L 7 R 2698/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 6992/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 2698/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1957 in Griechenland geborene Kläger zog 1981 erneut in die Bundesrepublik Deutschland zu. Er erlernte keinen Beruf und war zuletzt als ungelernter Maschinenbediener versicherungspflichtig beschäftigt. Seit August 2013 ist er arbeitslos und bezog bis Februar 2015 Arbeitslosengeld. Die Bundesagentur für Arbeit stellte ihn durch Bescheid vom 23. Januar 2014 einem schwerbehinderten Menschen gleich; mittlerweile ist ein Grad der Behinderung von 40 anerkannt.

In der Zeit vom 21. Januar 2013 bis zum 25. Februar 2013 absolvierte der Kläger eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der Rehaklinik G., aus der er arbeitsunfähig und mit einem Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Stehen und Sitzen, zeitweise im Gehen, in Tages-, Früh- oder Spätschicht von sechs Stunden und mehr entlassen wurde (Entlassungsbericht des Dr. G. vom 5. März 2013; Diagnosen: mittelgradige depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung, chronische Schmerzstörung des Bewegungsapparates mit somatischen und psychischen Faktoren, statisch-degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Zervikobrachialgie links, Hyperlipidämie, Adipositas Grad II, primäre Hypertonie).

Am 9. April 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 21. Mai 2014 ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein (Schreiben vom 6. Juni 2014). Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens veranlasste die Beklagte eine nervenärztliche Begutachtung. Der Neurologe und Psychiater Dr. G. gelangte in seinem Gutachten vom 13. Oktober 2014 - unter Berücksichtigung der Diagnosen: rezidivierende depressive Störung mit derzeit mittelschwerer depressiver Episode, somatoforme Schmerzstörung, selbstunsichere Persönlichkeitsstörung, essentielle Hypertonie - zu der Einschätzung, dass der Kläger leichte Tätigkeiten im Sitzen ohne besonderen Zeitdruck in Tagesschicht vollschichtig verrichten könne. Daraufhin wies die Beklagte den klägerischen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 25. November 2014 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 16. Dezember 2014 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung begehrt. Er leide u.a. an einer chronischen Depression, neuropsychologischen Defiziten (Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, erschwerte Auffassungs- und Umstellungsfähigkeit), chronischer Müdigkeit und Schlappheit, schwerer Sozialisationsschwäche, Defiziten der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, einer Wirbelsäulenerkrankung, einer Hyperlipidämie, Adipositas Grad II und primärer Hypertonie. Insbesondere die depressive Erkrankung habe sich verschlimmert.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens. Der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. D., Leitender Oberarzt der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie des M.hospitals S., hat in seinem Gutachten vom 21. September 2015 (Blatt 49/51 der SG-Akten) eine ca. 20-prozentige Gesamtbeweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule bei im Kernspintomogramm objektivierten vermehrten Verschleißerscheinungen in der körpernahen Hälfte, respektive im Bewegungssegment C5/C6, eine ca. 20-prozentige Gesamtbeweglichkeitseinschränkung der Brustwirbelsäule bei im Kernspintomogramm objektivierter schwach entwickelter paravertebraler Muskel-Bemantelung, eine etwa fünfprozentige Gesamtbeweglichkeitseinschränkung der Lendenwirbelsäule ohne Nachweis sensibler und motorischer Nervenwurzelreizerscheinungen seitens die Lendenwirbelsäule betreffender Rückenmarksnerven, eine (aus der Schmerzsymptomatik der Lendenwirbelsäule resultierende) endgradig eingeschränkte Beweglichkeit im linken Hüftgelenk, eine (aufgrund linksseitiger Schmerzen in der Nackenmuskulatur) endgradig eingeschränkte Elevation und Abduktion im linken Schultergelenk, eine endgradig eingeschränkte Beugung im linken Ellenbogengelenk sowie endgradig eingeschränkte Rotationsbeweglichkeit des linken Unterarms, eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit am linken Handgelenk sowie eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Langfinger und leicht reduzierter grober Kraft der linken Hand beschrieben. Aufgrund der Gesundheitsstörungen sollten mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten, d.h. regelmäßiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über sechs Kilogramm, Arbeiten in gebückter Zwangshaltung und Arbeiten mit häufigem Bücken sowie Überkopfarbeiten vermieden werden. Der Kläger könne leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen durchführen. Unter Beachtung der genannten Einschränkungen sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Er sei zudem in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen.

