Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 2300/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3181/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Juli 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1964 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Kläger absolvierte dort eine Ausbildung zum Dreher und war anschließend als Schlosser, Baumaschinenführer und Auslieferungsfahrer tätig. Nach seiner Übersiedelung in die Bundesrepublik Deutschland 1991 arbeitete er seit 1992 als Waldarbeiter und absolvierte von 1996 bis 1999 eine Ausbildung zum Forstwirt. Zuletzt hatte er einen Schonarbeitsplatz inne mit wechselnden Tätigkeiten. Seit August 2013 ist der Kläger arbeitsunfähig. Ein Grad der Behinderung von 70 ist anerkannt.
Vom 23.02. bis 22.03.2012 nahm der Kläger an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik H. (Fachklinik für Innere Medizin und rheumatische Erkrankungen) teil, aus der er bezüglich seiner letzten Tätigkeit arbeitsunfähig entlassen wurde. Laut Entlassungsbericht vom 22.03.2012 bestand im überschaubaren Zeitraum perspektivisch ein vollschichtiges Leistungsbild für körperlich leichte bis mittelschwere Männerarbeiten unter Beachtung näher aufgeführter qualitativer Einschränkungen. Nach einem ersten operativen lumbalen Eingriff im August 2013 erfolgte vom 26.08. bis 16.09.2013 eine weitere stationäre Rehabilitation in der Fachklinik S. in W., aus der der Kläger aufgrund der Diagnosen Bandscheibenvorfall L4/L5/S1 links mit mikrochirurgischer Dekompression am 14.08.2013, rezidivierende Lumboischialgien bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule (LWS) und Diabetes mellitus arbeitsunfähig entlassen wurde. Leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen könnten für sechs Stunden pro Tag und mehr ausgeübt werden unter Vermeidung häufigen Hebens, Tragens und Bewegens von Lasten schwerer als 15 kg, ohne dauerhafte Überkopfarbeiten sowie Zwangshaltungen des Rumpfes und der Ex¬tremitäten und ohne Nachtschicht. Im Februar 2014 kam es zur Revisions-Operation und bei fortbestehender Schmerzsymptomatik und Postnukleotomie-Syndrom von L4/S1-Wurzel links im Juni 2014 zur zweiten Revisions-Operation. Dieser schloss sich vom 15.09.2014 bis 14.10.2014 eine weitere stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik H. in B. an. Hier wurden folgende Diagnosen gestellt:
1. 26.06.2014: Ventrodorsale Spondylodese LW4 - SW1, Hemilaminektomie L5 li., Neurolyse L5/S1-Wurzel li. 2. Diabetes mellitus Typ II (insulinpflichtig). 3. Arterielle Hypertonie. 4. Epilepsie (letzter Anfall ca. 2012). 5. Gemischte Hyperlipidämie mit ausgeprägter Hypertriglyceridämie.
In der Perspektive bestehe bezugnehmend auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Männerarbeiten im Wechselrhythmus in Tag-, Früh- und Spätschicht, ohne Körperzwangshaltungen und ohne Arbeiten an laufenden Maschinen und ohne Absturzgefahr. Aufgrund der Restbeschwerden wurde der Kläger interkurrent arbeitsunfähig entlassen für den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Am 30.10.2014 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund seiner Wirbelsäulenprobleme. Er könne nichts mehr heben und tragen und es komme zu einem plötzlichen Kraftverlust im Bein mit Fallneigung.
Nachdem die Beklagte verschiedene ärztliche Berichte beigezogen hatte, kam der Facharzt für Innere Medizin H. in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20.11.2014 unter Bezugnahme auf die Reha-Entlassungsberichte zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen. Mit Bescheid vom 18.12.2014 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung der begehrten Rente ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein unter Vorlage eines ärztlichen Attests des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Z. vom 20.01.2015, worin dieser als gravierendste gesundheitliche Beschwerden des Klägers ein chronisches Schmerzsyndrom sowie eine schwere depressive Episode bezeichnete. In einer ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie B. vom 17.03.2015 gab dieser an, die Belastbarkeit des Klägers wegen einer rezidivierenden majoren Depression ohne psychotische Symptome, wegen Zwangsgedanken, einer idiopathischen generalisierten Epilepsie, der Lyme-Krankheit sowie eines lumbalen Bandscheibenschadens bei Radikulopathie liege deutlich unter drei Stunden täglich.
Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Neurologen Dr. S. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 12.05.2015 nach neurologischer und psychiatrischer Untersuchung des Klägers folgende Diagnosen: Lumboischialgie links bei leichter Wurzelschädigung L5 und geringer S1, Epilepsie mit Verdacht auf häufigere rein psychische Anfälle und sehr seltenen komplex-partiellen und/oder generalisierten Anfällen, Anpassungsstörung mit depressiver Verstimmung und Zukunftsängsten bei chronischem Schmerzsyndrom. Aufgrund der Summe der vorliegenden Einschränkungen und insbesondere wegen der Lumboischialgie links könne der Versicherte nur noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten leisten, und zwar nur noch geistig-seelisch wenig belastende und solche ohne Früh- oder Spätschicht sowie Nachtschicht. Da die geistig-seelische Belastbarkeit eingeschränkt sei, könne er keine Tätigkeiten mit besonderen Ansprüchen an die Konzentrationsfähigkeit, das Reaktionsvermögen, die Umstellungsfähigkeit sowie das Anpassungsvermögen mehr verrichten und auch nicht solche mit besonderer Verantwortung für Personen und Maschinen oder mit Überwachung bzw. Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge. Tätigkeiten mit Publikumsverkehr könne er nur noch zeitweise leisten. Ein häufiges Bücken scheide ebenso aus wie Tätigkeiten, die mehr als gelegentliches Ersteigen von Treppen oder Wirbelsäulenzwangshaltungen erforderten. Das schwere Heben, Tragen und Bewegen von Lasten mit mehr als 5 kg sei nicht möglich. Wegen der Epilepsie dürfe er keine Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr oder Absturzgefahr erbringen und es sei auch die aktive Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr nicht möglich. Arbeiten im Stehen und Gehen könne er nur noch zeitweise erbringen und auch ein Arbeiten im ständigen Sitzen sei nicht möglich. Unter Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen könne er noch Tätigkeiten von über sechs Stunden pro Tag leisten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2015 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.07.2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben mit der Begründung, er leide seit Jahren unter starken Rückenschmerzen, die zusehends stärker würden und ihn sowohl psychisch als auch physisch stark belasteten. Mittlerweile beschreibe er den Schmerz als Dauerschmerz, der auch bis in das Bein ausstrahle und sich mitunter in stromschlagartigen Schmerzen äußere. In den letzten Jahren habe er eine depressive Episode entwickelt, die zu einer extremen Leistungsminderung führe und auch die Konzentrations- und Gedächtnisfähigkeit vermindere.
Das Gericht hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. hat im Schreiben vom 17.09.2015 sowie in einer ergänzenden Stellungnahme vom 17.12.2015 ausgeführt, bei den im Vordergrund stehenden Rückenproblemen hätten alle operativen Maßnahmen nicht einen Hauch einer Besserung erbracht. Dadurch habe sich die depressive Symptomatik verschlechtert. Es müsste dem Kläger möglich sein, leichte körperliche Tätigkeiten von drei bis sechs Stunden zu bewältigen - dies aber unter der Einschränkung, dass die Hauptbeschwerden im psychiatrischen Fachgebiet begründet seien und diese der behandelnde Psychiater beurteilen müsse.
In seinem Bericht vom 27.10.2015 hat der Facharzt für Psychiatrie B., bei dem sich der Kläger seit 2010 in ambulanter psychiatrisch-psychotherapeutischer Dauerbehandlung befindet, ausgeführt, das maßgebliche Leiden liege auf dem Fachgebiet Psychiatrie/Psychosomatik. Aufgrund seiner psychischen und körperlichen Verfassung sei der Kläger nicht in der Lage, sechs Stunden und mehr auch körperlich leichte Tätigkeiten auszuüben. Die Belastbarkeit sei sehr stark eingeschränkt und liege unter drei Stunden täglich.
Im Anschluss hieran hat das Gericht den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens betraut. Dieser hat in seinem Gutachten vom 10.04.2016 nach ambulanter Untersuchung des Klägers folgende Diagnosen gestellt:
1. Mittelgradige depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung 2. chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren 3. Epilepsie 4. Lumboischialgie 5. Kopfschmerz vom Spannungstyp 6. schädlicher Gebrauch von Alkohol.
Der Kläger könne noch leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 7 kg in abwechslungsreicher, vorwiegend sitzender Körperhaltung und unter Vermeidung näher aufgeführter qualitativer Einschränkungen durchführen, dies aber nur noch vier Stunden pro Tag. Aktuell sei von einer erheblichen Antriebsminderung im Rahmen des depressiven Syndroms und der chronischen Schmerzstörung auszugehen, die sich negativ auf die Durchhaltefähigkeit auswirkten. Dies zeige sich in dem angegebenen Tagesablauf und der eingeschränkten Belastbarkeit aufgrund der herabgesetzten Stresstoleranz und psychomentalen Belastbarkeit. Eine Besserung könne insofern erwartet werden, als zum einen eine störungsspezifische Therapie im Hinblick auf den schädlichen Gebrauch von Alkohol durchgeführt werde und sich daran eine stationäre Behandlung in einer psychiatrisch-psychotherapeutischen und verhaltenstherapeutisch ausgerichteten Klinik hinsichtlich der chronischen Schmerzstörung anschließe. Unter dieser Voraussetzung sei mit einer Besserung des Leistungsvermögens innerhalb der nächsten sechs Monate zu rechnen.
