Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 VG 3737/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 4283/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. September 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Beschädigtenrente nach dem Gesetz über die Entschädigung von Opfer von Gewalttaten (OEG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen gesundheitlicher Folgen aus einer Gewalttat am 31. Dezember 2010.
Der 1958 geborene Kläger war nach dem Studium zum Betriebswirt an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie zunächst 21 Jahre in seiner Ausbildungsfirma im Textilbereich tätig, bevor er sich 1996 in dieser Berufssparte selbständig machte und mehrere Ladenlokale betrieb. Das letzte Geschäft schloss er nach bereits 2008 defizitärer Führung im Januar 2012 und ist seitdem arbeitsunfähig erkrankt. Sein Antrag auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung wurde abgelehnt.
Der Kläger ist seit 19 Jahren geschieden, seitdem ist er alleinerziehender Vater, sein mittlerweile erwachsener, ebenfalls arbeitsloser Sohn lebt noch bei ihm. Seit Jahren leidet er an einer depressiven Entwicklung frühjahrs- und herbstbetont, wobei eine familiäre Disposition besteht (Mutter und Großmutter), die seit 2000 progredient und primär chronisch bei finanziellen Problemen sowie an Intensität der Symptomatik zugenommen hat und erst seit 2012 behandelt wird.
Am 31. Dezember 2010 wurde der stark alkoholisierte Kläger (1,4 Promille) von zwei russischstämmigen Tätern bei Verlassen der Gaststätte in L. überfallen, geschlagen, zu Boden gestoßen und noch auf dem Boden getreten, wobei er neben Blutergüssen u. a. eine Fibula-Fraktur und Verletzungen im Bereich des rechten Kniegelenks erlitt. Anschließend nahmen die Täter dem Kläger 130,00 EUR in Scheinen sowie weitere Geldmünzen weg. Er wurde noch am Folgetag polizeilich vernommen. Bei der mündlichen Hauptverhandlung beim Amtsgericht Biberach gab er an, dass er seit 2000 an Depressionen leide. Die Täter wurden vom Amtsgericht Biberach mit Urteil vom 24. Mai 2012 wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen über einem Jahr verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden (Az.: 9 Ls 26 Js 234/11).
Am 21. Dezember 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten wegen psychischer Gesundheitsstörungen die Gewährung einer Beschädigtenversorgung. Er legte auszugsweise den ärztlichen Entlassungsbericht über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme (Reha) zulasten der D. R. vor, die vom 20. Februar bis 27. März 2013 in der W. Klinik durchgeführt wurde. Danach litt er an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS, F 43.1 ICD 10 GM), einer schweren depressiven Episode (F 32.2) sowie Gonalgien bei Meniskusriss/-anriss des rechten Kniegelenks (M 23.2). Der Kläger wurde als arbeitsunfähig und nicht mehr leistungsfähig in seiner letzten beruflichen Tätigkeit entlassen, er könne sich aber noch selbstständig versorgen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes holte der Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und ließ den Kläger anschließend nervenärztlich begutachten. Die Allgemeinmedizinerin Dr. O. berichtete, dass er bei dem Unfall eine Mehrfach-Fragment-Fraktur des rechten Fibulaköpfchens erlitten habe. Das anschließend angefertigte MRT des Knies habe eine Degeneration des Innenmeniskus-Hinterhorns gezeigt. Die Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. Sp. berichtete über eine chronisch-progrediente depressive Störung, die sie therapeutisch mit Antidepressiva und stützenden Gesprächen behandle, dennoch sei eine deutliche Fixierung der Symptomatik eingetreten.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie Dr. D. kam in seinem Gutachten aufgrund der ambulanten Untersuchung vom 3. Januar 2014 zu dem Ergebnis, dass es durch den Unfall zu einer nachfolgenden posttraumatischen Belastungsreaktion und einer erneuten depressiven Phase bei vorbestehender rezidivierender depressiver Störung gekommen sei. Das Ausmaß der Schädigung für das erste Jahr sei mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30, für das zweite von 25 und im dritten von 20 anzunehmen. Psychopathologisch hätten nunmehr nur leichte depressive Beschwerden bestanden. Der Kläger habe berichtet, dass sein Leben recht eintönig sei, er lebe mit seinem 22jährigen Sohn zusammen, der ebenfalls zur Zeit arbeitslos sei. Er sei die meiste Zeit zuhause, liege viel, kaufe gelegentlich das Notwendige ein und gehe regelmäßig zum Vater, mit dem er koche und auch gemeinsam esse. Freunde oder Hobbys habe er nicht. Seine beiden Geschäfte, die auch vor dem Überfall nicht besonders gut gelaufen seien, habe er abgegeben und Rentenantrag gestellt, dieser sei jedoch abgelehnt worden. Er beziehe eine Berufsunfähigkeitsrente von etwas mehr als 500,00 EUR im Monat. Psychopharmaka habe er am Anfang der Behandlung bei Dr. Sp. eingenommen, diese aber nicht vertragen und nehme nun schon längere Zeit keine mehr ein. Gelegentlich habe er nach wie vor Angstzustände und schlafe auch nicht mehr so gut wie vorher. Angstträume habe er allerdings keine.
