L 8 R 2326/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2201/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 2326/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19.05.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zusteht.

Der 1955 geborene Kläger siedelte 1992 in die Bundesrepublik Deutschland über (zum Vertriebenenausweis "A" vgl. / 6 der Beklagtenakte/Renten-Akte). Zuletzt war er als Arbeiter im Modellbau versicherungspflichtig beschäftigt. Er bezog bis 31.12.2013 Krankengeld von der AOK (Blatt 2 der Beklagtenakte/Renten-Akte) und vom 01.01.2014 bis zum 30.12.2015 Arbeitslosengeld (/ 3 der Beklagtenakte/Renten-Akte).

Am 08.10.2014 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (/ 1 der Beklagtenakte/Renten-Akte). Zu seinem Antrag verwies er auf eine Herzerkrankung, Arthrose, Schmerzen, Bandscheibenprobleme, Atemnot, starke Medikamenteneinnahme, Gewichtszunahme, weshalb alles erschwert sei (M/ 1 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil).

Die Beklagte wertete medizinische Unterlagen, wie den Bericht der O.klinik vom 15.05.2012 (M/ 2 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil), den Entlassbericht zu der in der Zeit vom 29.05.2012 bis 26.06.2012 in der Klinik S. , I.-N. , auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung durchgeführten stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation (M/ 3 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) sowie weitere medizinische Unterlagen (M / 4 – M/ 15 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil), einschließlich der Reha-Akte, aus und holte das Gutachten vom 02.12.2014 der Fachärztin für Allgemeinmedizin, Diabetologie Dr. R. ein (M/ 16 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil; Untersuchung am 26.11.2014). Diese sah den Kläger bei 2-Gefäß-KHK, Zustand nach NSTEMI 05/2012, chronisch rezidivierenden Polyartralgien in den Kniegelenken beidseits, im linken Schultergelenk, im linken Ellenbogen und Daumengrund- und Daumensattelgelenken beidseits sowie chronisch rezidivierendem Wirbelsäulensyndrom im Beruf nur unter 3 Stunden, hinsichtlich leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen für 6 Stunden und mehr leistungsfähig.

Mit Bescheid vom 05.12.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab; der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, er könne noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein (/ 1 der Beklagtenakte/RMG-Akte).

Hiergegen erhob der Kläger am 22.12.2014 Widerspruch (/ 2 der Beklagtenakte/RMG-Akte), der unter Hinweis auf eine durch orthopädische Gesundheitsstörungen erheblich eingeschränkte Beweglichkeit, Kniegelenksbeschwerden, die durch Adipositas verstärkt würden, Konzentrationseinschränkungen, die durch Tinnitus, Rücken-, Schulter- und Kniebeschwerden verursacht würden, und eine COPD mit Dyspnoe begründet wurde (/ 8 der Beklagtenakte/RMG-Akte).

Unter Berücksichtigung einer Stellungnahme von Dr. L. vom 11.05.2015 (M/ 17 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) und einem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK (M/ 18 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2015 (/ 12 der Beklagtenakte/RMG-Akte) den Widerspruch des Klägers zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 12.08.2015 beim Sozialgericht (SG) Konstanz Klage erhoben. Er hat zur Begründung auf seine Erkrankungen verwiesen und ausgeführt, es werde festgestellt, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von unter 3 Stunden bestehe.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 29/30, 31, 32/41, 42/46, 50/66 und 67/68 der SG-Akte Bezug genommen. Der Orthopäde Dr. F. hat dem SG am 05.10.2015 geschrieben, eine vollschichtige Tätigkeit sei dem Kläger sicherlich nicht mehr zuzumuten, Wirbelsäulenzwangshaltungen seien zu vermeiden, ebenso dauerhaftes Sitzen. Längere Gehstrecken, feinmotorische Tätigkeiten, bei denen die Greiffunktion der Daumen beansprucht werde, seien nicht mehr leidensgerecht. Der Allergologe/Hautarzt Dr. K. hat im Schreiben vom 12.10.2015 angegeben, den Kläger zuletzt 2014 wegen Akne behandelt zu haben. Der Arzt für Innere Medizin Dr. D. hat dem SG mitgeteilt (Schreiben vom 12.10.2015), als Hausarzt müsse er zu dem Ergebnis kommen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, einer beruflichen Tätigkeit, die länger als 3 Stunden dauere, nachzugehen. Es zeichne sich eine depressive Entwicklung ab. Der Facharzt für Pneumologie D. hat als Nachfolger des Dr. W. in seinem Schreiben vom 16.10.2015 ausgeführt, eine sitzende Tätigkeit sei problemlos möglich. Dr. Da. , Arzt für Innere Medizin und Kardiologie, hat dem SG am 07.12.2015 geschrieben, würden alleine die kardiologischen Befunde betrachtet, bestünden keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine leichte körperliche Tätigkeit über 6 Stunden, auch wenn noch nicht erkannte Koronarstenosen vorlägen. Der HNO-Arzt H. hat ausgeführt (Schreiben vom 14.12.2015), wegen des sehr unregelmäßigen Schlafes trete kaum Erholung ein, was tagsüber sowohl zu Konzentrationsstörungen als auch Tagesmüdigkeit und evtl. kurzen Sekundenschlafphasen führe. Arbeiten an Maschinen etc. dürften kritisch zu beurteilen sein.