Zu diesem Gutachten hat die Beklagte eine sozialmedizinische Stellungnahme durch Dr. N. (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie) vorgelegt, worin dieser vor allem bemängelt, das Gutachten des Dr. N. folge vor allem den subjektiven Beschwerdeangaben. Es bestehe nur ein quartalsweiser Kontakt zum behandelnden Psychiater, akutpsychiatrische stationäre Aufenthalte, psychosomatische Heilverfahren und multimodale Schmerztherapien seien nicht durchgeführt worden. Der mitgeteilte neurologische Befund sei völlig blande.
Mit Urteil vom 26.07.2016 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger, ausgehend von einem Leistungsfall im Oktober 2015, ab dem 01.05.2016 bis zum 30.04.2017 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Die Ausführungen des Dr. N. seien schlüssig und nachvollziehbar, die Einwendungen des Dr. N. nicht überzeugend. Die Reha-Entlassungsberichte, das Gutachten des Dr. S. sowie die sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. L. lägen zeitlich vor der Begutachtung durch Dr. N.
Gegen das ihr am 03.08.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.08.2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben mit der Begründung, die von Dr. N. festgestellte zunehmende Verschlechterung der psychischen Beschwerden sei bei anscheinend über Jahre gleichlaufender Monotherapie nicht nachvollziehbar. Dr. N. stütze sich auf subjektive Angaben des Klägers mit Rentenwunsch, die nicht verifiziert worden seien. Im Medikamentenspiegel habe sich das angegebene Schmerzmittel nicht nachweisen lassen. Auf die Bestimmung des angegebenen Antidepressivums sei verzichtet worden. Ein erheblicher Leidensdruck sei angesichts geringer therapeutischer Anstrengungen nicht feststellbar, und auch der geschilderte Tagesablauf entspreche nur dem eines von Verpflichtungen entbundenen Menschen und sei nicht krankheitsbedingt. Hinzu komme, dass keine ausreichende ärztliche bzw. psychiatrisch/psychotherapeutische Behandlung durchgeführt werde, sodass nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Gewährung einer Rente nicht in Betracht komme, da psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant würden, wenn trotz adäquater Behandlung davon auszugehen sei, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden könne.
Am 03.02.2017 hat der Kläger Anschlussberufung erhoben, weil die von Dr. N. erwartete Besserung der Leistungsfähigkeit nicht eingetreten sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Juli 2016 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Juli 2016 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2015 zu verurteilen, ihm ausgehend von einem Leistungsfall im Oktober 2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. April 207 hinaus unbefristet zu gewähren,
sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise, den Kläger von Amts wegen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet begutachten zu lassen.
Die Einwände der Beklagten gegen das Vorliegen von Erwerbsminderung überzeugten nicht. Der Kläger suche seinen Psychiater monatlich auf, der auch eine latente Suizidalität festgestellt habe. Der von Dr. N. erhobene psychische Befund sei gerade nicht blande. Vielmehr habe der Kläger im ersten Eindruck verlangsamt gewirkt, unflexibel und eingeengt, der Beschwerdevortrag sei klagsam gewesen, Aufmerksamkeitsstörungen seien aufgefallen, der formale Gedankengang sei umständlich gewesen und es habe eine depressive Herabstimmung mit Ängstlichkeit, Antriebsstörung, Freudlosigkeit und fehlender Aufheiterbarkeit und Ablenkbarkeit und eingeschränkter Mitschwingungsfähigkeit bestanden. Da die von Dr. N. erwartete Besserung der Leistungsfähigkeit nicht eingetreten sei, sei die Anschlussberufung geboten gewesen.
Das Gericht hat zunächst den Facharzt für Psychiatrie Bauer als sachverständigen Zeugen befragt, der im Schreiben vom 07.03.2017 ausgeführt hat, eine stationäre Behandlung des schädlichen Gebrauchs von Alkohol halte er nicht für sinnvoll, weil der Kläger bereits im Jahr 2008 eine solche Entzugsbehandlung gemacht habe und der Alkohol seit dieser Zeit als Behandlungsmittel zur Bekämpfung der depressiven Symptomatik und schmerzlindernd angewendet werde. Eine stationäre Behandlung in einer verhaltenstherapeutisch und schmerztherapeutisch ausgerichteten Klinik sei nicht erfolgsversprechend, weil der Kläger sehr rigide, misstrauisch und zurückhaltend sei. Verhaltenstherapeutische Maßnahmen seien nur dann sinnvoll, wenn ausreichende Sprachkenntnisse vorhanden seien, was bei dem Kläger nicht der Fall sei. Schmerztherapeutische Maßnahmen könnten nur eine kurzfristige Erleichterung des Zustands bringen und keine Wiederherstellung der Belastbarkeit. Die Wahrscheinlichkeit einer Genesung durch die ambulante Psychotherapie sei seines Erachtens sehr gering. Die jetzige Medikation des Klägers sei gut verträglich und als sinnvoll beizubehalten.
Der Neurologe und Schmerztherapeut Dr. J. hat in seiner Stellungnahme vom 20.03.2017 angegeben, klinisch im Vordergrund stünde das Postlaminektomie-Syndrom, das zu - näher aufgeführten - qualitativen Einschränkungen führe. Hinzu komme die Epilepsie. Trotz langjähriger Anfallsfreiheit komme hierdurch das Arbeiten an gefährlichen Maschinen sowie auf Leitern und Gerüsten, in großer Höhe und an Starkstrom führenden Anlagen nicht in Betracht. Die Kompensationsmöglichkeiten des Klägers seien aufgrund der depressiven Stimmungsauslenkung eingeschränkt. Er könne nicht mehr für sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche arbeiten. Maßgeblich hierfür sei, dass bei körperlich schweren Arbeiten die Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule rasch zunähmen und auch während der Nacht erhebliche Schmerzen bestünden, die den Nachtschlaf erheblich störten. Ausdauerndes Stehen oder Sitzen sei ihm nicht möglich und führe rasch zu einer erheblichen Schmerzzunahme. Durch die eingeschränkte Nachtruhe sei auch das Konzentrationsvermögen deutlich eingeschränkt.
Zuletzt hat das Gericht den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat den Kläger am 17.08.2017 nervenärztlich untersucht und in seinem Gutachten vom 30.08.2017 folgende Diagnosen gestellt hat:
1. Kombinierte Persönlichkeitsstörung 2. Somatisierungsstörung/Schmerzstörung mit somatischen und deutlichen psychischen Ursachen 3. Dysthymia mit erhaltener affektiver und inhaltlicher Auslenkbarkeit 4. angegebene Epilepsie (zuletzt Anfallsereignis 2014) 5. aus der Vorgeschichte bekannte Alkoholabhängigkeit 6. insulinpflichtiger Diabetes mellitus 7. Zustand nach wiederholten lumbalen Bandscheibeneingriffen 2013/2014 8. polyneuropathische Störung der unteren Extremitäten 9. Zustand nach Fraktur linkes Sprunggelenk mit Operation.
Körperlich leichte bis zum Teil mittelschwere Tätigkeiten zu ebener Erde seien möglich, nicht jedoch solche an unmittelbar gefährdenden Maschinen und nur solche ohne überdurchschnittliche Anforderungen an den festen Stand, an die Konfliktfähigkeit, an überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen, ohne Stressfaktoren wie Nacht- und Wechselschicht. Unter Beachtung dieser Leistungseinschränkungen könne der Kläger noch vollschichtig arbeiten.
