L 11 R 1384/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 2664/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1384/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.01.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger ab dem 01.03.2013 höhere Altersrente für langjährig Versicherte gewähren muss, weil seine rentenrechtlichen Zeiten, die er im Beitrittsgebiet zurückgelegt hat, nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zu bewerten seien.

Der 1950 in Leipzig geborene Kläger legte in der Zeit vom 01.09.1966 bis 25.10.1988 Beitragszeiten in der ehemaligen DDR zurück. Er war dort von September 1966 bis März 1981 im Postdienst und besuchte vom 01.09.1971 bis 13.02.1976 die Ingenieurschule. Am 26.10.1988 flüchtete er in die Bundesrepublik Deutschland. Er ist Inhaber eines Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge "C".

Mit bestandskräftigem Feststellungsbescheid vom 29.01.1990 stellte die Beklagte die rentenrechtlichen Zeiten bis zum 31.12.1983 verbindlich fest. Dabei ermittelte sie die Entgeltpunkte für Ausbildungszeiten vom 01.09.1966 bis 30.06.1968 und Pflichtbeitragszeiten vom 01.07.1968 bis 25.10.1988 nach den Anlagen 1 bis 16 des FRG und kennzeichnete die Zeiten mit "FRG".

Mit Bescheid vom 19.09.2003 (Bl 74 Verwaltungsakte) hob die Beklagte den Bescheid vom 29.01.1990 nach § 149 Abs 5 S 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf, da dieser nicht mehr dem nunmehr geltenden Recht entspreche und stellte die rentenrechtlichen Zeiten bis 31.12.1996 verbindlich fest. Dabei erkannte sie die Zeiten vom 27.10.1988 bis 29.04.1989 als Ersatzzeiten (Vertreibung, Flucht) an. Rechtsmittel gegen diesen Bescheid wurden nicht eingelegt.

Auf seinen Antrag auf Altersrente vom 19.09.2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 09.01.2013 (Bl 56 Verwaltungsakte) Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 01.03.2013 auf der Grundlage von 46,6491 persönlichen Entgeltpunkten (pEP) in Höhe von 1171,95 EUR monatlich. Die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten vom 01.09.1966 bis 25.10.1988 kennzeichnete sie mit "SVA" (Beitragspflichtiger Verdienst zur Sozialversicherung im Beitrittsgebiet).

Mit seinem am 23.01.2013 erhobenen Widerspruch beantragte der Kläger die Anrechnung der Zeiten vom 01.09.1966 bis 25.10.1988 nach dem Fremdrentengesetz (FRG) wie im Bescheid vom 29.01.1990. Zusätzlich sei der besondere Steigerungssatz von 1,5 % für die Zeit vom 01.09.1966 bis 19.03.1981 (Postdienstzeit) nicht berücksichtigt worden. Die Aufhebung des Bescheids vom 29.01.1990 nach § 149 Abs 5 S 2 SGB VI bedeute eine Wiederausgliederung aus dem westdeutschen Rentensystem. Es verstoße gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) und das Antidiskriminierungsgesetz, dass von dieser Regelung die vor 1937 geborenen Betroffenen ausgenommen seien. Alle ehemaligen DDR Bürger, die vor dem Mauerfall übergesiedelt seien, müssten gleichbehandelt werden.

Zwecks Überprüfung der Beschäftigungszeiten bei der D. P. legte der Kläger auf Anfrage der Beklagten erneut seinen Sozialversicherungsausweis der DDR vor. Mit Teilabhilfebescheid vom 17.04.2013 (Bl 142 Verwaltungsakte) stellte die Beklagte die Altersrente für langjährig Versicherte auf der Grundlage von 46,7788 pEP in Höhe von 1178,49 EUR neu fest. Dabei erfolgte eine neue Berücksichtigung der Beitragszeit vom 01.03.1971 bis zum 31.12.1973 unter Berücksichtigung von Verdienst aufgrund von Zahlungen zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung im Beitrittsgebiet (FZR) nach § 256a Abs 2 SGB VI. Die Beklagte wies darauf hin, dass der Bescheid nach § 86a Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2013 (Bl 163 Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Für die Bewertung der Beitragszeiten in der ehemaligen DDR seien die §§ 256a bis 256c SGB VI maßgeblich. Nach der Sonderreglung des § 259a Abs 1 SGB VI seien nur die Pflichtbeitragszeiten der vor 1937 geborenen Versicherten statt nach dem SGB VI nach den Anlagen 1 bis 16 zum FRG zu ermitteln.