Weiter hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 23. Februar 2016 (Blatt 62/101 der SG-Akten) vorbestehende vielschichtige Persönlichkeitsakzentuierungen bei niedrigem Persönlichkeitsstrukturniveau, eine mit Medikation gut kontrollierbare funktionelle Schlafstörung und eine willensnahe funktionelle Störung im Bereich der linken Körperseite ohne Anhalt für eine organ-neurologische Störung, Hüft- und Schultergelenksbeschwerden rechts ohne neurologische Ursache/Komplikationen, ein linksbetontes Karpaltunnelsyndrom sowie eine Adipositas permagna beschrieben. Der Kläger könne körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten. Auszuschließen seien Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, an unmittelbar gefährdenden Maschinen, mit überdurchschnittlich fordernden sozialen Interaktionen oder besonderen Anforderungen an die Konfliktfähigkeit oder Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.

Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2016 - gestützt auf die Gutachten des Dr. D. und des Dr. B. - abgewiesen.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 23. Juni 2016 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 21. Juli 2016 zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit dem er sein Rentenbegehren weiterverfolgt. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass seine Leistungsfähigkeit durch ein Impingement am rechten Schultergelenk sowie eine aktivierte Coxarthrose eingeschränkt sei. Aufgrund der Leiden an der Brustwirbelsäule trage er - der Kläger - nunmehr ein Korsett. Er müsse aufgrund seiner Schmerzen alle zwei bis drei Wochen gespritzt werden. Die eingenommenen Psychopharmaka verursachten Nebenwirkungen wie andauernde Müdigkeit. Er - der Kläger - sei nicht in der Lage, mehr als drei Stunden täglich Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Das SG habe weiterhin nicht berücksichtigt, dass er aufgrund der mehrjährigen andauernden Arbeitsunfähigkeit sowie seines eingeschränkten Umstellungs- und Anpassungsvermögens faktisch erwerbsgemindert sei. Der Arbeitsmarkt sei für ihn verschlossen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2014 zu verurteilen, ihm ab 1. April 2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist zur Begründung auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen einvernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Stellungnahmen des Orthopäden Dr. A.vom 10. Februar 2017 (Blatt 54/56 der Senats-Akten) und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 1. Juni 2017 (Blatt 65/67 der Senat-Akten) verwiesen. Die Beklagte ist unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme des Obermedizinalrates Fischer vom 17. Juli 2017 (Blatt 73/74 der Senats-Akten) bei ihrer Leistungseinschätzung geblieben.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Forensische Psychiatrie, Chefarzt der Klinik für Suchttherapie am Klinikum am W., Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 25. August 2017 (Blatt 73/100 der Senats-Akten) eine neurologische Erkrankung ausgeschlossen und einen unauffälligen körperlich-neurologischen Befund beschrieben. Auf psychiatrischem Fachgebiet hat er eine depressive Erkrankung, aktuell eine leichte depressive Episode im Grenzbereich zu einer mittelgradigen depressiven Episode, sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung gesehen. Eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit oder durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, durch hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration, durch eine besonders hohe Verantwortung und eine besonders hohe geistige Beanspruchung sei zu vermeiden. Besondere Arbeitsbedingungen wie betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich. Bei Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen sei ohne eine unmittelbare Gefährdung der Gesundheit eine tägliche Tätigkeit von mindestens sechs Stunden möglich. Bezüglich des Arbeitsweges bestünden keine besonderen Einschränkungen.

Der Kläger hat eine "Gutachterliche Stellungnahme" des Dr. L. vom 14. November 2017 sowie eine "Ärztliche Bescheinigung" des HNO-Arztes Dr. Dorn vom 9. August 2017 vorgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 21. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2014 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. April 2014 abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) und begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit macht er zu Recht nicht geltend, da er - als ungelernter Arbeiter - keinen qualifizierten Berufsschutz genießt (§ 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI)).

3. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zutreffend verneint. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2014 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

a. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung (Gesetz vom 19. Februar 2002, BGBl. I, S. 754) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung gemäß Gesetz vom 20. April 2007 [BGBl. I, S. 554] bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn neben den oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

b. Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bezogen auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass der Kläger erwerbsgemindert ist. Bei der Beurteilung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit stehen im Vordergrund seine Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet, mit denen er sein Klage- und Berufungsbegehren auch vorrangig begründet hat. Diese sind jedoch nicht von einer solchen Schwere, dass sie das Leistungsvermögen des Klägers in zeitlicher Hinsicht einschränken. Vielmehr genügen qualitative Einschränkungen, um dessen Leiden gerecht zu werden. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf das bei Dr. H. eingeholte Gutachten sowie auf die vom SG bei Dr. D. und Dr. B. eingeholten Gutachten, das im Verwaltungsverfahren erstattete Gutachten des Dr. G. sowie den Entlassungsbericht des Dr. G.; letztere hat der Senat im Rahmen des Urkundenbeweises zu verwerten (Bundesozialgericht (BSG), Beschluss vom 29. Juni 2015 - B 9 V 45/14 B - juris Rdnr. 6; Beschluss vom 26. Mai 2000 - B 2 U 90/00 B - juris Rdnr. 4). Die benannten Ärzte sind nachvollziehbar und plausibel - jeweils auf Grundlage der erhobenen Untersuchungsbefunde und einer ausführlichen Exploration - zu der Auffassung gelangt, dass das berufliche Leistungsvermögen des Klägers für leichte körperliche Wechseltätigkeiten in zeitlicher Hinsicht nicht eingeschränkt ist. Vielmehr kann seinen Gesundheitsstörungen durch qualitative Einschränkungen (vorliegend: regelmäßiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über sechs Kilogramm, Arbeiten in gebückter Zwangshaltung, mit häufigem Bücken, Überkopfarbeiten, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, an unmittelbar gefährdenden Maschinen, Akkordarbeit, Nachtarbeit, Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, mit hohen Ansprüchen an Auffassung und Konzentration, Tätigkeiten mit einer besonders hohen Verantwortung und einer besonders hohen geistigen Beanspruchung) Rechnung getragen werden.

Der Kläger leidet im Wesentlichen an orthopädischen Gesundheitsstörungen, namentlich Beweglichkeitseinschränkungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, des linken Schultergelenkes, des linken Handgelenkes und des linken Unterarmes. Dies entnimmt der Senat dem durch das SG eingeholten Gutachten des Dr. D ... Dr. D. hat auf Grundlage einer eingehenden Untersuchung und einer ausführlichen Anamnese schlüssig und nachvollziehbar begründet, dass der Kläger trotz dieser Gesundheitsstörungen in der Lage ist, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden werktäglich zu verrichten. Dabei ist zu beachten, dass für die Einschätzung des Leistungsvermögens nicht ein radiologischer Befund maßgeblich ist, sondern der klinische Befund mit daraus ggf. resultierenden funktionellen Einschränkungen. Dr. D. hat im Rahmen seiner Untersuchung einen altersentsprechenden Allgemein- und deutlich übergewichtigen Ernährungszustand, eine flachbogige rechtskonvexe Seitausbiegung der Brustwirbelsäule und eine Gegenschwingung der Lendenwirbelsäule, eine vermehrte Brustwirbelsäulen-Kyphose, die Angabe eines generalisierten Klopf- und Stauchungsschmerzes der gesamten Wirbelsäule, einen regelrechten Muskeltonus der paravertebralen Rückenmuskulatur, eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule beim Kopfrückwärtsneigen und -seitwärtsdrehen, eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Brustwirbelsäule beim Neigen des Oberkörpers nach rechts und links, eine endgradige Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule, keinen Ischias-Dehnungsschmerz, mittellebhaft auslösbare Knie- und Achillessehnenreflexe, keine Großzehen- bzw. Fußheberschwäche, eine endgradige Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk, am linken Ellenbogengelenk sowie im linken Handgelenk, einen regelrechten Schürzen-, Spitz-, Schlüssel-, Präzisions- und Hakengriff, eine endgradige Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk, eine freie Beweglichkeit der Knie-, Sprung- und Zehengelenke, einen einbeinigen Zehengang mit Hilfestellung, einen regelrechten Zehen- und Fersengang sowie Einbeinstand sowie ein etwas verlangsamtes, jedoch gleichschrittiges und sicheres Gangbild dokumentiert und keinen Hinweis für ein motorisches oder sensibles Nervenwurzelreizsyndrom gesehen.

