Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 3761/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 665/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Januar 2017 wird verworfen.
Außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 16. April bis 23. April 2015 in Höhe von kalendertäglich EUR 84,68 (netto) streitig.
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger war seit dem 5. März 2015 arbeitsunfähig erkrankt. Im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (AU) abgerechneten Kalendermonat erzielte er ein Arbeitsentgelt in Höhe von EUR 7.339,21 (brutto) bzw. EUR 4.819,53 (netto). Bis zum 15. April 2015 erhielt er Entgeltfortzahlung durch seine Arbeitgeberin. Die von Dr. W. ausgestellten AU-Bescheinigungen vom 13. April 2015 (AU bis 26. April 2015) und vom 24. April 2015 (AU bis 30. April 2015) gingen der Beklagten am 30. April 2016 zu.
Mit Bescheid vom 30. April 2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Krankengeld ab dem 30. April 2015. Eine Bewilligung von Krankengeld für die Zeit vor dem 30. April 2015 lehnte die Beklagte ab. Dem stehe das Ruhen des Anspruchs wegen verspäteter Meldung entgegen. Den hiergegen vom Kläger am 7. Mai 2015 eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2015 zurück.
Mit Bescheid vom 26. Juni 2015 setzte die Beklagte die Höhe des Krankengeldes mit kalendertäglich EUR 84,68 netto (EUR 96,25 brutto) fest. Der Berechnung lag ein Regelentgelt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2015 von monatlich EUR 4.125,00 zugrunde. Hiergegen legte der Kläger keinen Widerspruch ein.
Am 10. Juli 2015 erhob der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage gegen den Bescheid vom 30. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juni 2015 und trug zur Begründung vor, die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) greife vorliegend nicht ein. Nach § 5 Abs. 1 Satz 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) sei Arbeitnehmern mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung die Verpflichtung abgenommen, der Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit zu melden. Außerdem sei er gesundheitlich zu einer Meldung nicht in der Lage gewesen.
Die Beklagte verwies auf ihre Bescheide.
Mit Gerichtsbescheid vom 18. Januar 2017 verurteilte das SG die Beklagte, für die Zeit vom 24. April bis 29. April 2015 Krankengeld an den Kläger zu zahlen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 24. April 2015 sei innerhalb der Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V vorgelegt worden. Vom 24. bis 29. April 2015 stehe dem Kläger daher Krankengeld zu. Im Übrigen habe die Klage aber keinen Erfolg, weil die Meldung der Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 16. bis 23. April 2015 verspätet gewesen sei. § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG befreie den Arbeitnehmer nicht von seiner Obliegenheit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Das Gericht folge insoweit dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 21. Oktober 2015 (L 5 KR 5457/13 – juris).
Gegen den ihm am 24. Januar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21. Februar 2017 Berufung beim LSG eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. Auf den Hinweis der Berichterstatterin, die Berufung des Klägers sei wegen Nichterreichens der Berufungssumme möglicherweise unzulässig, führte der Kläger aus, das Urteil des Senats vom 12. Februar 2010 (L 4 KR 35940/08 – juris) überzeuge nicht. Für die Beschwer sei der Bruttobetrag maßgeblich. Im Übrigen wäre die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung zulässig und begründet, weil der Gerichtsbescheid des SG von Entscheidungen verschiedener Landessozialgerichte abweiche.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Januar 2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juni 2015 zu verurteilen, ihm Krankengeld in gesetzlicher Höhe auch für den Zeitraum vom 16. April bis 23. April 2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unzulässig und daher gemäß § 158 Satz 1 SGG zu verwerfen.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung, bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil bzw. - wenn wie vorliegend das SG durch Gerichtsbescheid entschied - in dem Gerichtsbescheid (§ 105 Abs. 2 Satz 1 SGG) des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Nach den für die Bestimmung des Beschwerdewertes maßgeblichen Ausführungen in der Berufungsschrift verlangt der Kläger Krankengeld für die Zeit vom 16. bis 23. April 2015. Gegenstand des Verfahrens ist damit eine Geldleistung. In einem solchen Verfahren ist maßgebend der Betrag, um den die Beteiligten unmittelbar streiten (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 144 Rn. 15).