Auf Vorhalt des Klägers, der Gutachter habe ihn missverstanden, ihn in einer groben Art und Weise behandelt und seinen Zustand nicht zutreffend erkannt, zumal er am Begutachtungstag sehr starke Schmerzmedikamente eingenommen habe, hat Dr. B. im Schreiben vom 18.10.2017 Stellung genommen. Auf die Ausführungen wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten und auch die (unselbstständige) Anschlussberufung des Klägers sind zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, da sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt hat. Das angefochtene Urteil des SG war daher aufzuheben. Die Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Klage- und Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist, weil er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Der Schwerpunkt der Erkrankungen des Klägers, die das Leistungsvermögen betreffen, liegt auf nervenärztlichem, und zwar sowohl auf neurologischem als auch psychiatrischem Fachgebiet. Hier leidet der Kläger vor allem unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, einer Somatisierungsstörung bzw. Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Ursachen, einer Dysthymia, dem Zustand nach wiederholten lumbalen Bandscheibeneingriffen 2013 bzw. 2014 und unter einer polyneuropathischen Störung der unteren Extremitäten. Weiterhin leidet der Kläger unter Epilepsie und Alkoholabhängigkeit. Diese Erkrankungen sind indes nicht so schwerwiegend, dass das Leistungsvermögen des Klägers quantitativ eingeschränkt wäre. Hierbei stützt sich der Senat vor allem auf das Gutachten des Dr. B. vom 30.08.2017, der darin überzeugend und schlüssig nach mehrstündiger ambulanter Untersuchung herausgearbeitet hat, dass der Kläger noch körperlich leichte bis zum Teil mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig ausüben kann, sofern solche Tätigkeiten zu ebener Erde und nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen stattfinden, keine überdurchschnittlichen Anforderungen an den festen Stand und an die Konfliktfähigkeit stellen, keine überdurchschnittlich sozialen Interaktionen erfordern und keine Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht beinhalten. Nicht zu folgen vermochte der Senat der Einschätzung des Dr. N. in seinem Gutachten vom 10.04.2016 im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens. Dieser hat das aus seiner Sicht eingeschränkte Leistungsvermögen vor allen Dingen mit einer mittelgradigen depressiven Episode bei rezidivierender depressiver Störung begründet, die mit einer stärker ausgeprägten Passivität und Einschränkungen des Durchhaltevermögens, sozialem Rückzugsverhalten und einer Einengung des Lebensradiusses im Rahmen eines Vermeidungsverhaltens einhergehe und aufgrund derer der Kläger in der Planung und Strukturierung von Aufgaben, der Flexibilität und Umstellungsfähigkeit und der Anwendung fachlicher Kompetenzen eingeschränkt sei. Hierbei stützt sich Dr. N. vor allen Dingen auf die subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers, die der Senat jedoch - anders als Dr. N. - in dem geschilderten Ausmaß nicht verifizieren kann. Hierauf weist bereits Dr. N. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 22.04.2016 im erstinstanzlichen Verfahren hin, der zu Recht bemängelt, dass der Depressivität nur niedrige therapeutische Therapieanstrengungen entgegenstünden. Akut psychiatrische stationäre Aufenthalte, psychosomatische Heilverfahren fanden bisher nicht statt, die Behandlung erschöpft sich vielmehr in einem etwa quartalsweisen bis höchstens monatlichen Kontakt zum behandelnden Psychiater und gelegentlichen Telefonaten mit diesem. Auch die außerberuflichen Aktivitäten bzw. der Tagesablauf des Klägers sprechen nicht gegen eine erhebliche Einschränkung des Leistungsvermögens: So hat der Kläger gegenüber Dr. B. geschildert, er fahre noch selber Auto, wenn er zum Arzt oder zum Einkaufen müsse oder wenn er sich Tabletten hole. Manchmal koche er, und er und seine Ehefrau äßen dann zusammen. Abends gucke er fern (Tierberichte, Spielfilme und die Nachrichten), ab und zu mache er Spaziergänge mit seiner Tochter, da die Frau keine Zeit habe. Wenn es nach ihm ginge, würde er mit den Kindern gerne spazieren gehen oder ins Kino, doch gingen alle wegen ihres Glaubens (Freikirche) dort nicht hin. Auch würde er gerne öfter essen gehen. Im Juni 2017 sei der Kläger mit seiner Familie für eine Woche in L. gewesen. Auch treffe er sich mit seinen Brüdern zum Kaffeetrinken. Auf die schwarzen Hände und Nägel angesprochen, führte der Kläger an, "ein bisschen was am Auto gemacht zu haben", er habe nach dem Öl vom Auto geguckt. Bremsbeläge könne er auch selber wechseln. Gegenüber Dr. N. hat der Kläger darüber hinaus gelegentliche 30-minütige Gartenarbeiten erwähnt sowie häufiges Surfen im Internet und 30-minütige Spaziergänge. Dementsprechend führt Dr. B. auch aus, dass diese Angaben zur außerberuflichen Teilhabe kein weiterreichendes Vermeidungsverhalten abbildeten, welches etwa einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wege stünde. Dies entspricht auch der Einschätzung des Dr. S., dessen Gutachten vom 12.05.2015 im Wege des Urkundsbeweises zu verwerten ist. Dr. S. hat darin ausgeführt, dass sich sichere Belege für eine quantitative Einschränkung des Anpassungsvermögens, der Durchhaltefähigkeit oder Dauerbelastbarkeit nicht ergäben. Die Therapie mit relativ niedrig dosiertem Doxepin 50 zur Nacht sowie die bisherige Behandlung ohne stationäre Maßnahmen als auch der Querschnittsbefund sprächen für eine nur mild ausgeprägte depressive Symptomatik mit Schlafstörungen. Korrespondierend hierzu werden psychische Erkrankungen in den drei Rehaentlassungsberichten aus 2012-2014 auch nicht erwähnt - obwohl der Kläger gegenüber Dr. B. immer wieder betont hat, ihm habe das Leben noch nie gefallen und er habe immer schon Depressionen gehabt. Hinzu kommt, dass Dr. B. nach Anwendung des Selbstbeurteilungsfragebogens (Strukturierter Fragebogen simulierter Symptome, SFSS) deutliche Hinweise für nicht authentische Beschwerdeschilderungen bzw. simulative Tendenzen gefunden hat. Der sog. Cut Off-Wert, d.h. die Punktzahl, ab der jemand zu 87 % als Simulant identifiziert werden kann, liegt bei 16 Punkten - der Kläger hat hier 42 Punkte erreicht. Damit ist nach den Ausführungen des Dr. B. ein Ausmaß erreicht, das bereits für sich viele Gutachter dazu veranlassen würde, allein über den testpsychologischen Befund die Möglichkeit auszuschließen, eine etwa rentenrelevante Funktionsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überhaupt eingrenzen zu können. Somit können die Schilderungen des Klägers zu seinen Beschwerden, auf die Dr. N. sein Gutachten vornehmlich stützt, gerade keine tragfähige Grundlage für eine Beurteilung bilden.
Vor dem Hintergrund des ausführlichen und schlüssigen Gutachtens des Dr. B. überzeugen die Ausführungen des behandelnden Psychiaters B. nicht. Gleiches gilt für die Stellungnahme des behandelnden Allgemeinarztes Dr. Z.
Soweit der Kläger hierzu vortragen lässt, er habe am Tag der Untersuchung sehr starke Medikamente genommen, aufgrund derer er müde gewesen sei und sich auf die Fragen des Gutachters nicht habe konzentrieren können mit der Folge, dass der Gutachter ihm nicht geglaubt habe, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Aus dem Gutachten des Dr. B. ergibt sich, dass sich der Kläger je nach angesprochenem Inhalt zu einem Teil der ihm gestellten Fragen sehr wohl detailliert, lebendig und temperamentvoll äußerte, während er den Gutachter bezüglich anderer Fragen geradezu "auflaufen" ließ, wie Dr. B. dies beschreibt. Dies spricht gerade gegen eine durchgängige Konzentrationsschwäche aufgrund eingenommener Medikamente. Überdies war der Kläger in der Lage, an der mehrstündigen ambulanten Untersuchung ohne Pause teilzunehmen, ohne auch nur Ermüdungserscheinungen zu zeigen.
Der Vorwurf der Klägerbevollmächtigten, der Gutachter habe den Kläger grob behandelt, ihn angeschrien und ihm häufig gesagt, dass er ihn nicht verstehe, ändert am Ergebnis ebenfalls nichts. Dr. B. hat in der mehrstündigen ambulanten Untersuchung den Kläger intensiv beobachten und befragen können und hat auch umfangreiche und detaillierte Antworten bekommen, so dass er das Leistungsvermögen des Klägers beurteilen kann unabhängig davon, ob er sich während der Untersuchung grob zum Kläger verhielt oder nicht. Im Übrigen ist nicht zu erwarten, dass ein Proband einem schreienden oder ihn grob behandelnden Gutachter seine Beschwerden derart ausführlich schildern würde, wie der Kläger dies gegenüber Dr. B. getan hat. Insofern ist die ergänzende Stellungnahme des Dr. B., in der er den Vorwurf zurückweist, nachvollziehbar.
