L 8 AL 4519/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 5885/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4519/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.09.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld im Streit.

Der 1946 geborene Kläger war in der Zeit vom 15.08.1988 bis 21.05.2006 als Kraftfahrer bei der Firma R. I. T. GmbH sozialversicherungspflichtig beschäftigt (Bl. 3 der Verwaltungsakte), wobei er ab dem 08.12.2004 Übergangsgeld und später bis zur Aussteuerung am 21.05.2006 Krankengeld bezog. Für bis zum 16.06.2006 nicht genommenen Urlaub erhielt er von seiner Arbeitgeberin eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 2099,50 Euro.

Am 09.05.2006 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Bl. 1 ff. der Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 26.05.2006 (Bl. 13 der Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 22.05.2006 bis 16.06.2006 ab. Der Kläger habe eine Urlaubsabgeltung erhalten, so dass sein Anspruch auf Arbeitslosengeld in diesem Zeitraum ruhe. Mit weiterem Bescheid vom 26.05.2006 (Bl. 16a ff. der Verwaltungsakte) bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 17.06.2006 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 43,46 Euro und einer Anspruchsdauer von 540 Kalendertagen.

Den hiergegen am 13.06.2006 erhobenen und nicht näher begründeten Widerspruch des Klägers (Bl. 17 der Verwaltungsakte) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2006 (Bl. 24 ff. der Verwaltungsakte) zurück.

Am 14.09.2006 erhob der Kläger hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Freiburg, welche dort zunächst unter dem Az. S 3 AL 4575/06 geführt wurde. Zur Begründung gab er an, § 143 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Urlaubsabgeltung habe Lohnersatzfunktion. Für die Ungleichbehandlungen von demjenigen, der sich den Urlaub abgelten lasse und demjenigen, dem Urlaub gewährt würde, gebe es keine vernünftigen Gründe. Wäre sein Arbeitslosengeldanspruch vor dem 31.01.2006 entstanden, hätte ihm als älteren Arbeitnehmer zudem ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Bezugsdauer von 32 Monaten zugestanden. Die Verkürzung der Bezugsdauer auf nunmehr 18 Monate sei nicht nur sozialpolitisch problematisch sondern auch rechtlich fragwürdig. Mit der beitragsfinanzierten Versicherungsleistung Arbeitslosengeld habe er Eigentumsansprüche erworben, die nicht einfach per Gesetz reduziert werden dürften. Während der jetzt bewilligten Anspruchsdauer von 540 Kalendertagen werde er einen Leistungsbetrag in Höhe von insgesamt 23.468 Euro erhalten. Unter Zugrundelegung der Anspruchsdauer von 32 Monaten bzw. 960 Kalendertagen würde ein Leistungsanspruch in Höhe von 41.721,60 Euro bestehen. Es komme also zu einer Reduzierung um mehr als 56 %. Angesichts der Schwere des Eingriffs in seine eigentumsgeschützte Rechtsposition sei die Übergangsfrist des § 434l SGB III nicht akzeptabel und verstoße gegen Art. 14 GG.

Mit Schreiben vom 16.10.2007 änderte die Beklagte den Bescheid vom 26.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.08.2006 im Wege eines Teilanerkenntnisses dahingehend ab, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund der Urlaubsabgeltung nur für den Zeitraum vom 22.05.2006 bis 13.06.2006 ruhe (Bl. 18 der SG-Akte I). Mit Schreiben vom 12.11.2007 nahm der Kläger das Teilanerkenntnis an (Bl. 19 der SG-Akte I). Mit Beschluss vom 28.01.2008 ordnete das SG das Ruhen des Verfahrens an (Bl. 26 der SG-Akte I).

Am 16.11.2009 rief die Beklagte das Verfahren wieder an. Mit Gerichtsbescheid vom 16.09.2010 wies das SG unter dem Aktenzeichen S 15 AL 5885/09 die Klage ab.