Das SG hat nunmehr ein Gutachten beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 10.03.2016 (Blatt 76/128 der SG-Akte; Untersuchung am 05.02.2016) ein chronisches ortsständiges cervicales Wirbelsäulensyndrom mit geringer Funktionsbehinderung der HWS ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen der oberen Extremitäten, ein chronisches ortsständiges und pseudoradikuläres degenerativ bedingtes lumbales Wirbelsäulensyndrom mit gradueller Funktionsbehinderung der Rumpfwirbelsäule ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen der unteren Extremitäten, Wirbelsäulenfehlstatik (funktionell unbedeutsam) mit muskulärer Dysbalance im Bereich des Rückens und des Rumpfes bei Adipositas per magna, Schulter-Arm-Syndrom rechts mit gradueller Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenkes bei V.a. Rotatorenmanschettenläsion rechts, belastungsabhängige Schmerzen beider Hände bei aktenkundiger Rhizarthrose (Verschleiß des Daumensattelgelenkes) ohne manifeste Funktionsbehinderung der Hände, Funktionsbehinderung der Kniegelenke rechts mehr als links bei fortgeschrittener medialer Gonarthrose beidseits sowie Senk-Spreizfuß-Deformität mit gradueller Funktionsbehinderung im Großzehengrundgelenk beidseits diagnostiziert und den Kläger unter Beachtung qualitativer Einschränkungen hinsichtlich leichter angepasster Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden/Tag leistungsfähig erachtet.

Der Kläger hat (Schreiben vom 21.04.2016, Blatt 132/133 der SG-Akte) eine CT- und eine MRT-Untersuchung für erforderlich gehalten. Nur diese Methoden führten letztendlich zum Ergebnis, dass tatsächlich eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitsleistung mit unter 3 Stunden gegeben sei.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 19.05.2016 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 05.12.2014, in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13.07.2015 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, da er noch in der Lage sei, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6-stündig täglich zu verrichten. Auch eine Rente wegen teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheide aus.

Gegen den seiner Bevollmächtigten am 25.05.2016 (Blatt 149a der SG-Akte) zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24.06.2016 Berufung eingelegt. Das SG habe zu Unrecht den Klageantrag abgewiesen. Das SG sei aufgrund falscher Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass er eine vollschichtige Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter ausführen könne. Schon vor dem SG sei darauf hingewiesen worden, dass nicht nur gesundheitliche Probleme auf orthopädischem Gebiet vorlägen, sondern auch erhebliche Einschränkungen im internistischen Bereich. So habe Dr. D. , Arzt für innere Medizin, angegeben, "Subjektiv im Vordergrund stehen orthopädische Probleme, wobei objektiv die vorliegenden internistischen Erkrankungen für die Prognose entscheidend sind." Dr. W. habe zum Ausschluss eines KHK-Rezidivs eine Herzkatheteruntersuchung für ratsam gehalten. Auffällig sei die intensive Gewichtszunahme von 35 kg innerhalb der letzten 2 Jahre.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19.05.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 05.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2015 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Kläger hat (Schreiben vom 15.09.2016, Blatt 27/28 der Senatsakte) mitgeteilt, er habe eine weitere Operation gehabt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Internisten und Betriebsmediziner Dr. S ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.01.2017 (Blatt 31/53 der Senatsakte; Untersuchung am 11.01.2017) eine Koronare Zwei-Gefäßerkrankung bei Zustand nach Herzinfarkt, eine Adipositas Grad III, eine Hypertonie und eine Hypertriglyceridämie und Hyperurikämie diagnostiziert. Der Kläger könne leichte und mittelschwere Arbeiten verrichten. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, Tätigkeiten als Arbeiter im Modellbau/Schäumerei sowie als Poststellenmitarbeiter könne der Kläger 6 Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben. Der Kläger habe jedoch berichtet, im Rahmen seiner letzten Tätigkeit im Modellbau/Schäumerei schwere Lasten von mehr als 20 kg heben und tragen gemusst zu haben, was ihm als schwere körperliche Arbeiten nicht mehr zumutbar sei.

Der Senat hat Dr. Wa. , Arzt für Orthopädie der O.klinik, schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat in seiner Antwort vom 31.01.2017 (Blatt 56/62 der Senatsakte) berichtet, den Kläger vom 20.09.2016 bis 29.09.2016 stationär behandelt zu haben und eine Knie-TEP implantiert zu haben.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 28.03.2017 (Blatt 65/67 der Senatsakte) u.a. ausgeführt, er habe versucht, bei seinem früheren Arbeitgeber zu arbeiten. Dabei sei er an seiner alten Arbeitsstelle eingesetzt worden. Es handele sich nach Mitteilung des Geschäftsführers um eine Tätigkeit, bei der leichtere bzw. mittelschwere Formen getragen werden müssten. Es handele sich um einen laufenden und stehenden Arbeitsplatz. Bereits nach zwei Stunden sei die Arbeit abgebrochen worden, da er diese nicht mehr ausführen konnte. Bei einer Vorstellung am 21.03.2017 in der Kanzlei des Bevollmächtigten habe er über Schmerzen im Rücken, welche auch beim Sitzen vorhanden seien, geklagt. Es sei eine kurze Probe durchgeführt worden, bei der er im Treppenhaus der Kanzlei 18 Stufen nach oben gegangen sei. Dabei sei er bereits auf der 17. Stufe so außer Atem gewesen, dass mit ihm nicht mehr gesprochen werden konnte. Er habe eine deutliche Rötung im Kopfbereich gezeigt. Ein zweites Hochgehen der Stufen sei nicht mehr möglich gewesen.

