Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 4253/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3758/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21. August 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellungen des Grades der Behinderung (GdB) mit 100 und der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "außergewöhnliche Gehbehinderung", also die Zuerkennung des Merkzeichens "aG".
Die 1927 geborene Klägerin bewohnt mit ihrem an einer Demenz erkrankten Ehemann eine geräumige Altbauwohnung, im Erdgeschoss befindet sich ein Kindergarten. Am Hauseingang ist eine Stufe zu überwinden. Zur Wohnung selbst führen zwei Stufen, ein Podest und weitere siebzehn Stufen. Ein einseitiger Handlauf ist vorhanden. Die 1 cm hohen Schwellen zwischen dem Gang und den einzelnen Räumen innerhalb der Wohnung überwindet sie mit einem Toilettenstuhl, welcher zur Fortbewegung genutzt wird. Das Bad und die Toilette sind damit nicht befahrbar. Sie hat zwei Kinder, von denen C. W. in diesem Verfahren als Bevollmächtigte auftritt. Bei der T. K. ist die Klägerin gegen Krankheit gesetzlich kranken- und sozial pflegeversichert.
Das Landratsamt G. hatte mit Bescheid vom 5. Februar 2013 den GdB mit 20 ab 5. November 2012 festgestellt. Dem ging die versorgungsärztliche Einschätzung einer Sehminderung beidseitig und einer eingepflanzten Kunstlinse beidseits mit einem GdB von 20 durch Dr. Z. aufgrund des Berichtes der Augenärzte Dr. B. und Dr. L. von April 2006 voraus. Danach sei unter anderem eine Pseudophakie beidseits diagnostiziert worden. Es seien Hinterkammerlinsen eingesetzt worden. Die korrigierte Sehschärfe sei rechts zwischen 0,4 und 0,5 sowie links zwischen 0,6 und 0,7 gemessen worden, weshalb eine Brille verordnet worden sei.
Am 13. Juni 2016 beantragte die Klägerin neben der Neufeststellung des GdB sinngemäß die Anerkennung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen "G", "B" und "aG". Dr. P., Arzt für Allgemeinmedizin, hatte ihr im April 2016 attestiert, sie sei in Folge multipler Arthrosen und einer Gleichgewichtsstörung im hochbetagten Alter mittlerweile sehr unsicher beim Gehen. Sie benutze einen Gehstock. Die Gehstrecke ohne Pause betrage 50 bis maximal 100 m. Insofern seien die Mobilität und Gangsicherheit erheblich eingeschränkt.
Dem Verwaltungsträger lag zudem das sozialmedizinische Gutachten im Rahmen der Pflegeversicherung für die T. K. von Dr. B., M. B., von April 2016 vor. Die Klägerin sei seit 2012 insgesamt viermal persönlich und einmal nach Aktenlage begutachtet worden. Seit September 2014 sei die Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt. Pflegebegründend seien Mobilitätseinschränkungen bei arthrotischen Gelenkveränderungen, leichten kognitiven Defiziten und einer Blasenschwäche. Eine Einschränkung der Alltagskompetenz in erhöhtem Maße sei weiterhin nicht nachvollziehbar. Es werde die Pflegestufe 0 empfohlen. Sie habe ein konstantes Körpergewicht von 60 kg bei einer Größe von 1,63 m.
Dr. H. bewertete in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme von Juli 2016 die Funktionsbeeinträchtigungen wegen "Polyarthrose, Gleichgewichtsstörungen, Angewiesensein auf eine Gehhilfe" mit einem Einzel-GdB von 70 sowie eine Sehminderung beidseitig und eine eingepflanzte Kunstlinse beidseits mit einem Einzel-GdB von 20, woraus ein Gesamt-GdB von 70 resultiere. Ein Scheidenvorfall erreiche keinen messbaren GdB. Eine Polyneuropathie, Herzrhythmusstörungen, eine koronare Herzkrankheit, eine Kalksalzminderung des Knochens, also eine Osteoporose, eine Fingerpolyarthrose, eine Teillähmung eines Ellennervs, Kraftminderungen im Bereich beider Hände beziehungsweise Arme, Restfolgen nach verheilter Serienfraktur der vierten bis achten Rippe links nach einem häuslichen Sturz im Bad im Juli 2001 sowie ein zu Funktionsstörungen führendes Übergewicht seien nicht nachgewiesen. Die Klägerin sei zwar in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt und in öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf Hilfe angewiesen, aber nicht außergewöhnlich gehbehindert.
Daraufhin änderte das Landratsamt G. die bestandskräftige Verwaltungsentscheidung von Februar 2013 ab und stellte mit Bescheid vom 3. August 2016 den GdB mit 70 ab 13. Juni 2016 fest. Ferner wurden die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" anerkannt. Die Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "aG" wurde abgelehnt. Der Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium S. mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2016, der am 1. Dezember 2016 abgesandt wurde, zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 29. Dezember 2016 Klage beim Sozialgericht U. (SG) erhoben, mit der sie die Feststellungen des GdB mit 100 und der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" erstrebt hat. Ende Januar 2017 hat sie ihre Begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgt. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung im Verfahren Az. mit Beschluss vom 20. Februar 2017 mangels Anordnungsgrund abgelehnt. Die Beschwerde hat das Landessozialgericht B. (LSG) im Verfahren Az. mit Beschluss vom 10. April 2017 aus dem gleichen Grund zurückgewiesen.
Das SG hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen bei Dr. P., Dr. D., Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohren (HNO)-Heilkunde, sowie dem Facharzt für Gynäkologie S. eingeholt, welche im Mai 2017 vorgelegt worden sind.
Dr. P. hat ausgeführt, er betreue die Klägerin hausärztlich seit April 2011 und habe sie letztmals im März 2017 untersucht. Bei ihr bestehe eine beidseitige schwere O-Beinfehlstellung der Kniegelenke mit starker schmerzhafter und die Bewegung einschränkender Arthrose. Zudem liege an beiden Hüftgelenke eine starke Arthrose mit Bewegungseinschränkung und einem stark unbeholfenen, hinkenden Gangbild vor, so als sei eines der Gelenke ausgekugelt. Die Reflexe an beiden Beinen seien sämtlich nicht auslösbar. Das Vibrationsempfinden an beiden Beinen sei stark vermindert. Zusätzlich zur orthopädischen Symptomatik leide die Klägerin an einer Polyneuropathie, welche für Schmerzen und Missempfindungen an beiden Beinen verantwortlich sei. Mitunter könne auch ein Teil der Muskelschwächung dieser Gesundheitsstörung zugeschrieben werden. An beiden Händen finde sich eine starke, zum Teil deformierende Fingerpolyarthrose mit deutlicher Einschränkung der feinmotorischen Geschicklichkeit und der grobmotorischen Kraft. Das eingeschränkte, hinkende Gangbild sei zudem durch Unsicherheit infolge eines leichten Schwindels geprägt. Wegen dieser Gleichgewichtsstörung benutze die Klägerin seit Jahren einen Gehstock, welcher wegen der Fingerarthrose jedoch nicht mehr sehr sicher gegriffen werden könne. Die Gehstrecke ohne Pause betrage zwischen 50 und 70 m. Zudem lägen eine altersbedingte Schwerhörigkeit bei bislang nicht erfolgter audiometrischer Hörüberprüfung, eine Schwachsichtigkeit sowie eine Minderung der kognitiven Fähigkeiten im mittleren Bereich vor. Der Blutdruck habe meist im hypotonen Bereich gelegen. Er habe Werte von 100/60 mmHg und 90/78 mmHg gemessen. Die Gesundheitsstörungen, in erster Linie die Einschränkungen bei der Mobilität, seien als außergewöhnlich stark zu bezeichnen, insbesondere die orthopädischen in Form einer schweren Varusgonarthrose, einer Coxarthrose beidseits, eines Rundrückens und einer Polyneuropathie. Infolge dieser Erkrankungen bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom. Seit 2016 habe sich der Gesundheitszustand kontinuierlich leicht verschlechtert. Die Beweglichkeit und die Gehstrecke hätten abgenommen. Die Gehbehinderung entspreche bei der Fehlstatik mit einer Polyarthrose dem Gang einer im Hüftgelenk ausgekugelten Person. Eine Rollstuhlpflicht bestehe nicht.
Er hat den Befundbericht von Dr. W., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, von Anfang November 2015 vorgelegt, wonach eine Varusgonarthrose beidseits (ICD-10 M17.9) und ein Hallux valgus beidseits (ICD-10 M20.1) diagnostiziert worden seien. Auf eine sonstige primäre Coxarthrose rechts (ICD-10 M16.1) habe lediglich ein Verdacht bestanden. Bei der Untersuchung Ende Oktober 2015 habe die Klägerin rezidivierende Kniebeschwerden beidseits und Leistenschmerzen beklagt. Die maximale Gehstrecke sei mit 200 m angegeben worden.
Unter Vorlage eines im März 2017 erhobenen Tonaudiogrammes hat Dr. D. eine mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit angenommen.
Der Facharzt für Gynäkologie S. hat kundgetan, er habe die Klägerin zwischen Oktober 2012 und März 2017 unregelmäßig und mit langen Zeitabständen untersucht. Nach der Gebärmutterentfernung 1975 habe sich ein Prolaps der Scheide entwickelt. Dieser sei bereits 2012 mit einem Ringpessar versorgt worden. Mithilfe eines Gehstockes sei die Klägerin noch wenig mobil. Sie habe ihn mit einer Begleitperson konsultiert.
Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, für die Bewertung des GdB bei Hörstörungen sei die Herabsetzung des Sprachgehörs maßgebend, deren Umfang durch die Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen sei. Allein mit dem von Dr. D. vorgelegten Tonaudiogramm sei keine Bewertung einer Schwerhörigkeit möglich. Der Frauenarzt S. habe berichtet, der Prolaps der Scheide sei mit einem Ringpessar versorgt. Er habe weder Folge- oder Begleiterscheinungen noch eine Harninkontinenz beschrieben. Der Verlust der Gebärmutter bedinge lediglich in einem jüngeren Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch einen Einzel-GdB von 20, in allen anderen Fällen von 0. Bis 2015 sei der Klägerin noch eine Gehstrecke bis 200 m möglich gewesen, anschließend immerhin noch zwischen 50 m und 70 m. Eine Rohlstuhlpflicht sei verneint worden. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lägen damit nicht vor.
Nach der mündlichen Verhandlung am 21. August 2017, bei der die Klägerin nicht anwesend gewesen ist, hat das SG die Klage durch Urteil abgewiesen. Die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen seien mit einem Gesamt-GdB von 70 ausreichend bewertet. Im Wege der Gesamtbetrachtung sei ein Einzel-GdB von 70 für die Behinderung "Polyarthrose, Gleichgewichtsstörungen, Angewiesensein auf eine Gehhilfe" nicht zu beanstanden. Diese Einschätzung entspreche der Beurteilung von Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen beziehungsweise geringfügig weniger als derjenigen von solchen bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit. Die Auswertung des Tonaudiogrammes ergebe eine mittelgradige Schwerhörigkeit beidseits, wobei zu beachten sei, dass an sich die Herabsetzung des Sprachgehörs mittels sprachaudiometrischer Untersuchungen zu erfolgen habe. Hinzu komme, dass sich mittels eines Tonaudiogrammes regelmäßig ein etwas höherer prozentualer Hörverlust erheben lasse als durch ein Sprachaudiogramm. Weiter sei der Hörverlust der Klägerin als altersentsprechend anzusehen, worauf der sachverständige Zeuge Dr. P. hingewiesen habe. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lägen nicht vor. Dieser habe attestiert, dass die Klägerin noch in der Lage sei, mit einem Gehstock oder Rollator eine Wegstrecke von 50 bis 70 m zurückzulegen. Eine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung, welche einem GdB von mindestens 80 entspreche, liege nicht vor. Eine Rollstuhlpflicht sei verneint worden.
Gegen die der Klägerin am 30. August 2017 zugestellte Entscheidung hat sie am 25. September 2017 beim LSG Berufung eingelegt und das im Verfahren Az. beim SG eingeholte Gutachten der Pflegesachverständigen G. vorgelegt. Nach einem Hausbesuch am 21. August 2017 hat sie ausgeführt, diese könne sich aus der Liegeposition an den Bettrand setzen und sich auf den Toilettenstuhl transferieren, indem sie sich abstütze. Mit dem Rollator bewege sie sich ausschließlich im Rahmen von Gehübungen fort. Es sei von zwei Stürzen 2000 und 2011 berichtet worden. Innerhalb der Wohnung könne sich die Klägerin auf dem Toilettenstuhl sitzend mit Trippelschritten fortbewegen. Die 1 cm hohen Schwellen in der Wohnung bewältige sie problemlos. Hilfe beim Gehen falle bei der Klägerin nicht an. Bei den wenigen Schritten zur Toilette benötige sie keine Unterstützung. Treppensteigen falle innerhalb der Wohnung nicht an, weil alle genutzten Räume auf einer Ebene lägen. Sie nehme jeden Morgen eine Tablette L-Thyrox ein, ein Hormonpräparat gegen eine Erkrankung der Schilddrüse. Zudem greife sie bedarfsweise neben Vitamin-B-12 bei Schmerzen auf Mandragora comp. mit dem homöopathischen Arzneistoff Arnika zurück. Bei der Klägerin bestehe ein Hilfebedarf bei der Körperpflege, Mobilität und hauswirtschaftlichen Versorgung. Die Kriterien der Pflegestufe I erfülle sie hingegen nicht. Die Alltagskompetenz sei weder erheblich noch in erhöhtem Maße eingeschränkt.