Eine quantitative Leistungseinschränkung lässt sich auch nicht auf die Schmerzen des Klägers bzw. die Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Ursachen nach wiederholten lumbalen Bandscheibeneingriffen stützen. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger aufgrund des Postnukleotomie-Syndroms unter wiederkehrenden Schmerzen vor allen in den Beinen leidet (vergleiche hierzu nur den Bericht des Dr. J. vom 20.03.2017), doch konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass hieraus eine quantitative Leistungsminderung folgt. Hierbei stützt sich der Senat erneut vor allem auf das Gutachten des Dr. B. Dieser hat den Kläger von 9:10 Uhr bis 14:30 Uhr untersucht und begutachtet, ohne dass dieser eine angebotene Pause für erforderlich gehalten hätte oder auch nur Zeichen der Erschöpfung oder Ermüdung gezeigt hätte. Eine Schmerzbeeinträchtigung konnte Dr. B. während der gesamten Zeit nicht feststellen. So schildert er in seinem Gutachten, dass der Kläger bei der Bearbeitung der testpsychologischen Bögen genauso wie bei der sehr langen Anamneseerhebung in durchaus entspannter Position dagesessen habe mit vor der Brust verschränkten Armen. Es sei zu keinem Umsetzen, keinem Aufstehen zwischendurch gekommen, eine Anspannung sei nicht erkennbar gewesen und vor allem keine nach außen hin irgendwie erkennbare Schmerzbeeinträchtigung. Auch die erforderlichen "Zwangshaltungen" bei der neuromyographischen Diagnostik seien problemlos toleriert worden. Hinzu kommt, dass, worauf auch Dr. N. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 22.04.2016 bereits hingewiesen hat, eine multimodale Schmerztherapie bzw. der Empfehlung des Dr. N. folgend eine stationäre Behandlung in einer verhaltenstherapeutisch und schmerztherapeutisch ausgerichteten Klinik bisher nicht erfolgt ist. Dies spricht nach Überzeugung des Senats gegen einen hohen Leidensdruck und führt damit gleichzeitig zu Zweifeln an der vom Kläger geschilderten Schmerzintensität. Dass die Behandlung in einer solchen Klinik nicht erfolgversprechend sei, weil der Kläger sehr rigide, misstrauisch und zurückhaltend sei und es an ausreichenden Sprachkenntnissen fehle, wie dies der Facharzt für Psychiatrie B. in seiner sachverständigen Stellungnahme vom 07.03.2017 ausgeführt hat, kann der Senat so nicht nachvollziehen. Dr. B. bescheinigt dem Kläger ein sehr gutes Sprachvermögen - schließlich ist er seit 26 Jahren in Deutschland wohnhaft -, und auch die Klägerbevollmächtigte hält das Deutsch des Klägers für ausreichend (Schriftsatz vom 04.10.2017). Im Übrigen zeigt das Gutachten des Dr. B. anschaulich, wie viele Informationen der Kläger bei intensiver Befragung von sich preiszugeben in der Lage und gewillt ist, so dass für den Senat nicht erkennbar ist, dass stationäre Therapien aufgrund seines Misstrauens bzw. seiner Zurückhaltung von vornherein keinen Erfolg versprächen. Vielmehr führt Dr. B. nachvollziehbar aus, der Kläger sei geradezu "randvoll mit Gesprächsbedarf".
Soweit die Klägerbevollmächtigte sinngemäß darlegt, der Kläger habe am Tag der Begutachtung wegen seiner Schmerzen starke Schmerzmittel eingenommen, so dass naturgemäß keine erkennbare Schmerzbeeinträchtigung durch den Gutachter habe festgestellt werden können, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen hat der Kläger gegenüber dem Gutachter für den Untersuchungstag auf einer Skala von 1-10 Schmerzen von 5-6 und damit immerhin solche mit mittelstarkem Ausmaß angegeben, die der Gutachter aber während der gesamten Untersuchung gerade nicht beobachten konnte. Zum anderen lassen, worauf der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.10.2017 nachvollziehbar hingewiesen hat, auch die Angaben zur außerberuflichen Teilhabe Rückschlüsse auf die erhaltenen Ressourcen bzw. auf ggf. relevante überdauernde Funktionsstörungen zu. So lässt sich aus den geschilderten Aktivitäten des Klägers (Spaziergänge, Kochen, Reise nach London, Ölwechsel beim Auto usw.) folgern, dass die tatsächlichen Schmerzen des Klägers nicht das von ihm geschilderte Ausmaß erreichen - unabhängig davon, welche Schmerzmittel er am Untersuchungstag genommen hat.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der sachverständigen Zeugenaussage des Neurologen und Schmerztherapeuten Dr. J. vom 20.03.2017. Darin hat dieser zwar ausgeführt, dass der Kläger auch körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr für sechs Stunden täglich oder mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben könne. Als Begründung hat er indes angeführt, dass sowohl bei körperlicher Arbeit in gebückter Körperhaltung, beim Heben und Tragen und bei Arbeiten mit schwerem Gerät die Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule rasch zunehmen. An anderer Stelle schreibt er, körperlich schwere Arbeiten, beispielsweise mit Hacke und Schaufel oder mit der Kettensäge sowie auch das Heben und Tragen von Lasten, das Arbeiten in gebückter Haltung oder unter starken Witterungseinflüssen seien dem Kläger nicht zuzumuten, ebenso wenig wie ausdauerndes Sitzen oder Stehen, das zu einer Beschwerdeverstärkung führe. Dass der Kläger solche schweren Tätigkeiten und damit auch seine bisherige Tätigkeit als Forstarbeiter nicht mehr ausführen kann, ist aber vorliegend gerade nicht streitig. Aus welchen Gründen aber eine leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung und ohne Zwangshaltungen nicht mehr vollschichtig möglich sein sollte, begründet Dr. J. nicht.
Dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten und als Beweisanregung auszulegenden (s. hierzu Bayerisches LSG, Urteil vom 18.02.2014, L 15 VS 10/13 m.w.N.) Antrag auf Einholung eines weiteren neurologisch-psychiatrischen Gutachten war nicht zu folgen, da der Sachverhalt nach Einholung des Gutachtens bei Dr. B., das der Senat für verwertbar und inhaltlich überzeugend hält, hinsichtlich der Erkrankungen des Klägers auf nervenärztlichem Fachgebiet und der daraus folgenden Leistungsbeeinträchtigungen aufgeklärt ist und der Amtsermittlungsgrundsatz daher keine weiteren Ermittlungen gebietet.
Die Epilepsie vermag ebenfalls keine Erwerbsunfähigkeit zu begründen. Zwar kann ein Anfallsleiden je nach Anfallsfrequenz und Art und Schwere zu Erwerbsminderung führen, sofern der Betroffene keine regelmäßige Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mehr verrichten kann (siehe hierzu nur BSG, Urteil vom 12.12.2006, B 13 R 27/06 R, Juris). Vorliegend treten die Anfälle indes so selten auf, dass sie nur insofern Bedeutung für die Ausübung einer Tätigkeit haben, als z.B. die Arbeit an gefährdenden Maschinen oder aber Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten auszuschließen sind. Das letzte, in den Akten erwähnte Anfallsereignis fand 2014 statt, wobei nicht ganz geklärt ist, ob es sich hierbei tatsächlich um einen epileptischen Anfall handelte (vergleiche hierzu die Ausführungen des Klägers im Rahmen der Begutachtung durch Dr. B., Seite 18 des Gutachtens). Selbst wenn sich zuletzt im November 2017 ein epileptischer Anfall ereignet haben sollte, wie dies von der Klägerbevollmächtigten dem Gericht mitgeteilt worden ist, ändert dies nichts an der niedrigen Anfallsfrequenz. Anhaltspunkte dafür, dass in Zukunft mit einer Häufung von Anfällen zu rechnen ist, ergeben sich nicht.
Der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedurfte es vorliegend nicht. Eine solche ist erforderlich bei Versicherten mit einem - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - vollschichtigen Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (s. schon BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26 m.w.N).
Bei der Prüfung einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung sowie einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sind die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und hierbei Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen zu würdigen. Je mehr diese geeignet sind, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter ist die Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung zu begründen (BSG, Urteil vom 19.10.2011, B 13 R 78/09 R, Juris). Hierbei ist auf der vom BSG vorgeschlagenen ersten Prüfstufe festzustellen, ob das Restleistungsvermögen des Klägers noch Tätigkeiten erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen (BSG, a.a.O.). In diesem Fall genügt die Benennung von Arbeitsfeldern, von Tätigkeiten der Art nach oder von geeigneten Tätigkeitsfeldern, die der Versicherte ausfüllen könnte. Erst dann, wenn sich solche Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht beschreiben lassen, in denen es Arbeitsplätze gibt, die der Versicherte unter Berücksichtigung seines Restleistungsvermögens noch ausfüllen kann, und insofern ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen aufkommen, stellt sich die Prüfpflicht, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Liegen diese vor, besteht die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit (BSG, a.a.O.; BSGE 80, 24, 39). Vorliegend reicht das Restleistungsvermögen des Klägers noch für leichte körperliche Verrichtungen wie z.B. Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen aus, so dass es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit vorliegend nicht bedarf.
Schließlich besteht auch keine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Das BSG hält dabei eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in weniger als 20 Minuten zurückzulegen, für eine derart schwere Leistungseinschränkung, dass der Arbeitsmarkt trotz vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (BSG, Urteil vom 21.03.2006, B 5 RJ 51/04, unter Hinweis auf Großer Senat in BSGE 80, 24, 35). Eine derartige Beschränkung der Wegstrecke wurde von keinem Sachverständigen angenommen. Der Kläger selber hat angegeben, gelegentlich 30-minütige Spaziergänge zu unternehmen, die nicht zu erwarten wären, wenn diese nur unter größten Schmerzen möglich wären.
Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Anspruch auf eine solche Rente haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Da der Kläger jedoch 1964 geboren worden ist, kommt eine solche Rente bereits aufgrund dieser Stichtagsregelung nicht in Betracht.