Eine richtungweisende Verschlechterung der orthopädischen Erkrankungen ist seit der Untersuchung durch Dr. D. nicht eingetreten. Der behandelnde Orthopäde Dr. A.hat im Februar 2017 lediglich mitgeteilt, dass im Laufe der Behandlung keine wesentliche Besserung eingetreten sei, es sich bei den Erkrankungen des Klägers um Abnutzungserscheinungen handeln würde, die im Verlauf der Zeit "schicksalshaft" zunehmen würden. Objektiv klinische Befunde, aus denen eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers entnommen werden könnte, hat Dr. A.nicht mitgeteilt. Vielmehr beschränkt er sich darauf, Diagnosen zu nennen, die im Wesentlichen dem von Dr. D. beschriebenen Gesundheitszustand entsprechen. Auch den vorgelegten radiologischen Befundberichten des Dr. M. vom 2. Dezember 2016 und des Dr. Neudeck vom 12. Januar 2016 können keine gravierenden funktionellen Einschränkungen entnommen werden. Entscheidend ist zu berücksichtigen, dass weder Dr. B. noch Dr. H. im Rahmen der jeweils durchgeführten körperlich-neurologischen Untersuchung Hinweise auf relevante somatische Gesundheitsstörungen gefunden haben. Vielmehr hat Dr. B. anlässlich seiner Untersuchung am 2. Februar 2016 insbesondere einen unauffälligen Muskeltonus, eine allseits gute grobe Kraft, ungestörte Vorhalteversuche der Arme und Beine, eine gute Feinmotorik der Hände, eine Elevation in der rechten Schulter bis 160°, normal auslösbare Muskeleigenreflexe an den oberen und unteren Extremitäten, die Angabe einer streng durch die Mittellinie begrenzten deutlichen Gefühlsminderung links, keinen Tremor, einen zielsicheren Finger-Nase-Versuch, einen Romberg-Versuch ohne Schwanken, einen ungestörten Unterberger-Versuch, ein neurologisch unauffälliges Gangbild, einen unauffälligen Seiltänzergang und -stand, einen sicheren Zehen- und Hakenstand, eine unauffällige Elektroneurographie und Elektromyographie der unteren Extremitäten und ein elektroneurographisch nachgewiesenes Karpaltunnelsyndrom festgestellt. Dr. B. hat die vom Kläger geschilderte Halbseitenstörung links als willensnahe Beschwerdebildung und -ausweitung aufgefasst und neurologisch lediglich ein linksbetontes Karpaltunnelsyndrom nachgewiesen. Hinweise für radikuläre Ausfälle im Hinblick auf die Wirbelsäulenerkrankung hat er gerade nicht gefunden. Dr. H. hat im Rahmen seiner am 22. August 2017 durchgeführten körperlich-neurologischen Untersuchung einen ordentlichen Allgemeinzustand, einen übermäßigen Ernährungszustand, die Angabe von Schmerzen im Nacken und an der Wirbelsäule, einen unauffälligen Armversuch, einen Abbruch des Beinhalteversuchs aufgrund von angegebenen Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, mittelstark auslösbare Muskeleigenreflexe, eine unauffällige Sensibilität, eine intakte Koordination, ein sicheres und ausreichend flüssiges Gangbild dokumentiert und folgerichtig eine neurologische Erkrankung ausgeschlossen. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die körperlich-neurologische Untersuchung keine Auffälligkeiten gezeigt hat.