Versorgungsärztlich führte Dr. N. aus, bereits in der Reha hätten sich die Kniegelenke frei gezeigt, die allerdings in nicht unerheblicher Weise degenerativ vorgeschädigt seien. Nach konservativ versorgter Fibulaköpfchen-Mehrfachfraktur sei es durch die Gewalttat nur zu einer vorübergehenden Gesundheitsstörung im Rahmen der unteren Extremität gekommen.
Gestützt hierauf stellte der Beklagte mit Erst-Anerkennungsbescheid vom 24. April 2014 fest, dass der Kläger am 31. Dezember 2010 Opfer einer Gewalttat im Sinne des OEG geworden sei. Als Folge dieser Schädigung wurden psychoreaktiven Störungen mit Verschlimmerung einer vorbestehenden depressiven Störung anerkannt. Durch die Schädigungsfolge werde kein GdS von mindestens 25 erreicht. Eine Rente stehe dem Kläger daher nicht zu. Für die Schädigungsfolge besehe ein Anspruch auf Heilbehandlung, welcher frühestens mit dem Dezember 2012 entstanden sei.
Am 18. Juli 2014 erkundigte sich der Kläger nach dem Stand seines Verfahrens, woraufhin ihm der Beklagte am 26. Juni 2014 den Bescheid nochmals versandte. Hiergegen legte er am 24. Juli 2014 Widerspruch mit der Begründung ein, er habe bis zu seinem Überfall an keiner depressiven Störung gelitten, der sein bis dahin geführtes Leben total aus dem Gleichgewicht gebracht habe. Er könne seinen selbständigen Beruf nicht mehr ausüben und habe seine Firma wegen Krankheit schließen müssen. Der GdS sei für ihn nicht nachvollziehbar. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, nach dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. D. habe sich seit 10 Jahren schleichend eine bis heute deutlich an Symptomatik verstärkte Zwangsstörung entwickelt. Der Überfall sei lediglich Auslöser für eine erneute depressive Phase bei vorbestehender rezidivierender depressiver Störung gewesen. Zusätzlich komme es zu Aktualisierungen durch chronisch-persistierende Konfliktkonstellationen sowohl im sozialen als auch im beruflichen Umfeld.
Hiergegen hat der Kläger am 21. November 2014 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat, der Inhalt des Gutachtens sei nicht zutreffend. Er sei vor dem Überfall nicht depressiv gewesen, dies gelte auch für seine Mutter und Großmutter. Nunmehr leide er an einer PTBS. Er hat hierzu einen Kurzbericht des Psychiaters B. vom 15. Oktober 2014 vorgelegt, wonach dieser den Kläger seit April 2014 behandle und er eine Reha-Maßnahme befürworte.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und den Kläger anschließend erneut nervenärztlich begutachten lassen.
Dr. Sp. ist am 18. Februar 2014 verstorben. Der Psychiater B. hat berichtet, dass er den Kläger im 14- bzw. 21-täglichen Rhythmus behandle. Dieser leide an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome sowie einer PTBS. Die Symptomatik habe in den letzten Monaten zugenommen. Der Orthopäde Dr. J. hat ausgeführt, der Kläger habe ihn zuletzt im Februar 2012 aufgesucht, seine Kniebeschwerden seien rechts auf eine Meniskusläsion zurückzuführen, links auf eine bestehende Arthrose. Die Beschwerden seien leichter Art. Die Allgemeinmedizinerin Dr. O. hat über psychische und orthopädische Beschwerden seit dem Unfall berichtet, die psychischen seien schwerer Art. Eine Veränderung des Gesundheitszustandes habe sich nicht ergeben.
Vom 14. April bis 19. Mai 2015 hat der Kläger eine erneute Reha-Maßnahme in der Psychosomatischen Fachklinik G. durchgeführt, aus der er als arbeitsunfähig mit den im Vordergrund stehenden Diagnosen einer chronifizierten PTBS sowie einer anhaltenden depressiven Episode, gegenwärtig mittelgradig, entlassen worden ist. Für die letzte Tätigkeit als selbständiger Unternehmer bestünden wesentliche und überdauernde Einschränkungen. Der Kläger sei unfähig, sich zu entspannen, auch nachts sei die Erholungsfähigkeit erheblich reduziert. Es liege ein sozialer Rückzug, Hilflosigkeits-Erleben und Gereiztheit sowie absolute gedankliche Befangenheit durch den Überfall mit starker subjektiver Beeinträchtigung durch innere Unruhe vor.
Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. hat in seinem Gutachten aufgrund der Untersuchung vom 17. November 2015 ausgeführt, der Kläger leide an einer chronifizierten depressiven Störung mit derzeit mittelgradiger Episode, die vor allem mit einer Antriebsstörung einhergehe. Darüber hinaus zeige sich eine Angststörung mit Zügen einer PTBS, ohne dass das Vollbild hinreichend zu sichern wäre. Mit Wahrscheinlichkeit ursächlich sei die Angststörung. Hinsichtlich der depressiven Symptomatik könne er sich angesichts widersprüchlicher Aussagen zur Vorsituation nicht festlegen. Nach den Berichten der betreuenden Psychiaterin Dr. Sp. sei das Schädigungsereignis nur Auslöser der depressiven Symptomatik, nicht aber wesentlich ursächlich gewesen. Der Kläger mache jetzt geltend, dass diese Befunde "frei erfunden" seien. Der GdS betrage 10 bis 20.