Dies ist bei Sozialleistungen, für die der Sozialleistungsträger Sozialversicherungsbeiträge an andere Träger zahlen muss, nur der Betrag, der an den Versicherten ausbezahlt würde ("Nettobetrag"). Dies hat das Bundessozialgericht - BSG - zum Arbeitslosengeld (Alg) bereits entschieden. Es hat in jenem Urteil ausgeführt (Urteil vom 27. Juli 2004 – B 7 AL 104/03 R – juris, Rn. 13 f):
"Der mögliche Einfluss auf andere Leistungen kann bei der Feststellung des Beschwerdegegenstands nicht berücksichtigt werden, denn rechtliche und wirtschaftliche Folgewirkungen der Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch müssen bei der Berechnung der Beschwer außer Ansatz bleiben (grundlegend BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 11 unter Hinweis auf die frühere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden § 115 Finanzgerichtsordnung aF; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 12; B 11/10 AL 1/98 R vom 11. Mai 1999 = DBlR Nr 4560a zu § 145 SGG; zustimmend: Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, RdNr 15 zu § 144; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl. 2002, VIII RdNr 15; Littmann in Hk-SGG, RdNr 8 zu § 144). Zwar hat das BSG bislang zumeist Fälle entschieden, bei denen mit der Forderung verbundene Folgewirkungen/ Nebenforderungen noch einer weiteren Umsetzung bedurften (teilweise durch Verwaltungsakt einer anderen Behörde, vgl. BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 11), während hier die Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ex lege an den Bezug von Alg gekoppelt ist (vgl. den Wortlaut des § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI). Doch auch in diesem Fall ist der Streitwert gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ausschließlich nach der unmittelbar geltend gemachten Forderung - hier den Anspruch auf Alg - festzusetzen. Mittelbar folgt dies auch aus dem über § 202 SGG in Bezug genommenen § 4 Zivilprozessordnung (ZPO). Nach dieser Norm sind sogar Nebenforderungen für die Wertberechnung außer Acht zu lassen, wobei man von Nebenforderungen spricht, wenn diese zu der Hauptforderung in einem "objektiven Abhängigkeitsverhältnis" stehen (so Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl. 1996, RdNr 3260). Der Anspruch auf Tragung der Beiträge zu anderen Sozialversicherungsträgern wäre sachlich-rechtlich vom Hauptanspruch (der Bewilligung von Alg) abhängig (hierzu auch Hartmann in Baumbach ua, ZPO, 60. Aufl. 2002, RdNr 11 zu § 4 ZPO). [ ] Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung nicht zuletzt in dem Sinn und Zweck des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Mit der Festlegung einer notwendigerweise pauschalen Streitwertgrenze wird eine Vereinfachung des Verfahrens angestrebt. Mit diesem Ziel wäre es nicht zu vereinbaren, allein wegen des Streitwerts nach allen Richtungen zu prüfen, welche Auswirkungen das Urteil für den Rechtsmittelführer möglicherweise in anderen Bereichen haben könnte (vgl. insbesondere BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 12: Maßgebend ist die geltend gemachte Höhe des Alg-Anspruchs, auch wenn als Folge eines für den Kläger positiven Urteils die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für denselben Zeitraum aufgehoben werden müsste; vgl. hierzu zustimmend Krasney/Udsching, aaO). Zu Recht hat die Beklagte darauf verwiesen, dass mit einer Berücksichtigung der jeweils zu tragenden Beiträge zu anderen Sozialversicherungsträgern die Ermittlung des Berufungsstreitwerts zu großen verwaltungspraktischen Schwierigkeiten führen würde. Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass der jeweilige Beitragssatz der zuständigen Krankenkasse zu ermitteln wäre und im Gegensatz zu den Sozialversicherungsbereichen, in denen die Beitragshöhe durch Gesetz festgelegt wird, somit der Streitwert bei identischer Höhe des Alg-Anspruchs Schwankungen ausweisen könnte. [ ] Hingegen ist die Höhe des geltend gemachten Alg-Anspruchs kalendertäglich leicht festzustellen und gewährleistet eine einfache und schnelle Handhabung der Ermittlung des Berufungsstreitwerts."
Diesen Erwägungen schließt sich der Senat an (so schon mit Urteil vom 12. Februar 2010 – L 4 KR 3594/08 – juris, Rn. 26, auch zum Folgenden). Welche Sozialversicherungsbeiträge von einer streitigen Sozialleistung abgeführt werden müssen, welcher "Brutto-Anspruch" sich also aus einem eingeklagten "Nettobetrag" ergibt, ist nicht immer leicht zu ermitteln. Hinzu kommt, dass die Ansprüche auf Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge in erster Linie den anderen Sozialleistungsträgern gegen den Beklagten zustehen. Diese sind an dem fraglichen Prozess aber nicht beteiligt, sodass eine womöglich rechtskräftige Entscheidung des Gerichts über die Höhe dieser Beträge - die mit einer Entscheidung über den "Brutto-Anspruch" verbunden wäre - nicht ergehen kann.
