L 8 SB 1555/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 263/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1555/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 07.04.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf (Erst-)Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB; 50 statt 20) seit 08.01.2014 zusteht.

Der 1958 geborene Kläger beantragte beim Landratsamt S. (LRA) am 08.01.2014 die (Erst-)Feststellung eines GdB (Blatt 1/4 der Beklagtenakte). Zu seinem Antrag verwies der Kläger auf eine Hypertonie, einen Innenmeniskusschaden des linken Kniegelenkes, eine Osteochondrose sowie Lumboischialgien rechts und legte ärztliche Berichte von Dr. H. , Dr. S. , Dr. C. und von der Reha-Klinik S. vor (Blatt 5/9 der Beklagtenakte). Das LRA zog den Entlassbericht zu der in der Zeit vom 15.10.2013 bis zum 05.11.2013 auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung durchgeführten stationären Maßnahme zur Medizinischen Rehabilitation in der Rehaklinik S. vom 12.11.2013 (Blatt 12/25 der Beklagtenakte) bei.

Der Versorgungsarzt Dr. Z. schätzte in seiner Stellungnahme vom 02.05.2014 (Blatt 28/29 der Beklagtenakte) den GdB auf 20 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Bandscheibenschaden (GdB: 20)); Bluthochdruck und Organschäden und Knorpelschäden im linken Kniegelenk seien nicht nachgewiesen.

Mit Bescheid vom 08.05.2014 (Blatt 30/31 der Beklagtenakte) stellte das LRA den GdB 20 seit 08.01.2014 fest.

In seinem Widerspruch vom 20.05.2014 (Blatt 33 der Beklagtenakte) war der Kläger der Meinung, er sei zu 50 % behindert. Trotz der Einnahme von Medikamenten seien die Schmerzen noch vorhanden. Es bestünden Bandscheibenschäden, Bluthochdruck, Nervenwurzelreizerscheinungen, Knorpelschäden am linken Kniegelenk, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule. Durch das Fortschreiten des Alters würden die Diagnosen noch schwerwiegender. Der Kläger legte einen Wiedereingliederungsplan vor (Blatt 34 der Beklagtenakte). Der Kläger äußerte sich des Weiteren mit Schreiben vom 08.07.2014 (Blatt 36 der Beklagtenakte). Es könne nicht sein, dass sein Orthopäde ihm eine Knieoperation rate, der Versorgungsarzt die Funktionsbeeinträchtigung aber nicht einmal mit 10 bewerte. Bekannt sei auch, dass Bluthochdrucktabletten bei längerer Einnahme zu Nierenschäden führten. Er habe ein persistierendes Taubheitsgefühl am rechten Oberschenkel. Seine Funktionseinschränkungen im Alltag seien: Gehen und längeres Stehen, Bücken, Heben und Tragen, wodurch er in seiner alltäglichen Mobilität beeinträchtigt sei.

In seiner Stellungnahme vom 07.10.2014 (Blatt 39/40 der Beklagtenakte) schätzte der Versorgungsarzt Dr. G. den GdB auf 20 (zugrundeliegende Funktionsbeeinträchtigungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Bandscheibenschaden (GdB: 20)).

Der Beklagte wies durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 23.01.2015, Blatt 42/44 der Beklagtenakte).

Am 05.02.2015 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Konstanz hiergegen Klage erhoben. Die Funktionsbeeinträchtigungen am linken Knie seien mit 10 zu niedrig bewertet. Erschwerend zu bewerten sei die Einschränkung der Wirbelsäule mit einer deutlichen Reduktion der Belastbarkeit. Jegliche Bewegung löse in der Lende eine Verstärkung des Dauerschmerzes aus. Die Mobilität im alltäglichen Leben sei insgesamt dadurch eingeschränkt.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf Blatt 18/33, 34/36, 39/40 der SG-Akte Bezug genommen). Der Internist Dr. V. hat in seinem Schreiben vom 12.05.2015 den GdB auf seinem Fachgebiet mit 10 angegeben. Es bestehe eine Hypertonie, die medikamentös ordentlich eingestellt sei. Der Arzt für Anästhesiologie/Spezielle Schmerztherapie Dr. M. hat dem SG am 05.05.2015 geschrieben, er habe den Kläger vom 21.02.2014 bis zum 16.04.2014 behandelt, weshalb eine aktuelle Beurteilung nicht möglich sei. Der Facharzt für Orthopädie W. hat ausgeführt (Schreiben vom 15.07.2015), der Kläger sei 2013 zweimal in seiner Behandlung gewesen.