Die daraufhin anberaumte erste mündliche Verhandlung vom 14. März 2016 ist zur weiteren Sachaufklärung vertagt worden. Das SG hat vom Finanzamt Biberach die Steuerbescheide für die Kalenderjahre 2008 und 2009 (negative Einkünfte in 2008: 50.036,00 EUR, in 2009: 87.593,00 EUR) sowie eine Auskunft bei der privaten Krankenversicherung eingeholt, wonach der Kläger vom 1. August 2002 bis 31. Mai 2013 versichert gewesen sei und sich in Behandlung bei Dr. O. sowie Dr. Sp. befunden habe. Daraufhin hat das SG ergänzend die Allgemeinmedizinerin Dr. O. befragt, die mitgeteilt hat, dass sie den Kläger erst seit Januar 2016 überwiegend wegen des Diabetes mellitus behandle.
In der anschließend anberaumten mündlichen Verhandlung hat das SG den Sohn des Klägers als Zeugen gehört. Dieser hat berichtet, dass er im Geschäft seines Vaters in keiner Form mitgearbeitet habe, da er damals selber in Ausbildung gewesen sei. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse könne er nur sagen, dass es zuhause nie schlecht gegangen sei, er habe allerdings keinen Einblick in die Buchhaltung gehabt. Nach dem Überfall habe sich sein Vater hauptsächlich zuhause aufgehalten und keine Energie mehr gehabt. Richtig mitbekommen habe er aber nicht, ob er sich dann noch um das Geschäft gekümmert habe.
Mit Urteil vom 12. September 2016, dem Kläger zugestellt am 12. Oktober 2016, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, er habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Versorgung nach einem GdS von mindestens 25. Übereinstimmend seien Dr. D. und Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. zu dem Ergebnis gelangt, dass keine PTBS vorliege. Demgegenüber sei die Angststörung mit Wahrscheinlichkeit auf die Gewalttat zurückzuführen und mit einem GdS von 10 bis 20 zu bewerten, da es sich hierbei noch um leichtere psychische Störungen handle. Diese äußere sich darin, dass der Kläger nachts das Haus nicht mehr verlasse, um den Tatort einen Umweg mache und Panik verspüre, wenn er jemanden hinter sich gehen höre. Demgegenüber sei die ausgeprägte chronifizierte depressive Störung mit im Vordergrund stehender Antriebsminderung und auch Zwangssymptomen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die Gewalttat zurückzuführen, weder im Sinne der Entstehung noch einer rechtlich wesentlichen Verschlimmerung. Die seinerzeit betreuende und zwischenzeitlich verstorbene Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. Sp. habe über eine bereits vor dem Überfall bestehende, langjährig chronifizierte depressive Störung und auch Zwangsstörung berichtet. Soweit der Kläger dies nunmehr massiv bestreite, so könne dies die Aussagen nicht nachhaltig in Zweifel ziehen. Denn er habe selbst in der strafrechtlichen Hauptverhandlung auf die Frage des Verteidigers geantwortet, dass er schon seit 2000 an Depressionen leide. Insofern habe die Straftat ihn nicht gesundheitlich unbelastet getroffen. Auch sei seine wirtschaftliche Situation keineswegs stabil gewesen, worauf die beigezogenen Einkommenssteuerbescheide der Jahre 2008 und 2009 hinwiesen. Zum Zeitpunkt der Gewalttat habe lediglich ein kleiner Anlass genügt, um die bereits zuvor grenzkompensierte Situation zum "Kippen" zu bringen. Damit komme dem Überfall in Übereinstimmung mit Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. nicht die Bedeutung einer annähernd gleichwertigen Ursache für die Entwicklung der depressiven Störung zu. Ebenso verhalte es sich mit der Verbitterungsstörung, bei der persönlichkeitsimmanente Faktoren bei Weitem im Vordergrund stünden, so dass auch diesbezüglich kein wesentlicher Kausalzusammenhang mit dem stattgehabten Schädigungsereignis zu erkennen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 11. November 2016 Berufung beim SG eingelegt, zu deren Begründung er vorgetragen hat, bei zwei Reha-Maßnahmen sei eine PTBS bescheinigt worden. Ferner müsse untersucht werden, wie Dr. Sp. zu solchen Arztberichten komme. Er vermute, sie habe Patientenakten durcheinandergebracht. Er habe an keiner depressiven Vorerkrankung gelitten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. September 2016 aufzuheben, den Bescheid vom 24. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2014 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm eine Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 25 nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend. Der Kläger habe bereits erstinstanzlich die Berichte der Dr. Sp. massiv bestritten. Dem sei dieses zu Recht aufgrund der Angaben bei der strafrechtlichen Hauptverhandlung nicht gefolgt.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat eine erneute Auskunft bei der privaten Krankenversicherung des Klägers eingeholt. Diese teilte am 26. April 2017 mit, der Kläger habe sich bei Dr. Sp. in den Jahren 2012 und 2013 in ärztlicher Behandlung befunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung am 9. November 2017 entscheiden, obwohl für den Kläger niemand erschienen war. Hierauf wurden die Beteiligten mit der Ladung hingewiesen (§ 110 Abs. 1 SGG). Der Verlegungsantrag des Klägers vom 6. November 2017 war erst am Verhandlungstag, dem 9. November 2017, um 11:00 Uhr, also nach der Verkündung des Urteils, bei dem Senat eingegangen. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG) des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid vom 24. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2014 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Das SG hat daher die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG; vgl. BSG, Urteile vom 15. Dezember 1999 - B 9 VS 2/98 R -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 16 und 29. April 2010 - B 9 VS 1/09 R -, SozR 4-3100 § 16b Nr. 1) erhobene Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Beschädigtenversorgung in Form einer Beschädigtenrente.
Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34 und § 55 Rz. 21). Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Beschädigtenrente ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30 Abs. 1 und 2, § 31 Abs. 1 BVG. Nach diesen Normen erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, unter anderem Beschädigtenrente, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Höhe dieser Rente richtet sich ausschließlich nach dem GdS, der Anspruch setzt bei einem solchen von 30 ein (Dau, in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).
Hierfür sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, BSGE 113, 205 (208 ff.)): Ein Entschädigungsanspruch nach dem OEG setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person ("wer"), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, juris, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffs hat das Bundessozialgericht daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, juris Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 181 juris, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 2,1 juris, Rz. 23 ff.).
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).
Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 S. 14, juris, Rz. 4 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein "deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.
Bei dem "Glaubhafterscheinen" im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14, juris, Rz. 5 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, a. a. O.). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 21, juris Rz. 17).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat der Kläger, welcher deutscher Staatsangehöriger ist, keinen Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung in Form einer Beschädigtenrente. Es liegen keine schädigungsbedingten Funktionsbeeinträchtigungen vor, die einen rentenberechtigenden GdS stützen.
Es steht im Vollbeweis zunächst fest, dass er durch den anerkannten tätlichen Angriff vom 31. Dezember 2010 als Primärschäden eine Fibulafraktur und Verletzungen im Bereich des rechten Kniegelenks erlitt. Die konservativ versorgte Fibulaköpfchen-Mehrfachfraktur hat aber nur zu einer vorübergehenden Gesundheitsstörung im Rahmen der unteren Extremität geführt, also keinem Dauerschaden, wie Versorgungsarzt N. zu Recht ausgeführt hat und was dadurch bestätigt wird, dass die Bewegungsmaße der Kniegelenke bereits bei der Reha frei waren.
Infolge der Gewalttat hat sich weiter eine posttraumatische Belastungsreaktion mit Auslösung einer depressiven Phase herausgebildet, die der Beklagte mit Bescheid vom 24. April 2014 zutreffend anerkannt hat. Für die in der Reha-Maßnahme 2015 diagnostizierte PTBS fehlt es hingegen, wie die Sachverständigen Dr. D., dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. ZPO), und Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. nachvollziehbar aufgezeigt haben, an den dafür erforderlichen Flashbacks. Dies hat das SG ebenso zutreffend begründet dargelegt wie dass die massive depressive Störung schon vor der Gewalttat vorlag und der Überfall daher nicht die Bedeutung einer annähernd gleichwertigen Ursache hatte. Der Senat schließt sich diesen ausführlich begründeten Darlegungen nach eigener Würdigung an und sieht insoweit von einer weiteren der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch die Ermittlungen des Senats bestätigt haben, dass die vorbestehende depressive Störung durch Dr. Sp. erstmalig 2012 behandelt worden ist, was deren Darlegungen, dass die therapeutischen Interventionen aufgrund der Chronifizierung der Erkrankung ergebnislos waren, stützt. Dies hat der Kläger auch im strafrechtlichen Verfahren zu einem Zeitpunkt eingeräumt, als ihm die sozialrechtlichen Konsequenzen nicht deutlich waren. Es ist auch nicht richtig, wie er glauben machen will, dass sein Leben erst durch den Überfall aus dem Gleichgewicht geraten ist, wie dies die umfangreichen Ermittlungen des SG zu seinen finanziellen Verhältnissen ergeben haben. Bereits 2 Jahre vor der Gewalttat kündigte sich danach die Insolvenz seiner Geschäfte an.
Der Senat weist lediglich zusätzlich darauf hin, dass auch die genauen Umstände des Überfalls selbst dieses Bild stützen. Der Kläger hat sich danach an Silvester allein in einer entsprechenden Kneipe aufgehalten und war erheblich alkoholisiert, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Vereinsamung vorlag, die er mit Alkohol kompensierte. Freunde oder Hobbys hatte er damals nicht, lediglich Kontakte zu seinem betagten Vater und seinem Sohn, den er nach seiner Scheidung allein großgezogen hatte. Das Verhältnis zu seinem Sohn scheint ebenfalls nicht besonders eng gewesen zu sein, was der Senat dessen Zeugenaussage beim SG entnimmt. Denn dieser war in keiner Weise über die verzweifelte finanzielle Situation seines Vaters informiert, der seinem Kind auch zu diesem Zeitpunkt noch den Eindruck vermittelt hat, dass es im Haushalt an nichts fehlt.