Dr. S. hat den Bericht des Dr. Bo. vom 11.01.2017 (Blatt 69 der Senatsakte) vorgelegt und mit Schreiben vom 29.04.2017 (Blatt 73/82 der Senatsakte) u.a. ausgeführt, dass eine geringe Erhöhung für Beta-2-Globulin (6.9, Normbereich bis 6.5) keine sozialmedizinische Relevanz habe. Gleiches gelte für eine minimale Erhöhung für Glucose im Serum sowie den Langzeitwert HbA1c. Daraus ergäben sich keine Schlussfolgerungen auf eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Der Langzeitwert HbA1c könne leicht erhöht sein z.B. bei häufiger Glukoseaufnahme (Süßigkeiten), ohne dass aus dieser geringen Erhöhung irgendwelche Rückschlüsse gezogen werden könnten. Dr. S. hat sich darüber hinaus erneut geäußert (Schreiben vom 22.05.2017, Blatt 85/86 der Senatsakte)

Der Kläger (Schreiben vom 12.05.2017, Blatt 83/84 der Senatsakte) hat ausgeführt, aufgrund der Schmerzen sei es angezeigt, eine MRT-Untersuchung anzuordnen. Er sei nicht im Stande, selbst eine solche Untersuchung zu bezahlen. Im Rahmen einer gerichtlichen Entscheidung handele es sich um Kosten während eines Gerichtsverfahrens, die von der Rechtsschutzversicherung getragen werden müssten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens beim Facharzt für Chirurgie, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. D ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 08.06.2017 (Blatt 87/101 der Senatsakte) ausgeführt, auf orthopädischem Fachgebiet lägen beim Kläger eine 10 %ige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule ohne Nachweis sensibler oder motorischer Nervenwurzelreizerscheinungen seitens die Halswirbelsäule betreffender Rückenmarksnerven, eine 5 %ige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Brustwirbelsäule, eine 10 %ige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei computertomographisch schon im Jahre 2009 objektivierten vermehrten Verschleißerscheinungen im Sinne einer Chondrose, Spondylose und Spondylarthrose, jedoch ohne Nachweis sensibler oder motorischer Nervenwurzelreizerscheinungen seitens die Lendenwirbelsäule betreffender Rückenmarksnerven am Gutachtenstag, eine endgradig eingeschränkte Beugung im rechten Daumengrund- und –endgelenk, eine endgradig Streckung im rechten Kniegelenk nach Implantation einer Oberflächenprothese 9/2016, eine endgradige Beugeeinschränkung im linken Kniegelenkbei radiologisch dokumentierter deutlich ausgeprägter Arthrose im innen gelegenen Kniegelenkskompartiment, eine unter Belastung deutlich eingeschränkte Kniebeugung beidseits, vor. Unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen sei der Kläger nur noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr an 5 Tagen in der Woche auszuüben. Die Tätigkeiten als Arbeiter im Modellbau/Schäumerei sei nicht mehr möglich, da diese Tätigkeiten vorwiegend im Stehen verrichtet würden und dabei Gewichte deutlich über 5 kg angehoben werden müssten. Die Tätigkeit als Poststellen-Mitarbeiter sei möglich, wenn der Kläger nicht ausschließlich Stehen und Gehen müsse.

Die Beklagte hat sich unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. H.-Z. vom 06.07.2017 geäußert (Blatt 102/104 der Senatsakte).

Der Kläger hat mit Schreiben vom 10.07.2017 (Blatt 105/106 der Senatsakte) u.a. ausgeführt, nur durch eine MRT-Untersuchung könne letztendlich abgeklärt werden, ob tatsächlich über die üblichen altersbedingten Veränderungen weitere vorliegen, welche dazu führen, dass er nicht mehr voll belastbar sei und somit Anspruch auf Rente habe. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb sich sämtliche bisherigen Sachverständigen gesträubt hätten, eine MRT-Untersuchung durchzuführen. Bei fast jedem "nicht schwer erkrankten" Patienten werde eine MRT-Untersuchung angeordnet. Bei ihm handele es sich jedoch um einen Menschen, welcher unter erheblichen Beschwerden zu leiden habe. Insoweit sei die MRT-Untersuchung zwingend angezeigt.