Die Beklagte hat eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 30.09.2015 vorgelegt (Blatt 42/43 der SG-Akte), der Kläger hat sich mit Schreiben vom 08.11.2015 unter Vorlage weiterer Arztunterlagen geäußert (Blatt 44/49 der SG-Akte).

Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 18.01.2016 (Blatt 53/87 der SG-Akte; Untersuchung am 11.01.2016) ein chronisch rezidivierendes, zervikales, dorsales Wirbelsäulensyndrom bei Osteochondrose und Spondylarthrose der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule, eine chronisch rezidivierende, therapieresistente Lumboischialgie rechts bei Bandscheibenvorfall L2/L3 mit Hypaesthesie L3 rechts sowie erosiver Osteochondrose L2/L3, L3/L4 sowie L4/L5, eine Coxarthrose Grad I-II nach Kellgren und Lawrence beidseits, eine Gonarthrose Grad II nach Kellgren und Lawrence beidseits und einen symptomatischen degenerativen Innenmeniskusschaden links beschrieben, wobei er die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 20, die der Knie und der Hüfte mit einem GdB von 10 sowie den Gesamt-GdB mit 20 bewertet hat.

Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 22.02.2016 (Blatt 88/91 der SG-Akte) geäußert und auf seine Erkrankungen sowie die Belastungen am Arbeitsplatz verwiesen. Bei ihm könne nicht von leichten Gesundheitsstörungen ausgegangen werden, weshalb bei ihm VG Teil A Buchst. d nicht angewendet werden könne.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 07.04.2016 die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe zu Recht einen GdB von 20 zuerkannt. Ein höherer GdB lasse sich nicht rechtfertigen.

Gegen den ihm am 09.04.2016 (Blatt 100 b der SG-Akte) zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26.04.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Der GdB sei mit 20 zu niedrig bewertet. Obwohl die radiologische Kernspintomographie des linken Kniegelenks vom 11.09.2012 von Dr. G. S. als Unterlagen vorhanden gewesen seien und die vorhandenen Schäden aufgezeigt hätten, habe Dr. Z. angenommen, dass Knorpelschäden nicht nachgewiesen seien. Diese Angabe sei nicht nachvollziehbar. Auch sei im vorläufigen Entlassbericht der Kliniken Landkreis S. vom 26.09.2013 eine arterielle Hypertonie mit hypertensiven Entgleisung nachgewiesen. Diese Unterlagen seien nicht vollständig berücksichtigt, wodurch der GdB auch nicht vollständig bewertet worden sei. Auch Dr. G. habe die Schäden am linken Kniegelenk nur mit mäßiggradigen Knorpelschäden bewertet, aber laut Kernspintomographie des linken Kniegelenks vom 11.09.2012 sei ein "degenerativer horizontaler Einriss des Innenmeniskus beschrieben, was ebenfalls nicht berücksichtigt sei. Wären die Versorgungsmedizinischen Grundsätze berücksichtigt worden, wäre die Auswertung der ärztlichen Unterlagen in vollem Umfang erfolgt, müsste sich ein höherer GdB ergeben. Auch das Gutachten von Dr. K. zeige, dass seine Forderungen für einen höheren GdB gerechtfertigt seien. Schon die Berichte aus dem Jahr 2012 zeigten, wie lange schon seine körperlichen Funktionen und seelische Gesundheit von einem Gleichaltrigen abwichen und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sei. Er könne nicht nachvollziehen wie Dr. K. auf die gleiche GdB-Einschätzung komme wie der Beklagte. Schon deswegen, weil der Beklagte nicht alle Unterlagen bewertet und diese auch nicht in vollem Umfang berücksichtigt habe. Auf Basis der Versorgungsmedizinischen Grundsätze müsse zu jeder einzelnen Funktionsbeeinträchtigung ein GdB anzugeben sein. Stattdessen habe Dr. K. die Punktkategorien zusammengefasst. Da seine Krankheit mit einer Schmerztherapie der Stufe II des von der WHO angegebenen dreistufigen Schmerztherapieschema behandelt werden müsse, sei der GdB mit 20 zu niedrig eingeschätzt. Auch wenn der Gesamt-GdB nicht die Summe der einzelnen Werte sei, müssten dennoch die GdB der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen angegeben werden, wodurch die Bewertung transparent und verständlich werde. Diese Vorgabe habe Dr. K. nicht eingehalten, da er mehrere Funktionsbeeinträchtigungen zu Kategorien zusammengefasst und sie als Ganzes bewertet habe, was der Gerichtsbescheid übernommen habe. Am Knie sollte sich unter zusätzlicher Berücksichtigung des Innenmeniskusschadens ein höherer GdB als 10 ergeben. Von der Pegasus Fachgesellschaft Arbeitsmedizin mbH seien Seh- und Hörvermögen sowie der Blutdruck gemessen worden. Es seien Augenschäden festgestellt, die vermutlich auf den hohen Blutdruck zurückzuführen seien. Der Kläger hat ärztliche Unterlagen von Dr. S. , Dr. C. und Dr. W. (Blatt 14/17 der Senatsakte) sowie von Dr. V. (Blatt 20, 21 der Senatsakte) und Dr. P. (Blatt 43/44 der Senatsakte) vorgelegt.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 07.04.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 08.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.01.2015 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von 50 seit 08.01.2014 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch erneute schriftliche Befragung des Dr. V ... Dieser hat in seinem Schreiben vom 20.09.2016 (Blatt 27/30 der Senatsakte) u.a. ausgeführt, die Diagnose der arteriellen Hypertonie sei erstmals am 19.11.2007 gestellt und eine medikamentöse Behandlung eingeleitet worden. Unter der medikamentösen Therapie mit Amlodipin habe dann ein ausreichend eingestellter Blutdruck zum Jahre 2012 bestanden. Wegen erneut erhöhten Blutdruckwerten sei eine Kombinationstherapie mit Amlodipin und Ramipril begonnen worden. Hierunter sei Besserung der Blutdrucksituation eingetreten, lediglich während der analgetischen Behandlung im Rahmen der Rückenschmerztherapie hätten sich immer wieder überhöhte Blutdruckwerte gezeigt. Folgeschäden im Sinne von Organbeteiligungen fänden sich nicht.