Auf den Netto-Betrag kommt es ebenso wie beim Alg auch beim Krankengeld an, um das in diesem Prozess gestritten wird. Auch die Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und zur Pflegeversicherung, die vom Krankengeld abgeführt werden, sind nicht immer ohne Weiteres zu ermitteln. Dies gilt vor allem für die Beiträge zur Pflegeversicherung, deren Höhe auch davon abhängt, ob der Krankengeldempfänger Kinder hat.
Legt man den (von der Beklagten zutreffend errechneten und bestandskräftig festgestellten) kalendertäglichen Nettobetrag in Höhe von EUR 84,68 vorliegend zu Grunde, ergibt sich eine Beschwer des Klägers in Höhe von EUR 677,44 (acht Kalendertage vom 16. April bis 23. April 2015 x EUR 84,68). Damit wird der für eine statthafte Berufung erforderliche Beschwerdewert von EUR 750,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) nicht überschritten.
Die Berufung war auch nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulassungsfrei. Der Streit betrifft nicht laufende Sozialleistungen für mehr als ein Jahr, sondern eine Krankengeldzahlung für einen abgeschlossenen Zeitraum von nur acht Kalendertagen.
Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen. Eine solche Zulassung ist weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 2. Juni 2017 erfolgt. Die beigefügte (und unzutreffende) Rechtsmittelbelehrung, nach der das Urteil mit der Berufung angefochten werden könnte, stellt keine Berufungszulassung dar (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 – B 9 SB 45/11 B – juris, Rn. 12).
Auch der Senat hat die Berufung nicht nachträglich zugelassen und ist zu einer solchen Entscheidung im Rahmen dieses Verfahrens nicht befugt. Eine (hilfsweise) Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Gerichtsbescheid des SG (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGG) oder den Antrag auf mündliche Verhandlung beim SG (§ 105 Abs. 2 Satz 2 SGG) hat der Kläger (noch) nicht erhoben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 16. April bis 23. April 2015 in Höhe von kalendertäglich EUR 84,68 (netto) streitig.
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger war seit dem 5. März 2015 arbeitsunfähig erkrankt. Im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (AU) abgerechneten Kalendermonat erzielte er ein Arbeitsentgelt in Höhe von EUR 7.339,21 (brutto) bzw. EUR 4.819,53 (netto). Bis zum 15. April 2015 erhielt er Entgeltfortzahlung durch seine Arbeitgeberin. Die von Dr. W. ausgestellten AU-Bescheinigungen vom 13. April 2015 (AU bis 26. April 2015) und vom 24. April 2015 (AU bis 30. April 2015) gingen der Beklagten am 30. April 2016 zu.
Mit Bescheid vom 30. April 2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Krankengeld ab dem 30. April 2015. Eine Bewilligung von Krankengeld für die Zeit vor dem 30. April 2015 lehnte die Beklagte ab. Dem stehe das Ruhen des Anspruchs wegen verspäteter Meldung entgegen. Den hiergegen vom Kläger am 7. Mai 2015 eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2015 zurück.
Mit Bescheid vom 26. Juni 2015 setzte die Beklagte die Höhe des Krankengeldes mit kalendertäglich EUR 84,68 netto (EUR 96,25 brutto) fest. Der Berechnung lag ein Regelentgelt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2015 von monatlich EUR 4.125,00 zugrunde. Hiergegen legte der Kläger keinen Widerspruch ein.
Am 10. Juli 2015 erhob der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage gegen den Bescheid vom 30. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juni 2015 und trug zur Begründung vor, die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) greife vorliegend nicht ein. Nach § 5 Abs. 1 Satz 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) sei Arbeitnehmern mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung die Verpflichtung abgenommen, der Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit zu melden. Außerdem sei er gesundheitlich zu einer Meldung nicht in der Lage gewesen.
Die Beklagte verwies auf ihre Bescheide.