Der Senat war schließlich nicht gedrängt, unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG) weitere Ermittlungen durch Rückgriff auf den Sachverständigenbeweis anzustellen, wie vom Kläger angeregt.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Beschädigtenrente nach dem Gesetz über die Entschädigung von Opfer von Gewalttaten (OEG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen gesundheitlicher Folgen aus einer Gewalttat am 31. Dezember 2010.
Der 1958 geborene Kläger war nach dem Studium zum Betriebswirt an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie zunächst 21 Jahre in seiner Ausbildungsfirma im Textilbereich tätig, bevor er sich 1996 in dieser Berufssparte selbständig machte und mehrere Ladenlokale betrieb. Das letzte Geschäft schloss er nach bereits 2008 defizitärer Führung im Januar 2012 und ist seitdem arbeitsunfähig erkrankt. Sein Antrag auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung wurde abgelehnt.
Der Kläger ist seit 19 Jahren geschieden, seitdem ist er alleinerziehender Vater, sein mittlerweile erwachsener, ebenfalls arbeitsloser Sohn lebt noch bei ihm. Seit Jahren leidet er an einer depressiven Entwicklung frühjahrs- und herbstbetont, wobei eine familiäre Disposition besteht (Mutter und Großmutter), die seit 2000 progredient und primär chronisch bei finanziellen Problemen sowie an Intensität der Symptomatik zugenommen hat und erst seit 2012 behandelt wird.
Am 31. Dezember 2010 wurde der stark alkoholisierte Kläger (1,4 Promille) von zwei russischstämmigen Tätern bei Verlassen der Gaststätte in L. überfallen, geschlagen, zu Boden gestoßen und noch auf dem Boden getreten, wobei er neben Blutergüssen u. a. eine Fibula-Fraktur und Verletzungen im Bereich des rechten Kniegelenks erlitt. Anschließend nahmen die Täter dem Kläger 130,00 EUR in Scheinen sowie weitere Geldmünzen weg. Er wurde noch am Folgetag polizeilich vernommen. Bei der mündlichen Hauptverhandlung beim Amtsgericht Biberach gab er an, dass er seit 2000 an Depressionen leide. Die Täter wurden vom Amtsgericht Biberach mit Urteil vom 24. Mai 2012 wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen über einem Jahr verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden (Az.: 9 Ls 26 Js 234/11).
Am 21. Dezember 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten wegen psychischer Gesundheitsstörungen die Gewährung einer Beschädigtenversorgung. Er legte auszugsweise den ärztlichen Entlassungsbericht über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme (Reha) zulasten der D. R. vor, die vom 20. Februar bis 27. März 2013 in der W. Klinik durchgeführt wurde. Danach litt er an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS, F 43.1 ICD 10 GM), einer schweren depressiven Episode (F 32.2) sowie Gonalgien bei Meniskusriss/-anriss des rechten Kniegelenks (M 23.2). Der Kläger wurde als arbeitsunfähig und nicht mehr leistungsfähig in seiner letzten beruflichen Tätigkeit entlassen, er könne sich aber noch selbstständig versorgen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes holte der Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und ließ den Kläger anschließend nervenärztlich begutachten. Die Allgemeinmedizinerin Dr. O. berichtete, dass er bei dem Unfall eine Mehrfach-Fragment-Fraktur des rechten Fibulaköpfchens erlitten habe. Das anschließend angefertigte MRT des Knies habe eine Degeneration des Innenmeniskus-Hinterhorns gezeigt. Die Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. Sp. berichtete über eine chronisch-progrediente depressive Störung, die sie therapeutisch mit Antidepressiva und stützenden Gesprächen behandle, dennoch sei eine deutliche Fixierung der Symptomatik eingetreten.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie Dr. D. kam in seinem Gutachten aufgrund der ambulanten Untersuchung vom 3. Januar 2014 zu dem Ergebnis, dass es durch den Unfall zu einer nachfolgenden posttraumatischen Belastungsreaktion und einer erneuten depressiven Phase bei vorbestehender rezidivierender depressiver Störung gekommen sei. Das Ausmaß der Schädigung für das erste Jahr sei mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30, für das zweite von 25 und im dritten von 20 anzunehmen. Psychopathologisch hätten nunmehr nur leichte depressive Beschwerden bestanden. Der Kläger habe berichtet, dass sein Leben recht eintönig sei, er lebe mit seinem 22jährigen Sohn zusammen, der ebenfalls zur Zeit arbeitslos sei. Er sei die meiste Zeit zuhause, liege viel, kaufe gelegentlich das Notwendige ein und gehe regelmäßig zum Vater, mit dem er koche und auch gemeinsam esse. Freunde oder Hobbys habe er nicht. Seine beiden Geschäfte, die auch vor dem Überfall nicht besonders gut gelaufen seien, habe er abgegeben und Rentenantrag gestellt, dieser sei jedoch abgelehnt worden. Er beziehe eine Berufsunfähigkeitsrente von etwas mehr als 500,00 EUR im Monat. Psychopharmaka habe er am Anfang der Behandlung bei Dr. Sp. eingenommen, diese aber nicht vertragen und nehme nun schon längere Zeit keine mehr ein. Gelegentlich habe er nach wie vor Angstzustände und schlafe auch nicht mehr so gut wie vorher. Angstträume habe er allerdings keine.
