Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 1201/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 199/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.12.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtzügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die am 1957 geborene, aus dem ehemaligen J. stammende Klägerin siedelte im Jahr 1973 in die Bundesrepublik Deutschland über. Einen Beruf erlernte sie nicht. Von 1973 bis 1984 war die Klägerin zunächst als Metallarbeiterin beschäftigt und anschließend bis 1988 wegen Kindererziehung nicht beruflich tätig. Nachfolgend war die Klägerin - unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit - versicherungspflichtig in verschiedenen Bereichen im Verkauf tätig. Ab März 2001 übte die Klägerin geringfügige Beschäftigungen aus und war zeitweise versicherungspflichtig (zuletzt bis Dezember 2011 und im März 2013) beschäftigt. Von Februar 2014 bis zumindest Februar 2016 ist sie geringfügig beschäftigt gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 25.08.2016 (Bl. 47/50 Senats-Akte) verwiesen.
Bei der Klägerin kommt es seit Ende der 90er Jahre zu depressiven Störungen, die mehrmals stationäre Behandlungen (2006 und 2010) im Zentrum für Psychiatrie W. (ZfP) erforderlich machten. In den Jahren 1999, 2005, 2008 und 2009 gestellte Anträge der Klägern auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung blieben jeweils erfolglos. Im Zusammenhang mit dem zuletzt gestellten Antrag wurde die Klägerin im April 2010 von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. gutachtlich untersucht, der mit Ausnahme einer morosen Verstimmung bei allenfalls leicht eingeschränkter affektiver Modulationsfähigkeit von psychiatrischer Seite unauffällige Befunde erhob. Er beschrieb eine histrionische Persönlichkeitsakzentuierung und sah im Hinblick auf die beklagten schweren Wirbelsäulenschmerzen auf Grund der auffälligen Divergenz zwischen beobachtetem und vermeintlich unbeobachtetem Verhalten der Klägerin Hinweise für eine Verdeutlichung. Insoweit ging er von geringgradigen Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und der Kniegelenke ohne radikuläres Defizit aus und erachtete die Klägerin für in der Lage, leichte bis mittelschwere Wechseltätigkeiten ohne häufiges Bücken, Hocken oder Knien, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Zeitdruck und ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr zu verrichten.
Ende Juni 2013 wurde bei der Klägerin ein Mamma-Carzinom links diagnostiziert, das zunächst operativ (brusterhaltend) und nachfolgend mit Bestrahlungen behandelt wurde.
Am 29.08.2013 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und verwies auf das diagnostizierte Mamma-Carzinom, ihre fehlende körperliche und psychische Belastbarkeit, die seit über 20 Jahren rezidivierende Depression, weitere psychische Beeinträchtigungen und auf massive körperliche Einschränkungen durch einen Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und der Halswirbelsäule (HWS). Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch Obermedizinalrätin (OMR) Kähler, die die Klägerin am 02.10.2013 untersuchte und eine bösartige Erkrankung der linken Brust (derzeit ohne Hinweis auf Rezidiv, Metastasen oder Lymphödem), eine rezidivierende depressive Störung (zur Zeit verschlimmert bei bösartiger Grunderkrankung), degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Cervical- und Lumbalbeschwerden, eine Hüftgelenksarthrose beidseits sowie ein Übergewicht beschrieb. Sie erachtete die Klägerin für in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen oder Gehen vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, schweres Heben und Tragen, Zwangshaltungen, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Überkopfarbeiten, Arbeiten mit besonderer Beanspruchung des linken Armes sowie Arbeiten, die eine erhöhte Anforderung an das Anpassungsvermögen stellten. Nachfolgend wurde die Klägerin vom 16.10. bis 06.11.2013 im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der onkologischen Abteilung der M. Klinik behandelt (Diagnosen: u.a. bipolare affektive Störung, gegenwärtig leichte oder mittelgradige depressive Episode) und für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sowie für Tätigkeiten als Verkäuferin sechs Stunden und mehr für leitungsfähig erachtet. Im Entlassungsbericht ist weiter ausgeführt, dass die Klägerin auf Grund der gynäkologisch-onkologischen Erkrankung vollschichtig arbeitsfähig sei, dies auf Grund der langjährigen psychiatrischen Vorgeschichte und der Einschränkungen durch rasche Stimmungswechsel, Antriebsstörung und Konzentrationsschwäche aktuell nicht der Fall "scheint"; sozialmedizinisch könne dies nur bedingt eingeschätzt werden. Im Rahmen der erfolgten psychologischen Einzelberatung wurde der Klägerin die Aufnahme einer ambulanten Verhaltenstherapie dringend empfohlen.
Mit Bescheid vom 08.01.2014 und Widerspruchbescheid vom 31.03.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, sie könne trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch zumindest sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, weshalb kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung bestehe. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme schon im Hinblick auf ihren beruflichen Werdegang nicht in Betracht.
Am 11.04.2014 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben, mit der sie im Wesentlichen geltend gemacht hat, ihr überaus schlechter Gesundheitszustand habe sie zur Aufgabe jeglicher Berufstätigkeit gezwungen. Sie sei nicht in der Lage, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein und daher voll erwerbsgemindert. Im Laufe des Verfahrens hat sie den Arztbrief des Facharztes für Anästhesiologie L. vom 16.12.2014 über die erfolgte Vorstellung im Schmerzzentrum Ellwangen vorgelegt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. P. hat von einer langjährigen mittel- bis schwergradigen Depression mit generalisierter Angststörung berichtet, die sich mit der Diagnose des Mammakarzinoms deutlich verschlechtert habe. Zur Ausübung beruflicher Tätigkeiten sei die Klägerin nicht in der Lage. Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. B. hat von Vorstellungen der Klägerin im Dezember 2010, Mai 2013 und Februar 2014, den Diagnosen eines Fibromyalgiesyndroms, einer mittelgradigen Coxarthrose (links mehr als rechts) und eines degenerativen LWS-Syndroms mit Bandscheibenvorfall L5/S1 links berichtet und ausgeführt, die Klägerin könne leichten Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne häufiges Bücken und ohne Zwangshaltungen mit Sitzen "über Stunden" nachgehen. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. hat von Vorstellungen der Klägerin seit 1998 wegen der Stimmung und Ängsten, Stimmungsschwankungen, gelegentlichem Herzklopfen und Migräne (selten) berichtet. Als gestellte Diagnosen hat er eine Cephalgie, eine Dysthymia, ein Karpaltunnelsyndrom, eine Migräne ohne Aura und eine rezidivierende depressive Störung aufgeführt. Die Symptomatik sei schwankend, ohne durchgreifende Veränderung. Im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit hat er vermehrten Stress und Schichtdienst nicht mehr für zumutbar erachtet.
Das SG hat sodann das Gutachten, nebst ergänzender Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. eingeholt, der die Klägerin im Oktober 2014 untersucht hat. Diagnostisch ist er von einer rezidivierenden depressiven Störung und Angst, einem schmerzhaften Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Beschwerden, einem Karpaltunnelsyndrom beidseits sowie einer Migräne ausgegangen. Arbeiten überwiegend unter Zeitdruck, unter hoher Verantwortung und mit besonderer Anforderung an das Auffassungs- und Umstellungsvermögen bzw. an die Konzentration hat er wegen der Depressivität weitgehend ausgeschlossen und Arbeiten im Kundenverkehr nur begrenzt für möglich gehalten. Das Wirbelsäulensyndrom schließe schweres Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in Nässe und Kälte, Überkopfarbeiten und Arbeiten in Zwangshaltung (ständiges Stehen oder Sitzen, ohne die Möglichkeit umher zu gehen) aus und das Karpaltunnelsyndrom beeinträchtige die Klägerin beim Hantieren mit schweren Gegenständen, beim Halten und Montieren sowie bei feinmotorischen Tätigkeiten. Leidensgerechte Tätigkeiten hat er in einem Umfang von drei bis weniger als sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet. Die Beklagte hat hierzu unter Vorlage sozialmedizinischer Stellungnahmen der Fachärztin für Psychosomatische Medizin Dr. D. Einwendungen erhoben. Das SG hat sodann das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. auf Grund Untersuchung der Klägerin im Juni 2015 eingeholt. Der Sachverständige hat eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, eine Dysthymia, eine Angststörung, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend histrionischen Zügen sowie ein Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit diagnostiziert und die Klägerin für in der Lage erachtet, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Akkordtätigkeiten und andere taktgebundene Tätigkeiten, ohne besondere Verantwortung für Menschen oder Maschinen, ohne Publikumsverkehr, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 5 kg, ohne Überkopfarbeiten sowie ohne besondere Unfallfallgefahr (keine Tätigkeiten auf Treppen, Leitern und/oder Gerüsten) drei bis unter sechs Stunden täglich zu verrichten. Hiergegen hat die Beklagte unter Vorlage einer weiteren sozialmedizinischen Stellungnahme der Dr. D. Einwendungen erhoben.
Mit Urteil vom 11.12.2015 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.11.2014 bis 31.10.2017 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es ist gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin lediglich noch über ein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden täglich verfüge, was auch mit der Einschätzung des Sachverständigen Dr. L. in Einklang stehe. Der Zustand der Klägerin habe sich zeitlich nach der gutachtlichen Untersuchungen durch OMR K. verschlechtert, wobei der Leistungsfall im April 2014 (Mitte zwischen den Untersuchungen durch OMR K. und Dr. L. ) eingetreten sei.