Mit Gerichtsbescheid vom 18. Januar 2017 verurteilte das SG die Beklagte, für die Zeit vom 24. April bis 29. April 2015 Krankengeld an den Kläger zu zahlen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 24. April 2015 sei innerhalb der Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V vorgelegt worden. Vom 24. bis 29. April 2015 stehe dem Kläger daher Krankengeld zu. Im Übrigen habe die Klage aber keinen Erfolg, weil die Meldung der Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 16. bis 23. April 2015 verspätet gewesen sei. § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG befreie den Arbeitnehmer nicht von seiner Obliegenheit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Das Gericht folge insoweit dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 21. Oktober 2015 (L 5 KR 5457/13 – juris).
Gegen den ihm am 24. Januar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21. Februar 2017 Berufung beim LSG eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. Auf den Hinweis der Berichterstatterin, die Berufung des Klägers sei wegen Nichterreichens der Berufungssumme möglicherweise unzulässig, führte der Kläger aus, das Urteil des Senats vom 12. Februar 2010 (L 4 KR 35940/08 – juris) überzeuge nicht. Für die Beschwer sei der Bruttobetrag maßgeblich. Im Übrigen wäre die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung zulässig und begründet, weil der Gerichtsbescheid des SG von Entscheidungen verschiedener Landessozialgerichte abweiche.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Januar 2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juni 2015 zu verurteilen, ihm Krankengeld in gesetzlicher Höhe auch für den Zeitraum vom 16. April bis 23. April 2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unzulässig und daher gemäß § 158 Satz 1 SGG zu verwerfen.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung, bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil bzw. - wenn wie vorliegend das SG durch Gerichtsbescheid entschied - in dem Gerichtsbescheid (§ 105 Abs. 2 Satz 1 SGG) des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Nach den für die Bestimmung des Beschwerdewertes maßgeblichen Ausführungen in der Berufungsschrift verlangt der Kläger Krankengeld für die Zeit vom 16. bis 23. April 2015. Gegenstand des Verfahrens ist damit eine Geldleistung. In einem solchen Verfahren ist maßgebend der Betrag, um den die Beteiligten unmittelbar streiten (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 144 Rn. 15).
Dies ist bei Sozialleistungen, für die der Sozialleistungsträger Sozialversicherungsbeiträge an andere Träger zahlen muss, nur der Betrag, der an den Versicherten ausbezahlt würde ("Nettobetrag"). Dies hat das Bundessozialgericht - BSG - zum Arbeitslosengeld (Alg) bereits entschieden. Es hat in jenem Urteil ausgeführt (Urteil vom 27. Juli 2004 – B 7 AL 104/03 R – juris, Rn. 13 f):
"Der mögliche Einfluss auf andere Leistungen kann bei der Feststellung des Beschwerdegegenstands nicht berücksichtigt werden, denn rechtliche und wirtschaftliche Folgewirkungen der Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch müssen bei der Berechnung der Beschwer außer Ansatz bleiben (grundlegend BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 11 unter Hinweis auf die frühere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden § 115 Finanzgerichtsordnung aF; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 12; B 11/10 AL 1/98 R vom 11. Mai 1999 = DBlR Nr 4560a zu § 145 SGG; zustimmend: Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, RdNr 15 zu § 144; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl. 2002, VIII RdNr 15; Littmann in Hk-SGG, RdNr 8 zu § 144). Zwar hat das BSG bislang zumeist Fälle entschieden, bei denen mit der Forderung verbundene Folgewirkungen/ Nebenforderungen noch einer weiteren Umsetzung bedurften (teilweise durch Verwaltungsakt einer anderen Behörde, vgl. BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 11), während hier die Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ex lege an den Bezug von Alg gekoppelt ist (vgl. den Wortlaut des § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI). Doch auch in diesem Fall ist der Streitwert gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ausschließlich nach der unmittelbar geltend gemachten Forderung - hier den Anspruch auf Alg - festzusetzen. Mittelbar folgt dies auch aus dem über § 202 SGG in Bezug genommenen § 4 Zivilprozessordnung (ZPO). Nach dieser Norm sind sogar Nebenforderungen für die Wertberechnung außer Acht zu lassen, wobei man von Nebenforderungen spricht, wenn diese zu der Hauptforderung in einem "objektiven Abhängigkeitsverhältnis" stehen (so Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl. 1996, RdNr 3260). Der Anspruch auf Tragung der Beiträge zu anderen Sozialversicherungsträgern wäre sachlich-rechtlich vom Hauptanspruch (der Bewilligung von Alg) abhängig (hierzu auch Hartmann in Baumbach ua, ZPO, 60. Aufl. 2002, RdNr 11 zu § 4 ZPO). [ ] Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung nicht zuletzt in dem Sinn und Zweck des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Mit der Festlegung einer notwendigerweise pauschalen Streitwertgrenze wird eine Vereinfachung des Verfahrens angestrebt. Mit diesem Ziel wäre es nicht zu vereinbaren, allein wegen des Streitwerts nach allen Richtungen zu prüfen, welche Auswirkungen das Urteil für den Rechtsmittelführer möglicherweise in anderen Bereichen haben könnte (vgl. insbesondere BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 12: Maßgebend ist die geltend gemachte Höhe des Alg-Anspruchs, auch wenn als Folge eines für den Kläger positiven Urteils die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für denselben Zeitraum aufgehoben werden müsste; vgl. hierzu zustimmend Krasney/Udsching, aaO). Zu Recht hat die Beklagte darauf verwiesen, dass mit einer Berücksichtigung der jeweils zu tragenden Beiträge zu anderen Sozialversicherungsträgern die Ermittlung des Berufungsstreitwerts zu großen verwaltungspraktischen Schwierigkeiten führen würde. Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass der jeweilige Beitragssatz der zuständigen Krankenkasse zu ermitteln wäre und im Gegensatz zu den Sozialversicherungsbereichen, in denen die Beitragshöhe durch Gesetz festgelegt wird, somit der Streitwert bei identischer Höhe des Alg-Anspruchs Schwankungen ausweisen könnte. [ ] Hingegen ist die Höhe des geltend gemachten Alg-Anspruchs kalendertäglich leicht festzustellen und gewährleistet eine einfache und schnelle Handhabung der Ermittlung des Berufungsstreitwerts."
Diesen Erwägungen schließt sich der Senat an (so schon mit Urteil vom 12. Februar 2010 – L 4 KR 3594/08 – juris, Rn. 26, auch zum Folgenden). Welche Sozialversicherungsbeiträge von einer streitigen Sozialleistung abgeführt werden müssen, welcher "Brutto-Anspruch" sich also aus einem eingeklagten "Nettobetrag" ergibt, ist nicht immer leicht zu ermitteln. Hinzu kommt, dass die Ansprüche auf Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge in erster Linie den anderen Sozialleistungsträgern gegen den Beklagten zustehen. Diese sind an dem fraglichen Prozess aber nicht beteiligt, sodass eine womöglich rechtskräftige Entscheidung des Gerichts über die Höhe dieser Beträge - die mit einer Entscheidung über den "Brutto-Anspruch" verbunden wäre - nicht ergehen kann.
Auf den Netto-Betrag kommt es ebenso wie beim Alg auch beim Krankengeld an, um das in diesem Prozess gestritten wird. Auch die Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und zur Pflegeversicherung, die vom Krankengeld abgeführt werden, sind nicht immer ohne Weiteres zu ermitteln. Dies gilt vor allem für die Beiträge zur Pflegeversicherung, deren Höhe auch davon abhängt, ob der Krankengeldempfänger Kinder hat.
Legt man den (von der Beklagten zutreffend errechneten und bestandskräftig festgestellten) kalendertäglichen Nettobetrag in Höhe von EUR 84,68 vorliegend zu Grunde, ergibt sich eine Beschwer des Klägers in Höhe von EUR 677,44 (acht Kalendertage vom 16. April bis 23. April 2015 x EUR 84,68). Damit wird der für eine statthafte Berufung erforderliche Beschwerdewert von EUR 750,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) nicht überschritten.
Die Berufung war auch nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulassungsfrei. Der Streit betrifft nicht laufende Sozialleistungen für mehr als ein Jahr, sondern eine Krankengeldzahlung für einen abgeschlossenen Zeitraum von nur acht Kalendertagen.
Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen. Eine solche Zulassung ist weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 2. Juni 2017 erfolgt. Die beigefügte (und unzutreffende) Rechtsmittelbelehrung, nach der das Urteil mit der Berufung angefochten werden könnte, stellt keine Berufungszulassung dar (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 – B 9 SB 45/11 B – juris, Rn. 12).
Auch der Senat hat die Berufung nicht nachträglich zugelassen und ist zu einer solchen Entscheidung im Rahmen dieses Verfahrens nicht befugt. Eine (hilfsweise) Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Gerichtsbescheid des SG (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGG) oder den Antrag auf mündliche Verhandlung beim SG (§ 105 Abs. 2 Satz 2 SGG) hat der Kläger (noch) nicht erhoben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
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