Versorgungsärztlich führte Dr. N. aus, bereits in der Reha hätten sich die Kniegelenke frei gezeigt, die allerdings in nicht unerheblicher Weise degenerativ vorgeschädigt seien. Nach konservativ versorgter Fibulaköpfchen-Mehrfachfraktur sei es durch die Gewalttat nur zu einer vorübergehenden Gesundheitsstörung im Rahmen der unteren Extremität gekommen.
Gestützt hierauf stellte der Beklagte mit Erst-Anerkennungsbescheid vom 24. April 2014 fest, dass der Kläger am 31. Dezember 2010 Opfer einer Gewalttat im Sinne des OEG geworden sei. Als Folge dieser Schädigung wurden psychoreaktiven Störungen mit Verschlimmerung einer vorbestehenden depressiven Störung anerkannt. Durch die Schädigungsfolge werde kein GdS von mindestens 25 erreicht. Eine Rente stehe dem Kläger daher nicht zu. Für die Schädigungsfolge besehe ein Anspruch auf Heilbehandlung, welcher frühestens mit dem Dezember 2012 entstanden sei.
Am 18. Juli 2014 erkundigte sich der Kläger nach dem Stand seines Verfahrens, woraufhin ihm der Beklagte am 26. Juni 2014 den Bescheid nochmals versandte. Hiergegen legte er am 24. Juli 2014 Widerspruch mit der Begründung ein, er habe bis zu seinem Überfall an keiner depressiven Störung gelitten, der sein bis dahin geführtes Leben total aus dem Gleichgewicht gebracht habe. Er könne seinen selbständigen Beruf nicht mehr ausüben und habe seine Firma wegen Krankheit schließen müssen. Der GdS sei für ihn nicht nachvollziehbar. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, nach dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. D. habe sich seit 10 Jahren schleichend eine bis heute deutlich an Symptomatik verstärkte Zwangsstörung entwickelt. Der Überfall sei lediglich Auslöser für eine erneute depressive Phase bei vorbestehender rezidivierender depressiver Störung gewesen. Zusätzlich komme es zu Aktualisierungen durch chronisch-persistierende Konfliktkonstellationen sowohl im sozialen als auch im beruflichen Umfeld.
Hiergegen hat der Kläger am 21. November 2014 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat, der Inhalt des Gutachtens sei nicht zutreffend. Er sei vor dem Überfall nicht depressiv gewesen, dies gelte auch für seine Mutter und Großmutter. Nunmehr leide er an einer PTBS. Er hat hierzu einen Kurzbericht des Psychiaters B. vom 15. Oktober 2014 vorgelegt, wonach dieser den Kläger seit April 2014 behandle und er eine Reha-Maßnahme befürworte.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und den Kläger anschließend erneut nervenärztlich begutachten lassen.
Dr. Sp. ist am 18. Februar 2014 verstorben. Der Psychiater B. hat berichtet, dass er den Kläger im 14- bzw. 21-täglichen Rhythmus behandle. Dieser leide an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome sowie einer PTBS. Die Symptomatik habe in den letzten Monaten zugenommen. Der Orthopäde Dr. J. hat ausgeführt, der Kläger habe ihn zuletzt im Februar 2012 aufgesucht, seine Kniebeschwerden seien rechts auf eine Meniskusläsion zurückzuführen, links auf eine bestehende Arthrose. Die Beschwerden seien leichter Art. Die Allgemeinmedizinerin Dr. O. hat über psychische und orthopädische Beschwerden seit dem Unfall berichtet, die psychischen seien schwerer Art. Eine Veränderung des Gesundheitszustandes habe sich nicht ergeben.
Vom 14. April bis 19. Mai 2015 hat der Kläger eine erneute Reha-Maßnahme in der Psychosomatischen Fachklinik G. durchgeführt, aus der er als arbeitsunfähig mit den im Vordergrund stehenden Diagnosen einer chronifizierten PTBS sowie einer anhaltenden depressiven Episode, gegenwärtig mittelgradig, entlassen worden ist. Für die letzte Tätigkeit als selbständiger Unternehmer bestünden wesentliche und überdauernde Einschränkungen. Der Kläger sei unfähig, sich zu entspannen, auch nachts sei die Erholungsfähigkeit erheblich reduziert. Es liege ein sozialer Rückzug, Hilflosigkeits-Erleben und Gereiztheit sowie absolute gedankliche Befangenheit durch den Überfall mit starker subjektiver Beeinträchtigung durch innere Unruhe vor.
Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. hat in seinem Gutachten aufgrund der Untersuchung vom 17. November 2015 ausgeführt, der Kläger leide an einer chronifizierten depressiven Störung mit derzeit mittelgradiger Episode, die vor allem mit einer Antriebsstörung einhergehe. Darüber hinaus zeige sich eine Angststörung mit Zügen einer PTBS, ohne dass das Vollbild hinreichend zu sichern wäre. Mit Wahrscheinlichkeit ursächlich sei die Angststörung. Hinsichtlich der depressiven Symptomatik könne er sich angesichts widersprüchlicher Aussagen zur Vorsituation nicht festlegen. Nach den Berichten der betreuenden Psychiaterin Dr. Sp. sei das Schädigungsereignis nur Auslöser der depressiven Symptomatik, nicht aber wesentlich ursächlich gewesen. Der Kläger mache jetzt geltend, dass diese Befunde "frei erfunden" seien. Der GdS betrage 10 bis 20.