Gegen das der Beklagten am 30.12.2015 zugestellte Urteil hat diese am 15.01.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, dem Gutachten des Dr. D. ließen sich gravierende Beeinträchtigungen, die auf ein quantitativ gemindertes Leistungsminderung hinweisen könnten, nicht entnehmen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.12.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat den Entlassungsbericht des ZfP vom 27.03.2016 über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 16.02. bis 15.03.2016 zu dem Verfahren beigezogen und hierzu sowie zu den von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen sein Gutachten eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme des Dr. D. eingeholt. Darüber hinaus hat der Senat Dr. A. ergänzend zu seiner dem SG erteilten Auskunft schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört und schließlich das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. eingeholt, der die Klägerin im Dezember 2016 untersucht hat. Der Sachverständige hat eine Dysthymia, eine somatoforme Schmerzstörung bei psychischen und organischen Faktoren sowie ein Karpaltunnelsyndrom rechts diagnostiziert und die Klägerin für in der Lage erachtet, leichte und kurzfristig mittelschwere körperliche Arbeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit Verantwortung für Personen, mit Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge, Tätigkeiten unter Zeitdruck (Akkord), Arbeiten, die eine besondere psychische Belastbarkeit erfordern, Tätigkeiten in Zwangshaltung, Nachtschicht sowie extreme physikalische oder chemische Belastungen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Beklagten ist auch begründet.
Das SG hätte die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide nicht verurteilen dürfen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.11.2014 bis 31.10.2017 zu gewähren. Denn es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ablehnte. Da bei der Klägerin volle oder teilweise Erwerbsminderung (auch im April 2014) nicht eingetreten ist, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Für den Senat ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die rezidivierende depressive Störung, die Dr. D. auf der Grundlage seiner Untersuchung im Juni 2015 als mittelschwere Episode qualifiziert und die bei der Klägerin deutliche Störungen der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen verursacht hat, woraus der Sachverständige ein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen abgeleitet hat, in diesem Ausprägungsgrad bereits im April 2014 - dem vom SG angenommenen Versicherungsfall - vorhanden gewesen ist und darüber hinaus ununterbrochen auf nicht absehbare Zeit auch nach der in Rede stehenden Untersuchung noch fortbestanden hat. Damit ist nicht festzustellen, dass die Klägerin im Sinne der oben dargelegten Regelungen im Zeitraum vom 01.11.2014 bis 31.10.2017 zumindest teilweise erwerbsgemindert gewesen ist, was wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes zu dem geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung geführt hätte.
Die Klägerin ist in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit in erster Linie durch Gesundheitsstörungen von Seiten des psychiatrischen Fachgebietes eingeschränkt, wobei ganz im Vordergrund eine rezidivierende depressive Störung mit immer wieder auftretenden Krankheitsepisoden steht. Da die Klägerin auch zwischen den einzelnen depressiven Episoden unter einer leichteren chronifizierten depressiven Störung im Sinne einer Dysthymie leidet, liegt eine sog. doppelte Depression vor, bei der die Dysthymie durch die depressiven Episoden der rezidivierend depressiven Störung überlagert wird. Hiervon geht der Senat auf der Grundlage der überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. D. aus. Hiermit in Einklang stehen auch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. , der für den Zeitpunkt seiner Untersuchung das Vorliegen einer depressiven Episode im Rahmen der rezidivierenden depressiven Störung verneint und die rezidivierende depressive Episode als komplett remittiert beschrieben hat, aber angesichts der leichtgradigen ängstlich-depressiven Symptomatik von einer Dysthymia ausgegangen ist.
Bei einer rezidivierenden depressiven Störung handelt es sich - wie Dr. D. dargelegt hat (Bl. 154 SG-Akte) - um eine Erkrankung die in Phasen verläuft, wobei die depressive Symptomatik einen unterschiedlichen Ausprägungsgrad haben kann. So traten bei der Klägerin bereits weit vor Antragstellung im Zusammenhang mit psychosozialen Belastungsfaktoren immer wieder Episoden dieser depressiven Störung auf, wobei der Ausprägungsgrad bspw. im Jahr 2006 eine Schwere erreichte, die mehrere stationäre Aufnahmen notwendig machte. Je nach Ausprägungsgrad der depressiven Störung kann die Erkrankung dementsprechend mit Episoden einhergehen, die Arbeitsunfähigkeit bedingen, gleichermaßen aber auch mit Episoden lediglich geringerer Beeinträchtigungen; auch können Zeiten einer vollständigen Remission vorliegen. In diesem Sinne ist es bei der Klägerin, ausgehend von der psychischen Belastung durch das Ende Juni 2013 diagnostizierte Mamma-Carcinom, zu einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik gekommen. Dies entnimmt der Senat den aktenkundigen Arztbriefen des behandelnden Psychiaters Dr. A. , der für die Vorstellung der Klägerin im Mai 2015 einen im Wesentlichen unauffälligen Befund dokumentierte (vgl. Arztbrief vom 15.05.2013, Bl. 36 SG-Akte), anlässlich der nachfolgend im Juli und September 2013 erfolgten Untersuchungen mit Bezug auf die zwischenzeitlich gestellte Diagnose nunmehr jedoch eine depressiv-ängstliche Stimmung und Stimmungsschwankungen beschrieb (vgl. Arztbriefe vom 08.07. und 05.09.2013, Bl. 37, 38 SG-Akte). Auch die auf Grund des Rentenantrags der Klägerin mit einer gutachtlichen Untersuchung beauftragte OMR K. dokumentierte für den Zeitpunkt ihrer Untersuchung Anfang Oktober 2013 eine Niedergeschlagenheit und eine leichte Antriebsminderung, die sie mit dem diagnostizierten Mamma-Carcinom in Verbindung brachte und beschrieb diagnostisch eine rezidivierende depressive Störung, zur Zeit verschlimmert bei bösartiger Erkrankung. Schwerwiegende funktionelle Beeinträchtigungen resultierten hieraus nicht, weshalb OMR K. aus diesem Befund auch keine Auswirkungen auf das quantitative Leistungsvermögen der Klägerin herleitete. In diesem Sinne hat sich auch Dr. D. geäußert, der darauf hingewiesen hat, dass die von ihm beschriebene Symptomatik Anfang Oktober 2013 noch nicht vorlag, und auch das SG hat dementsprechend keine Anhaltspunkte für eine seinerzeit bereits vorhanden gewesene rentenrelevante Leistungsminderung gesehen. Schwerwiegende Beeinträchtigungen wurden auch nachfolgend anlässlich der stationären Rehabilitation im Oktober/November 2013 nicht dokumentiert. Im Aufnahmebefund wird die Klägerin lediglich als angespannt, depressiv verstimmt und unruhig beschrieben; der Karnofsky-Index (Skala, mit der symptombezogene Einschränkungen der Aktivität, Selbstversorgung und Selbstbestimmung bei Patienten mit bösartigen Tumoren bewertet werden) wird mit 100% angegeben, was der Bewertung "keinerlei Einschränkungen" entspricht. Passend hierzu fanden im Rahmen der erfolgten psychologischen Einzelbetreuung auch lediglich zwei Einzelgespräche statt, in denen die Klägerin - so die Ausführungen im Entlassungsbericht - Informationen zur Entstehung ihrer psychischen Probleme und Impulse zu deren Bewältigung erhielt. Auffälligkeiten während des Aufenthaltes sind im Übrigen nicht dokumentiert. Auch ein psychiatrisches Konzil wurde nicht für notwendig erachtet. Vor dem Hintergrund all dessen ist die im Entlassungsbericht genannte psychiatrische Diagnose (bipolare affektive Störung, gegenwärtig leichte oder mittelgradige depressive Episode) auch weniger Ergebnis einer psychiatrischen Diagnostik, als vielmehr die Dokumentation einer lediglich übernommenen Fremddiagnose. Hierfür spricht auch der im Entlassungsbericht enthaltene Hinweis, dass die bekannte rezidivierende depressive Störung sozialmedizinisch nur bedingt eingeschätzt werden könne und deshalb die Einholung eines Gutachtens vorgeschlagen werde.
Relevante Änderungen im psychischen Zustand der Klägerin lassen sich den aktenkundigen Unterlagen auch für den nachfolgenden Zeitraum nicht entnehmen. So erhob Dr. A. im Dezember 2013 einen Befund (vgl. Arztbrief vom 10.12.2013, Bl. 59 SG-Akte), wie er ihn schon zuvor in seinem Arztbriefen vom 08.07.2013 und 05.09.2013 dokumentierte und auch seine weiteren Arztbriefe vom 09.04. und 05.05.2014 (vgl. Bl. 56, 55, SG-Akte) weisen lediglich die von der Klägerin bereits zuvor beklagten Beschwerden und unverändert auch die in den früheren Arztbriefen angegebenen Diagnosen aus. Nichts anderes gilt für die Ausführungen des Dr. A. in seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge, in denen er als letzten Vorstellungzeitpunkt den 17.07.2014 und als Diagnosen eine Dysthymia, ein Karpaltunnelsyndrom, eine Migräne ohne Aura und eine rezidivierende depressive Störung aufgeführt und eine schwankende Symptomatik ohne durchgreifende Veränderung beschrieben hat. Damit ist nicht ersichtlich, dass das Leistungsvermögen der Klägerin im April 2014 auf ein rentenberechtigendes Ausmaß herabgesunken sein könnte.