Hiergegen hat der Kläger am 29.07.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren vollumfänglich aufrechterhalten und weiterhin die Zahlung einer höheren Rente unter Bewertung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG begehrt. Sein weiteres Begehren, den Steigerungssatz für Beschäftigte der D. P. von 1,5% für den Zeitraum von September 1966 bis 19.03.1981 anzuerkennen, hat er ausdrücklich nicht weiterverfolgt (vgl Protokoll des Erörterungstermins vom 19.12.2013, Bl 33 SG-Akte).

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen. Sie sei bei ihrem Handeln an das geltende Recht und Gesetz gebunden. Mit dem Feststellungsbescheid werde der Rechtscharakter und der zeitliche Umfang eines rentenrechtlich bedeutsamen Tatbestandes festgestellt. Über die Anrechnung und Bewertung der Sozialdaten werde keine bindende Feststellung getroffen, da hierüber nach § 149 Abs 5 Satz 3 SGB VI erst im Leistungsfall entschieden werden dürfe.

Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 19.12.2013 hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2014 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente mit Bewertung der in der ehemaligen DDR zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG. Die Rechtsänderung Anfang der 1990er Jahre und die Neugestaltung der rentenrechtlichen Stellung von Flüchtlingen und Übersiedlern aus der ehemaligen DDR (keine Ermittlung von Entgeltpunkten mehr nach dem FRG für nach dem 01.01.1937 Geborene, § 259a Abs 1 SGB VI) sei verfassungskonform und die Beklagte habe das einfache Recht in zutreffender Weise angewandt. Die Ersetzung der Regelungen des FRG durch eine fiktive Zuerkennung von in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragsversicherten Entgelten nach Maßgabe der allgemeinen Regelungen des Überleitungsrechts verstießen nicht gegen das allgemeine rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip. Eine unzulässige Rückwirkung liege nicht vor. Der Kläger könne auch keinen Vertrauenstatbestand geltend machen.

Gegen den ihm am 05.02.2014 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 13.02.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt (früheres Aktenzeichen des Senats L 11 R 789/14). Auf Antrag der Beteiligten ist das Verfahren mit Beschluss vom 22.05.2014 ruhend gestellt worden, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Verfassungsbeschwerde mit dem Aktenzeichen 1 BvR 713/13 abzuwarten.

Am 06.04.2017 hat die Beklagte das Verfahren wieder aufgerufen.

Zur Begründung der Berufung hat der Kläger ausgeführt, das Rentenüberleitungsgesetz vom 25.07.1991 verstoße aus seiner Sicht gegen das allgemeine rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip sowie gegen den Gleichheitssatz aus Artikel 3 Abs 1 des Grundgesetzes. Es sei willkürlich, dass für den Personenkreis der vor 1937 geborenen weiterhin die Bewertung nach dem FRG stattfinde, aber für ihn nicht.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.01.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.01.2013 in der Fassung des Bescheids vom 17.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2013 zu verurteilen, ihm ab 01.03.2013 höhere Altersrente unter Bewertung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten vom 01.09.1966 bis 25.10.1988 nach dem FRG zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Ausführungen des SG und des Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.12.2016, 1 BvR 713/13, Bezug.

In einem Erörterungstermin am 26.10.2017 hat der Berichterstatter die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten eingehend erörtert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 09.01.2013 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 17.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente mit Bewertung der in der ehemaligen DDR zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.

Für das Begehren des Klägers, die vom 01.09.1966 bis 25.10.1988 im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe des FRG zu bewerten, gibt es keine Rechtsgrundlage. Die Beklagte hat zu Recht die vom 01.09.1966 bis 25.10.1988 in der ehemaligen DDR zurückgelegten Zeiten als Beitragszeiten nach § 248 Abs 3 SGB VI berücksichtigt und pEP nach § 256a SGB VI ermittelt (vgl zum Ganzen BSG 14.12.2011, B 5 R 36/11 R, SozR 4-2600 § 248 Nr 1). Der Kläger wird damit - wie grundsätzlich alle anderen, die vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht Beitragszeiten im Beitrittsgebiet zurückgelegt haben - dem Überleitungsprogramm des Einigungsvertrages und der nachfolgenden rentenrechtlichen Bestimmungen unterworfen. Für die Wertbestimmung seines Rentenrechts ist aufgrund gesetzlich angeordneter Gleichstellung und entsprechend den allgemeinen Grundlagen des bundesdeutschen Rentenrechts auch insofern das im Beitrittsgebiet individuell beitragsversicherte Erwerbseinkommen maßgeblich. Dagegen gehört der Kläger nicht zum Kreis derjenigen, deren pEP für Pflichtbeitragszeiten vor dem 19.5.1990 ausnahmsweise weiterhin aufgrund der Anlage 1 bis 16 zum FRG ermittelt werden. Dies sind gemäß § 259a SGB VI nur diejenigen, die am 18.05.1990 einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik ohne das Beitrittsgebiet hatten und vor dem 01.01.1937 geboren sind. Zwar hatte der Kläger am 18.05.1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet, doch wurde er erst 1950 geboren.

Im Zuge der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands erfolgte eine Änderung des FRG und eine Neugestaltung der rentenrechtlichen Stellung der Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR. Der zum 01.01.1992 neu gefasste § 15 Abs 1 FRG (Art 14 Nr 14a des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.07.1991 - Renten-Überleitungsgesetz - RÜG, BGBl I 1606) schließt die Anwendbarkeit des FRG auf im Beitrittsgebiet zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten aus. Ebenso wurde zum 01.01.1992 die Norm des § 17 Abs 1 FRG aF gestrichen (Art 14 Nr 16b RÜG), wonach in der ehemaligen DDR zurückgelegte Zeiten als "fremde" Zeiten angesehen und unter Anwendung der FRG-Vorschriften anerkannt wurden. Gleichzeitig fügte der Gesetzgeber neue Vorschriften in das SGB VI ein. Bereits die zum 01.01.1992 in Kraft getretenen Neuregelungen sahen eine Anwendung des FRG in Abhängigkeit von einem Rentenbeginn vor dem 01.01.1996 nur noch übergangsweise vor (§ 259a SGB VI idF des Art 1 Nr 75 RÜG). Im Jahre 1993 erfolgte dann rückwirkend zum 01.01.1992 die Begrenzung auf den Personenkreis der vor dem Jahr 1937 geborenen Versicherten (§ 259a SGB VI idF des Art 1 Nr 16 Buchst b des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes (Rü-ErgG) vom 24.06.1993, BGBl I 1038).

Die einfachgesetzlichen Vorschriften der §§ 256a, 259a SGB VI verstoßen nicht gegen das GG und verletzen keine Grundrechte des Klägers. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung und Urteilsbildung den Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinen Urteilen vom 29.07.1997 (Az 4 RA 56/95) und vom 14.12.2011 (Az B 5 R 36/11 R) an. Demnach verstößt die Ersetzung der Regelungen des FRG durch eine fiktive Zuerkennung von in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragsversicherten Entgelten nach Maßgabe der allgemeinen Regelungen des Überleitungsrechts nicht gegen das allgemeine rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG). Rechtsstaatsprinzip und Grundrechte begrenzen die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung ist eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Jedoch geht der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz nicht so weit, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu schützen. Die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde auch in der Zukunft unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt (BSG 14.12.2011, B 5 R 36/11 R, aaO juris Rn 20, 21).

Auch Art. 14 Abs 1 GG ist nicht verletzt. Rentenanwartschaften, die in der DDR begründet wurden und im Zeitpunkt ihres Beitritts zur Bundesrepublik bestanden, nehmen am Schutz des Art 14 Abs 1 GG teil. Dieser Schutz kommt den Rentenanwartschaften aber nur in der Form zu, die sie aufgrund des EinigVtr erhalten haben (vgl BVerfGE 100, 1 (37)). Die konkrete Reichweite der Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der gesetzgeberischen Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (vgl BVerfGE 53, 257 (292)). Weder aus dem in Art 30 Abs 5 S 1 EinigVtr vorgesehenen RÜG noch aus dem Rü-ErgG ergibt sich indes eine über § 259a SGB VI hinausgehende Pflicht zur Bewertung rentenrechtlicher Zeiten (vgl BVerfG 13.12.2016, 1 BvR 713/13, NJW 2017, 876).

Es liegt weder eine unzulässige Rückwirkung vor noch war der Kläger aus anderen Gründen vor einer Änderung der Rechtslage geschützt. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift oder wenn der Beginn seiner zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist. Die Ersetzung der FRG-Regelungen für den Personenkreis, dem der Kläger angehört, hat keine echte Rückwirkung entfaltet. Sie beschränkt sich vielmehr auf künftig entstehende Rentenrechte (BSG 14.12.2011, B 5 R 36/11 R, juris Rn 23). Allein das Vertrauen in den Fortbestand einer gesetzlichen Lage ist nicht schutzwürdig (BVerfG 13.12.2016, 1 BvR 713/13, NJW 2017, 876). Überdies ist in Rentenanwartschaften von vornherein die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen angelegt (vgl. BVerfGE 11, 221 (226); 22, 241 (253)).

Die Ersetzung der FRG-Regelungen bewirkt auch keine unzulässige unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung. Insbesondere hatte der Wert künftiger Rentenrechte durch die Rechtsordnung keine Ausgestaltung erfahren, die für alle Zeiten eine verfestigte Anspruchsposition begründete. Gerade das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, das auch im Bereich eigentumsgeschützter Positionen kontinuierlich Veränderungen der äußeren Bedingungen Rechnung tragen muss, ist von einem systemimmanenten Zwang zu Veränderung beherrscht. Insbesondere ist eine gesicherte Anspruchsposition nicht für Personen wie den Kläger begründet worden, die der Systemwechsel rund zwei Jahrzehnte vor der frühest denkbaren Entstehung eines Rechts auf Altersrente traf und die daher auch in der Lage waren, in nicht unbedeutendem Umfang weitere Rentenanwartschaften in der Bundesrepublik aufzubauen (vgl dazu BVerfG 13.12.2016, 1 BvR 713/13 aaO Rn 16; BSG 14.12.2011, B 5 R 36/11 R, aaO juris Rn 26).

Der allgemeine Gleichheitssatz der Verfassung ist ebenfalls nicht verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 116, 164 (180); 122, 210 (230)). Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von einem bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an die Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 110, 274 (291); 122, 210 (230)). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz ist vom Bundesverfassungsgericht nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl. BVerfGE 84, 348 (359 mwN); 110, 412 (436)).

Die vom Gesetzgeber gewählte Stichtagsregelung des § 259a SGB VI verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Die Stichtagsregelung hat zur Folge, dass es nur für die vor dem 01.01.1937 Geborenen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am 18.05.1990 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet hatten, bei der Anwendung des vor Einführung der §§ 256a und b SGB VI geltenden Rechts bleibt. Allein für diesen Personenkreis werden daher Entgeltpunkte weiter auf der Grundlage des FRG ermittelt, während umgekehrt für alle nach dem 31.12.1936 Geborenen und diejenigen, die am 18.05.1990 keinen gewöhnlichen Aufenthalt im alten Bundesgebiet hatten, das Überleitungsrecht des SGB VI gilt. Dem Gesetzgeber ist es durch Art 3 Abs 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Die Wahl des Zeitpunkts muss sich allerdings am gegebenen Sachverhalt orientieren (BSG 14.12.2011, B 5 R 36/11 R, juris Rn 29 unter Hinweis auf BVerfG 07.07.1992, 1 BvL 51/86 ua). Der gewöhnliche Aufenthalt in der Bundesrepublik am 18.05.1990 führte zunächst aus Gründen des Vertrauensschutzes (vgl BT-Drucks 12/405, S 128) nur noch bei Rentenbeginn vor dem 01.01.1996 (§ 259a SGB V idF des RÜG), dann aus Gründen der Vereinfachung (BT-Drucks 12/4810, S 24 f) nur noch bei einem Geburtsdatum vor dem 01.01.1937 (§ 259a SGB VI idF des Rü-ErgG) zur Anwendung der alten Rechtslage. Hierbei handelt es sich um sachlich gerechtfertigte Gründe, die für das Funktionieren einer Massenverwaltung wie der gesetzlichen Rentenversicherung unerlässlich sind (vgl BSG 29.07.1997, RA 56/95, juris Rn 18 mwN). Letztendlich musste der Gesetzgeber - wie bei jeder Stichtagsregelung - zwischen dem Vertrauen der Betroffenen in die bestehende und den Gründen für eine andere - für einige Betroffene ungünstigere - Regelung abwägen. Wenn er bei den bis 1937 Geborenen, damals relativ rentennahen Jahrgängen dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und damit einer typisierenden Regelung und nicht einer individuell ausgestalteten Regelung den Vorzug gab, ist dies nicht zu beanstanden (BSG 29.07.1997, 4 RA 56/95). Für den Personenkreis der ab 1937 Geborenen wirkten sich die Neuregelungen grundsätzlich erst allmählich aus. Erst wenn für den Einzelnen der Versicherungsfall eintritt, erfassen ihn die Neuregelungen. Bis dahin bestand im Regelfall die Möglichkeit, sich auf die Neuerungen einzustellen (BSG 14.12.2011, B 5 R 36/11 R, juris Rn 30).

Gerade im Bereich der Rentenversicherung sind vielfach Veränderungen nötig, um geänderten Bedingungen - wie hier der deutschen Einheit - Rechnung tragen zu können. Eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung des Bürgers, er werde - den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt - in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, ist mangels hinreichender Konkretisierung kein geschütztes Recht (vgl BVerfG 07.12.2010, 1 BvR 2628/07; 13.12.2016, 1 BvR 713/13, NJW 2017, 876, jeweils mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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