In Einklang mit diesen Befunden ist Dr. D. überzeugend zu der Einschätzung gelangt, dass die bei dem Kläger vorliegenden orthopädischen Gesundheitsstörungen keine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht bedingen.

Auch die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet begründen keine Leistungseinschränkung in quantitativer Hinsicht. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf das aktuelle Gutachten des Dr. H. vom 25. August 2017 sowie das vom SG bei Dr. B. eingeholte Gutachten vom 23. Februar 2016 sowie das Rentengutachten des Dr. G. vom 13. Oktober 2014 und den Entlassungsbericht des Dr. G. vom 5. März 2013. Dr. H. hat in seinem aktuellen Gutachten - in Einklang mit den vorbefassten Gutachtern und dem Reha-Arzt Dr. G. - nachvollziehbar und plausibel auf Grundlage des erhobenen Untersuchungsbefundes und einer ausführlichen Exploration dargestellt, dass das berufliche Leistungsvermögen des Klägers in zeitlicher Hinsicht nicht eingeschränkt ist. Er hat in seinem Gutachten eine leichte depressive Episode im Grenzbereich zu einer mittelgradigen depressiven Episode und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung beschrieben und eine schwerwiegende nervenärztliche Erkrankung ausgeschlossen. Dem schließt sich der Senat an. Dr. H. hat u.a. ein gepflegtes Erscheinungsbild, ein waches und klares Bewusstsein, eine zur Person, Ort, Zeit und Situation uneingeschränkte Orientierung, gute deutsche Sprachkenntnisse, eine problemlose Verständigung, eine uneingeschränkte Auffassung, Konzentration, ein ungestörtes Durchhaltevermögen, keine Einschränkungen der Merkfähigkeit, des Kurzzeitgedächtnisses und des Langzeitgedächtnisses, einen flüssigen, konzentrierten und präzisen Bericht über die Lebensgeschichte, eine Intelligenz im Normbereich, einen geordneten und nicht verlangsamten Gedankengang, keine inhaltlichen Denkstörungen, Beeinträchtigungs- und Verfolgungsideen, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen, eine leicht gedrückte, streckenweise mäßig gedrückte Stimmungslage, wobei es themenabhängig auch zu einer Auflockerung gekommen ist, eine leicht reduzierte affektive Schwingungsfähigkeit, eine etwas starre Psychomotorik, einen leicht reduzierten Antrieb, kein gereiztes oder gar aggressives Verhalten, keine distanzlosen Tendenzen sowie keine Anhaltspunkte für Suizidalität festgestellt und folgerichtig eine schwerwiegende psychische Erkrankung ausgeschlossen. Dr. H. hat insbesondere eine schwere depressive Episode sowie einen phasenhaften Krankheitsverlauf im Sinne einer rezidivierenden Störung verneint.

Der Senat folgt nicht der abweichenden Leistungseinschätzung des behandelnden Nervenarztes Dr. L ... Dieser (vgl. Schreiben vom 1. Juni 2017 sowie vom 14. November 2017) ist zwar von einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden ausgegangen und hat seine Einschätzung mit einer bis zu dreimal pro Jahr phasenhaft auftretenden affektiven Psychose mit neuropsychologischen Defiziten sowie einer nunmehr bestehenden Dauerdepression begründet. Jedoch haben alle mit der Begutachtung des Klägers zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Rahmen des Rentenverfahrens befassten Fachärzte (Dr. G., Dr. B., Dr. H.) die von Dr. L. angenommenen neuropsychologischen Defizite ausgeschlossen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Dr. L. nicht ansatzweise nachvollziehbar mitgeteilt hat, wann er welche konkreten Untersuchungsbefunde erhoben haben will. Gegen eine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung spricht auch, dass ausweislich der Stellungnahme des Dr. L. keine engmaschige fachpsychiatrische Behandlung und Therapie stattfindet. Vielmehr hat sich der Kläger bei Dr. L. im Jahr 2016 lediglich acht Mal und im Jahr 2017 lediglich zweimal vorgestellt. Schließlich kommen auch in dem vom Kläger gegenüber Dr. H. und Dr. B. geschilderten Tagesablauf keine gravierenden Einschränkungen in der Tagesstruktur, den Aktivitäten des täglichen Lebens und der sozialen Partizipation zum Ausdruck.