Anhaltspunkte für eine relevante Verschlimmerung der depressiven Symptomatik finden sich auch im weiteren Verlauf nicht und lassen sich insbesondere - worauf Dr. D. in ihren von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen ausführlich und zutreffend hingewiesen hat, so dass der Senat hinsichtlich der Einzelheiten hierauf Bezug nimmt - nicht aus dem Gutachten des Dr. L. herleiten, der die Klägerin im Oktober 2014 untersucht hat. Der Sachverständige hat die Klägerin im psychischen Befund als freundlich zugewandt und kooperativ beschrieben, wobei die Klägerin sämtliche ihr gestellten Fragen prompt und korrekt beantwortet habe. Darüber hinaus hat er die Stimmung der Klägerin als subdepressiv ausgelenkt, ihre Schwingungsfähigkeit als reduziert und ihre Psychomotorik als gebunden und sie innerlich als unruhig und gespannt beschrieben und hieraus ohne weiteres nachvollziehbar abgeleitet, dass die Depressivität zum Untersuchungszeitpunkt eher leichtgradig ausgeprägt gewesen ist. Damit bietet auch das Gutachten des Dr. L. keinen Anknüpfungspunkt für die Annahme, dass das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin wegen der Schwere der depressiven Erkrankung bereits im Jahr 2014 rentenrelevant gemindert gewesen sein könnte.
Soweit der Sachverständige unter Berücksichtigung der von ihm beschriebenen weiteren Erkrankungen der Klägerin (schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Beschwerden, Karpaltunnelsyndrom) in seiner ergänzenden Stellungnahme das Leistungsvermögen gleichwohl mit drei bis weniger als sechs Stunden täglich eingeschätzt hat, ist dies für den Senat schon nicht nachvollziehbar und kann daher auch nicht überzeugen. Der Sachverständige hat seine diesbezügliche Auffassung auch nicht begründet. Dem Senat erschließt sich nicht, weshalb die Klägerin Tätigkeiten, die ihrer Depressivität Rechnung tragen (keine Arbeiten überwiegend unter Zeitdruck, unter hoher Verantwortung, mit besonderer Anforderung an das Auffassungs- und Umstellungsvermögen bzw. die Konzentration, im Kundenverkehr), mit dem Wirbelsäulensyndrom vereinbar sind (ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in Nässe und Kälte, Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltung) und auch mit dem Karpaltunnelsyndrom in Einklang stehen (kein Hantieren mit schweren Gegenständen, keine feinmotorischen Tätigkeiten), sich mithin als leidensgerecht erweisen, wie dies bspw. für leichte Bürotätigkeiten zutreffend ist, nicht wenigstens sechs Stunden täglich zumutbar verrichten kann.
Eine mehr als leichtgradig ausgeprägte Episode der depressiven Störung hat erstmals Dr. D. anlässlich seiner Untersuchung im Juni 2015 objektiviert. Er hat eine mittelgradige Verschiebung der Grundstimmung in die depressive Richtung mit Einengung der Resonanzfähigkeit sowie deutliche Störungen von Aufmerksamkeit und Konzentration beschrieben, wobei die Klägerin gegen Ende der Exploration immer wieder den Gesprächsfaden verloren hat und der Sachverständige dem Gespräch durch engmaschig von außen gestellte Fragen eine determinierende Tendenz hat geben müssen. Ausgehend hiervon ist für den Senat - unter Hintanstellung der von Dr. D. vorgebrachten Bedenken - zwar nachvollziehbar, dass der Sachverständige aus der reduzierten Aufmerksamkeit und Konzentration auf eine erhöhte Ermüd- und Erschöpfbarkeit geschlossen und ein Leistungsvermögen von lediglich noch weniger als sechs Stunden täglich angenommen hat. Allerdings sieht der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem von Dr. D. für den Untersuchungszeitpunkt im Juni 2015 beschriebenen Leistungsvermögen um einen Dauerzustand gehandelt hat. So hat Dr. A. in seiner dem Senat erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge auf die Frage einer Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin seit seiner Auskunft gegenüber dem SG im Juli 2014 lediglich von einer massiven Verschlechterung im Januar 2016 berichtet, jedoch für das Jahr 2015 keinerlei Verschlimmerung erwähnt, was darauf hinweist, dass der von Dr. D. beschriebene Zustand eher im Rahmen der auch von Dr. A. beschriebenen schwankenden Symptomatik aufgetreten ist, jedoch nicht Ausdruck eines über einen längeren Zeitraum hinweg im Wesentlichen gleichbleibenden Zustandsbildes einer mittelschweren depressiven Episode gewesen ist. Hierfür spricht auch der Umstand, dass die Klägerin nachfolgend nicht nur dreimal wöchentlich für eine Stunde eine Putztätigkeit (Büroräume der Kläranlage) ausgeübt hat - so ihre Angaben gegenüber Dr. D. -, sondern zusätzlich auch noch ehrenamtlich in der Nachbarschaftshilfe und aushilfsweise als Verpackerin tätig geworden ist, wie dies im Entlassungsbericht des ZfP über die stationäre Behandlung der Klägerin ab Mitte Februar 2016 dokumentiert ist. Zwar hat die Klägerin auf die entsprechende Rückfrage des Senats in welchem Zeitraum und in welchem Umfang diese Tätigkeiten ausgeübt worden sind, zunächst behauptet, weder Tätigkeiten als Reinigungskraft noch als Verpackerin und auch keine ehrenamtliche Tätigkeit in der Nachbarschaftshilfe erbracht zu haben, weil ihr die Ausübung einer Berufstätigkeit nicht möglich sei. Allerdings hat sie auf den nochmaligen Vorhalt ihrer im Entlassungsbericht dokumentierten anamnestischen Angaben nachfolgend eingeräumt, ein- bis zweimal wöchentlich ein bis zwei Stunden bei einer älteren Dame kleinere leichtere Tätigkeiten verrichtet zu haben und stundenweise auch als Verpackerin und Putzfrau tätig gewesen zu sein.
Soweit Dr. D. ausgeführt hat, dass der zum Zeitpunkt seiner Untersuchung vorhanden gewesene Schweregrad der Symptomatik erstmals von Dr. L. im Oktober 2014 beschrieben worden sei, trifft dies nicht zu. Zwar hat Dr. L. aus dem von ihm erhobenen Befund, ebenso wie Dr. D., ein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden täglich hergeleitet, jedoch entsprach der von Dr. L. erhobene Befund seinen eigenen Darlegungen zu Folge nur einem eher leichtgradig ausgeprägten depressiven Zustandsbild, das wie dargelegt keine quantitative Leistungsminderung rechtfertigt, während Dr. D. von einem mittelgradigem depressivem Zustandsbild ausgegangen ist und signifikant abweichend von Dr. L. eine deutlichen Störung von Aufmerksamkeit und Konzentration beschrieben hat. Mit dem Gutachten des Dr. D. lässt sich damit auch kein im Wesentlichen gleichbleibendes Zustandsbild seit der gutachtlichen Untersuchung durch Dr. L. begründen.
Ausgehend von den Ausführungen des Dr. A. geht der Senat daher davon aus, dass es erst im Januar 2016 zu der von Dr. A. als massiv bezeichneten Verschlechterung gekommen ist, die dann in die stationäre Behandlung im ZfP vom 16.02. bis 15.03.2016 mündete. Dies lässt sich zwanglos mit den Angaben der Klägerin anlässlich ihrer stationären Aufnahme in Einklang bringen. Seinerzeit hat sie wegen einer Verschlechterung des psychischen Befindens selbst um Aufnahme in der Klinik nachgesucht und als Belastungsfaktoren neben dem chronischen Paarkonflikt die im Januar 2016 erfolgte Trennung der Tochter von ihrem Partner und deren Wiedereinzug bei den Eltern mit den eigenen beiden Kindern sowie die Ende Januar 2016 erfolgte Ablehnung ihres Rentenantrags (richtig: Berufung der Beklagten gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des SG) genannt.
Soweit die behandelnden Ärzte bei der Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts des ZfP diagnostisch nunmehr von einer schweren Episode der rezidivierenden depressiven Störung ausgegangen sind, lässt sich auch hieraus keine rentenbegründende Leistungsminderung herleiten. Denn wie dem Entlassungsbericht zu entnehmen ist, ist es durch die Umstellung der Medikation (Absetzung von Mirtazapin, zusätzlich zu Venlafaxin Gabe von Quetiapin) zu einer Besserung der depressiven Symptomatik gekommen und die Klägerin hat nach mehreren Belastungserprobungen in Form von Tages- und Wochenendbeurlaubungen in einem deutlich gebesserten und stabilisierten Zustand entlassen werden können, wobei sich die Klägerin optimistisch gezeigt hat und in der Lage gewesen ist, eine hoffnungsvolle Zukunftsperspektive zu entwickeln. Auch Dr. D. hat für den Zeitpunkt der Entlassung aus der stationären Behandlung kein schweres depressives Störungsbild mehr gesehen und ist in seinen ergänzenden Ausführungen gegenüber dem Senat davon ausgegangen, dass (wohl) wieder das Bild einer Dysthymie vorgelegen hat. Hieran hat sich auch nachfolgend nichts Wesentliches geändert, wie den Ausführungen des vom Senat hinzugezogenen Sachverständigen Dr. S. entnommen werden kann, der zum Zeitpunkt seiner Untersuchung im Dezember 2016 weder eine mittel- noch eine schwergradige depressive Symptomatik gefunden und lediglich eine leichtgradig ausgeprägte neurotische ängstlich-depressive Symptomatik im Sinne einer Dysthymie beschrieben hat, die keine quantitative Leistungsminderung bedingt. Dieser Zustand - so Dr. S. - bestehe seit der Entlassung aus der stationären Behandlung. Diese Einschätzung deckt sind mit den Angaben der Klägerin ("Seitdem gehe es ihr psychisch besser", Bl. 80 LSG-Akte).