Nach ihrem Eintreffen habe sich die Klägerin an den Bettrand gesetzt. Ein Kopftuch, das mit einer Sicherheitsnadel verschlossen gewesen sei, sei abgenommen worden, ehe sie ihre beiden Hörgeräte eingesetzt habe. Mit einem Handspiegel in der linken Hand und einem Kamm in der rechten habe sie sich die Haare gekämmt und Haarspangen eingesetzt. Die Klägerin habe beide Hände uneingeschränkt einsetzen können. Die Finger seien frei beweglich gewesen. Der Faustschluss sei beidseits endgradig gelungen. Der Pinzettengriff habe mit allen Fingern gezeigt werden können. Der Dreipunktgriff sei beidseits vorgenommen worden. Der Klägerin sei es möglich, eine Sicherheitsnadel zu öffnen und zu schließen sowie Knöpfe und Reißverschlüsse auf- und zuzumachen. Die Kraft sei in beiden Händen altersentsprechend vorhanden, was mittels eines Vigorimeters gemessen worden sei. Die Arme hätten horizontal und vertikal angehoben und gehalten werden können. Die Nacken- und Schürzengriffe hätten problemlos gezeigt werden können. Koordinationsstörungen seien nicht vorhanden gewesen. Die Finger-Finger- und Finger-Nase-Versuche seien unauffällig gewesen. Beide seien mit offenen und geschlossenen Augen zielsicher durchgeführt worden. Die Rumpfbeugung und -rotation seien möglich gewesen. Im Sitzen habe sich die Klägerin die Strümpfe und Schuhe selbst anziehen sowie sich nach rechts und links drehen können, um nach Gegenständen zu greifen. Die Beine könne sie nur mit Hilfe über den Rand der Badewanne schwenken. Das Aufstehen in ihr sei für sie und die Pflegeperson mit erheblichen Mühen verbunden. Bis Februar 2017 sei sie regelmäßig mit ihrem Sohn in ein Thermalbad gefahren, habe sich dort geduscht und die Haare gewaschen. Der DemTect, ein Demenz-Screening-Verfahren, habe eine altersentsprechende kognitive Leistungsfähigkeit ergeben. Mit dem Uhrentest sei sie zunächst überfordert gewesen. Nach einer kleinen Hilfestellung hätten die Ziffern korrekt eingetragen werden können. Sie sei über ihre Denkblockade entsetzt gewesen. Für den Zwei-Personen-Haushalt schreibe sie eine Liste für den Einkauf, welchen der M. e. V. erledige. Dessen Mitarbeitende trügen die Waren in die Wohnung. Die Klägerin koche zum Teil für ihren Ehemann und sich, teilweise brächten die Kinder das Essen. Diese hätten die Wäscheversorgung und Wohnungsreinigung übernommen, da ihr dies über den Kopf gewachsen sei. Die Klägerin kontrolliere ihren an einer Demenz erkrankten Ehemann und erinnere ihn an seine täglich wiederkehrenden Aufgaben. Sie habe einen strukturierten Tagesablauf, der notwendig sei, um ihrem Ehemann Orientierung zu geben. Von ihr sei beklagt worden, immer wieder etwas zu vergessen oder zu verlegen. Diese Vergesslichkeit sei jedoch altersspezifisch. Die Tochter der Klägerin habe angegeben, diese räume in den Schränken, könne sich von nichts trennen und bewältige das angerichtete Chaos nicht mehr. Dieses Verhalten sei jedoch ebenfalls altersspezifisch und ihrer Biographie zuzuschreiben. Wenn sie nach den Räumaktionen keine Ordnung mehr finde, sei dies eher einem Kräfteverschleiß zuzuordnen, nicht einer dementiellen Entwicklung. Bei ausgeprägten kognitiven Defiziten könnte sie nicht ihren an einer Demenz erkrankten Ehemann betreuen. Der Blutdruck sei mit 130/70 mmHg innerhalb der Norm gewesen. Der Puls sei mit 72 rhythmischen und kräftigen Schlägen in der Minute normal gewesen. Von Ödemen in den Unterschenkeln am Abend sei berichtet worden. Eine Atemnot sei zu keinem Zeitpunkt beobachtet worden. Die Klägerin habe bei einer Größe von 1,60 m ein Körpergewicht von 55 kg gehabt, sei also mit einem Body-Mass-Index von 21,5 kg/m² leicht untergewichtig gewesen. Aufgrund ihrer Schwerhörigkeit habe sie Hörgeräte benutzt. Die Kommunikation sei bei Ansprache in normaler Lautstärke gut möglich gewesen. Die Klägerin könne sich sehr gut artikulieren, spreche deutlich und in vollständigen Sätzen. Sie erhalte keine Therapien, welche einen Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zur Folge hätten. Einmal im Quartal werde der Hausarzt aufgesucht. Alle sechs bis acht Wochen erfolge der Wechsel des Pessars beim Gynäkologen. Die Augen würden jährlich kontrolliert. Die Tochter der Klägerin habe im September 2014 festgehalten, diese leide seit ihrem 44. Lebensjahr an einer Depression und habe im Juli dieses Jahres geäußert, sich umzubringen. Die Auffälligkeiten, insbesondere die Suizidäußerung seien ein Hilfeschrei und kein Hinweis auf eine eingeschränkte Alltagskompetenz.
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, das aktuelle Pflegegutachten belege, dass sie nur mittels massiv unterstützender Begleitung zu den regelmäßig erforderlichen ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen geführt werden könne. Wegen der Schmerzen, des Kraftmangels, des geschädigten Patellarsehnenreflexes, der Polyneuropathie, der hochgradigen Polyarthrosen, des Duchenne-Hinkens mit positivem Trendelenburg-Zeichen könne sie jederzeit in den Knien wegsacken. Es bestehe eine ständige Sturzgefahr. Sie könne nur mit professioneller Hilfe baden. Hierbei sei ein starker Kraftaufwand zur Unterstützung notwendig. Tagsüber sitze sie vorwiegend. Wenn sie einen Stock einsetze, könne sie sehr kurze Strecken zurücklegen, etwa von der Toilettentür bis zur Toilette, wobei der Rollstuhl außerhalb verbleibe. Hierbei halte sie sich immer mit der anderen Hand an Möbeln, Waschbecken, Heizkörpern, Türklinken und ähnlichen Fixpunkten oder an einer Hilfsperson fest. Schmerzbedingt könne sie abwärtsführende Treppen nur rückwärts und mit Unterstützung durch eine Begleitperson bewältigen. Bei zwei Stürzen habe sie jeweils Frakturen an beiden Händen erlitten. Hierdurch seien die Fehlstellungen an beiden Handgelenken entstanden. Als weitere Folge sei eine Ulnarisparese rechts aufgetreten. Dies habe zur Folge, dass sie sich nur für sehr kurze Strecken auf einem Gehwagen aufstützen könne, wobei sie professioneller Hilfe bedürfe. Prozesskostenhilfe sei ihr zu gewähren, weil bezüglich des Kenntnisstandes und der Fähigkeiten der Prozessparteien ein massives Ungleichgewicht bestehe. Wegen ihres hohen Alters und ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei eine sachgerechte Prozessführung ohne anwaltliche Unterstützung unmöglich.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts U. vom 21. August 2017 aufzuheben und den Bescheid vom 3. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2016 teilweise aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihr den Grad der Behinderung mit 100 unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 5. Februar 2013 und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" jeweils ab 13. Juni 2016 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, sie dringe mit ihren Begehren nicht durch.
Das Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin ist mit Beschluss des Senats vom 20. Dezember 2017 abgelehnt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter durch Beschluss, da die Berufsrichterin und -richter des Senats dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Zudem ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die Berufung wenig aussichtsreich erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1999 - B 13 RJ 25/99 R -, SozR 3-1500 § 153 Nr. 9, S. 27).
Ihr Rechtsmittel ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen sie nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das angefochtene Urteil des SG vom 21. August 2017, mit dem die als jeweils kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 3. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2016 die Verpflichtung des Beklagten begehrt hat, bei ihr den GdB mit 100 unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 5. Februar 2013 und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" festzustellen, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf die vorliegende Klageart an sich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), mangels Durchführung einer solchen indes derjenige der Entscheidung.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 70 ab der beantragten Neufeststellung am 13. Juni 2016, wie er vom beklagten Träger der Versorgungsverwaltung bereits zuerkannt wurde.
Rechtsgrundlage für die verfolgte behördliche Anerkennung des GdB mit 100 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des - teilweise - aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in: von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).
Bei dem Bescheid vom 5. Februar 2013 über die Feststellung des GdB mit 20 seit 5. November 2012 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidung vorlagen, ist zwar eine wesentliche Änderung eingetreten. Die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin sind indes mit keinem höheren GdB als 70 zu bewerten sein, wie er vom Beklagten bereits festgestellt wurde.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Von dieser Ermächtigung hat das BMAS Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin ab der beantragten Neufeststellung des GdB am 13. Juni 2016 bis aktuell keinen höheren als 70 begründen.
Da im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden sollen (VG, Teil A, Nr. 2 e), ist vorliegend insbesondere nach "Beine", "Arme", "Rumpf", "Gehirn einschließlich Psyche" und "Ohren" zu trennen und nicht wie vom Beklagten vorgenommen eine Behinderung "Polyarthrose, Gleichgewichtsstörungen, Angewiesensein auf eine Gehhilfe" einheitlich zu betrachten.
Die bei der Klägerin wegen der Gesundheitsstörungen an den Haltungs- und Bewegungsorganen vorliegenden Funktionsbehinderungen erreichen in Bezug auf das Funktionssystem "Beine" keinen höheren Teil-GdB als 40. Das Funktionssystem "Arme" rechtfertigt allenfalls einen Teil-GdB von 10, der "Rumpf" hingegen keinen im messbaren Bereich.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.
Die Funktionssysteme "Beine" und "Arme" ist mit einem Teil-GdB von 40 und 0 zu bewerten.
Der GdB bei Gliedmaßenschäden ergibt sich nach den VG, Teil B, Nr. 18.11 aus dem Vergleich mit demjenigen für entsprechende Gliedverluste. Trotz erhaltener Extremität kann der Zustand gelegentlich ungünstiger sein als der Verlust. Die aufgeführten GdB für Gliedmaßenverluste gehen, soweit nichts anderes erwähnt ist, von günstigen Verhältnissen des Stumpfes und der benachbarten Gelenke aus. Bei ausgesprochen ungünstigen Stumpfverhältnissen, bei nicht nur vorübergehenden Stumpfkrankheiten sowie bei nicht unwesentlicher Funktionsbeeinträchtigung des benachbarten Gelenkes sind diese Sätze im allgemeinen um 10 zu erhöhen, unabhängig davon, ob Körperersatzstücke getragen werden oder nicht. Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel mindern bei Verlust und Funktionsstörungen der Gliedmaßen sowie bei Funktionseinschränkungen des Rumpfes die Auswirkungen der Behinderung, ohne dass dadurch der durch den Schaden allein bedingte GdB eine Änderung erfährt. Bei der Bewertung des GdB von Pseudarthrosen ist zu berücksichtigen, dass straffe günstiger sind als schlaffe. Bei habituellen Luxationen richtet sich die Höhe des GdB außer nach der Funktionsbeeinträchtigung der Gliedmaße auch nach der Häufigkeit der Ausrenkungen.
Danach ist für das Funktionssystem "Beine" allenfalls ein Teil-GdB von 40 angemessen (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.14). Neben der von Dr. W. festgestellten Varusgonarthrose beidseits (ICD-10-GM-2018 M17.9) und einem Hallux valgus beidseits (ICD-10-GM-2018 M20.1) beschrieb Dr. P. im März 2017, dass die Arthrose im Bereich beider Kniegelenke stark schmerzt und die Bewegung einschränkt, ohne allerdings Werte nach der Neutral-0-Methode zu erheben. Die Klägerin leidet nach seinen weiteren Ausführungen an einer Polyneuropathie, welche für Schmerzen und Missempfindungen an beiden Beinen verantwortlich ist. Eine Muskelschwächung wird erwähnt. Mangels nachgewiesener ausgeprägter Knorpelschäden und anhaltender Reizerscheinungen ist jedoch selbst bei einer mittelgradigen beidseitigen Bewegungseinschränkung, etwa einer Streckung und Beugung bis 0-30-90°, kein höherer GdB als 40 vorgesehen. Ödeme in den Unterschenkeln treten erst am Abend auf, wie die Klägerin gegenüber der Sachverständigen G. eingeräumt hat. Mit diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in den Beinen steht in Einklang, dass sie den Gehstock seit Jahren nicht deswegen, sondern wegen der Gleichgewichtsstörungen benutzt, wie Dr. P. bekundet hat. Das von ihm angeführte chronische Schmerzsyndrom ist nicht belegt, zumal die Klägerin lediglich bedarfsweise auf Mandragora comp. mit dem homöopathischen Arzneistoff Arnika zurückgreift. Daher liegt auch kein den GdB erhöhendes außergewöhnliches Schmerzsyndrom vor, wobei die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit einschließen und auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände berücksichtigt sind (VG, Teil A, Nr. 2 j).