Mit Schreiben vom 28.07.2017 (Blatt 107/113 der Senatsakte) hat der Kläger ärztliche Berichte vorgelegt, u.a. von Dr. La. vom 28.06.2017. Aufgrund des umfangreichen Berichtes des Dr. La. sei es angezeigt, abschließend eine Untersuchung im MRT durchzuführen.

Die Beklagte hat sich unter Vorlage einer Stellungnahme von Dr. H.-Z. vom 11.08.2017 (Blatt 115 der Senatsakte) geäußert und an ihrem Vortrag festgehalten.

Der Kläger hat nach Ladung zur mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 06.09.2017 (Blatt 118/120 der Senatsakte) mitgeteilt, der Einschätzung, der Rechtsstreit sei entscheidungsreif, werde widersprochen. Die verschleißbedingten Bandscheibenschäden könnten neben einer möglichen Nervenwurzelkompression auch zu einer belastungsabhängigen Durchblutungsstörung der Kaudafasern im eingeengten Bereich führen. Klinisch folge hieraus der typische belastungsabhängige Schmerz mit Ausstrahlung in beide Beine, manchmal auch nur einseitig (Claudicatio spinalis). Taubheitsgefühl und seltener auch Lähmungen der Beine könnten hinzukommen. Im Hinblick auf die vorgelegte Stellungnahme, sei die Untersuchung durch ein CT oder MRT unerlässliche Voraussetzung, um abzuklären, ob tatsächlich aus sozialmedizinischer Sicht eine Erwerbstätigkeit noch ausgeübt werden könne.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 121, 122 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligen ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Der Gerichtsbescheid des SG vom 19.05.2016 sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 05.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2015 sind nicht rechtswidrig, der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller und auch nicht wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Der Senat konnte feststellen, dass der Kläger noch in der Lage ist, zumindest noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitstäglich, mithin an 5 Tagen pro Woche, auszuüben; zwar sind dabei qualitative Einschränkungen zu beachten, weshalb er z.B. seine letzte Arbeitsstelle nicht mehr ausfüllen kann, doch führen diese Einschränkungen nicht dazu, dass das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers auf 6 Stunden und weniger arbeitstäglich herabgesunken ist.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und (Nr. 3) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann und er damit nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage an sich nur teilweise erwerbsgemindert ist (sog abstrakte Betrachtungsweise), ihm aber der Teilzeitarbeitsmarkt tatsächlich verschlossen ist (sog konkrete Betrachtungsweise).

Der Eintritt einer rentenberechtigenden Leistungsminderung muss im Wege des Voll-beweises festgestellt sein, vernünftige Zweifel am Bestehen der Einschränkungen dürfen nicht bestehen. Gemessen daran vermag der Senat nicht mit der erforderlichen, an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass bei dem Kläger eine rentenrechtlich relevante Minderung des Leistungsvermögens auf weniger als 6 Stunden arbeitstäglich vorliegt.

Der Senat konnte auf Grundlage des Gutachtens von Dr. S. feststellen, dass beim Kläger auf internistischem Fachgebiet eine koronare Zwei-Gefäßerkrankung bei Zustand nach Herzinfarkt, eine Adipositas Grad III, eine Hypertonie, eine Hypertriglyceridämie und eine Hyperurikämie besteht.

Die koronare Zwei-Gefäßerkrankung führt dazu, dass der Kläger qualitative Einschränkungen bei Tätigkeiten zu beachten hat. So sind ihm deswegen schwere körperliche Arbeiten und häufiges Heben und Tragen von Lasten über 15 kg nicht mehr möglich. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. S ... Insoweit konnte der Senat unter Mitberücksichtigung der Feststellungen des Kardiologen Dr. Da. , der am 14.08.2014 eine normale linksventrikuläre Pumpfunktion beschrieben hat und trotz Belastung bis 175 Watt keine Zeichen einer Koronarinsuffizienz festgestellt hat, sowie unter Mitberücksichtigung der bei Dr. S. und dem im Rahmen einer Befunderstellung hinzugezogenen Dr. Bo. erhobenen Befunde, einschließlich der Ergospirometrie, die bis 177 Watt möglich war, ohne dass die anaerobe Schwelle erreicht wurde, wegen dieser Erkrankung aber keine Umstände feststellen, die der Verrichtung leichter und auch mittelschwerer körperlicher Arbeiten entgegen stünden. So waren bei der Untersuchung durch Dr. S. und Dr. Bo. die kardiopulmonalen Parameter komplett unauffällig, auch der hochspezifische Pumpfunktionsparameter BNP war normal, sodass eine relevante Pumpfunktionsstörung der linken Herzkammer nicht festgestellt werden konnte. Somit konnte kein Befund erhoben werden, der der Verrichtung leichter und auch mittelschwerer körperlicher Arbeiten entgegensteht.

Die Adipositas Grad III führt unter Mitberücksichtigung des Ergebnisses der Ergospirometrie bei Dr. Bo. mit den überzeugenden Ausführungen des Gutachters Dr. S. zu keinen weitergehenden Einschränkungen.