Zu Recht hat die Beklagte daher im Ergebnis die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung abgelehnt. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Dementsprechend war auch die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1964 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Kläger absolvierte dort eine Ausbildung zum Dreher und war anschließend als Schlosser, Baumaschinenführer und Auslieferungsfahrer tätig. Nach seiner Übersiedelung in die Bundesrepublik Deutschland 1991 arbeitete er seit 1992 als Waldarbeiter und absolvierte von 1996 bis 1999 eine Ausbildung zum Forstwirt. Zuletzt hatte er einen Schonarbeitsplatz inne mit wechselnden Tätigkeiten. Seit August 2013 ist der Kläger arbeitsunfähig. Ein Grad der Behinderung von 70 ist anerkannt.
Vom 23.02. bis 22.03.2012 nahm der Kläger an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik H. (Fachklinik für Innere Medizin und rheumatische Erkrankungen) teil, aus der er bezüglich seiner letzten Tätigkeit arbeitsunfähig entlassen wurde. Laut Entlassungsbericht vom 22.03.2012 bestand im überschaubaren Zeitraum perspektivisch ein vollschichtiges Leistungsbild für körperlich leichte bis mittelschwere Männerarbeiten unter Beachtung näher aufgeführter qualitativer Einschränkungen. Nach einem ersten operativen lumbalen Eingriff im August 2013 erfolgte vom 26.08. bis 16.09.2013 eine weitere stationäre Rehabilitation in der Fachklinik S. in W., aus der der Kläger aufgrund der Diagnosen Bandscheibenvorfall L4/L5/S1 links mit mikrochirurgischer Dekompression am 14.08.2013, rezidivierende Lumboischialgien bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule (LWS) und Diabetes mellitus arbeitsunfähig entlassen wurde. Leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen könnten für sechs Stunden pro Tag und mehr ausgeübt werden unter Vermeidung häufigen Hebens, Tragens und Bewegens von Lasten schwerer als 15 kg, ohne dauerhafte Überkopfarbeiten sowie Zwangshaltungen des Rumpfes und der Ex¬tremitäten und ohne Nachtschicht. Im Februar 2014 kam es zur Revisions-Operation und bei fortbestehender Schmerzsymptomatik und Postnukleotomie-Syndrom von L4/S1-Wurzel links im Juni 2014 zur zweiten Revisions-Operation. Dieser schloss sich vom 15.09.2014 bis 14.10.2014 eine weitere stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik H. in B. an. Hier wurden folgende Diagnosen gestellt:
1. 26.06.2014: Ventrodorsale Spondylodese LW4 - SW1, Hemilaminektomie L5 li., Neurolyse L5/S1-Wurzel li. 2. Diabetes mellitus Typ II (insulinpflichtig). 3. Arterielle Hypertonie. 4. Epilepsie (letzter Anfall ca. 2012). 5. Gemischte Hyperlipidämie mit ausgeprägter Hypertriglyceridämie.
In der Perspektive bestehe bezugnehmend auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Männerarbeiten im Wechselrhythmus in Tag-, Früh- und Spätschicht, ohne Körperzwangshaltungen und ohne Arbeiten an laufenden Maschinen und ohne Absturzgefahr. Aufgrund der Restbeschwerden wurde der Kläger interkurrent arbeitsunfähig entlassen für den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Am 30.10.2014 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund seiner Wirbelsäulenprobleme. Er könne nichts mehr heben und tragen und es komme zu einem plötzlichen Kraftverlust im Bein mit Fallneigung.
Nachdem die Beklagte verschiedene ärztliche Berichte beigezogen hatte, kam der Facharzt für Innere Medizin H. in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20.11.2014 unter Bezugnahme auf die Reha-Entlassungsberichte zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen. Mit Bescheid vom 18.12.2014 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung der begehrten Rente ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein unter Vorlage eines ärztlichen Attests des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Z. vom 20.01.2015, worin dieser als gravierendste gesundheitliche Beschwerden des Klägers ein chronisches Schmerzsyndrom sowie eine schwere depressive Episode bezeichnete. In einer ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie B. vom 17.03.2015 gab dieser an, die Belastbarkeit des Klägers wegen einer rezidivierenden majoren Depression ohne psychotische Symptome, wegen Zwangsgedanken, einer idiopathischen generalisierten Epilepsie, der Lyme-Krankheit sowie eines lumbalen Bandscheibenschadens bei Radikulopathie liege deutlich unter drei Stunden täglich.
Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Neurologen Dr. S. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 12.05.2015 nach neurologischer und psychiatrischer Untersuchung des Klägers folgende Diagnosen: Lumboischialgie links bei leichter Wurzelschädigung L5 und geringer S1, Epilepsie mit Verdacht auf häufigere rein psychische Anfälle und sehr seltenen komplex-partiellen und/oder generalisierten Anfällen, Anpassungsstörung mit depressiver Verstimmung und Zukunftsängsten bei chronischem Schmerzsyndrom. Aufgrund der Summe der vorliegenden Einschränkungen und insbesondere wegen der Lumboischialgie links könne der Versicherte nur noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten leisten, und zwar nur noch geistig-seelisch wenig belastende und solche ohne Früh- oder Spätschicht sowie Nachtschicht. Da die geistig-seelische Belastbarkeit eingeschränkt sei, könne er keine Tätigkeiten mit besonderen Ansprüchen an die Konzentrationsfähigkeit, das Reaktionsvermögen, die Umstellungsfähigkeit sowie das Anpassungsvermögen mehr verrichten und auch nicht solche mit besonderer Verantwortung für Personen und Maschinen oder mit Überwachung bzw. Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge. Tätigkeiten mit Publikumsverkehr könne er nur noch zeitweise leisten. Ein häufiges Bücken scheide ebenso aus wie Tätigkeiten, die mehr als gelegentliches Ersteigen von Treppen oder Wirbelsäulenzwangshaltungen erforderten. Das schwere Heben, Tragen und Bewegen von Lasten mit mehr als 5 kg sei nicht möglich. Wegen der Epilepsie dürfe er keine Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr oder Absturzgefahr erbringen und es sei auch die aktive Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr nicht möglich. Arbeiten im Stehen und Gehen könne er nur noch zeitweise erbringen und auch ein Arbeiten im ständigen Sitzen sei nicht möglich. Unter Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen könne er noch Tätigkeiten von über sechs Stunden pro Tag leisten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2015 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.07.2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben mit der Begründung, er leide seit Jahren unter starken Rückenschmerzen, die zusehends stärker würden und ihn sowohl psychisch als auch physisch stark belasteten. Mittlerweile beschreibe er den Schmerz als Dauerschmerz, der auch bis in das Bein ausstrahle und sich mitunter in stromschlagartigen Schmerzen äußere. In den letzten Jahren habe er eine depressive Episode entwickelt, die zu einer extremen Leistungsminderung führe und auch die Konzentrations- und Gedächtnisfähigkeit vermindere.
Das Gericht hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. hat im Schreiben vom 17.09.2015 sowie in einer ergänzenden Stellungnahme vom 17.12.2015 ausgeführt, bei den im Vordergrund stehenden Rückenproblemen hätten alle operativen Maßnahmen nicht einen Hauch einer Besserung erbracht. Dadurch habe sich die depressive Symptomatik verschlechtert. Es müsste dem Kläger möglich sein, leichte körperliche Tätigkeiten von drei bis sechs Stunden zu bewältigen - dies aber unter der Einschränkung, dass die Hauptbeschwerden im psychiatrischen Fachgebiet begründet seien und diese der behandelnde Psychiater beurteilen müsse.
In seinem Bericht vom 27.10.2015 hat der Facharzt für Psychiatrie B., bei dem sich der Kläger seit 2010 in ambulanter psychiatrisch-psychotherapeutischer Dauerbehandlung befindet, ausgeführt, das maßgebliche Leiden liege auf dem Fachgebiet Psychiatrie/Psychosomatik. Aufgrund seiner psychischen und körperlichen Verfassung sei der Kläger nicht in der Lage, sechs Stunden und mehr auch körperlich leichte Tätigkeiten auszuüben. Die Belastbarkeit sei sehr stark eingeschränkt und liege unter drei Stunden täglich.
Im Anschluss hieran hat das Gericht den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens betraut. Dieser hat in seinem Gutachten vom 10.04.2016 nach ambulanter Untersuchung des Klägers folgende Diagnosen gestellt:
1. Mittelgradige depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung 2. chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren 3. Epilepsie 4. Lumboischialgie 5. Kopfschmerz vom Spannungstyp 6. schädlicher Gebrauch von Alkohol.
Der Kläger könne noch leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 7 kg in abwechslungsreicher, vorwiegend sitzender Körperhaltung und unter Vermeidung näher aufgeführter qualitativer Einschränkungen durchführen, dies aber nur noch vier Stunden pro Tag. Aktuell sei von einer erheblichen Antriebsminderung im Rahmen des depressiven Syndroms und der chronischen Schmerzstörung auszugehen, die sich negativ auf die Durchhaltefähigkeit auswirkten. Dies zeige sich in dem angegebenen Tagesablauf und der eingeschränkten Belastbarkeit aufgrund der herabgesetzten Stresstoleranz und psychomentalen Belastbarkeit. Eine Besserung könne insofern erwartet werden, als zum einen eine störungsspezifische Therapie im Hinblick auf den schädlichen Gebrauch von Alkohol durchgeführt werde und sich daran eine stationäre Behandlung in einer psychiatrisch-psychotherapeutischen und verhaltenstherapeutisch ausgerichteten Klinik hinsichtlich der chronischen Schmerzstörung anschließe. Unter dieser Voraussetzung sei mit einer Besserung des Leistungsvermögens innerhalb der nächsten sechs Monate zu rechnen.