Das Funktionssystem "Arme" hat allenfalls einen Teil-GdB von 10 zur Folge (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.13). Die Klägerin konnte bei der Untersuchung durch die Sachverständige G. beide Hände uneingeschränkt einsetzen. Die Finger waren frei beweglich. Der Faustschluss gelang beidseits endgradig. Der Pinzettengriff konnte mit allen Fingern gezeigt werden. Der Dreipunktgriff wurde beidseits vorgenommen. Der Klägerin war es möglich, eine Sicherheitsnadel zu öffnen und zu schließen sowie Knöpfe und Reißverschlüsse auf- und zuzumachen. Die Kraft in beiden Händen war altersentsprechend vorhanden, was mittels eines Vigorimeters gemessen wurde. Die Arme konnten horizontal und vertikal angehoben und gehalten werden. Die Nacken- und Schürzengriffe wurden problemlos gezeigt. Damit ist die Fingerpolyarthrose aktuell nicht mit einer solchen Einschränkung der feinmotorischen Geschicklichkeit und der grobmotorischen Kraft einhergegangen, wie sie Dr. P. umschrieben hat, und jedenfalls kein höherer Teil-GdB als 10 erreicht.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten "Postdiskotomiesyndrom") primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte "Wirbelsäulensyndrome" (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein. Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
Bei der Klägerin sind im Bereich der Wirbelsäule keine Bewegungseinschränkungen objektiviert. Bei der orientierenden Untersuchung durch die Pflegesachverständige G. im August 2017 waren die Rumpfbeugung und -rotation möglich. Im Sitzen konnte sich die Klägerin die Strümpfe und Schuhe selbst anziehen sowie sich nach rechts und links drehen, um nach Gegenständen zu greifen. Die Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule sind damit bestenfalls leichtgradig. Die von Dr. P. angeführte starke Arthrose an beiden Hüftgelenken, welche zu einer Bewegungseinschränkung und einem unbeholfenen, hinkenden Gangbild geführt haben soll, ist bislang fachärztlich nicht nachgewiesen worden. Der von ihm vorgelegte Befundbericht von Dr. W. von November 2015 weist lediglich einen Verdacht auf diese Gesundheitsstörung aus, zumal nur rechts, obgleich die Klägerin rezidivierende Kniebeschwerden beidseits anführte. Ein Teil-GdB im messbaren Bereich für das Funktionssystem "Rumpf" wird dadurch nicht gestützt.
Das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" erreicht ob der kognitiven Beeinträchtigungen, zumal solche im mittleren Bereich, wie sie Dr. P. angeführt hat, nicht belegt sind, keinen Teil-GdB von wenigstens 10. Der von der Sachverständigen G. eingesetzte DemTect, ein Demenz-Screening-Verfahren ergab eine altersentsprechende kognitive Leistungsfähigkeit. Damit in Einklang steht, dass die Klägerin ihren an einer Demenz erkrankten Ehemann kontrolliert und ihn an seine täglich wiederkehrenden Aufgaben erinnert. Sie hat einen strukturierten Tagesablauf, der notwendig ist, um ihrem Ehemann Orientierung zu geben. Von ihr ist beklagt worden, immer wieder etwas zu vergessen oder zu verlegen. Diese Vergesslichkeit ist jedoch altersspezifisch. Die Bevollmächtigte der Klägerin gab gegenüber der Sachverständigen G. an, diese räume in den Schränken, könne sich von nichts trennen und bewältige das angerichtete Chaos nicht mehr. Dieses Verhalten ist jedoch ebenfalls altersspezifisch und ihrer Biographie zuzuschreiben. Wenn sie nach den Räumaktionen keine Ordnung mehr findet, ist dies eher einem Kräfteverschleiß zuzuordnen, nicht einer dementiellen Entwicklung. Bei ausgeprägten kognitiven Defiziten könnte sie nicht ihren an einer Demenz erkrankten Ehemann betreuen. Die Bevollmächtigte der Klägerin hielt im September 2014 fest, diese leide seit ihrem 44. Lebensjahr an einer Depression und habe im Juli dieses Jahres geäußert, sich umzubringen. Die Auffälligkeiten, insbesondere die Suizidäußerung dürften jedoch ein Hilfeschrei und jedenfalls kein Hinweis auf eine eingeschränkte Alltagskompetenz gewesen sein, wie die Sachverständige G. vermutet hat.
Das Funktionssystem "Ohren" rechtfertigt einen Teil-GdB von 30, stützt aber keinen höheren. Maßgebend für die Bewertung bei das Hörorgan betreffenden Hörstörungen ist nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 5 die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Der Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren zu Recht eingewandt, dass insoweit grundsätzlich eine sprachaudiometrische Untersuchung durchzuführen ist. Zudem ergibt sich bei Anwendung von Frequenztabellen aus dem Tonaudiogramm zumeist ein etwas höherer prozentualer Hörverlust als aus dem Sprachaudiogramm (D. e.V., Empfehlung für die Begutachtung bei Lärmschwerhörigkeit - Königsteiner Empfehlung, Stand: Juli 2012, S. 33), was bereits das SG angedeutet hat, weshalb ob der nach den VG, Teil B, Nr. 5.2.2 ermittelten Werte von 64 rechts und 65 links allenfalls von einer mittelgradigen Schwerhörigkeit beidseits ausgegangen werden kann, welche nach den VG, Teil B, Nr. 5.2.4 einen Einzel-GdB von 30 begründet. Demgegenüber war Dr. P. im März 2017 bei der ihm noch nicht bekannten audiometrischen Hörüberprüfung durch Dr. D. noch von einer lediglich altersbedingten Schwerhörigkeit ausgegangen, also keiner Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand (VG, Teil A, Nr. 2 c).
Die von Dr. P. angeführten Gleichgewichtsstörungen (VG, Teil B, Nr. 5.3) sind lediglich in geringgradiger Ausprägung objektiviert, zumal er selbst den Schwindel als leicht eingeordnet hat. Insbesondere waren Koordinationsstörungen bei den von der Sachverständigen G. durchgeführten Finger-Finger- und Finger-Nase-Versuchen nicht vorhanden. Beide wurden mit offenen und geschlossenen Augen zielsicher durchgeführt. Die Klägerin führt auch lediglich eine ständige Sturzgefahr an, gestürzt war sie zuletzt 2011, also bereits vor längerer Zeit, und davor nur 2000 und im Juli 2001, wobei für den häuslichen Sturz im Bad keine Gleichgewichtsstörungen als Ursache angegeben worden sind. Das Funktionssystem "Ohren" bedingt damit keinen höheren Teil-GdB als 30.
Das Funktionssystem "Augen" rechtfertigt einen Teil-GdB von 20. Maßgebend für das Sehorgan ist nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 4 die korrigierte Sehschärfe. Die beidseits eingepflanzten Kunstlinsen mit Sehminderungen rechts zwischen 0,4 und 0,5 sowie links zwischen 0,6 und 0,7 führen nach den VG, Teil B, Nr. 4.2 zu einem GdB von 20.
Insbesondere ob der von Dr. H. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme von Juli 2016 aufgegriffenen Polyneuropathie, der Herzrhythmusstörungen, der koronaren Herzkrankheit, der Kalksalzminderung des Knochens, also einer Osteoporose und der Restfolgen nach verheilter Serienfraktur der vierten bis achten Rippe links nach einem häuslichen Sturz im Bad im Juli 2001 sind keine sonstigen Gesundheitsstörungen objektiviert, derentwegen einem Funktionssystem zuzuordnende Einschränkungen vorliegen, welche überhaupt erst geeignet wären, den Gesamt-GdB zu erhöhen. Nach der Entfernung der Gebärmutter 1975 entwickelte sich ein Prolaps der Scheide, welcher seit 2012 mit einem Ringpessar versorgt wird, die der sachverständige Zeuge S. bekundet hat, wofür kein GdB vorgesehen ist (vgl. VG, Teil B, Nr. 14.2), worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat. Ein zu Funktionsstörungen führendes Übergewicht (VG, Teil B, Nr. 15.3) liegt fern. Dr. B.g führte im April 2016 vor. ein konstantes Körpergewicht von 60 kg bei einer Größe von 1,63 m an. Bei der Begutachtung durch die Sachverständige G. im August 2017 gab die Klägerin eine Größe von 1,60 m und ein Körpergewicht von 55 kg an, woraus sich mit einem Body-Mass-Index von 21,5 kg/m² sogar ein leichtes Untergewicht ergibt.
Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3 a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen (VG, Teil A, Nr. 3 d ee), ist im Falle der Klägerin der Gesamt-GdB aus den Teil-GdB von allenfalls 40 für das Funktionssystem "Beine", bestenfalls 30 für das Funktionssystem "Ohren" und 20 für das Funktionssystem "Augen" zu bilden, woraus sich kein höherer Gesamt-GdB als 70 ergibt, da einzelne Werte nach den VG, Teil A, Nr. 3 a nicht einfach addiert werden können.
Die Klägerin hat zudem keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "aG" ab 13. Juni 2016.
Die Feststellung von Merkzeichen richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 4 SGB IX. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1 (§ 152 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird (§ 152 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 SGB IX). Auf Antrag des Menschen mit Behinderung stellen die zuständigen Behörden gemäß § 152 Abs. 5 Satz 1 SGB IX aufgrund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über weitere gesundheitliche Merkmale aus.
Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung (§ 229 Abs. 3 SGB IX). Schwerbehinderte Menschen mit einem solchen Nachteil sind Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem GdB von mindestens 80 entspricht (Satz 1). Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt vor, wenn sich die Menschen mit Schwerbehinderung wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können (Satz 2). Hierzu zählen insbesondere Menschen mit Schwerbehinderung, die auf Grund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sind (Satz 3). Verschiedenste Gesundheitsstörungen, insbesondere Störungen bewegungsbezogener, neuromuskulärer oder mentaler Funktionen, Störungen des kardiovaskulären oder Atmungssystems, können die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen (Satz 4). Diese sind als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der unter Satz 1 genannten Beeinträchtigung gleich kommt (Satz 5).
Der seit 1. Januar 2009 an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 im Interesse einer gleich-mäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP getretenen VersMedV lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleiches entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für den nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleich "aG" unwirksam, da es insoweit zum Erlasszeitpunkt an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlte. Eine solche Ermächtigung fand sich weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30. Juni 2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 1. Juli 2011 noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteile des Senats vom 9. Juni 2011 - L 6 SB 6140/09 -, juris und vom 4. November 2010 - L 6 SB 2556/09; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 9. Mai 2011 - L 8 SB 2294/10 - und vom 14. August 2009 - L 8 SB 1691/08 -, jeweils juris sowie vom 24. September 2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4).
Diesen Mangel hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7. Januar 2015 (BGBl II S. 15) beseitigt und mit § 70 Abs. 2 SGB IX eine neue Verordnungsermächtigung unmittelbar im SGB IX eingefügt. Danach wird das BMAS ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend und nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Da die VersMedV einschließlich ihrer Anlage zu § 2 VersMedV nicht auf der Grundlage dieser erst seit 15. Januar 2015 gültigen Verordnungsermächtigung erlassen worden ist, ist nach wie vor deren Anwendung hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Merkzeichens "aG" nicht möglich. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber durch den ebenfalls mit Gesetz vom 7. Januar 2015 (BGBl II S. 15) neu eingefügten § 159 Abs. 7 SGB IX Rechnung getragen. Danach gelten, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Hierdurch konnte zwar nicht die bezüglich der in den VG enthaltenen Regelungen zu den Merkzeichen "G", "B", "aG" und "Gl" teilunwirksame VersMedV neu erlassen oder als Verordnung für anwendbar erklärt werden, da es insoweit schon an der Zuständigkeit des Gesetzgebers hinsichtlich einer vom BMAS zu erlassenden Verordnung fehlte. Mit noch hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut (vgl. zum rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 3. September 2014 - 1 BvR 3353/13 -, juris) hat der Gesetzgeber jedoch mit der in § 159 Abs. 7 SGB IX getroffenen Regelung zum Ausdruck gebracht, dass er sich den insoweit maßgeblichen Verordnungstext in der Anlage zu § 2 VersMedV, also die unter VG, Teil D, Nrn. 1 bis 4 getroffenen Bestimmungen, zu eigen machte und bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX insoweit die VG Gesetzescharakter haben (vgl. BT-Drucks. 18/3190, S. 5).