Mit der bei der Klägerin bestehenden rezidivierenden depressiven Störung lässt sich daher keine über einen Zeitraum von drei Jahren fortbestehende rentenrelevante Leistungsminderung begründen, insbesondere nicht auf Grund eines im April 2014 eingetretenen Leistungsfalls.
Eine bipolare affektive Störung, wie im Entlassungsbericht der M. Klinik aufgeführt, liegt bei der Klägerin im Übrigen nicht vor. Eine solche Diagnose hat keiner der am Verfahren beteiligten Gutachter und Sachverständigen gestellt, wobei Dr. S. in seinem Gutachten ausdrücklich dargelegt hat, dass bei Würdigung der medizinischen Vorbefunde, der Anamnese und auch des pathologischen Befundes mit Sicherheit zu keinem Zeitpunkt eine bipolare affektive Störung vorlag und auch aktuell nicht vorgelegen hat. Vom Vorliegen einer derartigen Erkrankung geht zwischenzeitlich wohl auch Dr. A. nicht mehr aus. Denn während er diese Diagnose in seinen Arztbriefen aus dem Jahr 2013 noch aufführte, findet sich diese Diagnose in seinen nachfolgenden Äußerungen nicht mehr. Hierauf hat der Sachverständige Dr. S. zutreffend hingewiesen.
Soweit die Klägerin an einer Schmerzsymptomatik im Bereich des Halte- und Bewegungsapparates leidet, die teilweise als Wirbelsäulenschmerzen oder auch als Ganzkörperschmerz beschrieben wird, lässt sich auch hieraus keine quantitative Leistungsminderung herleiten. Diese Symptomatik wird von den damit befassten Ärzten und Sachverständigen diagnostisch als Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Beschwerden (so Dr. L. ), Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit (so Dr. D.), degeneratives LWS-Syndrom mit Bandscheibenvorfall L5/S1 links (so Dr. B.) beschrieben bzw. als Fibromyalgie (so Dr. B. und das ZfP), chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (so Dr. D.) und somatoforme Schmerzstörung bei psychischen und organischen Faktoren (so Dr. S. ), soweit die vorhandenen degenerativen Veränderungen seitens des Bewegungsapparates Art und Ausmaß der Schmerzen nicht erklären. Darüber hinaus finden sich in der Diagnoseliste des Arztbriefs des Facharztes für Anästhesiologie L. vom 16.12.2014 (Bl. 124 SG-Akte) für die in Rede stehende Schmersymptomatik als weitere diagnostische Zuordnungen ein Ganzkörperschmerz vom Fibromyalgietyp, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine Dorsolumbalgie. Die exakte, korrekte Einordnung der in Rede stehenden Schmerzzustände kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn für die vorliegend zu beurteilende Frage, inwieweit die Klägerin durch die Schmerzzustände in der beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, ist weniger von Bedeutung, welchem Krankheitsbild die Schmerzzustände zuzuordnen sind, als vielmehr, welche konkreten funktionellen Einschränkungen hieraus resultieren und inwieweit diese der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit entgegenstehen.
Gründe für die Annahme, dass die Klägerin durch die bei ihr vorhandene Schmerzsituation in ihrer Leistungsfähigkeit so gravierend eingeschränkt ist, dass ihr selbst leichte berufliche Tätigkeiten unter Beachtung der dargelegten qualitativen Einschränkungen nicht zumindest sechs Stunden täglich zugemutet werden können, sieht der Senat nicht. Hiervon sind auch die damit befassten Gutachter und Sachverständigen nicht ausgegangen, weder die im Verwaltungsverfahren hinzugezogene OMR K. noch die Sachverständigen Dr. L. und Dr. Dittmann, obwohl letztere das Leistungsvermögen der Klägerin mit weniger als sechs Stunden täglich eingeschätzt haben. So hat Dr. L. wegen dem Wirbelsäulensyndrom lediglich schweres Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in Nässe und Kälte, Überkopfarbeiten sowie Arbeiten in Zwangshaltung und wegen dem Karpaltunnelsyndroms das Hantieren mit schweren Gegenständen sowie feinmotorische Tätigkeiten ausgeschlossen, woraus sich eine quantitative Leistungsminderung nicht ableiten lässt. Folgerichtig hat Dr. L. seine Einschätzung auch nicht aus der Schmerzsymptomatik im Bereich des Bewegungsapparates hergeleitet, sondern - wenn auch nicht überzeugend - aus einer Gesamtschau aller Beeinträchtigungen. Dr. D. hat seine Auffassung mit dem erhobenen psychischen Befund begründet und das Durchhaltevermögen der Klägerin für eine sechsstündige Tätigkeit wegen ihrer erhöhten Ermüd- und Erschöpfbarkeit verneint, ohne dies allerdings in einen Zusammenhang mit der Schmerzsymptomatik bringen. Schließlich hat auch die behandelnde Ärztin Dr. P. , die die Fähigkeit der Klägerin zur Ausübung jeglicher beruflicher Tätigkeiten ausgeschlossen hat, ihre - wenn auch unzutreffende - Auffassung ausschließlich mit der Schwere der Depression begründet und auch aus den Ausführungen des Dr. B. ergibt sich nicht, dass er von einem quantitativ geminderten Leistungsvermögen ausgegangen ist. Schließlich spricht auch die Intensität der fachärztlichen Inanspruchnahme nicht für das Vorliegen eines dauerhaft gravierenden Beschwerdebildes, nachdem Vorstellungen bei dem Orthopäden Dr. B. eher sporadisch (ausweislich seiner Auskunft vom Juli 2014 zuletzt im Februar und Mai 2013) stattfanden und die Klägerin auch bei dem Schmerztherapeuten L., bei dem sie sich im Dezember 2014 erstmals vorgestellt hat, keine laufende schmerztherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt und dort vielmehr - wie sie gegenüber Dr. S. angegeben hat - seit zwei Jahren nicht mehr vorstellig geworden ist.
Ohnehin ist die Ausprägung der von der Klägerin beklagten Schmerzen nicht feststellbar. So beschrieb schon der von der Beklagten in dem früheren Rentenverfahren hinzugezogene Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. eine histrionische Persönlichkeitsakzentuierung und eine auffällige Diskrepanz zwischen dem Verhalten der Klägerin in der Untersuchungssituation und vermeintlich unbeobachteten Situationen, wobei die Klägerin bei den Gangproben ein deutlich verlangsamtes Gangbild zeigte und bei der Prüfung des Fersen- und Zehengangs ausgeprägte Schmerzen mit Stöhnen und Pressen der linken Faust gegen die untere Wirbelsäule angab, während sie in der Lage war, flüssig und ohne Schmerzäußerungen vom Wartebereich in das Untersuchungszimmer und zur Auszahlungskasse zu gehen. Auch der Sachverständige Dr. L. hat entsprechende Auffälligkeiten beschrieben. Ausgehend von dem erhobenen klinischen Befund ist er unter Berücksichtigung der testpsychologischen Untersuchung, bei der insbesondere der Selbsteinschätzungsfragebogen SFSS (Strukturierter Fragebogen Simulierter Symptome) auf eine Simulation hingewiesen hat, zwar nicht von einer Simulation von Beschwerden ausgegangen, jedoch hat er deutlich gemacht, dass bei der Klägerin eine Aggravation nicht zu übersehen ist. Schließlich hat auch der Sachverständige Dr. S. darauf hingewiesen, dass sich anlässlich seiner Untersuchung deutliche Hinweise für Aggravation und Verdeutlichung ergeben haben. So hat die Klägerin während der Untersuchungssituation auf einer Schmerzscala von 0 bis 10 (0 = kein Schmerz, 10 = stärkst vorstellbarer Schmerz) einen aktuellen Schmerz von 10 angegeben, während sie in der einstündigen Untersuchung bei einem einmaligen Lagewechsel nach 20 Minuten ruhig auf ihrem Stuhl gesessen ist, ohne Umherrutschen oder gar Aufstehen, und sich lediglich einmal nach fünf Minuten unter Schmerzäußerung an die linke Schulter gegriffen hat. Angesichts der zu beobachtenden Psychomotorik ist der angegebene maximale Schmerz - so überzeugend Dr. S. - in keiner Weise nachvollziehbar. Auch der weitere Umstand, dass sich bei der Spontanmotorik keine Schmerzäußerungen gezeigt haben, während bei der körperlichen Untersuchung wiederholt demonstrativ wirkende Schmerzäußerungen erfolgt sind, weist auf eine Schmerzpräsentation hin, die nicht dem tatsächlich erlebten Ausmaß entspricht. All diese Gesichtspunkte begründen erhebliche Zweifel daran, dass die Schmerzsituation der Klägerin tatsächlich das von ihr vorgebrachte schwerwiegende Ausmaß erreicht, weshalb der Senat sich nicht in der Lage sieht, seiner Leistungsbeurteilung das von der Klägerin vorgebrachte Beschwerdeausmaß zu Grunde zu legen. Damit ist auch nicht festzustellen, ob die Beschwerden der Klägerin ein Ausmaß erreichen, das selbst leichte Tätigkeiten in einem Umfang von sechs Stunden täglich ausschließt. Der Nachteil dieser Nichterweislichkeit einer anspruchsbegründenden Tatsache geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin. Denn nach diesem Grundsatz hat jeder im Rahmen des anzuwendenden Rechts die Beweislast für die Tatsachen zu tragen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen.