Zu diesem Gutachten hat die Beklagte eine sozialmedizinische Stellungnahme durch Dr. N. (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie) vorgelegt, worin dieser vor allem bemängelt, das Gutachten des Dr. N. folge vor allem den subjektiven Beschwerdeangaben. Es bestehe nur ein quartalsweiser Kontakt zum behandelnden Psychiater, akutpsychiatrische stationäre Aufenthalte, psychosomatische Heilverfahren und multimodale Schmerztherapien seien nicht durchgeführt worden. Der mitgeteilte neurologische Befund sei völlig blande.
Mit Urteil vom 26.07.2016 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger, ausgehend von einem Leistungsfall im Oktober 2015, ab dem 01.05.2016 bis zum 30.04.2017 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Die Ausführungen des Dr. N. seien schlüssig und nachvollziehbar, die Einwendungen des Dr. N. nicht überzeugend. Die Reha-Entlassungsberichte, das Gutachten des Dr. S. sowie die sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. L. lägen zeitlich vor der Begutachtung durch Dr. N.
Gegen das ihr am 03.08.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.08.2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben mit der Begründung, die von Dr. N. festgestellte zunehmende Verschlechterung der psychischen Beschwerden sei bei anscheinend über Jahre gleichlaufender Monotherapie nicht nachvollziehbar. Dr. N. stütze sich auf subjektive Angaben des Klägers mit Rentenwunsch, die nicht verifiziert worden seien. Im Medikamentenspiegel habe sich das angegebene Schmerzmittel nicht nachweisen lassen. Auf die Bestimmung des angegebenen Antidepressivums sei verzichtet worden. Ein erheblicher Leidensdruck sei angesichts geringer therapeutischer Anstrengungen nicht feststellbar, und auch der geschilderte Tagesablauf entspreche nur dem eines von Verpflichtungen entbundenen Menschen und sei nicht krankheitsbedingt. Hinzu komme, dass keine ausreichende ärztliche bzw. psychiatrisch/psychotherapeutische Behandlung durchgeführt werde, sodass nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Gewährung einer Rente nicht in Betracht komme, da psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant würden, wenn trotz adäquater Behandlung davon auszugehen sei, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden könne.
Am 03.02.2017 hat der Kläger Anschlussberufung erhoben, weil die von Dr. N. erwartete Besserung der Leistungsfähigkeit nicht eingetreten sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Juli 2016 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Juli 2016 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2015 zu verurteilen, ihm ausgehend von einem Leistungsfall im Oktober 2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. April 207 hinaus unbefristet zu gewähren,
sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise, den Kläger von Amts wegen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet begutachten zu lassen.
Die Einwände der Beklagten gegen das Vorliegen von Erwerbsminderung überzeugten nicht. Der Kläger suche seinen Psychiater monatlich auf, der auch eine latente Suizidalität festgestellt habe. Der von Dr. N. erhobene psychische Befund sei gerade nicht blande. Vielmehr habe der Kläger im ersten Eindruck verlangsamt gewirkt, unflexibel und eingeengt, der Beschwerdevortrag sei klagsam gewesen, Aufmerksamkeitsstörungen seien aufgefallen, der formale Gedankengang sei umständlich gewesen und es habe eine depressive Herabstimmung mit Ängstlichkeit, Antriebsstörung, Freudlosigkeit und fehlender Aufheiterbarkeit und Ablenkbarkeit und eingeschränkter Mitschwingungsfähigkeit bestanden. Da die von Dr. N. erwartete Besserung der Leistungsfähigkeit nicht eingetreten sei, sei die Anschlussberufung geboten gewesen.
Das Gericht hat zunächst den Facharzt für Psychiatrie Bauer als sachverständigen Zeugen befragt, der im Schreiben vom 07.03.2017 ausgeführt hat, eine stationäre Behandlung des schädlichen Gebrauchs von Alkohol halte er nicht für sinnvoll, weil der Kläger bereits im Jahr 2008 eine solche Entzugsbehandlung gemacht habe und der Alkohol seit dieser Zeit als Behandlungsmittel zur Bekämpfung der depressiven Symptomatik und schmerzlindernd angewendet werde. Eine stationäre Behandlung in einer verhaltenstherapeutisch und schmerztherapeutisch ausgerichteten Klinik sei nicht erfolgsversprechend, weil der Kläger sehr rigide, misstrauisch und zurückhaltend sei. Verhaltenstherapeutische Maßnahmen seien nur dann sinnvoll, wenn ausreichende Sprachkenntnisse vorhanden seien, was bei dem Kläger nicht der Fall sei. Schmerztherapeutische Maßnahmen könnten nur eine kurzfristige Erleichterung des Zustands bringen und keine Wiederherstellung der Belastbarkeit. Die Wahrscheinlichkeit einer Genesung durch die ambulante Psychotherapie sei seines Erachtens sehr gering. Die jetzige Medikation des Klägers sei gut verträglich und als sinnvoll beizubehalten.
Der Neurologe und Schmerztherapeut Dr. J. hat in seiner Stellungnahme vom 20.03.2017 angegeben, klinisch im Vordergrund stünde das Postlaminektomie-Syndrom, das zu - näher aufgeführten - qualitativen Einschränkungen führe. Hinzu komme die Epilepsie. Trotz langjähriger Anfallsfreiheit komme hierdurch das Arbeiten an gefährlichen Maschinen sowie auf Leitern und Gerüsten, in großer Höhe und an Starkstrom führenden Anlagen nicht in Betracht. Die Kompensationsmöglichkeiten des Klägers seien aufgrund der depressiven Stimmungsauslenkung eingeschränkt. Er könne nicht mehr für sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche arbeiten. Maßgeblich hierfür sei, dass bei körperlich schweren Arbeiten die Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule rasch zunähmen und auch während der Nacht erhebliche Schmerzen bestünden, die den Nachtschlaf erheblich störten. Ausdauerndes Stehen oder Sitzen sei ihm nicht möglich und führe rasch zu einer erheblichen Schmerzzunahme. Durch die eingeschränkte Nachtruhe sei auch das Konzentrationsvermögen deutlich eingeschränkt.
Zuletzt hat das Gericht den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat den Kläger am 17.08.2017 nervenärztlich untersucht und in seinem Gutachten vom 30.08.2017 folgende Diagnosen gestellt hat:
1. Kombinierte Persönlichkeitsstörung 2. Somatisierungsstörung/Schmerzstörung mit somatischen und deutlichen psychischen Ursachen 3. Dysthymia mit erhaltener affektiver und inhaltlicher Auslenkbarkeit 4. angegebene Epilepsie (zuletzt Anfallsereignis 2014) 5. aus der Vorgeschichte bekannte Alkoholabhängigkeit 6. insulinpflichtiger Diabetes mellitus 7. Zustand nach wiederholten lumbalen Bandscheibeneingriffen 2013/2014 8. polyneuropathische Störung der unteren Extremitäten 9. Zustand nach Fraktur linkes Sprunggelenk mit Operation.
Körperlich leichte bis zum Teil mittelschwere Tätigkeiten zu ebener Erde seien möglich, nicht jedoch solche an unmittelbar gefährdenden Maschinen und nur solche ohne überdurchschnittliche Anforderungen an den festen Stand, an die Konfliktfähigkeit, an überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen, ohne Stressfaktoren wie Nacht- und Wechselschicht. Unter Beachtung dieser Leistungseinschränkungen könne der Kläger noch vollschichtig arbeiten.