Beklagter und Kläger haben sich hierzu geäußert (Schreiben vom 07.11.2016, Blatt 31 der Senatsakte, bzw. Schreiben vom 30.11.2016, Blatt 34/35 der Senatsakte).

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten in einem nichtöffentlichen Termin am 12.12.2016 erörtert (zur Niederschrift vgl. Blatt 36/38 der Senatsakte).

Der Senat hat nunmehr ein Gutachten beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. H. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.01.2017 (Blatt 46/77 der Senatsakte) ein diskretes Cervicalsyndrom bei Fehlhaltung, ohne relevante Funktionsbeeinträchtigung, ein Thorakalsyndrom bei Fehlhaltung und altersentsprechend degenerativen Veränderungen, ein Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Neuroforamina und degenerativen Bandscheibenveränderungen mit sensibler L4-Irritation und temporärer schmerzhafter S1-lrritation, ohne Anhaltspunkte für motorische Ausfallserscheinungen, ein diskretes Impingement- und Bizepssehnensyndrom der linken Schulter, ohne Funktionsbeeinträchtigung, eine Ansatztendopathie der pelvitrochantären Muskulatur an der Dorsalseite des großen Rollhügels der rechten Hüfte, ohne höhergradige degenerative Veränderungen der Hüftgelenke sowie Anhaltspunkte für leichte mediale Chondromalazie beider Kniegelenke, ohne Reizzustand, ohne Funktionsbeeinträchtigung dargestellt. Er hat die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 20, diejenigen der oberen Extremitäten mit unter 10, die der unteren Extremitäten mit 10 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er mit 20 eingeschätzt.