Gegen den seiner Prozessbevollmächtigten am 22.09.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.10.2010 Berufung zu dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben und zur Begründung angeführt, er verfolge mit seiner Berufung weiterhin das Ziel, Arbeitslosengeld über den 13.12.2007 hinaus für weitere 14 Monate/420 Tage bis zum 13.02.2009 zu erhalten. Zwar habe das SG insoweit zutreffend ausgeführt, dass § 127 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003 eine Bezugsdauer von 18 Monaten vorsehe, wie ihm mit Bewilligungsbescheid vom 26.05.2006 auch bewilligt worden sei. Vor der Gesetzesänderung zum 24.12.2003 hätte ihm jedoch ein Anspruch mit einer Leistungsdauer von 32 Monaten zugestanden. Nach der Gesetzesänderung zum 01.01.2008 hätte ein Anspruch für 24 Monaten bestanden. Hinzu kämen Übergangsregelungen in den §§ 434l, 434r SGB III. Der Beginn seines Arbeitslosengeldbezuges falle jedoch in den Zeitraum zwischen den beiden Gesetzesänderungen und den Übergangsregelungen. Es handele sich um ein Zeitfenster von fünf Monaten, wobei es ersichtlich ausschließlich vom Zufall abhänge, ob man betroffen sei oder nicht. Es sei rechtsstaatlich nicht zu erklären, weshalb Arbeitnehmer in einem Zeitfenster von gerade einmal fünf Monaten mit Nachteilen belastet würden. Dies sei willkürlich und verfassungswidrig.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.09.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 26.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.08.2006 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 16.10.2007 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld für weitere 420 Tage zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids sowie auf ihren Vortrag in erster Instanz.

Mit Beschluss vom 20.06.2011 wurde im Hinblick auf ein bei dem Bundesverfassungsgericht anhängiges Verfahren das Ruhen angeordnet. Mit Schreiben des Klägers vom 15.12.2014 wurde das Verfahren zunächst wieder angerufen und unter dem Az. L 8 AL 5256/14 geführt. Im Hinblick auf das weiterhin anhängige Verfahren vor dem BVerfG wurde mit Beschluss vom 27.02.2015 erneut das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Am 05.12.2016 hat der Kläger das Verfahren erneut wiederangerufen, nachdem die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.05.2015 - 1 BvR 757/11). Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Bl. 10 und Bl. 11 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Senatsakten sowie die bezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch, ob dem Kläger ein Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld für weitere 420 Tage zusteht. Die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Senat konnte insoweit auch keine Rechenfehler feststellen. Soweit sich der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren noch gegen das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 22.05.2006 bis 16.06.2006 aufgrund einer Urlaubsabgeltung gewandt hatte, hat die Beklagte mit Teilanerkenntnis vom 16.10.2007 anerkannt, dass das Arbeitslosengeld lediglich für den Zeitraum für 22.05.2006 bis 13.06.2006 ruhte. Einen Anspruch bereits ab dem 22.05.2006 hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 16.09.2010 abgelehnt, der Senat konnte insoweit keine Rechtsfehler feststellen. Dies hat der Kläger mit seiner Berufung auch nicht angegriffen. Er wendet sich nunmehr lediglich noch gegen die verkürzte Bezugsdauer.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld für weitere 420 Tage. Der Bescheid vom 26.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.08.2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die Klage zutreffend abgewiesen.

Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der ab dem 01.01.2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (zukünftig nur noch a.F.) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit. Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben gemäß § 118 Abs. 1 SGB III a.F. Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (Nr.1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit (Nr. 3) erfüllt haben. Diese Voraussetzungen lagen bei dem Kläger unstreitig vor.

Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bestimmt sich gemäß § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab dem 01.01.2004 (bis zum 3 1.12.2007) geltenden Fassung des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (zukünftig nur noch a.F.) nach der Dauer der Versicherungspflichtverhältnisse innerhalb der um ein Jahr erweiterten Rahmenfrist und dem Lebensalter, das der Arbeitslose bei der Entstehung des Anspruchs vollendet hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 124 Abs. 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Innerhalb der um ein Jahr, d.h. auf drei Jahre, verlängerten Rahmenfrist vom 22.05.2003 bis 21.05.2006 stand der Kläger durchgängig, d.h. für insgesamt 36 Monate, in einem Versicherungspflichtverhältnis, zuletzt wegen des Bezuges von Krankengeld nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F ... Am 22.05.2006 hatte der Kläger das 59. Lebensjahr vollendet, so dass ihm gemäß § 127 Abs. 2 SGB III ein Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Dauer von 18 Monate zustand. In diesem zeitlichen Umfang wurde dem Kläger im angefochtenen Bescheid vom 26.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.08.2006 Arbeitslosengeld bewilligt.

Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf die Regelung des § 434l Abs. 1 SGB III in der ab dem 24.12.2003 geltenden Fassung des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (zukünftig nur noch a.F.) stützen. Nach dieser Regelung ist § 127 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung, die bei einer weitergehend verlängerten Rahmenfrist, für das Lebensalter des Klägers eine Anspruchsdauer von bis zu 32 Monaten vorsah, für Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 31.01.2006 entstanden ist, weiterhin anzuwenden. Nachdem jedoch, wie oben ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld erst am 22.05.2006 entstanden ist, kommt der Kläger nicht in den Genuss der Regelung des § 434l Abs. 1 SGB III a.F.

Die maximale Anspruchsdauer von 18 Monaten ist für den Kläger auch nicht nach § 434r SGB III in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung des Siebten Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (zukünftig nur noch a.F.) zu verlängern. Nach Abs. 1 dieser Regelung ist, wenn ein Anspruch mit einer dem Lebensalter des Arbeitslosen entsprechenden Höchstanspruchsdauer nach § 127 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung am 31.12.2007 noch nicht erschöpft ist, die Anspruchsdauer bei Arbeitslosen, die vor dem 01.01.2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben, auf 24 Monate zu verlängern. Da der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld jedoch bereits am 12.12.2007 erschöpft war, mithin nicht über den 31.12.2007 hinausgereicht hat, scheidet eine Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 434r Abs. 1 SGB III a.F. aus.

Die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger Arbeitslosengeld für insgesamt 18 Monate zu gewähren ist hiernach rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Senat vermag hierin auch keinen verfassungswidrigen Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen des Klägers zu erkennen. Die Kürzung der Arbeitslosengeldanspruchsdauer begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.06.2011 – L 3 AL 374/11, juris). Die Reduzierung der Anspruchsdauer verletzt den Kläger nicht in seinem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 des Grundgesetzes (GG).

Dabei kann offenbleiben, ob das von Art. 14 GG geschützte Anwartschaftsrecht auch die Anspruchsdauer nach § 127 SGB III umfasst, denn der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz für eine sozialversicherungsrechtliche Anwartschaft schließt jedenfalls deren Anpassung an veränderte Bedingungen und im Zuge einer solchen Umgestaltung auch deren wertmäßige Minderung nicht generell aus. Die Verkürzung der Anspruchsdauer stellt eine insoweit zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar (BSG, Urteil vom 14.09.2010 - B 7 AL 23/09 R, juris RdNr. 12). Mit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung regelt der Gesetzgeber abstrakt-generell die Rechte und Pflichten hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind, und bestimmt somit die Reichweite des Eigentumsrechts vom Inkrafttreten des Gesetzes an (BVerfG, Urteil vom 28.02.1980 – 1 BvL 17/77, juris).

Der Gesetzgeber hat bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums sowohl die Anerkennung des Privateigentums als auch die Gebote anderer Verfassungsnormen - insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - zu beachten (BVerfGE 53, 257 ff = SozR 7610 § 1587 Nr. 1; BVerfGE 74, 203 ff = SozR 4100 § 120 Nr. 2; BVerfGE 76, 220 ff, 238 = SozR 4100 § 242b Nr. 3 S 15); greift er mit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung in durch Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte und in der Vergangenheit entstandene Rechtspositionen ein, gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die Regelung zur Durchsetzung legitimer öffentlicher Interessen geeignet und erforderlich sein muss und den Betroffenen unter Berücksichtigung der Sozialbindung des Eigentums (Art 14 Abs. 2 GG) nicht übermäßig belasten darf (BVerfGE 72, 9 ff = SozR 4100 § 104 Nr. 13 mwN; BVerfGE 74, 203 ff = SozR 4100 § 120 Nr 2; BVerfGE 76, 220 ff, 238 = SozR 4100 § 242b Nr. 3 S 15).

Mit der zum 01.01.2006 vorgenommenen Änderung sollte die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung gesichert werden. Ziel der für den Bereich der Arbeitsförderung getroffenen Regelungen des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt war es, Beschäftigungshemmnisse im Arbeits- und Sozialrecht – angesichts der wachsenden Arbeitslosenzahlen – abzubauen. Zudem sollte der niedrigen Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer entgegengewirkt werden (BT-Drs. 15/1587, S. 2). Durch die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes sollten die arbeitsförderungsrechtlichen Anreize zur Frühverrentung zu Lasten der Arbeitslosenversicherung entfallen (BT-Drs. 15/1587, S. 28). Der Gesetzgeber hatte insoweit festgestellt, dass eine über zwölf Monate hinausgehende Anspruchsdauer erhebliche Steuerungswirkung für den Zugang in Arbeitslosigkeit und den Abgang aus Arbeitslosigkeit hat. Insbesondere wurde angenommen, dass die vorhandene Struktur der Leistung, nämlich, bei steigendem Lebensalter und langer Versicherungszeit für einen jeweils längeren Zeitraum Arbeitslosengeld beanspruchen zu können, zu der in weiten Bereichen der Wirtschaft praktizierten Form der Frühverrentung beigetragen hat (BT-Drs. 15/1204, S. 10). Mit der Verkürzung der Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld waren zugleich Einsparungen im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit verbunden. Die Vermeidung der sozial- und arbeitsmarktpolitisch unerwünschte Frühverrentung ist ein legitimes Gemeinwohlinteresse, dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der erstrebten Haushaltseinsparungen (BSG, Urteil vom 14.09.2010 – B 7 AL 23/09, juris).