Das bei dem Kläger bestehende Bluthochdruckleiden wird medikamentös behandelt. Zwar hat Dr. S. angegeben, es sei eine 24-Stunden-Blutdruck-Langzeitmessung zu erwägen, doch hat er dies im Hinblick auf die Frage, ob eine Änderung der laufenden medikamentösen Behandlung sinnvoll ist, angeregt. Weitergehende Einschränkungen der Erwerbstätigkeit als die aus der KHK resultierenden, ergeben sich daher aus dem Bluthochdruckleiden nicht. Auch die erhöhten Werte für Triglyceride und Harnsäure sind zwar kontroll- und behandlungsbedürftig, führen aber zu keinen weitergehenden Einschränkungen bezüglich einer Erwerbstätigkeit, wie der Senat mit dem Gutachten Dr. S. feststellen konnte.

Damit kann der Kläger nach der Feststellung der unter das internistische Fachgebiet fallenden Erkrankungen noch leichte Tätigkeiten, die per se schon das häufige Heben und Tragen von Lasten über 15 kg ausschließen, in einem Umfang von arbeitstäglich mindestens 6 Stunden verrichten.

Den vorliegenden ärztlichen Befunden der den Kläger behandelnden Ärzte lässt sich nichts anderes entnehmen. Soweit der Hausarzt Dr. D. eine Erwerbsfähigkeit von länger als 3 Stunden nicht mehr für möglich erachtet, weisen die von ihm vorgelegten Befundberichte in eine andere Richtung. So hat Dr. W. in seinem Bericht vom 30.09.2014 (Blatt 34/35 der SG-Akte) eine Sauerstoffsättigung von 95% (bei Dr. R. waren es 98 %, Blatt 68 der SG-Akte) und eine lungenfachärztliche Vorstellung ohne pathologischen Befund angegeben. Hinweise auf Ventilationsstörungen hat er nicht gefunden. Zwar hat Dr. Da. in seinem Bericht vom 14.08.2014 (Blatt 36/37 der SG-Akte) eine seit der Koronarintervention bestehende Belastungsdyspnoe angegeben, doch diese lediglich bei starker körperlicher Belastung beschrieben; eine solche schwere Belastung durch Arbeit hat aber Dr. S. ausgeschlossen, eine leichte Belastung ist dagegen auch mit Dr. Da. möglich (vgl. dessen Auskunft gegenüber dem SG Bl. 50/51 der SG-Akte). Dr. Da. hat insoweit auch bei einer Belastung des Klägers bis 175 Watt keine Angina Pectoris-Zeichen beschreiben können und lediglich eine geringe Dyspnoe beschrieben. Auch im Bericht vom 21.10.2015 (Blatt 52/53 der SG-Akte) konnten Dres. Da. und V. davon berichten, dass der Kläger bis 200 Watt belastbar war und es zu keiner Angina Pectoris und nur zu einer geringen Dyspnoe gekommen war; zuletzt haben Dres. Da. und V. im Bericht vom 30.05.2017 (Blatt 111/112 der Senatsakte) eine Belastbarkeit bis 150 Watt ohne Angina Pectoris und ohne Dyspnoe beschrieben. Diese geringe Dyspnoe bei hoher Belastung (175 bzw. 200 Watt) steht einer mindestens 6-stündigen Erwerbstätigkeit hinsichtlich leichter Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber gerade nicht entgegen. Das entspricht auch der Einschätzung des Dr. D. , der als Nachfolger des Dr. W. zumindest sitzende Tätigkeiten für möglich erachtet hatte. Mit dem Gutachten des Dr. S. und den Befunden des Dr. Da. konnte der Senat eine Einschränkung auf lediglich sitzende Tätigkeiten jedoch nicht feststellen.

Soweit der Kläger auf eine chronische lymphozytäre Autoimmunthyreopathie sowie eine substituierte Hypothyreose hinweist, haben daraus weder die behandelnden Ärzte noch der Gutachter Dr. S. Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit bei leichten Tätigkeiten ableiten können, sodass sich eine weitergehende Einschränkung der Erwerbsfähigkeit nicht ergibt.

Dass die von Dr. K. behandelte Akne zu einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit führt, hat weder der Kläger vorgetragen, noch lässt sich dies der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. K. , die kaum einer Therapie zugeführt wurde, eine sechs Monate überdauernde Einschränkung der Erwerbsfähigkeit verursacht wird, haben auch die behandelnden Ärzte nicht mitgeteilt.

Der angegebene Tinnitus beidseits führt zwar, wie auch der angegebene Schwindel und die Müdigkeit, zu Schlafproblemen und Einschränkungen der nächtlichen Erholung. Diese bedingen mit der Auskunft von Dr. H. gegenüber dem SG Konzentrationsstörungen wie auch Tagesmüdigkeit und evtl. kurze Sekundenschlafphasen. Daraus ergeben sich aber keine zeitlichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Solche hat auch Dr. H. nicht angegeben, vielmehr sind lediglich Arbeiten an Maschinen und Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Konzentration ausgeschlossen. Weitergehende sozialmedizinische Einschränkungen ergeben sich nicht, was Dr. H.-Z. in ihrer Stellungnahme vom 24.03.2016 (Blatt 130/131 der SG-Akte) bestätigt. Diese weist zutreffend darauf hin, dass die Schlafprobleme auf ein Schlafapnoe-Syndrom zurückgeführt würden, jedoch die Angabe von Schmerzen als Grund für die Unmöglichkeit weiterer Untersuchungen nicht nachvollzogen werden kann.