Der Kläger hat sich nunmehr mit Schreiben vom 26.02.2017 gegen das Gutachten gewandt (Blatt 78/82 der Senatsakte). Dr. H. hat sich mit Schreiben vom 15.05.2017 (Blatt 84/88 der Senatsakte) ergänzend geäußert. Soweit der Kläger auf die aufrechte Sitzhaltung als Schonhaltung verweise, sei anzumerken, dass es um eine aufrechte Sitzhaltung beizubehalten vermehrter Muskelarbeit bedürfe. Ein erschöpfter oder schmerzender Muskel weise einen erhöhten Tonus auf. Müsse ein Muskel ausschließlich statische Haltearbeit verrichten, also unter einem erhöhten Vorspannungszustand arbeiten, löse dies vermehrt Schmerzen aus, so dass versucht werde, die Position zu ändern oder sich anzulehnen. Beim Aus- und Wiederankleiden seien Jacke und Hemd wie auch Unterhemd flüssig aus- und wieder angezogen worden, wobei keine Beeinträchtigung usw. aufgetreten seien. Diese Schilderungen spiegelten seine Beobachtungen wieder, da das spontane Bewegungsverhalten Rückschlüsse auf Bewegungsfähigkeit, Bewegungsmuster bzw. auch nicht mögliche Bewegungen oder Ausweichbewegungen gebe. Einschränkungen bei Spontanbewegungen könnten bereits auf eine Funktionsbeeinträchtigung hinweisen. Soweit sich der Kläger gegen seine Aussage wende, dass die Begutachtung die Beurteilung und Einschätzung von Körperfunktionen und deren Einschränkungen sei, dass Bildgebung nur vorliegende Befunde untermauern könnten, aber für sich genommen nicht in der Lage seien eine Beeinträchtigung eines Gesundheitsschadens zu begründen oder zu belegen, so sei die Feststellung von pathologischen Befunden in bildgebenden Verfahren bei Personen ohne Beschwerden in Untersuchungen bestätigt worden. Eine Kernspintomographie bilde den anatomischen Zustand eines Organs ab, ergebe aber nicht automatisch einen Hinweis auf dessen Funktion oder Funktionsbeeinträchtigungen. Behinderungen resultierten damit auf Beeinträchtigung von Körperfunktionen und nicht per se aus der Nennung von Diagnosen. Die Begutachtung könne den aktuellen Zustand erfassen. Allerdings ließen sich hierbei durchaus auch Indizien für eventuelle chronische Vorgänge erfassen. So habe er dies bei der Bewertung der Kniegelenke beschrieben, in dem Sinne, dass weitere reaktive Umbauvorgänge fehlten. Derartige Veränderungen träten nicht in kurzer Zeit auf und klängen wieder ab, sondern seien bei chronischen Beschwerden auch chronisch anhaltend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.

Der angefochtene Bescheid des LRA vom 08.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.01.2015 ist rechtmäßig, der Kläger wird durch die angefochtene Entscheidung der Versorgungsverwaltung und den angefochtenen Gerichtsbescheids des SG vom 07.04.2016 nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 20.

Der Senat konnte feststellen, dass die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen der Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) mit einem GdB von 20 ausreichend und angemessen bewertet sind.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen nicht nach einzeln Funktionsbehinderungen sondern zusammenfassend nach Funktionssystemen (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) bewertet werden und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zum Gesamt-GdB festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 20 nicht rechtfertigen.

Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen. Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.