Dabei sind auch Zweck und Ziel der Arbeitslosenversicherung zu beachten. Gemäß § 1 Abs. 1 SGB III soll die Arbeitsförderung u.a. der Entstehung von Arbeitslosigkeit entgegenwirken und die Dauer von Arbeitslosigkeit verkürzen. Die verlängerte Anspruchsdauer widersprach – wie bereits dargelegt – diesen Zielen. Zudem ist allgemein anerkannt, dass längere Arbeitslosigkeit und insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden ist. Denn mit immer länger dauernder Arbeitslosigkeit wird die Rückkehr in Arbeit immer schwieriger, weil regelmäßig die Beschäftigungsfähigkeit immer mehr abnimmt. Grundlegend anders als bei einer Rentenleistung gilt damit für den Arbeitslosengeldanspruch, dass dieser, soll er seine Funktion als Überbrückungsleistung zwischen zwei Beschäftigungen erfüllen, keine beliebig lange Dauer haben kann (zum Ganzen Hoehl, jurisPR-SozR 25/2011 Anm. 2).

Die Reduzierung der Anspruchsdauer trifft den Kläger auch nicht unverhältnismäßig im weiten Sinn; sie war zur Verhinderung beschäftigungspolitisch negativer Anreize geeignet, unter Berücksichtigung des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei der Maßnahmeauswahl auch erforderlich und ist dem Kläger zudem zumutbar (so auch BSG, Urteil vom 14.09.2010 – B 7 AL 23/09, juris allerdings unter Einbeziehung der Korrektur zum 01.01.2008).

Um die eigentumsgeschützten Anwartschaftsrechte von Versicherten nicht zu verletzen, die einen verkürzten Anspruch erwerben, schob § 434l Abs. 1 SGB III a.F. das Wirksamwerden der Verkürzung um 25 Monate auf den 01.02.2006 hinaus. Damit knüpfte der Gesetzgeber an die vom BVerfG definierte Reichweite der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG für das Anwartschaftsrecht auf Arbeitslosengeld an. Danach fällt unter die Eigentumsgarantie die Rechtsposition solcher Versicherter, die "innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist die Anwartschaftszeit erfüllt haben" (BVerfG, Beschl. v. 12.02.1986 - 1 BvL 39/83 Rn. 34). Nach der bis zum 31.01.2006 faktisch geltenden Rahmenfrist (§ 124 SGB III i.d.F. bis 31.12.2003 i.V.m. § 434j Abs. 3 SGB III) erwarb derjenige einen Arbeitslosengeldanspruch, der innerhalb einer Rahmenfrist von drei Jahren ein Jahr versicherungspflichtig war. Im Februar 2006 beruhte eine Anwartschaft danach nicht mehr ausschließlich auf Versicherungspflichtzeiten vor dem 01.01.2004, so dass das Übergangsrecht dem Bestandsschutz Rechnung getragen hat. Dies gilt auch für den Kläger, der seine Anwartschaftszeit für den hier streitgegenständlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Rahmenfrist vom 22.05.2004 bis 21.05.2006 erwarb, nachdem § 124 SGB III in der Fassung ab dem 01.01.2004 iVm § 434 Abs. 3 SGB III für Ansprüche nach dem 01.01.2006 eine Rahmenfrist von zwei Jahren vorsah. Damit beruht der Anspruch des Klägers allein auf einer Anwartschaft, die er nach dem Inkrafttreten der Neuregelung zurückgelegt hat.