Auf Vorhalt des Klägers, der Gutachter habe ihn missverstanden, ihn in einer groben Art und Weise behandelt und seinen Zustand nicht zutreffend erkannt, zumal er am Begutachtungstag sehr starke Schmerzmedikamente eingenommen habe, hat Dr. B. im Schreiben vom 18.10.2017 Stellung genommen. Auf die Ausführungen wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten und auch die (unselbstständige) Anschlussberufung des Klägers sind zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, da sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt hat. Das angefochtene Urteil des SG war daher aufzuheben. Die Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Klage- und Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist, weil er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Der Schwerpunkt der Erkrankungen des Klägers, die das Leistungsvermögen betreffen, liegt auf nervenärztlichem, und zwar sowohl auf neurologischem als auch psychiatrischem Fachgebiet. Hier leidet der Kläger vor allem unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, einer Somatisierungsstörung bzw. Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Ursachen, einer Dysthymia, dem Zustand nach wiederholten lumbalen Bandscheibeneingriffen 2013 bzw. 2014 und unter einer polyneuropathischen Störung der unteren Extremitäten. Weiterhin leidet der Kläger unter Epilepsie und Alkoholabhängigkeit. Diese Erkrankungen sind indes nicht so schwerwiegend, dass das Leistungsvermögen des Klägers quantitativ eingeschränkt wäre. Hierbei stützt sich der Senat vor allem auf das Gutachten des Dr. B. vom 30.08.2017, der darin überzeugend und schlüssig nach mehrstündiger ambulanter Untersuchung herausgearbeitet hat, dass der Kläger noch körperlich leichte bis zum Teil mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig ausüben kann, sofern solche Tätigkeiten zu ebener Erde und nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen stattfinden, keine überdurchschnittlichen Anforderungen an den festen Stand und an die Konfliktfähigkeit stellen, keine überdurchschnittlich sozialen Interaktionen erfordern und keine Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht beinhalten. Nicht zu folgen vermochte der Senat der Einschätzung des Dr. N. in seinem Gutachten vom 10.04.2016 im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens. Dieser hat das aus seiner Sicht eingeschränkte Leistungsvermögen vor allen Dingen mit einer mittelgradigen depressiven Episode bei rezidivierender depressiver Störung begründet, die mit einer stärker ausgeprägten Passivität und Einschränkungen des Durchhaltevermögens, sozialem Rückzugsverhalten und einer Einengung des Lebensradiusses im Rahmen eines Vermeidungsverhaltens einhergehe und aufgrund derer der Kläger in der Planung und Strukturierung von Aufgaben, der Flexibilität und Umstellungsfähigkeit und der Anwendung fachlicher Kompetenzen eingeschränkt sei. Hierbei stützt sich Dr. N. vor allen Dingen auf die subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers, die der Senat jedoch - anders als Dr. N. - in dem geschilderten Ausmaß nicht verifizieren kann. Hierauf weist bereits Dr. N. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 22.04.2016 im erstinstanzlichen Verfahren hin, der zu Recht bemängelt, dass der Depressivität nur niedrige therapeutische Therapieanstrengungen entgegenstünden. Akut psychiatrische stationäre Aufenthalte, psychosomatische Heilverfahren fanden bisher nicht statt, die Behandlung erschöpft sich vielmehr in einem etwa quartalsweisen bis höchstens monatlichen Kontakt zum behandelnden Psychiater und gelegentlichen Telefonaten mit diesem. Auch die außerberuflichen Aktivitäten bzw. der Tagesablauf des Klägers sprechen nicht gegen eine erhebliche Einschränkung des Leistungsvermögens: So hat der Kläger gegenüber Dr. B. geschildert, er fahre noch selber Auto, wenn er zum Arzt oder zum Einkaufen müsse oder wenn er sich Tabletten hole. Manchmal koche er, und er und seine Ehefrau äßen dann zusammen. Abends gucke er fern (Tierberichte, Spielfilme und die Nachrichten), ab und zu mache er Spaziergänge mit seiner Tochter, da die Frau keine Zeit habe. Wenn es nach ihm ginge, würde er mit den Kindern gerne spazieren gehen oder ins Kino, doch gingen alle wegen ihres Glaubens (Freikirche) dort nicht hin. Auch würde er gerne öfter essen gehen. Im Juni 2017 sei der Kläger mit seiner Familie für eine Woche in L. gewesen. Auch treffe er sich mit seinen Brüdern zum Kaffeetrinken. Auf die schwarzen Hände und Nägel angesprochen, führte der Kläger an, "ein bisschen was am Auto gemacht zu haben", er habe nach dem Öl vom Auto geguckt. Bremsbeläge könne er auch selber wechseln. Gegenüber Dr. N. hat der Kläger darüber hinaus gelegentliche 30-minütige Gartenarbeiten erwähnt sowie häufiges Surfen im Internet und 30-minütige Spaziergänge. Dementsprechend führt Dr. B. auch aus, dass diese Angaben zur außerberuflichen Teilhabe kein weiterreichendes Vermeidungsverhalten abbildeten, welches etwa einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wege stünde. Dies entspricht auch der Einschätzung des Dr. S., dessen Gutachten vom 12.05.2015 im Wege des Urkundsbeweises zu verwerten ist. Dr. S. hat darin ausgeführt, dass sich sichere Belege für eine quantitative Einschränkung des Anpassungsvermögens, der Durchhaltefähigkeit oder Dauerbelastbarkeit nicht ergäben. Die Therapie mit relativ niedrig dosiertem Doxepin 50 zur Nacht sowie die bisherige Behandlung ohne stationäre Maßnahmen als auch der Querschnittsbefund sprächen für eine nur mild ausgeprägte depressive Symptomatik mit Schlafstörungen. Korrespondierend hierzu werden psychische Erkrankungen in den drei Rehaentlassungsberichten aus 2012-2014 auch nicht erwähnt - obwohl der Kläger gegenüber Dr. B. immer wieder betont hat, ihm habe das Leben noch nie gefallen und er habe immer schon Depressionen gehabt. Hinzu kommt, dass Dr. B. nach Anwendung des Selbstbeurteilungsfragebogens (Strukturierter Fragebogen simulierter Symptome, SFSS) deutliche Hinweise für nicht authentische Beschwerdeschilderungen bzw. simulative Tendenzen gefunden hat. Der sog. Cut Off-Wert, d.h. die Punktzahl, ab der jemand zu 87 % als Simulant identifiziert werden kann, liegt bei 16 Punkten - der Kläger hat hier 42 Punkte erreicht. Damit ist nach den Ausführungen des Dr. B. ein Ausmaß erreicht, das bereits für sich viele Gutachter dazu veranlassen würde, allein über den testpsychologischen Befund die Möglichkeit auszuschließen, eine etwa rentenrelevante Funktionsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überhaupt eingrenzen zu können. Somit können die Schilderungen des Klägers zu seinen Beschwerden, auf die Dr. N. sein Gutachten vornehmlich stützt, gerade keine tragfähige Grundlage für eine Beurteilung bilden.
Vor dem Hintergrund des ausführlichen und schlüssigen Gutachtens des Dr. B. überzeugen die Ausführungen des behandelnden Psychiaters B. nicht. Gleiches gilt für die Stellungnahme des behandelnden Allgemeinarztes Dr. Z.
Soweit der Kläger hierzu vortragen lässt, er habe am Tag der Untersuchung sehr starke Medikamente genommen, aufgrund derer er müde gewesen sei und sich auf die Fragen des Gutachters nicht habe konzentrieren können mit der Folge, dass der Gutachter ihm nicht geglaubt habe, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Aus dem Gutachten des Dr. B. ergibt sich, dass sich der Kläger je nach angesprochenem Inhalt zu einem Teil der ihm gestellten Fragen sehr wohl detailliert, lebendig und temperamentvoll äußerte, während er den Gutachter bezüglich anderer Fragen geradezu "auflaufen" ließ, wie Dr. B. dies beschreibt. Dies spricht gerade gegen eine durchgängige Konzentrationsschwäche aufgrund eingenommener Medikamente. Überdies war der Kläger in der Lage, an der mehrstündigen ambulanten Untersuchung ohne Pause teilzunehmen, ohne auch nur Ermüdungserscheinungen zu zeigen.
Der Vorwurf der Klägerbevollmächtigten, der Gutachter habe den Kläger grob behandelt, ihn angeschrien und ihm häufig gesagt, dass er ihn nicht verstehe, ändert am Ergebnis ebenfalls nichts. Dr. B. hat in der mehrstündigen ambulanten Untersuchung den Kläger intensiv beobachten und befragen können und hat auch umfangreiche und detaillierte Antworten bekommen, so dass er das Leistungsvermögen des Klägers beurteilen kann unabhängig davon, ob er sich während der Untersuchung grob zum Kläger verhielt oder nicht. Im Übrigen ist nicht zu erwarten, dass ein Proband einem schreienden oder ihn grob behandelnden Gutachter seine Beschwerden derart ausführlich schildern würde, wie der Kläger dies gegenüber Dr. B. getan hat. Insofern ist die ergänzende Stellungnahme des Dr. B., in der er den Vorwurf zurückweist, nachvollziehbar.