Auf orthopädischem Fachgebiet ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers, die zunächst nicht diagnosebezogen sondern funktionsbezogen festzustellen ist, durch Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule, der Schulter, den Beinen und den Händen beeinträchtigt. Dr. D. konnte bei seiner Untersuchung feststellen, dass auf orthopädischem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen vorliegen: - eine 10 %ige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule ohne Nachweis sensibler oder motorischer Nervenwurzelreizerscheinungen seitens die Halswirbelsäule betreffender Rückenmarksnerven. - eine 5 %ige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Brustwirbelsäule. - eine 10 %ige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei computertomographisch schon im Jahre 2009 objektivierten vermehrten Verschleißerscheinungen im Sinne einer Chondrose, Spondylose und Spondylarthrose, jedoch ohne Nachweis sensibler oder motorischer Nervenwurzelreizerscheinungen seitens die Lendenwirbelsäule betreffender Rückenmarksnerven am Gutachtenstag, - eine endgradig eingeschränkte Beugung im rechten Daumengrund- und –endgelenk, - eine endgradig eingeschränkte Streckung im rechten Kniegelenk nach Implantation einer Oberflächenprothese 9/2016 und - eine endgradige Beugeeinschränkung im linken Kniegelenkbei radiologisch dokumentierter deutlich ausgeprägter Arthrose im innen gelegenen Kniegelenkskompartiment sowie eine - unter Belastung deutlich eingeschränkte Kniebeugung beidseits. Dieser Beschreibung durch Dr. D. entspricht auch die Diagnosestellung des Gutachters des SG, Dr. B ... Diese Gesundheitsstörungen wirken sich, wie der Senat mit Dr. D. feststellen konnte, auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers nachteilig aus. Insoweit sind wegen der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers Erwerbstätigkeiten in Form von schweren und mittelschweren körperliche Arbeiten, d.h. regelmäßiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 5 kg und Arbeiten in gebückter Zwangshaltung sowie Arbeiten mit häufigem Bücken ausgeschlossen. Arbeiten mit häufigem Stehen, Gehen oder Arbeiten auf Gerüsten oder Leitern sind wegen der Erkrankung der Knie ausgeschlossen, ebenso schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten, d.h. regelmäßiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 5 kg.

Der Kläger kann damit noch leichte körperliche Arbeiten verrichten, die er bei selbstgewähltem Stellungswechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich mindestens 6 Stunden verrichten kann.

Die Tätigkeiten an seinem letzten Arbeitsplatz sind – auch wenn der Geschäftsführer des bisherigen Arbeitgebers diese als leicht bezeichnet hatte – mindestens mitteschwere Tätigkeiten, da diese das Heben und Tragen von Lasten von mehr als 5 kg voraussetzen, und damit dem Kläger nicht mehr zumutbar. Auch hatte die Tätigkeit überwiegend im Stehen ausgeübt werden müssen, weshalb sie dem Kläger auch unter diesem Gesichtspunkt nicht mehr zumutbar war. Jedoch ist im Rahmen der Prüfung des Anspruchs auf eine Erwerbsminderungsrente gemäß § 43 SGB VI nicht darauf abzustellen, ob der Versicherte seine letzte Arbeitstätigkeit noch ausüben kann; vielmehr sind Bezugspunkt die Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Solche leichte Tätigkeiten sind dem Kläger aber mit der sich auf die überzeugenden Darstellungen der Gutachter Dr. D. und Dr. B. stützenden Überzeugung des Senats noch mindestens 6 Stunden arbeitstäglich unter Berücksichtigung der zuvor genannten qualitativen Einschränkungen zumutbar und möglich. So sind dem Kläger auch Tätigkeiten als Poststellen-Mitarbeiter, die eine leichte Tätigkeit darstellt, zumutbar und möglich, wenn diese nicht ausschließlich im Stehen und Gehen erledigt werden muss.

Aber auch wenn mit Dr. B. weitergehende Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit angenommen werden – so hat dieser folgende Tätigkeiten für nicht mehr zumutbar erachtet: mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten, Arbeiten mit Heben, Tragen und/oder Bewegen von Lasten über 8 bis 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel, Arbeiten in gebückter, vornüber geneigter oder sonstiger Zwangshaltung des Achsorgans, Arbeiten in Rückneigung des Kopfes (Überkopftätigkeiten), Arbeiten unter Einfluss vertikaler Teil- oder Ganzkörperschwingungen, Arbeiten über horizontalem Schulterniveau, Arbeiten mit besonderer Anforderung an die Kraftentfaltung und volle Gebrauchsfähigkeit der Arme und Hände, Arbeiten mit erhöhter Anforderung an die Feinmotorik und das taktile Geschick der Hände, häufig oder ständig kniende und/oder hockende Tätigkeiten, überwiegend oder ständig stehende und/oder gehende Tätigkeiten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit häufigem Treppensteigen, Arbeiten auf unebenem Untergrund, Arbeiten unter Einfluss von Nässe, Kälte und/oder Zugluft, Arbeiten mit hoher Verantwortung und/oder besonderer geistiger Beanspruchung, Arbeiten unter hohem Zeitdruck und hoher Stressbelastung (z.B. Akkord- und Fließbandtätigkeit, Nachtschichttätigkeit), Arbeiten unter Exposition mit inhalativen Noxen – ergeben sich hieraus keine solchen Einschränkungen für Erwerbstätigkeiten, die den Rahmen qualitativer Einschränkungen der möglichen Tätigkeiten übersteigen und eine zeitliche (quantitative) Einschränkung der rentenrechtlich relevanten Erwerbsfähigkeit begründen würden.