Insoweit kommt es weder maßgeblich auf bildgebend festgestellte Befunde noch auf die Art, Schwere oder Zahl von Operationen an, maßgeblich sind vielmehr die bestehenden bzw. verbliebenen tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen. Diese ergeben sich vorliegend aus den beim Kläger bestehenden Erkrankungen der Wirbelsäule. Diese konnte der Senat mit dem Gutachter Dr. H. als diskretes Cervicalsyndrom bei Fehlhaltung, ohne relevante Funktionsbeeinträchtigung, als Thorakalsyndrom bei Fehlhaltung und altersentsprechend degenerativen Veränderungen sowie als Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Neuroforamina und degenerativen Bandscheibenveränderungen mit sensibler L4-Irritation und temporärer schmerzhafter S1-Irritation, ohne Anhaltspunkte für motorische Ausfallserscheinungen feststellen. An der Lendenwirbelsäule konnte der Gutachter ein diskretes Bewegungsdefizit beim Vornüberneigen und in den Rotationsbewegungen mitteilen. Die Bewegungen geschehen jedoch flüssig und mit weichem Anschlag. Die von Dr. H. beobachtete Bewegungsmöglichkeit beim Aus- und Wiederankleiden zeigte keine relevante Funktionsbeeinträchtigung. Bildtechnisch hatten sich degenerative Veränderungen der Etagen L2/3, L3/4, L4/5 sowohl im Bereich der Bandscheiben als auch der Nervenaustrittslöcher, der sogenannten Neuroforamina, gezeigt. Weiterhin besteht eine Gefühlsstörung an der Vorder-/Außenseite des rechten Oberschenkels, die Dr. H. dem Dermatom L4 zugeordnet hat. Eine entsprechende motorische Störung besteht dagegen nicht. Temporär komme es auch zu einer Schmerzausstrahlung ins rechte Bein zur Kleinzehenseite, wie Dr. H. mitgeteilt hat. Dies hat der Gutachter der Nervenwurzel S1 zugeordnet, wobei eine aktuelle sensible oder auch motorische Ausfallssituation nicht besteht. Das Muskelrelief war unauffällig. Entsprechende Hinweise auf eine ischialgieforme Beeinträchtigung der Beinfunktion bestanden bei der Begutachtung nicht. An der Lendenwirbelsäule besteht damit insoweit ein Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen, der mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten ist. Ständige oder intermittierende motorische Ausfallserscheinungen oder ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom konnte Dr. H. nicht nachweisen. An der Brustwirbelsäule ist die Bewegung gut, die Atembreite grenzwertig normal, wie Dr. H. mitteilen konnte. Schmerzen finden sich im Bereich vom oberen zum mittleren Drittel der Brustwirbelsäule links, die segmentale Funktion zeigte sich als nicht behindert. Röntgenologisch korreliere dies mit einer vermehrten Rundrückenhaltung/Kyphose der mittleren Brustwirbelsäule. Es zeigten sich bei Dr. H. die altersentsprechenden, aber keine das altersentsprechende Maß überschreitenden degenerativen Veränderungen. Höhergradige strukturelle knöcherne Veränderungen der Wirbelkörper fanden sich nicht. Die Funktionsbehinderungen der Brustwirbelsäule sind daher mit Dr. H. und entsprechend dem Funktionsbefund als gering und mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. An der Halswirbelsäule ist die Beweglichkeit altersentsprechend gut. Es bestanden bei der Untersuchung durch den Gutachter keine Schmerzen über den Wirbelverbindungsgelenken der Halswirbelsäule und ein unauffälliger Muskeltonus der gesamten Schulter-Nackenmuskulatur, wie auch der entsprechenden Muskelansätze. Die Schmerzprojektion geschah auf den Dornfortsatz des 7. Halswirbels und auch in Richtung zur Brustwirbelsäule. Auch röntgenologisch fanden sich bei Dr. H. die altersentsprechenden, aber keine höhergradigen degenerativen Veränderungen und klinisch keine Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallserscheinungen in die oberen Extremitäten. An der Halswirbelsäule ergibt sich, da eine eigentliche Pathologie fehlt und sich lediglich auf einen Schmerzpunkt an der Übergangszone von Hals- zur Brustwirbelsäule manifestiert allenfalls eine geringe Funktionsbehinderung, die mit einem Teil-GdB von unter 10 zu bewerten ist. Das Gesamtausmaß der Wirbelsäuleneinschränkungen ergibt sich aus mittelgradigen Einschränkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt und allenfalls leichten Auswirkungen in den beiden anderen Wirbelsäulenabschnitten, sodass mit den Vorgaben von B Nr. 18.9 VG ein höherer Einzel-GdB für das Funktionssystem des Rumpfes als 20 nicht angenommen werden kann. Auch aus dem Gutachten von Dr. K. ergeben sich keine Anhaltspunkt für einen höheren Einzel-GdB.

Im Funktionssystem der Arme hat Dr. H. in seinem Gutachten ein diskretes Impingement- und Bizepssehnensyndrom der linken Schulter, ohne Funktionsbeeinträchtigung beschrieben; die funktionellen Folgen sind nicht mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Es bestand an der linken Schulter klinisch ein Bewegungsschmerz, der dem Ansatz der langen Bizepssehne am Oberrand der Schultergelenkspfanne zuzuordnen ist. Die durchgeführten Funktionstests waren schmerzhaft aber ohne Einschränkung der Kraftentwicklung und der Schultergelenksfunktion; so konnte der Kläger den Arm bis 170-0-40o bzw. 160-0-40o (Normalmaß 180-0-(20-40)o) vor- und zurückheben. Röntgenologisch korreliert dies mit Dr. H. mit einer kleinen kalkdichten Verschattung am Ansatz der Bizepssehne, die als SLAP-Läsion Typ l degenerativer Art bezeichnet ist. Die restlichen Anteile der Rotatorenmanschette sind in Bewegungsausübung und Funktion unauffällig. Eine relevante Beeinträchtigung der Schultergelenke in der Beweglichkeit, den Funktionsgriffen und bei den Spontanbewegungen lässt sich aus den Befunden des Gutachters nicht erkennen. Es bestehen auch keine weiteren Beeinträchtigungen an den oberen Extremitäten. Das geringfügige Schnappgeräusch am Kleinfinger, wie auch ein gelegentlich auftretender Schmerz an der ulnaren Seite des linken Kleinfingers führen nicht zu einer Funktionsbeeinträchtigung, wie der Senat mit Dr. H. feststellen konnte. Hat der Kläger aber die Schwellenwerte von B Nr. 18.13 VG bei der Schultergelenksbeweglichkeit (maximales Armheben bis 120o) nicht erreicht und liegen – was Dr. H. bestätigt hat auch keine relevante Instabilitäten vor, so konnte der Senat die funktionellen Auswirkungen der Gesundheitsstörungen an den oberen Extremitäten nicht mit einem GdB von mindestens 10 bewerten, was auch der Einschätzung des Gutachters entspricht. Auch aus dem Gutachten von Dr. K. ergeben sich keine Anhaltspunkt für einen höheren Einzel-GdB.

