Kläger auch unter Berücksichtigung des internistischen bzw. rheumatologischen Fachgebiets nach wie vor in der Lage ist, eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Eine Einschränkung des qualitativen Leistungsvermögens ergibt sich zur Überzeugung des Senats auch nicht aus einer Gesamtschau der Erkrankungen. Insoweit haben die vorliegenden Gutachten von Dr. L., Dr. H. und Dr. H. unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkrankungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen angenommen und dabei auch eine Gesamtschau der Erkrankungen vorgenommen. Auch die beim Kläger ggf. tageweise vorliegende Arbeitsunfähigkeit vermag nicht zu einer Erwerbsminderungsrente zu führen. Hierauf hat das SG in seinem Urteil zutreffend hingewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit die sachverständigen Zeugenaussagen und die gutachterliche Äußerung der Ärztin der Bundesagentur für Arbeit vom 06.03.2013 eine quantitative Leistungseinschränkung annehmen, überzeugen diese Leistungseinschätzungen den Senat nicht. Insoweit lassen die sachverständigen Zeugenaussagen bereits eine Unterscheidung zwischen quantitativer und qualitativer Leistungseinschätzung vermissen. Eine quantitative Leistungseinschätzung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ist aus den mitgeteilten Befunden im Übrigen auch nicht ableitbar. Von Belang ist in diesem Zusammenhang bzgl. der Stellungnahme des Psychiaters B. auch, dass dieser den Kläger zumindest im Jahr 2016 nicht monatlich, sondern in etwa viermonatigen Abständen behandelte, was gegen eine schwerwiegende depressive Erkrankung spricht. Insbesondere ist durch die gerichtlichen Sachverständigengutachten aber auch geklärt, dass die Erkrankungen des Klägers keine derart gravierende Auswirkung haben. Die Leistungseinschätzung der genannten Ärzte ist damit widerlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st. Rspr. des Senats (statt vieler Urteil des Senats vom 22.02.2017, - L 5 R 791/15 -, n.v.; vgl. auch LSG, Urteil vom 17.01.2012, - L 11 R 4953/10 -, n.v.) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.

Aus den medizinischen Unterlagen ergibt sich ein klares und eindeutiges Bild der (lediglich qualitativen) Leistungseinschränkungen. Bei einer Gesamtbetrachtung sind dauerhafte gravierende Leistungseinschränkungen damit nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben waren, bestehen nicht. Ein Großteil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG, Urteil vom 30.11.1983, - 5 ARKn 28/82 -; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, - GS 2/95 -; siehe auch BSG, Urteil vom 05.10.2005, - B 5 RJ 6/05 R -, alle in juris). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger leidensgerecht unzumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich oder mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass der Kläger vor dem 02.01.1961 geboren ist. Der Kläger ist 1968 und damit nach dem Stichtag geboren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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