Dieser Überzeugung des Senats stehen auch die Angaben und Berichte der behandelnden Ärzte nicht entgegen. Zwar hat der Orthopäde Dr. F. eine vollschichtige Erwerbstätigkeit für nicht mehr zumutbar gehalten, doch hat er keine Befunde mitteilen können, die diese Einschätzung nachvollziehbar erscheinen lässt. Zwar kann der Senat nachvollziehen, dass die von ihm angegebenen Erkrankungen und Schmerzen eine qualitative Einschränkung möglicher Erwerbstätigkeiten beinhalten, doch konnte der Senat nicht nachvollziehen, weshalb sich auch zeitliche, mithin quantitative Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ergeben sollen.

Soweit Dr. E. im radiologischen Bericht vom 23.03.2012 über eine CT-Untersuchung der LWS und des Beckens (Blatt 40/41 der SG-Akte) eine breitbasige Bandscheibenprotrusion im Segment L1/2 – wie der Kläger zutreffn breitbasigen, teils verkalkten BSV im Segment L 3/4 und im Segment L 4/5, letzterer als caudal sequestriert beschrieben, darstellt, wird im radiologischen Bericht des Dr. La. vom 28.06.2017 (Blatt 110/111 der Senatsakte) ein vergleichbarer Befund dargestellt. Der dieser radiologischen Aufnahme zugrundeliegende Befund, der sich auch nach dem Vortrag des Klägers nicht spontan ergeben hat, wurde vom Gutachter Dr. D. berücksichtigt. Das vom Kläger im Schreiben vom 06.09.2017 in den Vordergrund gerückte Wirbelgleiten, die Spondylolisthesis, die Spondylarthrose und die Facettengelenksarthrose haben sich funktionell nicht relevant geäußert. Insoweit konnte Dr. D. bei der Funktionsprüfung (Beweglichkeitsprüfung) der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte hinsichtlich der Halswirbelsäule eine freie Vor-Neig-, Rechts-Neig- und Rechts-Dreh-Beweglichkeit bei endgradig eingeschränkter Rück-Neig-Beweglichkeit, Links-Dreh- und Links-Neig- Beweglichkeit darstellen (Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule bei knapp 10 %). Die Funktionsprüfung der Brustwirbelsäule ergab eine freie Vor-Neig-Beweglichkeit, beidseits freie Dreh-Beweglichkeit, freie Rechts-Neig-Beweglichkeit bei endgradig eingeschränkter Links-Neig-Beweglichkeit und altersentsprechend freier Rück-Neig-Beweglichkeit (Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung: 5 %). Die Funktionsprüfung der Lendenwirbelsäule ergab eine 20 %ige Entfaltbarkeitshemmung bei freier Rück-Neig-Beweglichkeit, beidseits freier Dreh-Beweglichkeit, freier Rechts-Neig-Beweglichkeit und endgradig eingeschränkter Links-Neig-Beweglichkeit (Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung: maximal 10 %). Dr. D. konnte bei der Kraftprüfung der Kennmuskulatur von C5 bis C8 eine regelrechte Kraftentfaltung feststellen. Unter Berücksichtigung fehlender dermatombezogener Zervikobrachialgien (ausstrahlende Schmerzen von der Halswirbelsäule in die oberen Extremitäten) sind sensible und motorische Nervenwurzelreizerscheinungen der die Halswirbelsäule betreffender Rückenmarksnerven auszuschließen. Die neurologische Untersuchung der unteren Extremitäten ergab am Gutachtenstag keinen Hinweis für sensible oder motorische Nervenwurzelreizerscheinungen seitens die Lendenwirbelsäule betreffender Rückenmarksnerven. Klinisch konnte am Gutachtenstag keine radikuläre Symptomatik bestätigt werden, wie sie im Rahmen des stationären Aufenthaltes im September 2016 noch verifiziert worden war. Zwar ist nunmehr eine spinale/neuroforaminale Enge beschrieben (Bericht Dr. La. ), doch führt diese nicht zu rentenrechtlich relevant überdauernden funktionell relevanten Leistungseinschränkungen, wie sich aus den Gutachten von Dr. D. und Dr. B. ergibt.