Im Funktionssystem der Beine bestehen beim Kläger eine Ansatztendopathie der pelvitrochantären Muskulatur an der Dorsalseite des großen Rollhügels der rechten Hüfte, ohne höhergradige degenerative Veränderungen der Hüftgelenke sowie Anhaltspunkte für leichte mediale Chondromalazie beider Kniegelenke, ohne Reizzustand und ohne Funktionsbeeinträchtigung; die funktionellen Folgen sind nicht mit einem GdB von mindestens 10 zu bewerten. Im Beckenbereich hat der Kläger bei Dr. H. Schmerzen im Bereich der tiefliegenden Glutealmuskulatur des sogenannten Piriformismuskels der rechten Beckenhälfte bis zu diesem Ansatz an der Rückseite des großen Rollhügels der rechten Hüfte angegeben. Ein eigentlicher Leistendruckschmerz oder kapsulärer Hüftschmerz auf der ventralen Seite konnte Dr. H. aber nicht feststellen. Entsprechend war die Hüftgelenksbeweglichkeit auch seitengleich frei (jeweils 130-0-0o) mit jeweils weichem kapsulären Endanschlag. Röntgenologisch zeigen sich bei der Untersuchung durch Dr. H. allenfalls minimale Veränderungen, die als alterstypisch anzusehen sind und ein Ausmaß Kellgren l nicht überschreiten. An den Kniegelenken zeigte sich bei der gutachterlichen Untersuchung klinisch beidseits eine gute Beweglichkeit (135-0-0-o bzw. 140-0-0o), es fand sich kein Reizzustand im Sinne einer Schwellung oder einer Ergussbildung. Soweit daher mit Dr. H. eine Knorpelschädigung besteht, was auch schon die anderen vorliegenden Befunde, z.B. des Krankenhauses S. , angegeben hatten, konnte der Senat nicht feststellen, dass diese bereits das Stadium II bis IV erreicht hat, auch fehlen anhaltende Reizerscheinungen. Schmerzen hatte der Kläger beidseits angegeben in Projektion auf den vorder-/innenseitigen Gelenkspalt. Eine Meniskusreiz- oder -einklemmungssymptomatik konnte Dr. H. an beiden Kniegelenken nicht provozieren. Dies korreliert zu den kernspintomographisch am linken Kniegelenk erkennbaren leichten degenerativen Veränderungen des Gelenkknorpels, wie sie auch im Röntgenbild unter Belastung im Stehen nachweisbar waren. Allerdings konnte Dr. H. weitere reaktive Umbauvorgänge und ein klinisch erkennbarer Reizzustand, der sich in einer Schwellung der Gelenkkapsel oder Flüssigkeitsansammlung manifestieren würde, nicht feststellen. Kernspintomographisch war zwar eine degenerative Schädigung des Innenmeniskushinterhorns am linken Kniegelenk beschrieben, klinisch hatte sich aber ein Normalbefund gezeigt, als sich keinerlei Meniskussymptomatik im Bereich des dorsalen Drittels des linken Innenmeniskus provozieren ließ. Das gleiche gilt mit den Ausführungen von Dr. H. für das rechte Kniegelenk. Damit zeigte sich zwar bildgebend/kernspintomographisch eine Pathologie, die jedoch bei der klinischen Untersuchung kein Korrelat hat und daher nicht von Relevanz für den GdB ist, sodass der Senat im Hinblick auf die Vorgaben von B Nr. 18.14 VG im Funktionssystem der Beine einen Einzel-GdB von 10 nicht feststellen konnte. Auch aus dem Gutachten von Dr. K. ergeben sich keine Anhaltspunkt für einen höheren Einzel-GdB.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hatte, dass Dr. H. die Funktionsprüfungen im Liegen und damit nicht unter Belastung vorgenommen hatte, sodass weder die Schmerzen bei Belastung noch das Knacken und Knirschen im Knie unter Belastung erfasst worden seien, folgt ihm der Senat nicht. Aus den Gutachten von Dr. H. und den Angaben des Klägers zu der Untersuchung lässt sich nicht ableiten, dass die Untersuchung fehlerhaft durchgeführt worden wäre. Vielmehr hat Dr. H. im Rahmen seiner Untersuchung festgestellte Schmerzen und Kniegeräusche festgehalten, sodass die nach den maßgeblichen Bestimmungen der VG erforderlichen Umstände (Versteifung des Knies, Lockerung des Kniebandapparates, Kniescheibenbruch, Habituelle Kniescheibenverrenkung, Bewegungseinschränkungen, Knorpelschäden) festgestellt werden konnten. Dass die festgestellte Beweglichkeit bei Belastung nur unter Schmerzen erreicht werden kann, führt nicht zu einer höheren GdB-Bewertung.