Die Klägerin kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der im Tatbestand genannten von OMR K., Dr. L. , Dr. D. und Dr. S. aufgelisteten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Sie ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Nach alledem kann das angefochten Urteil des SG keinen Bestand haben und ist auf die Berufung der Beklagten aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtzügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die am 1957 geborene, aus dem ehemaligen J. stammende Klägerin siedelte im Jahr 1973 in die Bundesrepublik Deutschland über. Einen Beruf erlernte sie nicht. Von 1973 bis 1984 war die Klägerin zunächst als Metallarbeiterin beschäftigt und anschließend bis 1988 wegen Kindererziehung nicht beruflich tätig. Nachfolgend war die Klägerin - unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit - versicherungspflichtig in verschiedenen Bereichen im Verkauf tätig. Ab März 2001 übte die Klägerin geringfügige Beschäftigungen aus und war zeitweise versicherungspflichtig (zuletzt bis Dezember 2011 und im März 2013) beschäftigt. Von Februar 2014 bis zumindest Februar 2016 ist sie geringfügig beschäftigt gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 25.08.2016 (Bl. 47/50 Senats-Akte) verwiesen.
Bei der Klägerin kommt es seit Ende der 90er Jahre zu depressiven Störungen, die mehrmals stationäre Behandlungen (2006 und 2010) im Zentrum für Psychiatrie W. (ZfP) erforderlich machten. In den Jahren 1999, 2005, 2008 und 2009 gestellte Anträge der Klägern auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung blieben jeweils erfolglos. Im Zusammenhang mit dem zuletzt gestellten Antrag wurde die Klägerin im April 2010 von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. gutachtlich untersucht, der mit Ausnahme einer morosen Verstimmung bei allenfalls leicht eingeschränkter affektiver Modulationsfähigkeit von psychiatrischer Seite unauffällige Befunde erhob. Er beschrieb eine histrionische Persönlichkeitsakzentuierung und sah im Hinblick auf die beklagten schweren Wirbelsäulenschmerzen auf Grund der auffälligen Divergenz zwischen beobachtetem und vermeintlich unbeobachtetem Verhalten der Klägerin Hinweise für eine Verdeutlichung. Insoweit ging er von geringgradigen Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und der Kniegelenke ohne radikuläres Defizit aus und erachtete die Klägerin für in der Lage, leichte bis mittelschwere Wechseltätigkeiten ohne häufiges Bücken, Hocken oder Knien, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Zeitdruck und ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr zu verrichten.
Ende Juni 2013 wurde bei der Klägerin ein Mamma-Carzinom links diagnostiziert, das zunächst operativ (brusterhaltend) und nachfolgend mit Bestrahlungen behandelt wurde.
Am 29.08.2013 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und verwies auf das diagnostizierte Mamma-Carzinom, ihre fehlende körperliche und psychische Belastbarkeit, die seit über 20 Jahren rezidivierende Depression, weitere psychische Beeinträchtigungen und auf massive körperliche Einschränkungen durch einen Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und der Halswirbelsäule (HWS). Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch Obermedizinalrätin (OMR) Kähler, die die Klägerin am 02.10.2013 untersuchte und eine bösartige Erkrankung der linken Brust (derzeit ohne Hinweis auf Rezidiv, Metastasen oder Lymphödem), eine rezidivierende depressive Störung (zur Zeit verschlimmert bei bösartiger Grunderkrankung), degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Cervical- und Lumbalbeschwerden, eine Hüftgelenksarthrose beidseits sowie ein Übergewicht beschrieb. Sie erachtete die Klägerin für in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen oder Gehen vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, schweres Heben und Tragen, Zwangshaltungen, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Überkopfarbeiten, Arbeiten mit besonderer Beanspruchung des linken Armes sowie Arbeiten, die eine erhöhte Anforderung an das Anpassungsvermögen stellten. Nachfolgend wurde die Klägerin vom 16.10. bis 06.11.2013 im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der onkologischen Abteilung der M. Klinik behandelt (Diagnosen: u.a. bipolare affektive Störung, gegenwärtig leichte oder mittelgradige depressive Episode) und für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sowie für Tätigkeiten als Verkäuferin sechs Stunden und mehr für leitungsfähig erachtet. Im Entlassungsbericht ist weiter ausgeführt, dass die Klägerin auf Grund der gynäkologisch-onkologischen Erkrankung vollschichtig arbeitsfähig sei, dies auf Grund der langjährigen psychiatrischen Vorgeschichte und der Einschränkungen durch rasche Stimmungswechsel, Antriebsstörung und Konzentrationsschwäche aktuell nicht der Fall "scheint"; sozialmedizinisch könne dies nur bedingt eingeschätzt werden. Im Rahmen der erfolgten psychologischen Einzelberatung wurde der Klägerin die Aufnahme einer ambulanten Verhaltenstherapie dringend empfohlen.
Mit Bescheid vom 08.01.2014 und Widerspruchbescheid vom 31.03.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, sie könne trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch zumindest sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, weshalb kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung bestehe. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme schon im Hinblick auf ihren beruflichen Werdegang nicht in Betracht.
Am 11.04.2014 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben, mit der sie im Wesentlichen geltend gemacht hat, ihr überaus schlechter Gesundheitszustand habe sie zur Aufgabe jeglicher Berufstätigkeit gezwungen. Sie sei nicht in der Lage, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein und daher voll erwerbsgemindert. Im Laufe des Verfahrens hat sie den Arztbrief des Facharztes für Anästhesiologie L. vom 16.12.2014 über die erfolgte Vorstellung im Schmerzzentrum Ellwangen vorgelegt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. P. hat von einer langjährigen mittel- bis schwergradigen Depression mit generalisierter Angststörung berichtet, die sich mit der Diagnose des Mammakarzinoms deutlich verschlechtert habe. Zur Ausübung beruflicher Tätigkeiten sei die Klägerin nicht in der Lage. Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. B. hat von Vorstellungen der Klägerin im Dezember 2010, Mai 2013 und Februar 2014, den Diagnosen eines Fibromyalgiesyndroms, einer mittelgradigen Coxarthrose (links mehr als rechts) und eines degenerativen LWS-Syndroms mit Bandscheibenvorfall L5/S1 links berichtet und ausgeführt, die Klägerin könne leichten Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne häufiges Bücken und ohne Zwangshaltungen mit Sitzen "über Stunden" nachgehen. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. hat von Vorstellungen der Klägerin seit 1998 wegen der Stimmung und Ängsten, Stimmungsschwankungen, gelegentlichem Herzklopfen und Migräne (selten) berichtet. Als gestellte Diagnosen hat er eine Cephalgie, eine Dysthymia, ein Karpaltunnelsyndrom, eine Migräne ohne Aura und eine rezidivierende depressive Störung aufgeführt. Die Symptomatik sei schwankend, ohne durchgreifende Veränderung. Im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit hat er vermehrten Stress und Schichtdienst nicht mehr für zumutbar erachtet.
Das SG hat sodann das Gutachten, nebst ergänzender Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. eingeholt, der die Klägerin im Oktober 2014 untersucht hat. Diagnostisch ist er von einer rezidivierenden depressiven Störung und Angst, einem schmerzhaften Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Beschwerden, einem Karpaltunnelsyndrom beidseits sowie einer Migräne ausgegangen. Arbeiten überwiegend unter Zeitdruck, unter hoher Verantwortung und mit besonderer Anforderung an das Auffassungs- und Umstellungsvermögen bzw. an die Konzentration hat er wegen der Depressivität weitgehend ausgeschlossen und Arbeiten im Kundenverkehr nur begrenzt für möglich gehalten. Das Wirbelsäulensyndrom schließe schweres Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in Nässe und Kälte, Überkopfarbeiten und Arbeiten in Zwangshaltung (ständiges Stehen oder Sitzen, ohne die Möglichkeit umher zu gehen) aus und das Karpaltunnelsyndrom beeinträchtige die Klägerin beim Hantieren mit schweren Gegenständen, beim Halten und Montieren sowie bei feinmotorischen Tätigkeiten. Leidensgerechte Tätigkeiten hat er in einem Umfang von drei bis weniger als sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet. Die Beklagte hat hierzu unter Vorlage sozialmedizinischer Stellungnahmen der Fachärztin für Psychosomatische Medizin Dr. D. Einwendungen erhoben. Das SG hat sodann das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. auf Grund Untersuchung der Klägerin im Juni 2015 eingeholt. Der Sachverständige hat eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, eine Dysthymia, eine Angststörung, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend histrionischen Zügen sowie ein Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit diagnostiziert und die Klägerin für in der Lage erachtet, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Akkordtätigkeiten und andere taktgebundene Tätigkeiten, ohne besondere Verantwortung für Menschen oder Maschinen, ohne Publikumsverkehr, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 5 kg, ohne Überkopfarbeiten sowie ohne besondere Unfallfallgefahr (keine Tätigkeiten auf Treppen, Leitern und/oder Gerüsten) drei bis unter sechs Stunden täglich zu verrichten. Hiergegen hat die Beklagte unter Vorlage einer weiteren sozialmedizinischen Stellungnahme der Dr. D. Einwendungen erhoben.
Mit Urteil vom 11.12.2015 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.11.2014 bis 31.10.2017 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es ist gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin lediglich noch über ein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden täglich verfüge, was auch mit der Einschätzung des Sachverständigen Dr. L. in Einklang stehe. Der Zustand der Klägerin habe sich zeitlich nach der gutachtlichen Untersuchungen durch OMR K. verschlechtert, wobei der Leistungsfall im April 2014 (Mitte zwischen den Untersuchungen durch OMR K. und Dr. L. ) eingetreten sei.