Die erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung, die einem GdB von mindestens 80 entspricht, als Definition der außergewöhnlichen Gehbehinderung gründet auf dem biopsychosozialen Modell des modernen Behindertenbegriffs, nach dem es darauf ankommt, ob die Auswirkungen einer Gesundheitsstörung in Wechselwirkung mit vorhandenen Barrieren im Einzelfall zu einer Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und somit zu einer Behinderung führen. Dieser Standard ist niedergelegt in der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation, welche das frühere so genannte "Krankheitsfolgenmodell" (ICIDH) 2001 ablöste (BT-Drucks. 18/9522, S. 317). Er ist auch die Grundlage für das Verständnis von Behinderung, welches in dem Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) vom 21. Dezember 2008 (BGBl II S. 1419), in Kraft getreten am 26. März 2009, Gesetz vom 21. Dezember 2008 (BGBl II, S. 1419), Bekanntmachung vom 5. Juni 2009 (BGBl II S. 812) zum Ausdruck kommt (z. B. Art. 1 Abs. 2). Der Begriff "Behinderung" nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist ebenfalls in diesem Sinne final ausgerichtet. § 229 Abs. 3 SGB IX übernimmt den bewährten Grundsatz, dass das Recht, Behindertenparkplätze zu benutzen, nur unter engen Voraussetzungen eingeräumt werden darf. Dafür spricht insbesondere, dass Parkraum in den Innenstädten nicht beliebig vermehrbar ist, ebenso wie auch der verkehrsrechtliche Ansatz seiner grundsätzlichen Privilegienfeindlichkeit, sodass mit Mitteln des Straßenverkehrsrechts nur ein Nachteilsausgleich eingeräumt werden kann und dieser ausschließlich unter dem Aspekt eines sicheren und geordneten Verkehrsablaufes. Dafür sprechen auch behinderungspolitische Erwägungen. Behindertenparkplätze müssen denjenigen Menschen mit Schwerbehinderung vorbehalten bleiben, die sich dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kfz bewegen können. Das sind Menschen, die für ihre mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung einen GdB von mindestens 80 haben. Eine breite Ausweitung des berechtigten Personenkreises würde dazu führen, dass die eigentliche Zielgruppe längere Wege zurücklegen müsste, weil der Parkraum ein begrenzterer wäre (vgl. BT-Drucks. 18/9522, S. 318). Die Voraussetzungen können erfüllt sein bei zentralnervösen, peripher-neurologischen oder neuromuskulär bedingten Gangstörungen mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen oder wenn eine dauerhafte Rollstuhlbenutzung erforderlich ist, insbesondere bei Querschnittlähmung, Multipler Sklerose, Amyotropher Lateralsklerose, Parkinsonerkrankung, Para- oder Tetraspastik in schwerer Ausprägung, einem Funktionsverlust beider Beine ab Oberschenkelhöhe oder eines Beines von da an ohne Möglichkeit der prothetischen oder orthetischen Versorgung, insbesondere bei Doppeloberschenkelamputierten und Hüftexartikulierten, schwerster Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit, insbesondere bei Linksherzschwäche Stadium NYHA IV, schwersten Gefäßerkrankungen, insbesondere bei arterieller Verschlusskrankheit Stadium IV, Krankheiten der Atmungsorgane mit nicht ausgleichbarer Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades sowie einer schwersten Beeinträchtigung bei einem metastasierenden Tumorleiden mit starker Auszehrung und einem fortschreitenden Kräfteverfall (BT-Drucks. 18/9522, S. 318).
Eine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung, die einem GdB von 80 entspricht (vgl. Urteil des Senats vom 7. Dezember 2017 - L 6 SB 4071/16 -, juris, Rz. 62), liegt bei der Klägerin bereits wegen des Gesamt-GdB von 70 nicht vor, bei dem zudem das mit einem Teil-GdB von 30 bewertete Funktionssystem "Ohren" berücksichtigt wurde, welches vorliegend eine derartige Beeinträchtigung nicht beinhaltet. Da die Träger der Versorgungsverwaltung gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ohnehin nur ermächtigt sind, eine - unbenannte - Behinderung und den GdB festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, BSGE 82, 176 (177 f.); Oppermann, a. a. O., Rz. 10; vgl. auch Dau, in: Dau/Düwell/Joussen, a. a. O., Rz. 4 m. w. N.), wäre es dem Senat als Tatsachengericht indes nicht verwehrt gewesen, den Anspruch auf behördliche Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" umfassend zu prüfen, also etwa bislang nicht berücksichtigte behinderungsbedingten Funktionsstörungen heranzuziehen und originär zu beurteilen, ob und inwieweit eine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung vorliegt.
Es kann dahinstehen, ob nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts die vorliegend maßgebliche Gesetzesänderung ab ihrem Inkrafttreten mit Wirkung zum 30. Dezember 2016 (Art. 26 Abs. 2 BTHG) auch die bereits davor bestehenden Rechtsverhältnisse den neuen Regeln unterwerfen will (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 12/03 R -, SozR 4-2700 § 70 Nr. 1, juris, Rz. 22 m. w. N.), also vorliegend bereits ab der beantragten Feststellung ab 12. September 2012. Denn auch nach der Rechtslage bis 29. Dezember 2016 hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG".
Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung war Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO). Danach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG), wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Hierzu zählen als so genannte "Regelbeispiele" Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüft-exartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie als so genannte "Gleichstellungsfälle" andere Menschen mit Schwerbehinderung, welche nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind.
Nach § 69 Abs. 4 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14. Januar 2015 gültigen Fassung (a. F.) war seit dem 21. Dezember 2007 zusätzlich auf die VersMedV Bezug genommen, sodass seit dem 1. Januar 2009 deren Fassung vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), zuletzt geändert durch die Fünfte Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 11. Oktober 2012 (BGBl I S. 2122), auch für das Verfahren der Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen heranzuziehen war. Sie band als Rechtsverordnung Verwaltung und Gerichte (BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 SB 3/08 R -, juris, Rz. 27). Trotz der dargestellten Bedenken an dieser Ermächtigung des Verordnungsgebers, insbesondere zum Erlass von Vorgaben für die Beurteilung von Nachteilsausgleichen, hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung die darin vorgenommenen Konkretisierungen als verbindlich angesehen, zumal die VG ebenso wie die insoweit inhaltlich übereinstimmenden AHP antizipierte Sachverständigengutachten darstellten, die wegen ihrer normähnlichen Wirkungen wie untergesetzliche Normen anzuwenden seien (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 18, Rz. 10 m. w. N.). Im Übrigen wurden in den VG, Teil D, Nr. 3 b vollständig die Vorgaben der VwV-StVO zum Merkzeichen "aG" übernommen und in Nr. 3 a insoweit ausdrücklich auf das StVG verwiesen, welches als Ermächtigungsgrundlage für die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "aG" weiterhin bestehen blieb. Zusätzlich war nach den VG, Teil D Nr. 3 c folgende Ergänzung erfolgt: "Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung darf nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden. Bei der Frage der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt auch, wenn Menschen mit Gehbehinderung einen Rollstuhl benutzen. Es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde; die Betroffenen müssen vielmehr ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil sie sich sonst nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen können. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen."
Bei der Klägerin liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines der genannten, abschließend aufgeführten Regelbeispiele in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO nicht vor. Gegebenenfalls wurde vermutet, dass sich die dort aufgeführten Menschen mit Schwerbehinderung wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kfz bewegen können. Nach dem Wortlaut und Zweck der Regelung kam es dabei im Interesse einer leichten Handhabung in der Praxis nicht auf die individuelle prothetische Versorgung an (vgl. BSG, Urteile vom 17. Dezember 1997 - 9 RVs 16/96 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 22, S. 87, vom 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R -, BSGE 82, 37 und vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SB 5/06 R -, juris, Rz. 14), selbst wenn aufgrund eines hervorragenden gesundheitlichen Allgemeinzustandes und hoher körperlicher Leistungsfähigkeit bei optimaler prothetischer Versorgung eine gute Gehfähigkeit bestand (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 28. Februar 2013 - L 15 SB 113/11 -, juris, Rz. 46 f.). Der Grundsatz erfuhr eine Ausnahme für die einseitig Oberschenkelamputierten, denen der Nachteilsausgleich "aG" nur zuerkannt werden konnte, wenn sie nicht (exo-)prothetisch versorgt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 - 9 RVs 16/96 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 22, S. 87). Anders als bei den übrigen Regelbeispielen gehörten die einseitig Oberschenkelamputierten nur dann zu dem eng begrenzten Kreis der Menschen mit Schwerbehinderung im Sinne von Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO, wenn sie dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen. Im Umkehrschluss galt bei den Menschen, welche einseitig oberschenkelamputiert sind und noch ein Kunstbein tragen können, nicht die Vermutung von Satz 1, dass sie zu den Personen gehören, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kfz bewegen können. Dieser Kreis von Menschen mit Behinderung unterlag bereits bei der Prüfung des Vorliegens eines Regelbeispiels einer pauschalen Gleichstellungsprüfung mit den anderen Gruppen, die sich durch Doppelamputationen oder weitergehende erhebliche körperliche Einschränkungen abgrenzen. Dabei galt für die Dauerhaftigkeit des Außerstandeseins, ein Kunstbein zu tragen ein anderer Maßstab als für den geforderten Dauerzustand nach Satz 1. Dem lag allerdings ebenfalls kein individuelles zeitliches Kriterium zugrunde. Dauernd außerstande sein, ein Kunstbein zu tragen, bedeutete in diesem Zusammenhang, (exo-)prothetisch nicht versorgbar zu sein (vgl. BSG, a. a. O.). Es durfte keine prothetische Versorgung möglich sein, der betroffene Mensch mit Behinderung muss ständig außerstande sein, ein Kunstbein zu tragen. Zu dieser Personengruppe gehört die Klägerin nicht.
Die Schwere der bei ihr vorliegenden Beeinträchtigung ist auch nicht dem Vorliegen eines Regelbeispiels gleichzustellen. Eine Gleichstellung setzte gemäß Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO voraus, dass der Mensch mit Schwerbehinderung sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen kann, wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO genannten Personen, bei denen ein Regelbeispiel erfüllt ist. Das war der Fall, wenn ihre Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und sie sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Menschen mit Schwerbehinderung oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen können (BSG, Urteil vom 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R -, BSGE 82, 37 (38 f.)).
Zwar bereitete der Vergleichsmaßstab naturgemäß Schwierigkeiten, weil die verschiedenen, im 1. Halbsatz aufgezählten Gruppen von Menschen mit Behinderung in ihrer Wegefähigkeit nicht homogen sind und einzelne Vertretende dieser Gruppen bei gutem gesundheitlichen Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Menschen ohne Behinderung erreichen können (BSG, Urteile vom 17. Dezember 1997 - 9 RVs 16/96 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 22, S. 87 und 10. Dezember 2012 - B 9 SB 7/01 R -, BSGE 90, 180 (182)). Auf die individuelle prothetische Versorgung der aufgeführten zu vergleichenden Gruppen von Menschen mit Behinderung kam es jedoch nicht an (BSG, Urteile vom 17. Dezember 1997 - 9 RVs 16/96 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 22 und 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R -, BSGE 82, 37), zumal solche Besonderheiten angesichts des mit der Zuerkennung von "aG" bezweckten Nachteilsausgleiches nicht als Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung herangezogen werden können. Vielmehr musste sich dieser strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren, also an Satz 1 Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO beziehungsweise § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2012 - B 9 SB 7/01 R -, BSGE 90, 180 (183)).
Auf der anderen Seite war für die Gleichstellung am individuellen Restgehvermögen der Betroffenen anzusetzen. Hierzu zählten auch die einseitig Oberschenkelamputierten, die grundsätzlich prothetisch versorgt werden können. Diese Personengruppe war nicht von Halbsatz 2 ausgenommen, nur weil die beim Vorliegen der Voraussetzungen von Halbsatz 1 eintretende Vermutungswirkung nicht gegeben war. Denn diese ersetzt lediglich die individuelle Prüfung der Voraussetzungen von Satz 1, die jedoch im Rahmen der Gleichstellungsprüfung nach Halbsatz 2 durchzuführen ist. Dabei lässt sich ein den Anspruch ausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2012 - B 9 SB 7/01 R -, BSGE 90, 180). Grundsätzlich sind hierzu weder ein gesteigerter Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke (BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 9a SB 1/06 R -, juris, Rz. 18) oder prozentuale Zeitwerte geeignet. Denn die maßgeblichen Vorschriften stellten nicht darauf ab, über welche Wegstrecke sich ein Mensch mit Schwerbehinderung außerhalb seines Kraftfahrzeuges wie oft und in welcher Zeit zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist, also nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzungen praktisch vom ersten Schritt an außerhalb seines Kraftfahrzeuges erfüllt, qualifizierte sich für den Nachteilsausgleich "aG" auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. Ein an einer bestimmten Wegstrecke und einem Zeitmaß orientierter Maßstab liegt auch nicht wegen der Methode nahe, mit der die medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" festgestellt werden. Denn für den Nachteisausgleich "aG" gelten diesem gegenüber nicht gesteigerte, sondern andere Voraussetzungen (BSG, Urteile vom 13. Dezember 1994 - 9 RVs 3/94 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 11, S. 45 und 29. März 2007 - B 9a SB 1/06 R -, juris, Rz. 21 f.). Dabei können unter anderem Art und Umfang schmerz- oder erschöpfungsbedingter Pausen von Bedeutung sein (vgl. BSG, a. a. a. O., Rz. 18 f.). Denn Menschen mit Schwerbehinderung, die in ihrer Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt sind, müssen sich beim Gehen regelmäßig körperlich besonders anstrengen. Die für die Bejahung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" geforderte große körperliche Anstrengung kann etwa erst dann angenommen werden, wenn selbst bei einer Wegstreckenlimitierung von 30 m diese darauf beruht, dass Betroffene bereits nach dieser kurzen Strecke erschöpft sind und neue Kräfte sammeln müssen, bevor sie weiter gehen können (BSG, a. a. O., Rz. 24 und Urteil vom 10. Dezember 2012 - B 9 SB 7/01 R -, BSGE 90, 180 (184 f.)).