Im Funktionssystem des Herz/Kreislaufs besteht beim Kläger die von Dr. V. beschriebene und medikamentös ausreichend gut behandelte arterielle Hypertonie, die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten ist. Lediglich während einer analgetischen Behandlung der Rückenschmerzen kam es zu überhöhten Blutdruckwerten, Folgeschäden im Sinne von Organbeteiligungen konnte Dr. V. ausschließen. Etwas anderes konnte der Senat auch nicht den vorliegenden Berichten des Krankenhauses S. entnehmen. Soweit der Kläger daher das Ergebnis der betriebsärztlichen Untersuchung (Ausschluss von Tätigkeiten, die volles Farbensehen erfordern) als Folge des Bluthochdrucks werten will, kann ihm der Senat angesichts der klaren Aussage des behandelnden Arztes nicht folgen. Damit konnte der Senat die Funktionsbehinderungen durch die arterielle Hypertonie lediglich mit einem GdB von 10 bewerten. Weitere Erkrankungen des Herzens sind nicht festzustellen, sodass sich ein höherer GdB nicht ergibt.

Der vom Betriebsarzt Dr. W. angegebene Ausschluss von Tätigkeiten, die volles Farbensehen erfordern, bedingt auch im Funktionssystem der Augen im Hinblick auf die Vorgaben von B Nr. 4 VG keinen GdB von mindestens 10.

Weitere Gesundheitsstörungen sind weder vorgetragen noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.

Damit ist beim Kläger ein höherer Gesamt-GdB als 20 nicht festzustellen. Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist dabei unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen zu bilden aus dem Einzel-GdB-Wert von - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes und - jeweils weniger als 10 in den Funktionssystemen der Arme und Beine sowie - 10 im Funktionssystem des Herz/Kreislaufs, wobei sich Einzel-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend auswirken (Teil A Nr. 3 Buchstabe d, ee) VG). Die Feststellung eines höheren GdB als 20 kommt damit derzeit nach Auffassung des Senats nicht in Betracht. Vorliegend spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung auch ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen, für die in den VG vom Verordnungsgeber ein Einzel-GdB von 50 vorgesehen ist. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach vergleichender Betrachtung so schwer beeinträchtigt wie sie mit denjenigen Behinderungen verbunden sind, für die der Verordnungsgeber einen GdB von 50 angenommen hat. Das ist z.B. der Fall bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) oder Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk stärkeren Grades z.B. mit Streckung/Beugung beidseitig nur bis 0-30-90o oder einer schweren Form des Bluthochdrucks mit Beteiligung mehrerer Organe (schwere Augenhintergrundveränderungen und Beeinträchtigung der Herzfunktion, der Nierenfunktion und/oder der Hirndurchblutung). Von derartigen Behinderungen und ihren Folgen ist der Kläger auch in der Zusammenschau seiner Leiden aber deutlichst entfernt, sodass ein GdB von mehr als 20 insgesamt nicht angenommen werden kann und auch ein GdB von 50 vorliegend nicht gerechtfertigt ist.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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