Die durch den HNO-Arzt Dr. Dorn beschriebene Innenohrschwerhörigkeit sowie die psychisch belastenden Ohrgeräuschen begründen keine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht, weil der Kläger ausweislich des Gutachtens des Dr. H. mit Hörgeräten versorgt ist und keine Störung der Kommunikation aufgetreten ist.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senats - in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Sachverständigen Dr. H.,, Dr. B. und Dr. D. sowie dem Rentengutachter Dr. G. und dem Reha-Arzt Dr. G. - fest, dass der Kläger in der Lage ist, noch mindestens sechs Stunden täglich jedenfalls eine körperlich leichte Wechseltätigkeit zu verrichten. Die gesundheitlichen Einschränkungen sind weder in ihrer Art noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch körperlich leichte Tätigkeiten (wenn auch mit qualitativen Einschränkungen; vorliegend: regelmäßiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über sechs Kilogramm, Arbeiten in gebückter Zwangshaltung, mit häufigem Bücken, Überkopfarbeiten, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, an unmittelbar gefährdenden Maschinen, Akkordarbeit, Nachtarbeit, Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, mit hohen Ansprüchen an Auffassung und Konzentration, Tätigkeiten mit einer besonders hohen Verantwortung und einer besonders hohen geistigen Beanspruchung) in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. Urteile vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 79/09 R - BSGE 109, 189 - und 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - juris Rdnr. 26 ff.). In der Rechtsprechung des BSG werden hierbei als Fallgruppen Einschränkungen genannt aufgrund schwerer spezifischer Leistungsbehinderung wie z.B. Einarmigkeit bei gleichzeitiger Einäugigkeit (SozR 2200 § 1246 Nr. 30), der Notwendigkeit von zwei zusätzlich erforderlichen Arbeitspausen von je 15 Minuten (SozR 2200 § 1246 Nr. 136) oder von drei zusätzlich erforderlichen Arbeitspausen von zehn Minuten je Arbeitstag (BSG, Urteil vom 20. August 1997 - 13 RJ 39/96 -), Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, Erforderlichkeit eines halbstündigen Wechsels vom Sitzen zum Gehen (SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8) oder Einschränkungen aufgrund regelmäßig einmal in der Woche auftretender Fieberschübe (SozR 3-2200 § 1247 Nr. 14). Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist dagegen insbesondere nicht erforderlich im Falle des Ausschlusses von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder ständiges Sitzen erfordern, in Nässe oder Kälte oder mit häufigem Bücken zu leisten sind, besondere Fingerfertigkeiten erfordern oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden sind, bei Ausschluss von Arbeiten im Akkord, im Schichtdienst, an laufenden Maschinen sowie bei Ausschluss von Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- oder Konzentrationsvermögen stellen (vgl. zu allem BSG Großer Senat SozR 3–2600 § 44 Nr. 8 m.w.N.; vgl. weiter Senatsurteil vom 23. April 2011 - L 7 R 5711/11 -). Der Senat ist der Überzeugung, dass das Restleistungsvermögen des Klägers es diesem erlaubt, die oben genannten Verrichtungen oder Tätigkeiten, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, auszuüben. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass er über die für die Ausübung einer ungelernten Tätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz nicht verfügt (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - BSGE 109, 189 - juris Rdnr. 29). Auch ist nicht ersichtlich, dass er betriebsunüblicher Pausen bedarf. Schließlich ist der Senat mit Dr. H., Dr. B., Dr. D. und Dr. G. davon überzeugt, dass bei dem Kläger die erforderliche Wegefähigkeit (vgl. dazu bspw. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R - BSGE 110, 1) vorliegt.

Mit dem festgestellten Leistungsvermögen ist der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI. Unbeachtlich ist, ob der Kläger noch einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz erhalten kann. Denn das Risiko, keinen Arbeitsplatz zu erhalten, ist nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen und vermag einen Anspruch wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zu begründen. Somit hat die Berufung keinen Erfolg.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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