Ob die danach erforderlichen großen körperlichen Anstrengungen beim Gehen dauerhaft vorliegen, ist Gegenstand tatrichterlicher Würdigung, die sich auf alle verfügbaren Beweismittel wie Befundberichte der behandelnden Ärzte, Sachverständigengutachten oder einen dem Gericht persönlich vermittelten Eindruck stützen kann. Dabei stellt das alleinige Abstellen auf ein einzelnes, starres Kriterium vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes in Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in der Regel keine sachgerechte Beurteilung dar, weil es eine Gesamtschau aller relevanten Umstände eher verhindert (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SB 5/06 R -, juris, Rz. 17).
An dieser Rechtslage für die Anerkennung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "aG" hatte sich auch durch die UN-Behindertenrechtskonvention nichts geändert (BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 2/14 R -, juris, Rz. 23 m. w. N.). Allerdings konnte sie als Auslegungshilfe orientierend herangezogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 -, BVerfGE 128, 282 (306); BSG, Urteil vom 24. Mai 2012 - B 9 V 2/11 R -, BSGE 111, 79 (88)). Insoweit war entsprechend Art. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention, wie bereits in § 2 Abs. 1 SGB IX vorgesehen, die individuelle Beeinträchtigung des Menschen mit Behinderung an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen haben bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkeichens "aG" auch nach der früheren Rechtslage nicht vorgelegen. Es ist bereits nicht nachgewiesen, dass ihr Gehvermögen auf das schwerste eingeschränkt gewesen ist, wobei hierfür am ehesten dasjenige der Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 2/14 R -, juris, Rz. 24). Sie ist nicht von den ersten Metern an in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt gewesen. Die von ihr ohne fremde Hilfe zu bewältigende Gehstrecke ohne Unterbrechung reduzierte sich zwar von 200 m noch im November 2015, was Dr. W. mitgeteilt hat. Sie beträgt aber immer noch zwischen 50 und 70 m, erst danach muss sie wegen ihrer Beschwerden eine Pause einlegen, wie Dr. P. im erstinstanzlichen Verfahren bestätigt hat. Der leichte Schwindel führt lediglich zu einem eingeschränkten, hinkenden Gangbild, weswegen die Klägerin zumutbar einen Gehstock einsetzen kann. Dieser mag zwar nach der Bekundung von Dr. P. wegen der Fingerpolyarthrose nicht mehr sehr sicher gegriffen werden können. Nach den Erhebungen der Sachverständigen G. im August 2017 waren beide Hände trotz der von der Klägerin angeführten Fehlstellungen an beiden Handgelenken indes noch uneingeschränkt einzusetzen, weshalb die Beeinträchtigungen nicht derart ausgeprägt sind, dass auf dieses Hilfsmittel oder einen Rollator, welche immerhin noch für Gehübungen genutzt wird, nicht mehr zurückgegriffen werden könnte. Der Einsatz eines Toilettenstuhls zur Fortbewegung im häuslichen Bereich begründet noch nicht die Notwendigkeit eines rollenden Untersatzes zur Fortbewegung, zumal Dr. P. eine Rollstuhlpflicht verneint hat. KardiopU.onale Funktionsstörungen, die sich auf die Gehfähigkeit auswirken, sind nicht vorhanden. Bei der gutachtlichen Untersuchung durch die Sachverständige G. wurde der Blutdruck mit normgerechten 130/70 mmHg gemessen. Der Puls war mit 72 rhythmischen und kräftigen Schlägen in der Minute normal. Ödeme in den Unterschenkeln treten nur am Abend auf. Eine Atemnot wurde nicht beobachtet. Wegen der Schmerzen, des Kraftmangels, des geschädigten Patellarsehnenreflexes, der Polyneuropathie, der hochgradigen Polyarthrosen und des Duchenne-Hinkens mit positivem Trendelenburg-Zeichen könne sie zwar nach eigenen Angaben jederzeit in den Knien wegsacken. Es bestehe eine ständige Sturzgefahr. Diese Umstände belegen allerdings noch keine außergewöhnliche Gehbehinderung aufgrund von tatsächlich bestehenden Funktionseinschränkungen. Das beschriebene beschwerliche Begehen einer Treppe und die Umstände beim Baden gibt hierauf keinen hinreichenden Hinweis.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellungen des Grades der Behinderung (GdB) mit 100 und der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "außergewöhnliche Gehbehinderung", also die Zuerkennung des Merkzeichens "aG".
Die 1927 geborene Klägerin bewohnt mit ihrem an einer Demenz erkrankten Ehemann eine geräumige Altbauwohnung, im Erdgeschoss befindet sich ein Kindergarten. Am Hauseingang ist eine Stufe zu überwinden. Zur Wohnung selbst führen zwei Stufen, ein Podest und weitere siebzehn Stufen. Ein einseitiger Handlauf ist vorhanden. Die 1 cm hohen Schwellen zwischen dem Gang und den einzelnen Räumen innerhalb der Wohnung überwindet sie mit einem Toilettenstuhl, welcher zur Fortbewegung genutzt wird. Das Bad und die Toilette sind damit nicht befahrbar. Sie hat zwei Kinder, von denen C. W. in diesem Verfahren als Bevollmächtigte auftritt. Bei der T. K. ist die Klägerin gegen Krankheit gesetzlich kranken- und sozial pflegeversichert.
Das Landratsamt G. hatte mit Bescheid vom 5. Februar 2013 den GdB mit 20 ab 5. November 2012 festgestellt. Dem ging die versorgungsärztliche Einschätzung einer Sehminderung beidseitig und einer eingepflanzten Kunstlinse beidseits mit einem GdB von 20 durch Dr. Z. aufgrund des Berichtes der Augenärzte Dr. B. und Dr. L. von April 2006 voraus. Danach sei unter anderem eine Pseudophakie beidseits diagnostiziert worden. Es seien Hinterkammerlinsen eingesetzt worden. Die korrigierte Sehschärfe sei rechts zwischen 0,4 und 0,5 sowie links zwischen 0,6 und 0,7 gemessen worden, weshalb eine Brille verordnet worden sei.
Am 13. Juni 2016 beantragte die Klägerin neben der Neufeststellung des GdB sinngemäß die Anerkennung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen "G", "B" und "aG". Dr. P., Arzt für Allgemeinmedizin, hatte ihr im April 2016 attestiert, sie sei in Folge multipler Arthrosen und einer Gleichgewichtsstörung im hochbetagten Alter mittlerweile sehr unsicher beim Gehen. Sie benutze einen Gehstock. Die Gehstrecke ohne Pause betrage 50 bis maximal 100 m. Insofern seien die Mobilität und Gangsicherheit erheblich eingeschränkt.
Dem Verwaltungsträger lag zudem das sozialmedizinische Gutachten im Rahmen der Pflegeversicherung für die T. K. von Dr. B., M. B., von April 2016 vor. Die Klägerin sei seit 2012 insgesamt viermal persönlich und einmal nach Aktenlage begutachtet worden. Seit September 2014 sei die Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt. Pflegebegründend seien Mobilitätseinschränkungen bei arthrotischen Gelenkveränderungen, leichten kognitiven Defiziten und einer Blasenschwäche. Eine Einschränkung der Alltagskompetenz in erhöhtem Maße sei weiterhin nicht nachvollziehbar. Es werde die Pflegestufe 0 empfohlen. Sie habe ein konstantes Körpergewicht von 60 kg bei einer Größe von 1,63 m.
Dr. H. bewertete in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme von Juli 2016 die Funktionsbeeinträchtigungen wegen "Polyarthrose, Gleichgewichtsstörungen, Angewiesensein auf eine Gehhilfe" mit einem Einzel-GdB von 70 sowie eine Sehminderung beidseitig und eine eingepflanzte Kunstlinse beidseits mit einem Einzel-GdB von 20, woraus ein Gesamt-GdB von 70 resultiere. Ein Scheidenvorfall erreiche keinen messbaren GdB. Eine Polyneuropathie, Herzrhythmusstörungen, eine koronare Herzkrankheit, eine Kalksalzminderung des Knochens, also eine Osteoporose, eine Fingerpolyarthrose, eine Teillähmung eines Ellennervs, Kraftminderungen im Bereich beider Hände beziehungsweise Arme, Restfolgen nach verheilter Serienfraktur der vierten bis achten Rippe links nach einem häuslichen Sturz im Bad im Juli 2001 sowie ein zu Funktionsstörungen führendes Übergewicht seien nicht nachgewiesen. Die Klägerin sei zwar in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt und in öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf Hilfe angewiesen, aber nicht außergewöhnlich gehbehindert.
Daraufhin änderte das Landratsamt G. die bestandskräftige Verwaltungsentscheidung von Februar 2013 ab und stellte mit Bescheid vom 3. August 2016 den GdB mit 70 ab 13. Juni 2016 fest. Ferner wurden die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" anerkannt. Die Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "aG" wurde abgelehnt. Der Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium S. mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2016, der am 1. Dezember 2016 abgesandt wurde, zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 29. Dezember 2016 Klage beim Sozialgericht U. (SG) erhoben, mit der sie die Feststellungen des GdB mit 100 und der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" erstrebt hat. Ende Januar 2017 hat sie ihre Begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgt. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung im Verfahren Az. mit Beschluss vom 20. Februar 2017 mangels Anordnungsgrund abgelehnt. Die Beschwerde hat das Landessozialgericht B. (LSG) im Verfahren Az. mit Beschluss vom 10. April 2017 aus dem gleichen Grund zurückgewiesen.
Das SG hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen bei Dr. P., Dr. D., Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohren (HNO)-Heilkunde, sowie dem Facharzt für Gynäkologie S. eingeholt, welche im Mai 2017 vorgelegt worden sind.
Dr. P. hat ausgeführt, er betreue die Klägerin hausärztlich seit April 2011 und habe sie letztmals im März 2017 untersucht. Bei ihr bestehe eine beidseitige schwere O-Beinfehlstellung der Kniegelenke mit starker schmerzhafter und die Bewegung einschränkender Arthrose. Zudem liege an beiden Hüftgelenke eine starke Arthrose mit Bewegungseinschränkung und einem stark unbeholfenen, hinkenden Gangbild vor, so als sei eines der Gelenke ausgekugelt. Die Reflexe an beiden Beinen seien sämtlich nicht auslösbar. Das Vibrationsempfinden an beiden Beinen sei stark vermindert. Zusätzlich zur orthopädischen Symptomatik leide die Klägerin an einer Polyneuropathie, welche für Schmerzen und Missempfindungen an beiden Beinen verantwortlich sei. Mitunter könne auch ein Teil der Muskelschwächung dieser Gesundheitsstörung zugeschrieben werden. An beiden Händen finde sich eine starke, zum Teil deformierende Fingerpolyarthrose mit deutlicher Einschränkung der feinmotorischen Geschicklichkeit und der grobmotorischen Kraft. Das eingeschränkte, hinkende Gangbild sei zudem durch Unsicherheit infolge eines leichten Schwindels geprägt. Wegen dieser Gleichgewichtsstörung benutze die Klägerin seit Jahren einen Gehstock, welcher wegen der Fingerarthrose jedoch nicht mehr sehr sicher gegriffen werden könne. Die Gehstrecke ohne Pause betrage zwischen 50 und 70 m. Zudem lägen eine altersbedingte Schwerhörigkeit bei bislang nicht erfolgter audiometrischer Hörüberprüfung, eine Schwachsichtigkeit sowie eine Minderung der kognitiven Fähigkeiten im mittleren Bereich vor. Der Blutdruck habe meist im hypotonen Bereich gelegen. Er habe Werte von 100/60 mmHg und 90/78 mmHg gemessen. Die Gesundheitsstörungen, in erster Linie die Einschränkungen bei der Mobilität, seien als außergewöhnlich stark zu bezeichnen, insbesondere die orthopädischen in Form einer schweren Varusgonarthrose, einer Coxarthrose beidseits, eines Rundrückens und einer Polyneuropathie. Infolge dieser Erkrankungen bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom. Seit 2016 habe sich der Gesundheitszustand kontinuierlich leicht verschlechtert. Die Beweglichkeit und die Gehstrecke hätten abgenommen. Die Gehbehinderung entspreche bei der Fehlstatik mit einer Polyarthrose dem Gang einer im Hüftgelenk ausgekugelten Person. Eine Rollstuhlpflicht bestehe nicht.
Er hat den Befundbericht von Dr. W., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, von Anfang November 2015 vorgelegt, wonach eine Varusgonarthrose beidseits (ICD-10 M17.9) und ein Hallux valgus beidseits (ICD-10 M20.1) diagnostiziert worden seien. Auf eine sonstige primäre Coxarthrose rechts (ICD-10 M16.1) habe lediglich ein Verdacht bestanden. Bei der Untersuchung Ende Oktober 2015 habe die Klägerin rezidivierende Kniebeschwerden beidseits und Leistenschmerzen beklagt. Die maximale Gehstrecke sei mit 200 m angegeben worden.
Unter Vorlage eines im März 2017 erhobenen Tonaudiogrammes hat Dr. D. eine mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit angenommen.