Gegen das der Beklagten am 30.12.2015 zugestellte Urteil hat diese am 15.01.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, dem Gutachten des Dr. D. ließen sich gravierende Beeinträchtigungen, die auf ein quantitativ gemindertes Leistungsminderung hinweisen könnten, nicht entnehmen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.12.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat den Entlassungsbericht des ZfP vom 27.03.2016 über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 16.02. bis 15.03.2016 zu dem Verfahren beigezogen und hierzu sowie zu den von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen sein Gutachten eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme des Dr. D. eingeholt. Darüber hinaus hat der Senat Dr. A. ergänzend zu seiner dem SG erteilten Auskunft schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört und schließlich das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. eingeholt, der die Klägerin im Dezember 2016 untersucht hat. Der Sachverständige hat eine Dysthymia, eine somatoforme Schmerzstörung bei psychischen und organischen Faktoren sowie ein Karpaltunnelsyndrom rechts diagnostiziert und die Klägerin für in der Lage erachtet, leichte und kurzfristig mittelschwere körperliche Arbeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit Verantwortung für Personen, mit Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge, Tätigkeiten unter Zeitdruck (Akkord), Arbeiten, die eine besondere psychische Belastbarkeit erfordern, Tätigkeiten in Zwangshaltung, Nachtschicht sowie extreme physikalische oder chemische Belastungen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Beklagten ist auch begründet.
Das SG hätte die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide nicht verurteilen dürfen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.11.2014 bis 31.10.2017 zu gewähren. Denn es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ablehnte. Da bei der Klägerin volle oder teilweise Erwerbsminderung (auch im April 2014) nicht eingetreten ist, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Für den Senat ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die rezidivierende depressive Störung, die Dr. D. auf der Grundlage seiner Untersuchung im Juni 2015 als mittelschwere Episode qualifiziert und die bei der Klägerin deutliche Störungen der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen verursacht hat, woraus der Sachverständige ein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen abgeleitet hat, in diesem Ausprägungsgrad bereits im April 2014 - dem vom SG angenommenen Versicherungsfall - vorhanden gewesen ist und darüber hinaus ununterbrochen auf nicht absehbare Zeit auch nach der in Rede stehenden Untersuchung noch fortbestanden hat. Damit ist nicht festzustellen, dass die Klägerin im Sinne der oben dargelegten Regelungen im Zeitraum vom 01.11.2014 bis 31.10.2017 zumindest teilweise erwerbsgemindert gewesen ist, was wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes zu dem geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung geführt hätte.
Die Klägerin ist in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit in erster Linie durch Gesundheitsstörungen von Seiten des psychiatrischen Fachgebietes eingeschränkt, wobei ganz im Vordergrund eine rezidivierende depressive Störung mit immer wieder auftretenden Krankheitsepisoden steht. Da die Klägerin auch zwischen den einzelnen depressiven Episoden unter einer leichteren chronifizierten depressiven Störung im Sinne einer Dysthymie leidet, liegt eine sog. doppelte Depression vor, bei der die Dysthymie durch die depressiven Episoden der rezidivierend depressiven Störung überlagert wird. Hiervon geht der Senat auf der Grundlage der überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. D. aus. Hiermit in Einklang stehen auch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. , der für den Zeitpunkt seiner Untersuchung das Vorliegen einer depressiven Episode im Rahmen der rezidivierenden depressiven Störung verneint und die rezidivierende depressive Episode als komplett remittiert beschrieben hat, aber angesichts der leichtgradigen ängstlich-depressiven Symptomatik von einer Dysthymia ausgegangen ist.
Bei einer rezidivierenden depressiven Störung handelt es sich - wie Dr. D. dargelegt hat (Bl. 154 SG-Akte) - um eine Erkrankung die in Phasen verläuft, wobei die depressive Symptomatik einen unterschiedlichen Ausprägungsgrad haben kann. So traten bei der Klägerin bereits weit vor Antragstellung im Zusammenhang mit psychosozialen Belastungsfaktoren immer wieder Episoden dieser depressiven Störung auf, wobei der Ausprägungsgrad bspw. im Jahr 2006 eine Schwere erreichte, die mehrere stationäre Aufnahmen notwendig machte. Je nach Ausprägungsgrad der depressiven Störung kann die Erkrankung dementsprechend mit Episoden einhergehen, die Arbeitsunfähigkeit bedingen, gleichermaßen aber auch mit Episoden lediglich geringerer Beeinträchtigungen; auch können Zeiten einer vollständigen Remission vorliegen. In diesem Sinne ist es bei der Klägerin, ausgehend von der psychischen Belastung durch das Ende Juni 2013 diagnostizierte Mamma-Carcinom, zu einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik gekommen. Dies entnimmt der Senat den aktenkundigen Arztbriefen des behandelnden Psychiaters Dr. A. , der für die Vorstellung der Klägerin im Mai 2015 einen im Wesentlichen unauffälligen Befund dokumentierte (vgl. Arztbrief vom 15.05.2013, Bl. 36 SG-Akte), anlässlich der nachfolgend im Juli und September 2013 erfolgten Untersuchungen mit Bezug auf die zwischenzeitlich gestellte Diagnose nunmehr jedoch eine depressiv-ängstliche Stimmung und Stimmungsschwankungen beschrieb (vgl. Arztbriefe vom 08.07. und 05.09.2013, Bl. 37, 38 SG-Akte). Auch die auf Grund des Rentenantrags der Klägerin mit einer gutachtlichen Untersuchung beauftragte OMR K. dokumentierte für den Zeitpunkt ihrer Untersuchung Anfang Oktober 2013 eine Niedergeschlagenheit und eine leichte Antriebsminderung, die sie mit dem diagnostizierten Mamma-Carcinom in Verbindung brachte und beschrieb diagnostisch eine rezidivierende depressive Störung, zur Zeit verschlimmert bei bösartiger Erkrankung. Schwerwiegende funktionelle Beeinträchtigungen resultierten hieraus nicht, weshalb OMR K. aus diesem Befund auch keine Auswirkungen auf das quantitative Leistungsvermögen der Klägerin herleitete. In diesem Sinne hat sich auch Dr. D. geäußert, der darauf hingewiesen hat, dass die von ihm beschriebene Symptomatik Anfang Oktober 2013 noch nicht vorlag, und auch das SG hat dementsprechend keine Anhaltspunkte für eine seinerzeit bereits vorhanden gewesene rentenrelevante Leistungsminderung gesehen. Schwerwiegende Beeinträchtigungen wurden auch nachfolgend anlässlich der stationären Rehabilitation im Oktober/November 2013 nicht dokumentiert. Im Aufnahmebefund wird die Klägerin lediglich als angespannt, depressiv verstimmt und unruhig beschrieben; der Karnofsky-Index (Skala, mit der symptombezogene Einschränkungen der Aktivität, Selbstversorgung und Selbstbestimmung bei Patienten mit bösartigen Tumoren bewertet werden) wird mit 100% angegeben, was der Bewertung "keinerlei Einschränkungen" entspricht. Passend hierzu fanden im Rahmen der erfolgten psychologischen Einzelbetreuung auch lediglich zwei Einzelgespräche statt, in denen die Klägerin - so die Ausführungen im Entlassungsbericht - Informationen zur Entstehung ihrer psychischen Probleme und Impulse zu deren Bewältigung erhielt. Auffälligkeiten während des Aufenthaltes sind im Übrigen nicht dokumentiert. Auch ein psychiatrisches Konzil wurde nicht für notwendig erachtet. Vor dem Hintergrund all dessen ist die im Entlassungsbericht genannte psychiatrische Diagnose (bipolare affektive Störung, gegenwärtig leichte oder mittelgradige depressive Episode) auch weniger Ergebnis einer psychiatrischen Diagnostik, als vielmehr die Dokumentation einer lediglich übernommenen Fremddiagnose. Hierfür spricht auch der im Entlassungsbericht enthaltene Hinweis, dass die bekannte rezidivierende depressive Störung sozialmedizinisch nur bedingt eingeschätzt werden könne und deshalb die Einholung eines Gutachtens vorgeschlagen werde.
Relevante Änderungen im psychischen Zustand der Klägerin lassen sich den aktenkundigen Unterlagen auch für den nachfolgenden Zeitraum nicht entnehmen. So erhob Dr. A. im Dezember 2013 einen Befund (vgl. Arztbrief vom 10.12.2013, Bl. 59 SG-Akte), wie er ihn schon zuvor in seinem Arztbriefen vom 08.07.2013 und 05.09.2013 dokumentierte und auch seine weiteren Arztbriefe vom 09.04. und 05.05.2014 (vgl. Bl. 56, 55, SG-Akte) weisen lediglich die von der Klägerin bereits zuvor beklagten Beschwerden und unverändert auch die in den früheren Arztbriefen angegebenen Diagnosen aus. Nichts anderes gilt für die Ausführungen des Dr. A. in seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge, in denen er als letzten Vorstellungzeitpunkt den 17.07.2014 und als Diagnosen eine Dysthymia, ein Karpaltunnelsyndrom, eine Migräne ohne Aura und eine rezidivierende depressive Störung aufgeführt und eine schwankende Symptomatik ohne durchgreifende Veränderung beschrieben hat. Damit ist nicht ersichtlich, dass das Leistungsvermögen der Klägerin im April 2014 auf ein rentenberechtigendes Ausmaß herabgesunken sein könnte.