Mit einer mehr als zweijährigen Übergangsfrist hat der Gesetzgeber angesichts der von ihm erkannten dringenden arbeitsmarktpolitischen Handlungsnotwendigkeit auch einen schonenden Übergang mit genügend Zeit eingeräumt, in dem sich die Versicherten auf die veränderte Lage einstellen konnten. Hingegen hätte das Ziel der Verhinderung von Frühverrentung umso weniger erreicht werden können, je länger der Übergang dauerte, weil der einmal mit dem Ziel Rente aus Arbeit ausgeschiedene ältere Arbeitnehmer unwiederbringlich für den Arbeitsmarkt verloren ist (zum Ganzen Hoehl, jurisPR-SozR 25/2011 Anm. 2 m.w.N, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.10.2008 – L 3 AL 114/08, juris.).

Mit regelmäßig bis zu zwölf Monaten und für Ältere bis zu 18 Monaten blieb zudem ein substantieller Anspruch erhalten.

Ein Verstoß gegen Art. 14 GG kann in der Einführung des § 127 SGB III in der ab 01.01.2004 gültigen Fassung in Zusammenhang mit der Übergangsregelung nicht gesehen werden.

Auch sieht der Senat keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es, verschiedene Gruppen von Normadressaten ungleich zu behandeln, wenn zwischen ihnen nicht Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die nur eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Hierbei ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (statt vieler Beschluss vom 27.02.2007 -1 BvL 10/00, juris) zulässig, Stichtage einzuführen, obschon jede Stichtagsregelung unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Dies gilt auch bei der Änderung von Vorschriften, durch die einzelne Personengruppen wegen des Stichtags begünstigt, andere hingegen hiervon ausgenommen werden (BVerfG, Urteil vom 07.07.1992 -1 BvL 5 1/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90, 1 BvR 761/9 1, alle veröffentlicht in juris), wenn der Gesetzgeber den ihm bei der Stichtagsregelung zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt hat, er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt und nicht als willkürlich erscheint. Entsprechend der obigen Ausführungen ist dies vorliegend zu bejahen. Dass der Gesetzgeber die Reduzierung der Anspruchsdauer später wieder teilweise rückgängig gemacht hat und damit einen stärkeren Anreiz für die Arbeitslosigkeit Älterer gesetzt hat, ändert hieran nichts. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Änderung nicht, einen etwaigen Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze - der nach der Auffassung des Senats auch nicht vorliegt - rückgängig zu machen. Er handelte vielmehr im Rahmen seines nicht überprüfbaren sozialpolitischen Gestaltungsspielraums, in welchem er eine Neubewertung gesellschaftspolitischer bzw. arbeitsmarktpolitischer Faktoren vornehmen kann. Mit § 434r SGB III hat der Gesetzgeber dabei eine Übergangsregelung zur Abfederung etwaiger Härten getroffen. Dass er dabei auf die Erschöpfung des Anspruchs zum Stichtag 31.12.2007 abgestellt hat, ist sachgerecht und begründet keinen Verstoß gegen Art. 3 GG.

Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die Anforderungen an das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip verletzt wurden, nachdem die Anspruchsdauer von Arbeitslosengeld in der Vergangenheit mehrfach verändert wurde und sich der Versicherte auf die sich durch § 127 SGB III a.F. ergebenden Änderungen durch die Übergangsregelungen auch einstellen konnte. Hätte sich der Kläger bis spätestens Januar 2006 arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt – was im Hinblick auf die Beschäftigungslosigkeit des Klägers auch bei noch bestehendem Arbeitsverhältnis möglich gewesen wäre – hätte er einen Anspruch nach altem Recht erwerben können.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.09.2010 ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG), noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Zwar hat das BSG in seiner Entscheidung vom 14.09.2010 – B 7 AL 23/09 R ausdrücklich offen gelassen, ob die Übergangsregelung des § 434l SGB III allein einen verfassungsrechtlich ausreichenden Vertrauensschutz gewährt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache jedoch nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung der Fragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Im Streit ist die Anwendung der genannten Übergangsregelungen des SGB III. Der Auslegung einer Übergangsregelung kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nur für eine Übergangszeit Geltung hat. Dies gilt hier umso mehr, als § 127 SGB III in der ab 01.01.2008 maßgebenden Fassung eine Anspruchsdauer von bis zu 24 Monaten vorsieht. Soweit Übergangsregelungen betroffen sind, kann Klärungsbedürftigkeit deshalb nur bejaht werden, wenn noch eine größere Zahl von Rechtsstreitigkeiten betroffen sind, bei denen es ebenfalls um die Auslegung der Übergangsregelung geht (BSG, Beschluss vom 19.10.2011 – B 7 AL 79/11 B, juris). Hierfür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte.
Rechtskraft
Aus
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