Der Facharzt für Gynäkologie S. hat kundgetan, er habe die Klägerin zwischen Oktober 2012 und März 2017 unregelmäßig und mit langen Zeitabständen untersucht. Nach der Gebärmutterentfernung 1975 habe sich ein Prolaps der Scheide entwickelt. Dieser sei bereits 2012 mit einem Ringpessar versorgt worden. Mithilfe eines Gehstockes sei die Klägerin noch wenig mobil. Sie habe ihn mit einer Begleitperson konsultiert.
Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, für die Bewertung des GdB bei Hörstörungen sei die Herabsetzung des Sprachgehörs maßgebend, deren Umfang durch die Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen sei. Allein mit dem von Dr. D. vorgelegten Tonaudiogramm sei keine Bewertung einer Schwerhörigkeit möglich. Der Frauenarzt S. habe berichtet, der Prolaps der Scheide sei mit einem Ringpessar versorgt. Er habe weder Folge- oder Begleiterscheinungen noch eine Harninkontinenz beschrieben. Der Verlust der Gebärmutter bedinge lediglich in einem jüngeren Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch einen Einzel-GdB von 20, in allen anderen Fällen von 0. Bis 2015 sei der Klägerin noch eine Gehstrecke bis 200 m möglich gewesen, anschließend immerhin noch zwischen 50 m und 70 m. Eine Rohlstuhlpflicht sei verneint worden. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lägen damit nicht vor.
Nach der mündlichen Verhandlung am 21. August 2017, bei der die Klägerin nicht anwesend gewesen ist, hat das SG die Klage durch Urteil abgewiesen. Die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen seien mit einem Gesamt-GdB von 70 ausreichend bewertet. Im Wege der Gesamtbetrachtung sei ein Einzel-GdB von 70 für die Behinderung "Polyarthrose, Gleichgewichtsstörungen, Angewiesensein auf eine Gehhilfe" nicht zu beanstanden. Diese Einschätzung entspreche der Beurteilung von Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen beziehungsweise geringfügig weniger als derjenigen von solchen bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit. Die Auswertung des Tonaudiogrammes ergebe eine mittelgradige Schwerhörigkeit beidseits, wobei zu beachten sei, dass an sich die Herabsetzung des Sprachgehörs mittels sprachaudiometrischer Untersuchungen zu erfolgen habe. Hinzu komme, dass sich mittels eines Tonaudiogrammes regelmäßig ein etwas höherer prozentualer Hörverlust erheben lasse als durch ein Sprachaudiogramm. Weiter sei der Hörverlust der Klägerin als altersentsprechend anzusehen, worauf der sachverständige Zeuge Dr. P. hingewiesen habe. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lägen nicht vor. Dieser habe attestiert, dass die Klägerin noch in der Lage sei, mit einem Gehstock oder Rollator eine Wegstrecke von 50 bis 70 m zurückzulegen. Eine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung, welche einem GdB von mindestens 80 entspreche, liege nicht vor. Eine Rollstuhlpflicht sei verneint worden.
Gegen die der Klägerin am 30. August 2017 zugestellte Entscheidung hat sie am 25. September 2017 beim LSG Berufung eingelegt und das im Verfahren Az. beim SG eingeholte Gutachten der Pflegesachverständigen G. vorgelegt. Nach einem Hausbesuch am 21. August 2017 hat sie ausgeführt, diese könne sich aus der Liegeposition an den Bettrand setzen und sich auf den Toilettenstuhl transferieren, indem sie sich abstütze. Mit dem Rollator bewege sie sich ausschließlich im Rahmen von Gehübungen fort. Es sei von zwei Stürzen 2000 und 2011 berichtet worden. Innerhalb der Wohnung könne sich die Klägerin auf dem Toilettenstuhl sitzend mit Trippelschritten fortbewegen. Die 1 cm hohen Schwellen in der Wohnung bewältige sie problemlos. Hilfe beim Gehen falle bei der Klägerin nicht an. Bei den wenigen Schritten zur Toilette benötige sie keine Unterstützung. Treppensteigen falle innerhalb der Wohnung nicht an, weil alle genutzten Räume auf einer Ebene lägen. Sie nehme jeden Morgen eine Tablette L-Thyrox ein, ein Hormonpräparat gegen eine Erkrankung der Schilddrüse. Zudem greife sie bedarfsweise neben Vitamin-B-12 bei Schmerzen auf Mandragora comp. mit dem homöopathischen Arzneistoff Arnika zurück. Bei der Klägerin bestehe ein Hilfebedarf bei der Körperpflege, Mobilität und hauswirtschaftlichen Versorgung. Die Kriterien der Pflegestufe I erfülle sie hingegen nicht. Die Alltagskompetenz sei weder erheblich noch in erhöhtem Maße eingeschränkt.
Nach ihrem Eintreffen habe sich die Klägerin an den Bettrand gesetzt. Ein Kopftuch, das mit einer Sicherheitsnadel verschlossen gewesen sei, sei abgenommen worden, ehe sie ihre beiden Hörgeräte eingesetzt habe. Mit einem Handspiegel in der linken Hand und einem Kamm in der rechten habe sie sich die Haare gekämmt und Haarspangen eingesetzt. Die Klägerin habe beide Hände uneingeschränkt einsetzen können. Die Finger seien frei beweglich gewesen. Der Faustschluss sei beidseits endgradig gelungen. Der Pinzettengriff habe mit allen Fingern gezeigt werden können. Der Dreipunktgriff sei beidseits vorgenommen worden. Der Klägerin sei es möglich, eine Sicherheitsnadel zu öffnen und zu schließen sowie Knöpfe und Reißverschlüsse auf- und zuzumachen. Die Kraft sei in beiden Händen altersentsprechend vorhanden, was mittels eines Vigorimeters gemessen worden sei. Die Arme hätten horizontal und vertikal angehoben und gehalten werden können. Die Nacken- und Schürzengriffe hätten problemlos gezeigt werden können. Koordinationsstörungen seien nicht vorhanden gewesen. Die Finger-Finger- und Finger-Nase-Versuche seien unauffällig gewesen. Beide seien mit offenen und geschlossenen Augen zielsicher durchgeführt worden. Die Rumpfbeugung und -rotation seien möglich gewesen. Im Sitzen habe sich die Klägerin die Strümpfe und Schuhe selbst anziehen sowie sich nach rechts und links drehen können, um nach Gegenständen zu greifen. Die Beine könne sie nur mit Hilfe über den Rand der Badewanne schwenken. Das Aufstehen in ihr sei für sie und die Pflegeperson mit erheblichen Mühen verbunden. Bis Februar 2017 sei sie regelmäßig mit ihrem Sohn in ein Thermalbad gefahren, habe sich dort geduscht und die Haare gewaschen. Der DemTect, ein Demenz-Screening-Verfahren, habe eine altersentsprechende kognitive Leistungsfähigkeit ergeben. Mit dem Uhrentest sei sie zunächst überfordert gewesen. Nach einer kleinen Hilfestellung hätten die Ziffern korrekt eingetragen werden können. Sie sei über ihre Denkblockade entsetzt gewesen. Für den Zwei-Personen-Haushalt schreibe sie eine Liste für den Einkauf, welchen der M. e. V. erledige. Dessen Mitarbeitende trügen die Waren in die Wohnung. Die Klägerin koche zum Teil für ihren Ehemann und sich, teilweise brächten die Kinder das Essen. Diese hätten die Wäscheversorgung und Wohnungsreinigung übernommen, da ihr dies über den Kopf gewachsen sei. Die Klägerin kontrolliere ihren an einer Demenz erkrankten Ehemann und erinnere ihn an seine täglich wiederkehrenden Aufgaben. Sie habe einen strukturierten Tagesablauf, der notwendig sei, um ihrem Ehemann Orientierung zu geben. Von ihr sei beklagt worden, immer wieder etwas zu vergessen oder zu verlegen. Diese Vergesslichkeit sei jedoch altersspezifisch. Die Tochter der Klägerin habe angegeben, diese räume in den Schränken, könne sich von nichts trennen und bewältige das angerichtete Chaos nicht mehr. Dieses Verhalten sei jedoch ebenfalls altersspezifisch und ihrer Biographie zuzuschreiben. Wenn sie nach den Räumaktionen keine Ordnung mehr finde, sei dies eher einem Kräfteverschleiß zuzuordnen, nicht einer dementiellen Entwicklung. Bei ausgeprägten kognitiven Defiziten könnte sie nicht ihren an einer Demenz erkrankten Ehemann betreuen. Der Blutdruck sei mit 130/70 mmHg innerhalb der Norm gewesen. Der Puls sei mit 72 rhythmischen und kräftigen Schlägen in der Minute normal gewesen. Von Ödemen in den Unterschenkeln am Abend sei berichtet worden. Eine Atemnot sei zu keinem Zeitpunkt beobachtet worden. Die Klägerin habe bei einer Größe von 1,60 m ein Körpergewicht von 55 kg gehabt, sei also mit einem Body-Mass-Index von 21,5 kg/m² leicht untergewichtig gewesen. Aufgrund ihrer Schwerhörigkeit habe sie Hörgeräte benutzt. Die Kommunikation sei bei Ansprache in normaler Lautstärke gut möglich gewesen. Die Klägerin könne sich sehr gut artikulieren, spreche deutlich und in vollständigen Sätzen. Sie erhalte keine Therapien, welche einen Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zur Folge hätten. Einmal im Quartal werde der Hausarzt aufgesucht. Alle sechs bis acht Wochen erfolge der Wechsel des Pessars beim Gynäkologen. Die Augen würden jährlich kontrolliert. Die Tochter der Klägerin habe im September 2014 festgehalten, diese leide seit ihrem 44. Lebensjahr an einer Depression und habe im Juli dieses Jahres geäußert, sich umzubringen. Die Auffälligkeiten, insbesondere die Suizidäußerung seien ein Hilfeschrei und kein Hinweis auf eine eingeschränkte Alltagskompetenz.
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, das aktuelle Pflegegutachten belege, dass sie nur mittels massiv unterstützender Begleitung zu den regelmäßig erforderlichen ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen geführt werden könne. Wegen der Schmerzen, des Kraftmangels, des geschädigten Patellarsehnenreflexes, der Polyneuropathie, der hochgradigen Polyarthrosen, des Duchenne-Hinkens mit positivem Trendelenburg-Zeichen könne sie jederzeit in den Knien wegsacken. Es bestehe eine ständige Sturzgefahr. Sie könne nur mit professioneller Hilfe baden. Hierbei sei ein starker Kraftaufwand zur Unterstützung notwendig. Tagsüber sitze sie vorwiegend. Wenn sie einen Stock einsetze, könne sie sehr kurze Strecken zurücklegen, etwa von der Toilettentür bis zur Toilette, wobei der Rollstuhl außerhalb verbleibe. Hierbei halte sie sich immer mit der anderen Hand an Möbeln, Waschbecken, Heizkörpern, Türklinken und ähnlichen Fixpunkten oder an einer Hilfsperson fest. Schmerzbedingt könne sie abwärtsführende Treppen nur rückwärts und mit Unterstützung durch eine Begleitperson bewältigen. Bei zwei Stürzen habe sie jeweils Frakturen an beiden Händen erlitten. Hierdurch seien die Fehlstellungen an beiden Handgelenken entstanden. Als weitere Folge sei eine Ulnarisparese rechts aufgetreten. Dies habe zur Folge, dass sie sich nur für sehr kurze Strecken auf einem Gehwagen aufstützen könne, wobei sie professioneller Hilfe bedürfe. Prozesskostenhilfe sei ihr zu gewähren, weil bezüglich des Kenntnisstandes und der Fähigkeiten der Prozessparteien ein massives Ungleichgewicht bestehe. Wegen ihres hohen Alters und ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei eine sachgerechte Prozessführung ohne anwaltliche Unterstützung unmöglich.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts U. vom 21. August 2017 aufzuheben und den Bescheid vom 3. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2016 teilweise aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihr den Grad der Behinderung mit 100 unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 5. Februar 2013 und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" jeweils ab 13. Juni 2016 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, sie dringe mit ihren Begehren nicht durch.
Das Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin ist mit Beschluss des Senats vom 20. Dezember 2017 abgelehnt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter durch Beschluss, da die Berufsrichterin und -richter des Senats dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Zudem ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die Berufung wenig aussichtsreich erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1999 - B 13 RJ 25/99 R -, SozR 3-1500 § 153 Nr. 9, S. 27).
Ihr Rechtsmittel ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen sie nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das angefochtene Urteil des SG vom 21. August 2017, mit dem die als jeweils kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 3. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2016 die Verpflichtung des Beklagten begehrt hat, bei ihr den GdB mit 100 unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 5. Februar 2013 und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" festzustellen, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf die vorliegende Klageart an sich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), mangels Durchführung einer solchen indes derjenige der Entscheidung.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 70 ab der beantragten Neufeststellung am 13. Juni 2016, wie er vom beklagten Träger der Versorgungsverwaltung bereits zuerkannt wurde.
Rechtsgrundlage für die verfolgte behördliche Anerkennung des GdB mit 100 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des - teilweise - aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in: von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).
Bei dem Bescheid vom 5. Februar 2013 über die Feststellung des GdB mit 20 seit 5. November 2012 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidung vorlagen, ist zwar eine wesentliche Änderung eingetreten. Die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin sind indes mit keinem höheren GdB als 70 zu bewerten sein, wie er vom Beklagten bereits festgestellt wurde.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Von dieser Ermächtigung hat das BMAS Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin ab der beantragten Neufeststellung des GdB am 13. Juni 2016 bis aktuell keinen höheren als 70 begründen.