Anhaltspunkte für eine relevante Verschlimmerung der depressiven Symptomatik finden sich auch im weiteren Verlauf nicht und lassen sich insbesondere - worauf Dr. D. in ihren von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen ausführlich und zutreffend hingewiesen hat, so dass der Senat hinsichtlich der Einzelheiten hierauf Bezug nimmt - nicht aus dem Gutachten des Dr. L. herleiten, der die Klägerin im Oktober 2014 untersucht hat. Der Sachverständige hat die Klägerin im psychischen Befund als freundlich zugewandt und kooperativ beschrieben, wobei die Klägerin sämtliche ihr gestellten Fragen prompt und korrekt beantwortet habe. Darüber hinaus hat er die Stimmung der Klägerin als subdepressiv ausgelenkt, ihre Schwingungsfähigkeit als reduziert und ihre Psychomotorik als gebunden und sie innerlich als unruhig und gespannt beschrieben und hieraus ohne weiteres nachvollziehbar abgeleitet, dass die Depressivität zum Untersuchungszeitpunkt eher leichtgradig ausgeprägt gewesen ist. Damit bietet auch das Gutachten des Dr. L. keinen Anknüpfungspunkt für die Annahme, dass das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin wegen der Schwere der depressiven Erkrankung bereits im Jahr 2014 rentenrelevant gemindert gewesen sein könnte.
Soweit der Sachverständige unter Berücksichtigung der von ihm beschriebenen weiteren Erkrankungen der Klägerin (schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Beschwerden, Karpaltunnelsyndrom) in seiner ergänzenden Stellungnahme das Leistungsvermögen gleichwohl mit drei bis weniger als sechs Stunden täglich eingeschätzt hat, ist dies für den Senat schon nicht nachvollziehbar und kann daher auch nicht überzeugen. Der Sachverständige hat seine diesbezügliche Auffassung auch nicht begründet. Dem Senat erschließt sich nicht, weshalb die Klägerin Tätigkeiten, die ihrer Depressivität Rechnung tragen (keine Arbeiten überwiegend unter Zeitdruck, unter hoher Verantwortung, mit besonderer Anforderung an das Auffassungs- und Umstellungsvermögen bzw. die Konzentration, im Kundenverkehr), mit dem Wirbelsäulensyndrom vereinbar sind (ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in Nässe und Kälte, Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltung) und auch mit dem Karpaltunnelsyndrom in Einklang stehen (kein Hantieren mit schweren Gegenständen, keine feinmotorischen Tätigkeiten), sich mithin als leidensgerecht erweisen, wie dies bspw. für leichte Bürotätigkeiten zutreffend ist, nicht wenigstens sechs Stunden täglich zumutbar verrichten kann.
Eine mehr als leichtgradig ausgeprägte Episode der depressiven Störung hat erstmals Dr. D. anlässlich seiner Untersuchung im Juni 2015 objektiviert. Er hat eine mittelgradige Verschiebung der Grundstimmung in die depressive Richtung mit Einengung der Resonanzfähigkeit sowie deutliche Störungen von Aufmerksamkeit und Konzentration beschrieben, wobei die Klägerin gegen Ende der Exploration immer wieder den Gesprächsfaden verloren hat und der Sachverständige dem Gespräch durch engmaschig von außen gestellte Fragen eine determinierende Tendenz hat geben müssen. Ausgehend hiervon ist für den Senat - unter Hintanstellung der von Dr. D. vorgebrachten Bedenken - zwar nachvollziehbar, dass der Sachverständige aus der reduzierten Aufmerksamkeit und Konzentration auf eine erhöhte Ermüd- und Erschöpfbarkeit geschlossen und ein Leistungsvermögen von lediglich noch weniger als sechs Stunden täglich angenommen hat. Allerdings sieht der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem von Dr. D. für den Untersuchungszeitpunkt im Juni 2015 beschriebenen Leistungsvermögen um einen Dauerzustand gehandelt hat. So hat Dr. A. in seiner dem Senat erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge auf die Frage einer Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin seit seiner Auskunft gegenüber dem SG im Juli 2014 lediglich von einer massiven Verschlechterung im Januar 2016 berichtet, jedoch für das Jahr 2015 keinerlei Verschlimmerung erwähnt, was darauf hinweist, dass der von Dr. D. beschriebene Zustand eher im Rahmen der auch von Dr. A. beschriebenen schwankenden Symptomatik aufgetreten ist, jedoch nicht Ausdruck eines über einen längeren Zeitraum hinweg im Wesentlichen gleichbleibenden Zustandsbildes einer mittelschweren depressiven Episode gewesen ist. Hierfür spricht auch der Umstand, dass die Klägerin nachfolgend nicht nur dreimal wöchentlich für eine Stunde eine Putztätigkeit (Büroräume der Kläranlage) ausgeübt hat - so ihre Angaben gegenüber Dr. D. -, sondern zusätzlich auch noch ehrenamtlich in der Nachbarschaftshilfe und aushilfsweise als Verpackerin tätig geworden ist, wie dies im Entlassungsbericht des ZfP über die stationäre Behandlung der Klägerin ab Mitte Februar 2016 dokumentiert ist. Zwar hat die Klägerin auf die entsprechende Rückfrage des Senats in welchem Zeitraum und in welchem Umfang diese Tätigkeiten ausgeübt worden sind, zunächst behauptet, weder Tätigkeiten als Reinigungskraft noch als Verpackerin und auch keine ehrenamtliche Tätigkeit in der Nachbarschaftshilfe erbracht zu haben, weil ihr die Ausübung einer Berufstätigkeit nicht möglich sei. Allerdings hat sie auf den nochmaligen Vorhalt ihrer im Entlassungsbericht dokumentierten anamnestischen Angaben nachfolgend eingeräumt, ein- bis zweimal wöchentlich ein bis zwei Stunden bei einer älteren Dame kleinere leichtere Tätigkeiten verrichtet zu haben und stundenweise auch als Verpackerin und Putzfrau tätig gewesen zu sein.
Soweit Dr. D. ausgeführt hat, dass der zum Zeitpunkt seiner Untersuchung vorhanden gewesene Schweregrad der Symptomatik erstmals von Dr. L. im Oktober 2014 beschrieben worden sei, trifft dies nicht zu. Zwar hat Dr. L. aus dem von ihm erhobenen Befund, ebenso wie Dr. D., ein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden täglich hergeleitet, jedoch entsprach der von Dr. L. erhobene Befund seinen eigenen Darlegungen zu Folge nur einem eher leichtgradig ausgeprägten depressiven Zustandsbild, das wie dargelegt keine quantitative Leistungsminderung rechtfertigt, während Dr. D. von einem mittelgradigem depressivem Zustandsbild ausgegangen ist und signifikant abweichend von Dr. L. eine deutlichen Störung von Aufmerksamkeit und Konzentration beschrieben hat. Mit dem Gutachten des Dr. D. lässt sich damit auch kein im Wesentlichen gleichbleibendes Zustandsbild seit der gutachtlichen Untersuchung durch Dr. L. begründen.
Ausgehend von den Ausführungen des Dr. A. geht der Senat daher davon aus, dass es erst im Januar 2016 zu der von Dr. A. als massiv bezeichneten Verschlechterung gekommen ist, die dann in die stationäre Behandlung im ZfP vom 16.02. bis 15.03.2016 mündete. Dies lässt sich zwanglos mit den Angaben der Klägerin anlässlich ihrer stationären Aufnahme in Einklang bringen. Seinerzeit hat sie wegen einer Verschlechterung des psychischen Befindens selbst um Aufnahme in der Klinik nachgesucht und als Belastungsfaktoren neben dem chronischen Paarkonflikt die im Januar 2016 erfolgte Trennung der Tochter von ihrem Partner und deren Wiedereinzug bei den Eltern mit den eigenen beiden Kindern sowie die Ende Januar 2016 erfolgte Ablehnung ihres Rentenantrags (richtig: Berufung der Beklagten gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des SG) genannt.
Soweit die behandelnden Ärzte bei der Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts des ZfP diagnostisch nunmehr von einer schweren Episode der rezidivierenden depressiven Störung ausgegangen sind, lässt sich auch hieraus keine rentenbegründende Leistungsminderung herleiten. Denn wie dem Entlassungsbericht zu entnehmen ist, ist es durch die Umstellung der Medikation (Absetzung von Mirtazapin, zusätzlich zu Venlafaxin Gabe von Quetiapin) zu einer Besserung der depressiven Symptomatik gekommen und die Klägerin hat nach mehreren Belastungserprobungen in Form von Tages- und Wochenendbeurlaubungen in einem deutlich gebesserten und stabilisierten Zustand entlassen werden können, wobei sich die Klägerin optimistisch gezeigt hat und in der Lage gewesen ist, eine hoffnungsvolle Zukunftsperspektive zu entwickeln. Auch Dr. D. hat für den Zeitpunkt der Entlassung aus der stationären Behandlung kein schweres depressives Störungsbild mehr gesehen und ist in seinen ergänzenden Ausführungen gegenüber dem Senat davon ausgegangen, dass (wohl) wieder das Bild einer Dysthymie vorgelegen hat. Hieran hat sich auch nachfolgend nichts Wesentliches geändert, wie den Ausführungen des vom Senat hinzugezogenen Sachverständigen Dr. S. entnommen werden kann, der zum Zeitpunkt seiner Untersuchung im Dezember 2016 weder eine mittel- noch eine schwergradige depressive Symptomatik gefunden und lediglich eine leichtgradig ausgeprägte neurotische ängstlich-depressive Symptomatik im Sinne einer Dysthymie beschrieben hat, die keine quantitative Leistungsminderung bedingt. Dieser Zustand - so Dr. S. - bestehe seit der Entlassung aus der stationären Behandlung. Diese Einschätzung deckt sind mit den Angaben der Klägerin ("Seitdem gehe es ihr psychisch besser", Bl. 80 LSG-Akte).