Eine quantitative Leistungseinschränkung lässt sich auch nicht auf die Schmerzen des Klägers bzw. die Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Ursachen nach wiederholten lumbalen Bandscheibeneingriffen stützen. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger aufgrund des Postnukleotomie-Syndroms unter wiederkehrenden Schmerzen vor allen in den Beinen leidet (vergleiche hierzu nur den Bericht des Dr. J. vom 20.03.2017), doch konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass hieraus eine quantitative Leistungsminderung folgt. Hierbei stützt sich der Senat erneut vor allem auf das Gutachten des Dr. B. Dieser hat den Kläger von 9:10 Uhr bis 14:30 Uhr untersucht und begutachtet, ohne dass dieser eine angebotene Pause für erforderlich gehalten hätte oder auch nur Zeichen der Erschöpfung oder Ermüdung gezeigt hätte. Eine Schmerzbeeinträchtigung konnte Dr. B. während der gesamten Zeit nicht feststellen. So schildert er in seinem Gutachten, dass der Kläger bei der Bearbeitung der testpsychologischen Bögen genauso wie bei der sehr langen Anamneseerhebung in durchaus entspannter Position dagesessen habe mit vor der Brust verschränkten Armen. Es sei zu keinem Umsetzen, keinem Aufstehen zwischendurch gekommen, eine Anspannung sei nicht erkennbar gewesen und vor allem keine nach außen hin irgendwie erkennbare Schmerzbeeinträchtigung. Auch die erforderlichen "Zwangshaltungen" bei der neuromyographischen Diagnostik seien problemlos toleriert worden. Hinzu kommt, dass, worauf auch Dr. N. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 22.04.2016 bereits hingewiesen hat, eine multimodale Schmerztherapie bzw. der Empfehlung des Dr. N. folgend eine stationäre Behandlung in einer verhaltenstherapeutisch und schmerztherapeutisch ausgerichteten Klinik bisher nicht erfolgt ist. Dies spricht nach Überzeugung des Senats gegen einen hohen Leidensdruck und führt damit gleichzeitig zu Zweifeln an der vom Kläger geschilderten Schmerzintensität. Dass die Behandlung in einer solchen Klinik nicht erfolgversprechend sei, weil der Kläger sehr rigide, misstrauisch und zurückhaltend sei und es an ausreichenden Sprachkenntnissen fehle, wie dies der Facharzt für Psychiatrie B. in seiner sachverständigen Stellungnahme vom 07.03.2017 ausgeführt hat, kann der Senat so nicht nachvollziehen. Dr. B. bescheinigt dem Kläger ein sehr gutes Sprachvermögen - schließlich ist er seit 26 Jahren in Deutschland wohnhaft -, und auch die Klägerbevollmächtigte hält das Deutsch des Klägers für ausreichend (Schriftsatz vom 04.10.2017). Im Übrigen zeigt das Gutachten des Dr. B. anschaulich, wie viele Informationen der Kläger bei intensiver Befragung von sich preiszugeben in der Lage und gewillt ist, so dass für den Senat nicht erkennbar ist, dass stationäre Therapien aufgrund seines Misstrauens bzw. seiner Zurückhaltung von vornherein keinen Erfolg versprächen. Vielmehr führt Dr. B. nachvollziehbar aus, der Kläger sei geradezu "randvoll mit Gesprächsbedarf".
Soweit die Klägerbevollmächtigte sinngemäß darlegt, der Kläger habe am Tag der Begutachtung wegen seiner Schmerzen starke Schmerzmittel eingenommen, so dass naturgemäß keine erkennbare Schmerzbeeinträchtigung durch den Gutachter habe festgestellt werden können, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen hat der Kläger gegenüber dem Gutachter für den Untersuchungstag auf einer Skala von 1-10 Schmerzen von 5-6 und damit immerhin solche mit mittelstarkem Ausmaß angegeben, die der Gutachter aber während der gesamten Untersuchung gerade nicht beobachten konnte. Zum anderen lassen, worauf der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.10.2017 nachvollziehbar hingewiesen hat, auch die Angaben zur außerberuflichen Teilhabe Rückschlüsse auf die erhaltenen Ressourcen bzw. auf ggf. relevante überdauernde Funktionsstörungen zu. So lässt sich aus den geschilderten Aktivitäten des Klägers (Spaziergänge, Kochen, Reise nach London, Ölwechsel beim Auto usw.) folgern, dass die tatsächlichen Schmerzen des Klägers nicht das von ihm geschilderte Ausmaß erreichen - unabhängig davon, welche Schmerzmittel er am Untersuchungstag genommen hat.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der sachverständigen Zeugenaussage des Neurologen und Schmerztherapeuten Dr. J. vom 20.03.2017. Darin hat dieser zwar ausgeführt, dass der Kläger auch körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr für sechs Stunden täglich oder mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben könne. Als Begründung hat er indes angeführt, dass sowohl bei körperlicher Arbeit in gebückter Körperhaltung, beim Heben und Tragen und bei Arbeiten mit schwerem Gerät die Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule rasch zunehmen. An anderer Stelle schreibt er, körperlich schwere Arbeiten, beispielsweise mit Hacke und Schaufel oder mit der Kettensäge sowie auch das Heben und Tragen von Lasten, das Arbeiten in gebückter Haltung oder unter starken Witterungseinflüssen seien dem Kläger nicht zuzumuten, ebenso wenig wie ausdauerndes Sitzen oder Stehen, das zu einer Beschwerdeverstärkung führe. Dass der Kläger solche schweren Tätigkeiten und damit auch seine bisherige Tätigkeit als Forstarbeiter nicht mehr ausführen kann, ist aber vorliegend gerade nicht streitig. Aus welchen Gründen aber eine leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung und ohne Zwangshaltungen nicht mehr vollschichtig möglich sein sollte, begründet Dr. J. nicht.
Dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten und als Beweisanregung auszulegenden (s. hierzu Bayerisches LSG, Urteil vom 18.02.2014, L 15 VS 10/13 m.w.N.) Antrag auf Einholung eines weiteren neurologisch-psychiatrischen Gutachten war nicht zu folgen, da der Sachverhalt nach Einholung des Gutachtens bei Dr. B., das der Senat für verwertbar und inhaltlich überzeugend hält, hinsichtlich der Erkrankungen des Klägers auf nervenärztlichem Fachgebiet und der daraus folgenden Leistungsbeeinträchtigungen aufgeklärt ist und der Amtsermittlungsgrundsatz daher keine weiteren Ermittlungen gebietet.
Die Epilepsie vermag ebenfalls keine Erwerbsunfähigkeit zu begründen. Zwar kann ein Anfallsleiden je nach Anfallsfrequenz und Art und Schwere zu Erwerbsminderung führen, sofern der Betroffene keine regelmäßige Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mehr verrichten kann (siehe hierzu nur BSG, Urteil vom 12.12.2006, B 13 R 27/06 R, Juris). Vorliegend treten die Anfälle indes so selten auf, dass sie nur insofern Bedeutung für die Ausübung einer Tätigkeit haben, als z.B. die Arbeit an gefährdenden Maschinen oder aber Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten auszuschließen sind. Das letzte, in den Akten erwähnte Anfallsereignis fand 2014 statt, wobei nicht ganz geklärt ist, ob es sich hierbei tatsächlich um einen epileptischen Anfall handelte (vergleiche hierzu die Ausführungen des Klägers im Rahmen der Begutachtung durch Dr. B., Seite 18 des Gutachtens). Selbst wenn sich zuletzt im November 2017 ein epileptischer Anfall ereignet haben sollte, wie dies von der Klägerbevollmächtigten dem Gericht mitgeteilt worden ist, ändert dies nichts an der niedrigen Anfallsfrequenz. Anhaltspunkte dafür, dass in Zukunft mit einer Häufung von Anfällen zu rechnen ist, ergeben sich nicht.
Der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedurfte es vorliegend nicht. Eine solche ist erforderlich bei Versicherten mit einem - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - vollschichtigen Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (s. schon BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26 m.w.N).
Bei der Prüfung einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung sowie einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sind die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und hierbei Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen zu würdigen. Je mehr diese geeignet sind, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter ist die Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung zu begründen (BSG, Urteil vom 19.10.2011, B 13 R 78/09 R, Juris). Hierbei ist auf der vom BSG vorgeschlagenen ersten Prüfstufe festzustellen, ob das Restleistungsvermögen des Klägers noch Tätigkeiten erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen (BSG, a.a.O.). In diesem Fall genügt die Benennung von Arbeitsfeldern, von Tätigkeiten der Art nach oder von geeigneten Tätigkeitsfeldern, die der Versicherte ausfüllen könnte. Erst dann, wenn sich solche Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht beschreiben lassen, in denen es Arbeitsplätze gibt, die der Versicherte unter Berücksichtigung seines Restleistungsvermögens noch ausfüllen kann, und insofern ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen aufkommen, stellt sich die Prüfpflicht, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Liegen diese vor, besteht die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit (BSG, a.a.O.; BSGE 80, 24, 39). Vorliegend reicht das Restleistungsvermögen des Klägers noch für leichte körperliche Verrichtungen wie z.B. Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen aus, so dass es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit vorliegend nicht bedarf.
Schließlich besteht auch keine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Das BSG hält dabei eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in weniger als 20 Minuten zurückzulegen, für eine derart schwere Leistungseinschränkung, dass der Arbeitsmarkt trotz vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (BSG, Urteil vom 21.03.2006, B 5 RJ 51/04, unter Hinweis auf Großer Senat in BSGE 80, 24, 35). Eine derartige Beschränkung der Wegstrecke wurde von keinem Sachverständigen angenommen. Der Kläger selber hat angegeben, gelegentlich 30-minütige Spaziergänge zu unternehmen, die nicht zu erwarten wären, wenn diese nur unter größten Schmerzen möglich wären.
Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Anspruch auf eine solche Rente haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Da der Kläger jedoch 1964 geboren worden ist, kommt eine solche Rente bereits aufgrund dieser Stichtagsregelung nicht in Betracht.
Zu Recht hat die Beklagte daher im Ergebnis die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung abgelehnt. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Dementsprechend war auch die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
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