Da im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden sollen (VG, Teil A, Nr. 2 e), ist vorliegend insbesondere nach "Beine", "Arme", "Rumpf", "Gehirn einschließlich Psyche" und "Ohren" zu trennen und nicht wie vom Beklagten vorgenommen eine Behinderung "Polyarthrose, Gleichgewichtsstörungen, Angewiesensein auf eine Gehhilfe" einheitlich zu betrachten.
Die bei der Klägerin wegen der Gesundheitsstörungen an den Haltungs- und Bewegungsorganen vorliegenden Funktionsbehinderungen erreichen in Bezug auf das Funktionssystem "Beine" keinen höheren Teil-GdB als 40. Das Funktionssystem "Arme" rechtfertigt allenfalls einen Teil-GdB von 10, der "Rumpf" hingegen keinen im messbaren Bereich.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.
Die Funktionssysteme "Beine" und "Arme" ist mit einem Teil-GdB von 40 und 0 zu bewerten.
Der GdB bei Gliedmaßenschäden ergibt sich nach den VG, Teil B, Nr. 18.11 aus dem Vergleich mit demjenigen für entsprechende Gliedverluste. Trotz erhaltener Extremität kann der Zustand gelegentlich ungünstiger sein als der Verlust. Die aufgeführten GdB für Gliedmaßenverluste gehen, soweit nichts anderes erwähnt ist, von günstigen Verhältnissen des Stumpfes und der benachbarten Gelenke aus. Bei ausgesprochen ungünstigen Stumpfverhältnissen, bei nicht nur vorübergehenden Stumpfkrankheiten sowie bei nicht unwesentlicher Funktionsbeeinträchtigung des benachbarten Gelenkes sind diese Sätze im allgemeinen um 10 zu erhöhen, unabhängig davon, ob Körperersatzstücke getragen werden oder nicht. Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel mindern bei Verlust und Funktionsstörungen der Gliedmaßen sowie bei Funktionseinschränkungen des Rumpfes die Auswirkungen der Behinderung, ohne dass dadurch der durch den Schaden allein bedingte GdB eine Änderung erfährt. Bei der Bewertung des GdB von Pseudarthrosen ist zu berücksichtigen, dass straffe günstiger sind als schlaffe. Bei habituellen Luxationen richtet sich die Höhe des GdB außer nach der Funktionsbeeinträchtigung der Gliedmaße auch nach der Häufigkeit der Ausrenkungen.
Danach ist für das Funktionssystem "Beine" allenfalls ein Teil-GdB von 40 angemessen (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.14). Neben der von Dr. W. festgestellten Varusgonarthrose beidseits (ICD-10-GM-2018 M17.9) und einem Hallux valgus beidseits (ICD-10-GM-2018 M20.1) beschrieb Dr. P. im März 2017, dass die Arthrose im Bereich beider Kniegelenke stark schmerzt und die Bewegung einschränkt, ohne allerdings Werte nach der Neutral-0-Methode zu erheben. Die Klägerin leidet nach seinen weiteren Ausführungen an einer Polyneuropathie, welche für Schmerzen und Missempfindungen an beiden Beinen verantwortlich ist. Eine Muskelschwächung wird erwähnt. Mangels nachgewiesener ausgeprägter Knorpelschäden und anhaltender Reizerscheinungen ist jedoch selbst bei einer mittelgradigen beidseitigen Bewegungseinschränkung, etwa einer Streckung und Beugung bis 0-30-90°, kein höherer GdB als 40 vorgesehen. Ödeme in den Unterschenkeln treten erst am Abend auf, wie die Klägerin gegenüber der Sachverständigen G. eingeräumt hat. Mit diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in den Beinen steht in Einklang, dass sie den Gehstock seit Jahren nicht deswegen, sondern wegen der Gleichgewichtsstörungen benutzt, wie Dr. P. bekundet hat. Das von ihm angeführte chronische Schmerzsyndrom ist nicht belegt, zumal die Klägerin lediglich bedarfsweise auf Mandragora comp. mit dem homöopathischen Arzneistoff Arnika zurückgreift. Daher liegt auch kein den GdB erhöhendes außergewöhnliches Schmerzsyndrom vor, wobei die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit einschließen und auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände berücksichtigt sind (VG, Teil A, Nr. 2 j).
Das Funktionssystem "Arme" hat allenfalls einen Teil-GdB von 10 zur Folge (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.13). Die Klägerin konnte bei der Untersuchung durch die Sachverständige G. beide Hände uneingeschränkt einsetzen. Die Finger waren frei beweglich. Der Faustschluss gelang beidseits endgradig. Der Pinzettengriff konnte mit allen Fingern gezeigt werden. Der Dreipunktgriff wurde beidseits vorgenommen. Der Klägerin war es möglich, eine Sicherheitsnadel zu öffnen und zu schließen sowie Knöpfe und Reißverschlüsse auf- und zuzumachen. Die Kraft in beiden Händen war altersentsprechend vorhanden, was mittels eines Vigorimeters gemessen wurde. Die Arme konnten horizontal und vertikal angehoben und gehalten werden. Die Nacken- und Schürzengriffe wurden problemlos gezeigt. Damit ist die Fingerpolyarthrose aktuell nicht mit einer solchen Einschränkung der feinmotorischen Geschicklichkeit und der grobmotorischen Kraft einhergegangen, wie sie Dr. P. umschrieben hat, und jedenfalls kein höherer Teil-GdB als 10 erreicht.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten "Postdiskotomiesyndrom") primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte "Wirbelsäulensyndrome" (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein. Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
Bei der Klägerin sind im Bereich der Wirbelsäule keine Bewegungseinschränkungen objektiviert. Bei der orientierenden Untersuchung durch die Pflegesachverständige G. im August 2017 waren die Rumpfbeugung und -rotation möglich. Im Sitzen konnte sich die Klägerin die Strümpfe und Schuhe selbst anziehen sowie sich nach rechts und links drehen, um nach Gegenständen zu greifen. Die Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule sind damit bestenfalls leichtgradig. Die von Dr. P. angeführte starke Arthrose an beiden Hüftgelenken, welche zu einer Bewegungseinschränkung und einem unbeholfenen, hinkenden Gangbild geführt haben soll, ist bislang fachärztlich nicht nachgewiesen worden. Der von ihm vorgelegte Befundbericht von Dr. W. von November 2015 weist lediglich einen Verdacht auf diese Gesundheitsstörung aus, zumal nur rechts, obgleich die Klägerin rezidivierende Kniebeschwerden beidseits anführte. Ein Teil-GdB im messbaren Bereich für das Funktionssystem "Rumpf" wird dadurch nicht gestützt.
Das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" erreicht ob der kognitiven Beeinträchtigungen, zumal solche im mittleren Bereich, wie sie Dr. P. angeführt hat, nicht belegt sind, keinen Teil-GdB von wenigstens 10. Der von der Sachverständigen G. eingesetzte DemTect, ein Demenz-Screening-Verfahren ergab eine altersentsprechende kognitive Leistungsfähigkeit. Damit in Einklang steht, dass die Klägerin ihren an einer Demenz erkrankten Ehemann kontrolliert und ihn an seine täglich wiederkehrenden Aufgaben erinnert. Sie hat einen strukturierten Tagesablauf, der notwendig ist, um ihrem Ehemann Orientierung zu geben. Von ihr ist beklagt worden, immer wieder etwas zu vergessen oder zu verlegen. Diese Vergesslichkeit ist jedoch altersspezifisch. Die Bevollmächtigte der Klägerin gab gegenüber der Sachverständigen G. an, diese räume in den Schränken, könne sich von nichts trennen und bewältige das angerichtete Chaos nicht mehr. Dieses Verhalten ist jedoch ebenfalls altersspezifisch und ihrer Biographie zuzuschreiben. Wenn sie nach den Räumaktionen keine Ordnung mehr findet, ist dies eher einem Kräfteverschleiß zuzuordnen, nicht einer dementiellen Entwicklung. Bei ausgeprägten kognitiven Defiziten könnte sie nicht ihren an einer Demenz erkrankten Ehemann betreuen. Die Bevollmächtigte der Klägerin hielt im September 2014 fest, diese leide seit ihrem 44. Lebensjahr an einer Depression und habe im Juli dieses Jahres geäußert, sich umzubringen. Die Auffälligkeiten, insbesondere die Suizidäußerung dürften jedoch ein Hilfeschrei und jedenfalls kein Hinweis auf eine eingeschränkte Alltagskompetenz gewesen sein, wie die Sachverständige G. vermutet hat.
Das Funktionssystem "Ohren" rechtfertigt einen Teil-GdB von 30, stützt aber keinen höheren. Maßgebend für die Bewertung bei das Hörorgan betreffenden Hörstörungen ist nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 5 die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Der Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren zu Recht eingewandt, dass insoweit grundsätzlich eine sprachaudiometrische Untersuchung durchzuführen ist. Zudem ergibt sich bei Anwendung von Frequenztabellen aus dem Tonaudiogramm zumeist ein etwas höherer prozentualer Hörverlust als aus dem Sprachaudiogramm (D. e.V., Empfehlung für die Begutachtung bei Lärmschwerhörigkeit - Königsteiner Empfehlung, Stand: Juli 2012, S. 33), was bereits das SG angedeutet hat, weshalb ob der nach den VG, Teil B, Nr. 5.2.2 ermittelten Werte von 64 rechts und 65 links allenfalls von einer mittelgradigen Schwerhörigkeit beidseits ausgegangen werden kann, welche nach den VG, Teil B, Nr. 5.2.4 einen Einzel-GdB von 30 begründet. Demgegenüber war Dr. P. im März 2017 bei der ihm noch nicht bekannten audiometrischen Hörüberprüfung durch Dr. D. noch von einer lediglich altersbedingten Schwerhörigkeit ausgegangen, also keiner Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand (VG, Teil A, Nr. 2 c).
Die von Dr. P. angeführten Gleichgewichtsstörungen (VG, Teil B, Nr. 5.3) sind lediglich in geringgradiger Ausprägung objektiviert, zumal er selbst den Schwindel als leicht eingeordnet hat. Insbesondere waren Koordinationsstörungen bei den von der Sachverständigen G. durchgeführten Finger-Finger- und Finger-Nase-Versuchen nicht vorhanden. Beide wurden mit offenen und geschlossenen Augen zielsicher durchgeführt. Die Klägerin führt auch lediglich eine ständige Sturzgefahr an, gestürzt war sie zuletzt 2011, also bereits vor längerer Zeit, und davor nur 2000 und im Juli 2001, wobei für den häuslichen Sturz im Bad keine Gleichgewichtsstörungen als Ursache angegeben worden sind. Das Funktionssystem "Ohren" bedingt damit keinen höheren Teil-GdB als 30.
Das Funktionssystem "Augen" rechtfertigt einen Teil-GdB von 20. Maßgebend für das Sehorgan ist nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 4 die korrigierte Sehschärfe. Die beidseits eingepflanzten Kunstlinsen mit Sehminderungen rechts zwischen 0,4 und 0,5 sowie links zwischen 0,6 und 0,7 führen nach den VG, Teil B, Nr. 4.2 zu einem GdB von 20.
Insbesondere ob der von Dr. H. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme von Juli 2016 aufgegriffenen Polyneuropathie, der Herzrhythmusstörungen, der koronaren Herzkrankheit, der Kalksalzminderung des Knochens, also einer Osteoporose und der Restfolgen nach verheilter Serienfraktur der vierten bis achten Rippe links nach einem häuslichen Sturz im Bad im Juli 2001 sind keine sonstigen Gesundheitsstörungen objektiviert, derentwegen einem Funktionssystem zuzuordnende Einschränkungen vorliegen, welche überhaupt erst geeignet wären, den Gesamt-GdB zu erhöhen. Nach der Entfernung der Gebärmutter 1975 entwickelte sich ein Prolaps der Scheide, welcher seit 2012 mit einem Ringpessar versorgt wird, die der sachverständige Zeuge S. bekundet hat, wofür kein GdB vorgesehen ist (vgl. VG, Teil B, Nr. 14.2), worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat. Ein zu Funktionsstörungen führendes Übergewicht (VG, Teil B, Nr. 15.3) liegt fern. Dr. B.g führte im April 2016 vor. ein konstantes Körpergewicht von 60 kg bei einer Größe von 1,63 m an. Bei der Begutachtung durch die Sachverständige G. im August 2017 gab die Klägerin eine Größe von 1,60 m und ein Körpergewicht von 55 kg an, woraus sich mit einem Body-Mass-Index von 21,5 kg/m² sogar ein leichtes Untergewicht ergibt.
Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3 a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen (VG, Teil A, Nr. 3 d ee), ist im Falle der Klägerin der Gesamt-GdB aus den Teil-GdB von allenfalls 40 für das Funktionssystem "Beine", bestenfalls 30 für das Funktionssystem "Ohren" und 20 für das Funktionssystem "Augen" zu bilden, woraus sich kein höherer Gesamt-GdB als 70 ergibt, da einzelne Werte nach den VG, Teil A, Nr. 3 a nicht einfach addiert werden können.