Mit der bei der Klägerin bestehenden rezidivierenden depressiven Störung lässt sich daher keine über einen Zeitraum von drei Jahren fortbestehende rentenrelevante Leistungsminderung begründen, insbesondere nicht auf Grund eines im April 2014 eingetretenen Leistungsfalls.
Eine bipolare affektive Störung, wie im Entlassungsbericht der M. Klinik aufgeführt, liegt bei der Klägerin im Übrigen nicht vor. Eine solche Diagnose hat keiner der am Verfahren beteiligten Gutachter und Sachverständigen gestellt, wobei Dr. S. in seinem Gutachten ausdrücklich dargelegt hat, dass bei Würdigung der medizinischen Vorbefunde, der Anamnese und auch des pathologischen Befundes mit Sicherheit zu keinem Zeitpunkt eine bipolare affektive Störung vorlag und auch aktuell nicht vorgelegen hat. Vom Vorliegen einer derartigen Erkrankung geht zwischenzeitlich wohl auch Dr. A. nicht mehr aus. Denn während er diese Diagnose in seinen Arztbriefen aus dem Jahr 2013 noch aufführte, findet sich diese Diagnose in seinen nachfolgenden Äußerungen nicht mehr. Hierauf hat der Sachverständige Dr. S. zutreffend hingewiesen.
Soweit die Klägerin an einer Schmerzsymptomatik im Bereich des Halte- und Bewegungsapparates leidet, die teilweise als Wirbelsäulenschmerzen oder auch als Ganzkörperschmerz beschrieben wird, lässt sich auch hieraus keine quantitative Leistungsminderung herleiten. Diese Symptomatik wird von den damit befassten Ärzten und Sachverständigen diagnostisch als Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Beschwerden (so Dr. L. ), Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit (so Dr. D.), degeneratives LWS-Syndrom mit Bandscheibenvorfall L5/S1 links (so Dr. B.) beschrieben bzw. als Fibromyalgie (so Dr. B. und das ZfP), chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (so Dr. D.) und somatoforme Schmerzstörung bei psychischen und organischen Faktoren (so Dr. S. ), soweit die vorhandenen degenerativen Veränderungen seitens des Bewegungsapparates Art und Ausmaß der Schmerzen nicht erklären. Darüber hinaus finden sich in der Diagnoseliste des Arztbriefs des Facharztes für Anästhesiologie L. vom 16.12.2014 (Bl. 124 SG-Akte) für die in Rede stehende Schmersymptomatik als weitere diagnostische Zuordnungen ein Ganzkörperschmerz vom Fibromyalgietyp, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine Dorsolumbalgie. Die exakte, korrekte Einordnung der in Rede stehenden Schmerzzustände kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn für die vorliegend zu beurteilende Frage, inwieweit die Klägerin durch die Schmerzzustände in der beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, ist weniger von Bedeutung, welchem Krankheitsbild die Schmerzzustände zuzuordnen sind, als vielmehr, welche konkreten funktionellen Einschränkungen hieraus resultieren und inwieweit diese der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit entgegenstehen.
Gründe für die Annahme, dass die Klägerin durch die bei ihr vorhandene Schmerzsituation in ihrer Leistungsfähigkeit so gravierend eingeschränkt ist, dass ihr selbst leichte berufliche Tätigkeiten unter Beachtung der dargelegten qualitativen Einschränkungen nicht zumindest sechs Stunden täglich zugemutet werden können, sieht der Senat nicht. Hiervon sind auch die damit befassten Gutachter und Sachverständigen nicht ausgegangen, weder die im Verwaltungsverfahren hinzugezogene OMR K. noch die Sachverständigen Dr. L. und Dr. Dittmann, obwohl letztere das Leistungsvermögen der Klägerin mit weniger als sechs Stunden täglich eingeschätzt haben. So hat Dr. L. wegen dem Wirbelsäulensyndrom lediglich schweres Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in Nässe und Kälte, Überkopfarbeiten sowie Arbeiten in Zwangshaltung und wegen dem Karpaltunnelsyndroms das Hantieren mit schweren Gegenständen sowie feinmotorische Tätigkeiten ausgeschlossen, woraus sich eine quantitative Leistungsminderung nicht ableiten lässt. Folgerichtig hat Dr. L. seine Einschätzung auch nicht aus der Schmerzsymptomatik im Bereich des Bewegungsapparates hergeleitet, sondern - wenn auch nicht überzeugend - aus einer Gesamtschau aller Beeinträchtigungen. Dr. D. hat seine Auffassung mit dem erhobenen psychischen Befund begründet und das Durchhaltevermögen der Klägerin für eine sechsstündige Tätigkeit wegen ihrer erhöhten Ermüd- und Erschöpfbarkeit verneint, ohne dies allerdings in einen Zusammenhang mit der Schmerzsymptomatik bringen. Schließlich hat auch die behandelnde Ärztin Dr. P. , die die Fähigkeit der Klägerin zur Ausübung jeglicher beruflicher Tätigkeiten ausgeschlossen hat, ihre - wenn auch unzutreffende - Auffassung ausschließlich mit der Schwere der Depression begründet und auch aus den Ausführungen des Dr. B. ergibt sich nicht, dass er von einem quantitativ geminderten Leistungsvermögen ausgegangen ist. Schließlich spricht auch die Intensität der fachärztlichen Inanspruchnahme nicht für das Vorliegen eines dauerhaft gravierenden Beschwerdebildes, nachdem Vorstellungen bei dem Orthopäden Dr. B. eher sporadisch (ausweislich seiner Auskunft vom Juli 2014 zuletzt im Februar und Mai 2013) stattfanden und die Klägerin auch bei dem Schmerztherapeuten L., bei dem sie sich im Dezember 2014 erstmals vorgestellt hat, keine laufende schmerztherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt und dort vielmehr - wie sie gegenüber Dr. S. angegeben hat - seit zwei Jahren nicht mehr vorstellig geworden ist.
Ohnehin ist die Ausprägung der von der Klägerin beklagten Schmerzen nicht feststellbar. So beschrieb schon der von der Beklagten in dem früheren Rentenverfahren hinzugezogene Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. eine histrionische Persönlichkeitsakzentuierung und eine auffällige Diskrepanz zwischen dem Verhalten der Klägerin in der Untersuchungssituation und vermeintlich unbeobachteten Situationen, wobei die Klägerin bei den Gangproben ein deutlich verlangsamtes Gangbild zeigte und bei der Prüfung des Fersen- und Zehengangs ausgeprägte Schmerzen mit Stöhnen und Pressen der linken Faust gegen die untere Wirbelsäule angab, während sie in der Lage war, flüssig und ohne Schmerzäußerungen vom Wartebereich in das Untersuchungszimmer und zur Auszahlungskasse zu gehen. Auch der Sachverständige Dr. L. hat entsprechende Auffälligkeiten beschrieben. Ausgehend von dem erhobenen klinischen Befund ist er unter Berücksichtigung der testpsychologischen Untersuchung, bei der insbesondere der Selbsteinschätzungsfragebogen SFSS (Strukturierter Fragebogen Simulierter Symptome) auf eine Simulation hingewiesen hat, zwar nicht von einer Simulation von Beschwerden ausgegangen, jedoch hat er deutlich gemacht, dass bei der Klägerin eine Aggravation nicht zu übersehen ist. Schließlich hat auch der Sachverständige Dr. S. darauf hingewiesen, dass sich anlässlich seiner Untersuchung deutliche Hinweise für Aggravation und Verdeutlichung ergeben haben. So hat die Klägerin während der Untersuchungssituation auf einer Schmerzscala von 0 bis 10 (0 = kein Schmerz, 10 = stärkst vorstellbarer Schmerz) einen aktuellen Schmerz von 10 angegeben, während sie in der einstündigen Untersuchung bei einem einmaligen Lagewechsel nach 20 Minuten ruhig auf ihrem Stuhl gesessen ist, ohne Umherrutschen oder gar Aufstehen, und sich lediglich einmal nach fünf Minuten unter Schmerzäußerung an die linke Schulter gegriffen hat. Angesichts der zu beobachtenden Psychomotorik ist der angegebene maximale Schmerz - so überzeugend Dr. S. - in keiner Weise nachvollziehbar. Auch der weitere Umstand, dass sich bei der Spontanmotorik keine Schmerzäußerungen gezeigt haben, während bei der körperlichen Untersuchung wiederholt demonstrativ wirkende Schmerzäußerungen erfolgt sind, weist auf eine Schmerzpräsentation hin, die nicht dem tatsächlich erlebten Ausmaß entspricht. All diese Gesichtspunkte begründen erhebliche Zweifel daran, dass die Schmerzsituation der Klägerin tatsächlich das von ihr vorgebrachte schwerwiegende Ausmaß erreicht, weshalb der Senat sich nicht in der Lage sieht, seiner Leistungsbeurteilung das von der Klägerin vorgebrachte Beschwerdeausmaß zu Grunde zu legen. Damit ist auch nicht festzustellen, ob die Beschwerden der Klägerin ein Ausmaß erreichen, das selbst leichte Tätigkeiten in einem Umfang von sechs Stunden täglich ausschließt. Der Nachteil dieser Nichterweislichkeit einer anspruchsbegründenden Tatsache geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin. Denn nach diesem Grundsatz hat jeder im Rahmen des anzuwendenden Rechts die Beweislast für die Tatsachen zu tragen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen.
Die Klägerin kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der im Tatbestand genannten von OMR K., Dr. L. , Dr. D. und Dr. S. aufgelisteten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Sie ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Nach alledem kann das angefochten Urteil des SG keinen Bestand haben und ist auf die Berufung der Beklagten aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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