Zwar weist der Kläger im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 06.09.2017 auf die Folgen verschiedener Erkrankungen hin, die bei Patienten allgemein üblich sind, diese konnte der Senat aber mit den Gutachtern Dr. D. und Dr. B. beim Kläger in funktionell relevantem Ausmaß so nicht feststellen.

Auch war der Senat nicht gehalten, eine ergänzende MRT- bzw. CT-Diagnostik durchzuführen. Eine CT-Diagnostik hat der Kläger selbst mit dem radiologischen Bericht von Dr. La. vom 28.06.2017 vorgelegt. Weshalb eine weitergehende bzw. ergänzende CT-Befundung erforderlich ist, hat auch der Kläger nicht dargelegt. Eine MRT-Diagnostik ist (vgl. Pschyrembel) ein diagnostisches, computergestütztes bildgebendes Verfahren der Tomografie, das auf dem Prinzip der Magnetresonanz (NMR) beruht. Da die Leistungsbeurteilung bezüglich der Erwerbsfähigkeit aber nicht diagnosebezogen sondern funktionsbezogen erfolgt, kann aus bildgebenden Diagnoseverfahren – anders als der Kläger meint – kein Rückschluss auf seine tatsächlichen Fähigkeiten gezogen werden. Vielmehr konnten die Gutachter Dr. S. und Dr. D. , wie Dr. B. , durch Funktionsprüfungen, w. z. B. der Bewegungsprüfung, die tatsächlich vorhandenen funktionellen Folgen der beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen erheben und die sich daraus auf die Leistungsfähigkeit ergebenden Auswirkungen darstellen. Der Senat konnte insoweit nicht erkennen, dass eine bildgebende MRT-Diagnostik zu einer anderen Beurteilung der tatsächlichen Funktionsfähigkeiten beim Kläger geführt hätte. Daher war der Senat nicht verpflichtet von Amts wegen oder auf Antrag hin eine MRT-Untersuchung des Klägers anzuordnen. Dies entspricht auch der sozialmedizinischen Literatur, wonach medizinisch-technische Untersuchungen u.a. dann nicht erforderlich sind, wenn aus medizinischen Unterlagen der Umfang der Funktionsdefizite bereits erkennbar ist oder die Beurteilung der Leistungsfähigkeit schon durch den klinischen Befund erfolgen kann (vgl. Das ärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung, Ziff. 4.1.2.2), das ist aber vorliegend – wie ausgeführt – der Fall.

Mit dem vom Senat festgestellten Leistungsvermögen von arbeitstäglich 6 Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist der Kläger nicht erwerbsgemindert. Es liegt weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor. Der Kläger hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nach § 43 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB VI.

Wenn der Kläger im Beisein seines Bevollmächtigten 17 Treppenstufen gehen konnte bis Dyspnoe eintrat, und nach einem Arbeitsversuch Rückenschmerzen hatte, ergibt sich daraus nicht, dass er nicht für die vom Senat festgestellten leichten Tätigkeiten erwerbsfähig wäre. Denn mittelschwere bis schwere Tätigkeiten, wie am letzten Arbeitsplatz, sind dem Kläger nicht mehr zumutbar. Darüber hinaus führt eine kurzzeitige Dyspnoe, die ärztlich so nicht nachvollziehbar war, nicht zur Einschränkung einer Erwerbsfähigkeit auf unter 6 Stunden, zumal die ärztlich überwachten Belastungstests eine Belastbarkeit bis weit über 100 Watt, hilfsweise sogar bis 200 Watt, ergeben haben.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Der Kläger kann zwar seinen letzten Beruf nicht mehr ausüben, ist aber noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitstäglich 6 Stunden und mehr auszuüben, er hat dabei lediglich die bereits benannten qualitativen Einschränkungen zu beachten. Zutreffend hat das SG festgestellt, dass der Kläger, der zuletzt als Arbeiter im Modellbau/Schäumerei versicherungspflichtig gearbeitet hatte, als Ungelernter, allenfalls als Angelernter des unteren Bereichs zu qualifizieren ist. Insoweit kann vorliegend jedoch die genaue Abgrenzung und mithin Einstufung des Kläger als Ungelernter bzw. Angelernter des unteren Bereichs offen bleiben, müssen sich doch sowohl Ungelernte als auch Angelernte des unteren Bereichs auf den gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen. Derartige Tätigkeiten kann der Kläger aber - wie oben festgestellt - noch 6 Stunden und mehr an 5 Tagen/Woche verrichten, wenn auch unter Beachtung qualitativer Einschränkungen. Selbst eine Qualifizierung des Klägers als Angelernter des oberen Bereichs unterstellt, wäre der Kläger jedenfalls auf eine Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter zu verweisen, die dieser unter Beachtung der qualitativen Einschränkungen (dazu s.o.) noch arbeitstäglich 6 Stunden und mehr verrichten kann. Der Kläger ist damit auch nicht berufsunfähig i.S.d. § 240 SGB VI.

Konnte der Senat damit feststellen, dass der Kläger nicht i.S.d. § 43 SGB VI voll bzw. teilweise erwerbsgemindert nun auch i.S.d. § 240 SGB VI nicht berufsunfähig ist, hat dieser keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved