L 10 R 4296/17 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 3257/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4296/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.10.2017 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und, insoweit unter Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung, erstinstanzliche Verfahren endgültig auf 13.576,08 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen in Höhe von 54.304,32 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 (streitiger Zeitraum).

Die Antragstellerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Schreinerei. Einzige Gesellschafterin ist die nach Angaben der Klägerin als Lehrerin tätige Ehefrau des alleinigen und einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführers und Schreinermeisters, der von der Antragstellerin im streitigen Zeitraum ein monatliches Entgelt in Höhe von 2.500 EUR bzw., seit Dezember 2014, von 2.950 EUR bezieht. Sozialversicherungsbeiträge wurden in der Annahme einer selbständigen Tätigkeit nicht abgeführt.

Nach durchgeführter Betriebsprüfung und Anhörung forderte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30.08.2016 Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Tätigkeit des Geschäftsführers in Höhe von insgesamt 54.304,32 EUR für den streitigen Zeitraum, monatlich und dem jeweiligen Zweig der Sozialversicherung zugeordnet.

Am 26.09.2017 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des unmittelbar darauf eingelegten Widerspruchs beantragt. Mit Beschluss vom 16.10.2017, am 17.10.2017 der Antragstellerin zugestellt, hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Die von der Antragstellerin in Anspruch genommene entsprechende Anwendung des § 7a Abs. 7 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) hat das Sozialgericht verneint, es hat unter Darlegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) das Überwiegen von Merkmalen abhängiger Tätigkeit angenommen und das Bestehen von Vertrauensschutz wegen einer Änderung der Rechtsprechung verneint.

Hiergegen richtet sich die am 13.11.2017 erhobene Beschwerde, die nicht begründet worden ist.

II.

Der Senat entscheidet, obwohl die Antragstellerin ihre Beschwerde nicht begründet hat. Denn ihr ist mit gerichtlicher Verfügung vom 14.11.2017 zur Vorlage einer Begründung eine Frist von zwei Wochen gesetzt worden. Diese Frist ist, nachdem die Verfügung der Antragstellerin am 17.11.2017 zugegangen ist, am 01.12.2017 abgelaufen. Soweit die Antragstellerin am 06.12.2017 einen Antrag auf Fristverlängerung angekündigt - aber nicht gestellt - hat, wäre diesem schon deshalb nicht stattzugeben, weil die Frist bereits abgelaufen ist.

Die nach § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen, zu Recht abgelehnt. Dem entsprechend ist die Beschwerde zurückzuweisen. Dabei hat der Senat im Interesse einer zügigen Erledigung des Begehrens auf einstweiligen Rechtsschutz die eigentlich vorzunehmende Prüfung nach § 73 SGG zugunsten der Antragstellerin hintangestellt.

Das Sozialgericht hat in den Gründen der angefochtenen Entscheidung zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (§ 86b SGG) und die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen auf Grund einer Betriebsprüfung (§ 28p SGB IV) dargestellt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass und warum hier eine Anwendung des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV ausscheidet, sich der vorläufige Rechtsschutz vielmehr nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG richtet, und derzeit nicht von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des mit Widerspruch angefochtenen Bescheides auszugehen ist. Auch das Bestehen von Vertrauensschutz hat das Sozialgericht angesichts der vom Beitragssenat des BSG jedenfalls im Jahre 2012 geäußerten Zweifel an der sog. "Kopf-und-Seele-Rechtsprechung" der für das Leistungsrecht zuständigen Senate verneint. Der Senat sieht deshalb gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG insoweit von einer weiteren Begründung ab und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Die Ausführungen des Sozialgerichts korrigierend weist der Senat darauf hin, dass bislang keine Tatsachen bekannt sind, die eine Begründung für die Annahme zuließen, der Geschäftsführer der Antragstellerin sei Beschäftigter, also in den Betrieb der Antragstellerin eingegliedert und ihrem Weisungsrecht unterworfen. Die Antragsgegnerin hat es bislang versäumt, die konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit des Geschäftsführers im Einzelnen aufzuklären. Sowohl sie als auch das Sozialgericht schließen allein aus der fehlenden Beteiligung des Geschäftsführers am Kapital der Antragstellerin auf abhängige Tätigkeit. Dies entspricht schon im Ansatz nicht der geltenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur Urteil vom 11.11.2015, B 12 R 2/14 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 27). Dem entsprechend wird die Antragsgegnerin den Sachverhalt im Rahmen des Widerspruchverfahrens von Amts wegen und unter Heranziehung der Antragstellerin aufzuklären haben, wozu insbesondere die vertraglichen Grundlagen der Tätigkeit des Geschäftsführers gehören.

Aus diesem Defizit des Verwaltungsverfahrens folgen allerdings im vorliegenden Fall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Denn die Antragstellerin behauptet gar nicht, ihr Geschäftsführer sei nicht beschäftigt. Dies enthebt die Antragsgegnerin zwar nicht von ihrer Pflicht, den beurteilungsrelevanten Sachverhalt aufzuklären, weil es nicht auf die rechtliche Beurteilung der Antragstellerin ankommt. Indessen kann hieraus auch nicht geschlossen werden, dass möglicherweise gar keine abhängige Tätigkeit vorliegt. Inwieweit deshalb der Ausgang des Widerspruchsverfahrens als offen zu beurteilen wäre, bedarf keiner Entscheidung, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides jedenfalls zu keiner erkennbaren oder auch nur behaupteten besonderen Härte i.S. des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG führen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Zivilprozessordnung.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 bis 3, 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG), hinsichtlich der Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung auf § 63 Abs. 3 GKG. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist Gegenstand des Verfahrens und damit Grundlage der Streitwertfestsetzung eine konkrete Beitragsforderung in Höhe von 54.304,32 EUR, wobei in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hiervon ein Viertel festzusetzen ist.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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