Die daraufhin anberaumte erste mündliche Verhandlung vom 14. März 2016 ist zur weiteren Sachaufklärung vertagt worden. Das SG hat vom Finanzamt Biberach die Steuerbescheide für die Kalenderjahre 2008 und 2009 (negative Einkünfte in 2008: 50.036,00 EUR, in 2009: 87.593,00 EUR) sowie eine Auskunft bei der privaten Krankenversicherung eingeholt, wonach der Kläger vom 1. August 2002 bis 31. Mai 2013 versichert gewesen sei und sich in Behandlung bei Dr. O. sowie Dr. Sp. befunden habe. Daraufhin hat das SG ergänzend die Allgemeinmedizinerin Dr. O. befragt, die mitgeteilt hat, dass sie den Kläger erst seit Januar 2016 überwiegend wegen des Diabetes mellitus behandle.
In der anschließend anberaumten mündlichen Verhandlung hat das SG den Sohn des Klägers als Zeugen gehört. Dieser hat berichtet, dass er im Geschäft seines Vaters in keiner Form mitgearbeitet habe, da er damals selber in Ausbildung gewesen sei. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse könne er nur sagen, dass es zuhause nie schlecht gegangen sei, er habe allerdings keinen Einblick in die Buchhaltung gehabt. Nach dem Überfall habe sich sein Vater hauptsächlich zuhause aufgehalten und keine Energie mehr gehabt. Richtig mitbekommen habe er aber nicht, ob er sich dann noch um das Geschäft gekümmert habe.
Mit Urteil vom 12. September 2016, dem Kläger zugestellt am 12. Oktober 2016, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, er habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Versorgung nach einem GdS von mindestens 25. Übereinstimmend seien Dr. D. und Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. zu dem Ergebnis gelangt, dass keine PTBS vorliege. Demgegenüber sei die Angststörung mit Wahrscheinlichkeit auf die Gewalttat zurückzuführen und mit einem GdS von 10 bis 20 zu bewerten, da es sich hierbei noch um leichtere psychische Störungen handle. Diese äußere sich darin, dass der Kläger nachts das Haus nicht mehr verlasse, um den Tatort einen Umweg mache und Panik verspüre, wenn er jemanden hinter sich gehen höre. Demgegenüber sei die ausgeprägte chronifizierte depressive Störung mit im Vordergrund stehender Antriebsminderung und auch Zwangssymptomen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die Gewalttat zurückzuführen, weder im Sinne der Entstehung noch einer rechtlich wesentlichen Verschlimmerung. Die seinerzeit betreuende und zwischenzeitlich verstorbene Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. Sp. habe über eine bereits vor dem Überfall bestehende, langjährig chronifizierte depressive Störung und auch Zwangsstörung berichtet. Soweit der Kläger dies nunmehr massiv bestreite, so könne dies die Aussagen nicht nachhaltig in Zweifel ziehen. Denn er habe selbst in der strafrechtlichen Hauptverhandlung auf die Frage des Verteidigers geantwortet, dass er schon seit 2000 an Depressionen leide. Insofern habe die Straftat ihn nicht gesundheitlich unbelastet getroffen. Auch sei seine wirtschaftliche Situation keineswegs stabil gewesen, worauf die beigezogenen Einkommenssteuerbescheide der Jahre 2008 und 2009 hinwiesen. Zum Zeitpunkt der Gewalttat habe lediglich ein kleiner Anlass genügt, um die bereits zuvor grenzkompensierte Situation zum "Kippen" zu bringen. Damit komme dem Überfall in Übereinstimmung mit Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. nicht die Bedeutung einer annähernd gleichwertigen Ursache für die Entwicklung der depressiven Störung zu. Ebenso verhalte es sich mit der Verbitterungsstörung, bei der persönlichkeitsimmanente Faktoren bei Weitem im Vordergrund stünden, so dass auch diesbezüglich kein wesentlicher Kausalzusammenhang mit dem stattgehabten Schädigungsereignis zu erkennen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 11. November 2016 Berufung beim SG eingelegt, zu deren Begründung er vorgetragen hat, bei zwei Reha-Maßnahmen sei eine PTBS bescheinigt worden. Ferner müsse untersucht werden, wie Dr. Sp. zu solchen Arztberichten komme. Er vermute, sie habe Patientenakten durcheinandergebracht. Er habe an keiner depressiven Vorerkrankung gelitten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. September 2016 aufzuheben, den Bescheid vom 24. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2014 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm eine Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 25 nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend. Der Kläger habe bereits erstinstanzlich die Berichte der Dr. Sp. massiv bestritten. Dem sei dieses zu Recht aufgrund der Angaben bei der strafrechtlichen Hauptverhandlung nicht gefolgt.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat eine erneute Auskunft bei der privaten Krankenversicherung des Klägers eingeholt. Diese teilte am 26. April 2017 mit, der Kläger habe sich bei Dr. Sp. in den Jahren 2012 und 2013 in ärztlicher Behandlung befunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung am 9. November 2017 entscheiden, obwohl für den Kläger niemand erschienen war. Hierauf wurden die Beteiligten mit der Ladung hingewiesen (§ 110 Abs. 1 SGG). Der Verlegungsantrag des Klägers vom 6. November 2017 war erst am Verhandlungstag, dem 9. November 2017, um 11:00 Uhr, also nach der Verkündung des Urteils, bei dem Senat eingegangen. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG) des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid vom 24. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2014 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Das SG hat daher die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG; vgl. BSG, Urteile vom 15. Dezember 1999 - B 9 VS 2/98 R -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 16 und 29. April 2010 - B 9 VS 1/09 R -, SozR 4-3100 § 16b Nr. 1) erhobene Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Beschädigtenversorgung in Form einer Beschädigtenrente.
Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34 und § 55 Rz. 21). Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Beschädigtenrente ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30 Abs. 1 und 2, § 31 Abs. 1 BVG. Nach diesen Normen erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, unter anderem Beschädigtenrente, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Höhe dieser Rente richtet sich ausschließlich nach dem GdS, der Anspruch setzt bei einem solchen von 30 ein (Dau, in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).
Hierfür sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, BSGE 113, 205 (208 ff.)): Ein Entschädigungsanspruch nach dem OEG setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person ("wer"), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, juris, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffs hat das Bundessozialgericht daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, juris Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 181 juris, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 2,1 juris, Rz. 23 ff.).
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).
Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 S. 14, juris, Rz. 4 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein "deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.
Bei dem "Glaubhafterscheinen" im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14, juris, Rz. 5 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, a. a. O.). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 21, juris Rz. 17).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat der Kläger, welcher deutscher Staatsangehöriger ist, keinen Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung in Form einer Beschädigtenrente. Es liegen keine schädigungsbedingten Funktionsbeeinträchtigungen vor, die einen rentenberechtigenden GdS stützen.
Es steht im Vollbeweis zunächst fest, dass er durch den anerkannten tätlichen Angriff vom 31. Dezember 2010 als Primärschäden eine Fibulafraktur und Verletzungen im Bereich des rechten Kniegelenks erlitt. Die konservativ versorgte Fibulaköpfchen-Mehrfachfraktur hat aber nur zu einer vorübergehenden Gesundheitsstörung im Rahmen der unteren Extremität geführt, also keinem Dauerschaden, wie Versorgungsarzt N. zu Recht ausgeführt hat und was dadurch bestätigt wird, dass die Bewegungsmaße der Kniegelenke bereits bei der Reha frei waren.
Infolge der Gewalttat hat sich weiter eine posttraumatische Belastungsreaktion mit Auslösung einer depressiven Phase herausgebildet, die der Beklagte mit Bescheid vom 24. April 2014 zutreffend anerkannt hat. Für die in der Reha-Maßnahme 2015 diagnostizierte PTBS fehlt es hingegen, wie die Sachverständigen Dr. D., dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. ZPO), und Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. nachvollziehbar aufgezeigt haben, an den dafür erforderlichen Flashbacks. Dies hat das SG ebenso zutreffend begründet dargelegt wie dass die massive depressive Störung schon vor der Gewalttat vorlag und der Überfall daher nicht die Bedeutung einer annähernd gleichwertigen Ursache hatte. Der Senat schließt sich diesen ausführlich begründeten Darlegungen nach eigener Würdigung an und sieht insoweit von einer weiteren der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch die Ermittlungen des Senats bestätigt haben, dass die vorbestehende depressive Störung durch Dr. Sp. erstmalig 2012 behandelt worden ist, was deren Darlegungen, dass die therapeutischen Interventionen aufgrund der Chronifizierung der Erkrankung ergebnislos waren, stützt. Dies hat der Kläger auch im strafrechtlichen Verfahren zu einem Zeitpunkt eingeräumt, als ihm die sozialrechtlichen Konsequenzen nicht deutlich waren. Es ist auch nicht richtig, wie er glauben machen will, dass sein Leben erst durch den Überfall aus dem Gleichgewicht geraten ist, wie dies die umfangreichen Ermittlungen des SG zu seinen finanziellen Verhältnissen ergeben haben. Bereits 2 Jahre vor der Gewalttat kündigte sich danach die Insolvenz seiner Geschäfte an.
Der Senat weist lediglich zusätzlich darauf hin, dass auch die genauen Umstände des Überfalls selbst dieses Bild stützen. Der Kläger hat sich danach an Silvester allein in einer entsprechenden Kneipe aufgehalten und war erheblich alkoholisiert, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Vereinsamung vorlag, die er mit Alkohol kompensierte. Freunde oder Hobbys hatte er damals nicht, lediglich Kontakte zu seinem betagten Vater und seinem Sohn, den er nach seiner Scheidung allein großgezogen hatte. Das Verhältnis zu seinem Sohn scheint ebenfalls nicht besonders eng gewesen zu sein, was der Senat dessen Zeugenaussage beim SG entnimmt. Denn dieser war in keiner Weise über die verzweifelte finanzielle Situation seines Vaters informiert, der seinem Kind auch zu diesem Zeitpunkt noch den Eindruck vermittelt hat, dass es im Haushalt an nichts fehlt.
Der Senat war schließlich nicht gedrängt, unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG) weitere Ermittlungen durch Rückgriff auf den Sachverständigenbeweis anzustellen, wie vom Kläger angeregt.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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