Die Klägerin hat zudem keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "aG" ab 13. Juni 2016.
Die Feststellung von Merkzeichen richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 4 SGB IX. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1 (§ 152 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird (§ 152 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 SGB IX). Auf Antrag des Menschen mit Behinderung stellen die zuständigen Behörden gemäß § 152 Abs. 5 Satz 1 SGB IX aufgrund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über weitere gesundheitliche Merkmale aus.
Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung (§ 229 Abs. 3 SGB IX). Schwerbehinderte Menschen mit einem solchen Nachteil sind Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem GdB von mindestens 80 entspricht (Satz 1). Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt vor, wenn sich die Menschen mit Schwerbehinderung wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können (Satz 2). Hierzu zählen insbesondere Menschen mit Schwerbehinderung, die auf Grund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sind (Satz 3). Verschiedenste Gesundheitsstörungen, insbesondere Störungen bewegungsbezogener, neuromuskulärer oder mentaler Funktionen, Störungen des kardiovaskulären oder Atmungssystems, können die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen (Satz 4). Diese sind als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der unter Satz 1 genannten Beeinträchtigung gleich kommt (Satz 5).
Der seit 1. Januar 2009 an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 im Interesse einer gleich-mäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP getretenen VersMedV lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleiches entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für den nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleich "aG" unwirksam, da es insoweit zum Erlasszeitpunkt an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlte. Eine solche Ermächtigung fand sich weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30. Juni 2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 1. Juli 2011 noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteile des Senats vom 9. Juni 2011 - L 6 SB 6140/09 -, juris und vom 4. November 2010 - L 6 SB 2556/09; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 9. Mai 2011 - L 8 SB 2294/10 - und vom 14. August 2009 - L 8 SB 1691/08 -, jeweils juris sowie vom 24. September 2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4).
Diesen Mangel hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7. Januar 2015 (BGBl II S. 15) beseitigt und mit § 70 Abs. 2 SGB IX eine neue Verordnungsermächtigung unmittelbar im SGB IX eingefügt. Danach wird das BMAS ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend und nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Da die VersMedV einschließlich ihrer Anlage zu § 2 VersMedV nicht auf der Grundlage dieser erst seit 15. Januar 2015 gültigen Verordnungsermächtigung erlassen worden ist, ist nach wie vor deren Anwendung hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Merkzeichens "aG" nicht möglich. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber durch den ebenfalls mit Gesetz vom 7. Januar 2015 (BGBl II S. 15) neu eingefügten § 159 Abs. 7 SGB IX Rechnung getragen. Danach gelten, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Hierdurch konnte zwar nicht die bezüglich der in den VG enthaltenen Regelungen zu den Merkzeichen "G", "B", "aG" und "Gl" teilunwirksame VersMedV neu erlassen oder als Verordnung für anwendbar erklärt werden, da es insoweit schon an der Zuständigkeit des Gesetzgebers hinsichtlich einer vom BMAS zu erlassenden Verordnung fehlte. Mit noch hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut (vgl. zum rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 3. September 2014 - 1 BvR 3353/13 -, juris) hat der Gesetzgeber jedoch mit der in § 159 Abs. 7 SGB IX getroffenen Regelung zum Ausdruck gebracht, dass er sich den insoweit maßgeblichen Verordnungstext in der Anlage zu § 2 VersMedV, also die unter VG, Teil D, Nrn. 1 bis 4 getroffenen Bestimmungen, zu eigen machte und bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX insoweit die VG Gesetzescharakter haben (vgl. BT-Drucks. 18/3190, S. 5).
Die erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung, die einem GdB von mindestens 80 entspricht, als Definition der außergewöhnlichen Gehbehinderung gründet auf dem biopsychosozialen Modell des modernen Behindertenbegriffs, nach dem es darauf ankommt, ob die Auswirkungen einer Gesundheitsstörung in Wechselwirkung mit vorhandenen Barrieren im Einzelfall zu einer Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und somit zu einer Behinderung führen. Dieser Standard ist niedergelegt in der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation, welche das frühere so genannte "Krankheitsfolgenmodell" (ICIDH) 2001 ablöste (BT-Drucks. 18/9522, S. 317). Er ist auch die Grundlage für das Verständnis von Behinderung, welches in dem Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) vom 21. Dezember 2008 (BGBl II S. 1419), in Kraft getreten am 26. März 2009, Gesetz vom 21. Dezember 2008 (BGBl II, S. 1419), Bekanntmachung vom 5. Juni 2009 (BGBl II S. 812) zum Ausdruck kommt (z. B. Art. 1 Abs. 2). Der Begriff "Behinderung" nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist ebenfalls in diesem Sinne final ausgerichtet. § 229 Abs. 3 SGB IX übernimmt den bewährten Grundsatz, dass das Recht, Behindertenparkplätze zu benutzen, nur unter engen Voraussetzungen eingeräumt werden darf. Dafür spricht insbesondere, dass Parkraum in den Innenstädten nicht beliebig vermehrbar ist, ebenso wie auch der verkehrsrechtliche Ansatz seiner grundsätzlichen Privilegienfeindlichkeit, sodass mit Mitteln des Straßenverkehrsrechts nur ein Nachteilsausgleich eingeräumt werden kann und dieser ausschließlich unter dem Aspekt eines sicheren und geordneten Verkehrsablaufes. Dafür sprechen auch behinderungspolitische Erwägungen. Behindertenparkplätze müssen denjenigen Menschen mit Schwerbehinderung vorbehalten bleiben, die sich dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kfz bewegen können. Das sind Menschen, die für ihre mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung einen GdB von mindestens 80 haben. Eine breite Ausweitung des berechtigten Personenkreises würde dazu führen, dass die eigentliche Zielgruppe längere Wege zurücklegen müsste, weil der Parkraum ein begrenzterer wäre (vgl. BT-Drucks. 18/9522, S. 318). Die Voraussetzungen können erfüllt sein bei zentralnervösen, peripher-neurologischen oder neuromuskulär bedingten Gangstörungen mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen oder wenn eine dauerhafte Rollstuhlbenutzung erforderlich ist, insbesondere bei Querschnittlähmung, Multipler Sklerose, Amyotropher Lateralsklerose, Parkinsonerkrankung, Para- oder Tetraspastik in schwerer Ausprägung, einem Funktionsverlust beider Beine ab Oberschenkelhöhe oder eines Beines von da an ohne Möglichkeit der prothetischen oder orthetischen Versorgung, insbesondere bei Doppeloberschenkelamputierten und Hüftexartikulierten, schwerster Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit, insbesondere bei Linksherzschwäche Stadium NYHA IV, schwersten Gefäßerkrankungen, insbesondere bei arterieller Verschlusskrankheit Stadium IV, Krankheiten der Atmungsorgane mit nicht ausgleichbarer Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades sowie einer schwersten Beeinträchtigung bei einem metastasierenden Tumorleiden mit starker Auszehrung und einem fortschreitenden Kräfteverfall (BT-Drucks. 18/9522, S. 318).
Eine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung, die einem GdB von 80 entspricht (vgl. Urteil des Senats vom 7. Dezember 2017 - L 6 SB 4071/16 -, juris, Rz. 62), liegt bei der Klägerin bereits wegen des Gesamt-GdB von 70 nicht vor, bei dem zudem das mit einem Teil-GdB von 30 bewertete Funktionssystem "Ohren" berücksichtigt wurde, welches vorliegend eine derartige Beeinträchtigung nicht beinhaltet. Da die Träger der Versorgungsverwaltung gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ohnehin nur ermächtigt sind, eine - unbenannte - Behinderung und den GdB festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, BSGE 82, 176 (177 f.); Oppermann, a. a. O., Rz. 10; vgl. auch Dau, in: Dau/Düwell/Joussen, a. a. O., Rz. 4 m. w. N.), wäre es dem Senat als Tatsachengericht indes nicht verwehrt gewesen, den Anspruch auf behördliche Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" umfassend zu prüfen, also etwa bislang nicht berücksichtigte behinderungsbedingten Funktionsstörungen heranzuziehen und originär zu beurteilen, ob und inwieweit eine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung vorliegt.
Es kann dahinstehen, ob nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts die vorliegend maßgebliche Gesetzesänderung ab ihrem Inkrafttreten mit Wirkung zum 30. Dezember 2016 (Art. 26 Abs. 2 BTHG) auch die bereits davor bestehenden Rechtsverhältnisse den neuen Regeln unterwerfen will (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 12/03 R -, SozR 4-2700 § 70 Nr. 1, juris, Rz. 22 m. w. N.), also vorliegend bereits ab der beantragten Feststellung ab 12. September 2012. Denn auch nach der Rechtslage bis 29. Dezember 2016 hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG".
Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung war Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO). Danach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG), wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Hierzu zählen als so genannte "Regelbeispiele" Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüft-exartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie als so genannte "Gleichstellungsfälle" andere Menschen mit Schwerbehinderung, welche nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind.
Nach § 69 Abs. 4 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14. Januar 2015 gültigen Fassung (a. F.) war seit dem 21. Dezember 2007 zusätzlich auf die VersMedV Bezug genommen, sodass seit dem 1. Januar 2009 deren Fassung vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), zuletzt geändert durch die Fünfte Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 11. Oktober 2012 (BGBl I S. 2122), auch für das Verfahren der Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen heranzuziehen war. Sie band als Rechtsverordnung Verwaltung und Gerichte (BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 SB 3/08 R -, juris, Rz. 27). Trotz der dargestellten Bedenken an dieser Ermächtigung des Verordnungsgebers, insbesondere zum Erlass von Vorgaben für die Beurteilung von Nachteilsausgleichen, hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung die darin vorgenommenen Konkretisierungen als verbindlich angesehen, zumal die VG ebenso wie die insoweit inhaltlich übereinstimmenden AHP antizipierte Sachverständigengutachten darstellten, die wegen ihrer normähnlichen Wirkungen wie untergesetzliche Normen anzuwenden seien (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 18, Rz. 10 m. w. N.). Im Übrigen wurden in den VG, Teil D, Nr. 3 b vollständig die Vorgaben der VwV-StVO zum Merkzeichen "aG" übernommen und in Nr. 3 a insoweit ausdrücklich auf das StVG verwiesen, welches als Ermächtigungsgrundlage für die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "aG" weiterhin bestehen blieb. Zusätzlich war nach den VG, Teil D Nr. 3 c folgende Ergänzung erfolgt: "Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung darf nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden. Bei der Frage der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt auch, wenn Menschen mit Gehbehinderung einen Rollstuhl benutzen. Es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde; die Betroffenen müssen vielmehr ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil sie sich sonst nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen können. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen."
Bei der Klägerin liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines der genannten, abschließend aufgeführten Regelbeispiele in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO nicht vor. Gegebenenfalls wurde vermutet, dass sich die dort aufgeführten Menschen mit Schwerbehinderung wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kfz bewegen können. Nach dem Wortlaut und Zweck der Regelung kam es dabei im Interesse einer leichten Handhabung in der Praxis nicht auf die individuelle prothetische Versorgung an (vgl. BSG, Urteile vom 17. Dezember 1997 - 9 RVs 16/96 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 22, S. 87, vom 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R -, BSGE 82, 37 und vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SB 5/06 R -, juris, Rz. 14), selbst wenn aufgrund eines hervorragenden gesundheitlichen Allgemeinzustandes und hoher körperlicher Leistungsfähigkeit bei optimaler prothetischer Versorgung eine gute Gehfähigkeit bestand (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 28. Februar 2013 - L 15 SB 113/11 -, juris, Rz. 46 f.). Der Grundsatz erfuhr eine Ausnahme für die einseitig Oberschenkelamputierten, denen der Nachteilsausgleich "aG" nur zuerkannt werden konnte, wenn sie nicht (exo-)prothetisch versorgt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 - 9 RVs 16/96 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 22, S. 87). Anders als bei den übrigen Regelbeispielen gehörten die einseitig Oberschenkelamputierten nur dann zu dem eng begrenzten Kreis der Menschen mit Schwerbehinderung im Sinne von Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO, wenn sie dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen. Im Umkehrschluss galt bei den Menschen, welche einseitig oberschenkelamputiert sind und noch ein Kunstbein tragen können, nicht die Vermutung von Satz 1, dass sie zu den Personen gehören, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kfz bewegen können. Dieser Kreis von Menschen mit Behinderung unterlag bereits bei der Prüfung des Vorliegens eines Regelbeispiels einer pauschalen Gleichstellungsprüfung mit den anderen Gruppen, die sich durch Doppelamputationen oder weitergehende erhebliche körperliche Einschränkungen abgrenzen. Dabei galt für die Dauerhaftigkeit des Außerstandeseins, ein Kunstbein zu tragen ein anderer Maßstab als für den geforderten Dauerzustand nach Satz 1. Dem lag allerdings ebenfalls kein individuelles zeitliches Kriterium zugrunde. Dauernd außerstande sein, ein Kunstbein zu tragen, bedeutete in diesem Zusammenhang, (exo-)prothetisch nicht versorgbar zu sein (vgl. BSG, a. a. O.). Es durfte keine prothetische Versorgung möglich sein, der betroffene Mensch mit Behinderung muss ständig außerstande sein, ein Kunstbein zu tragen. Zu dieser Personengruppe gehört die Klägerin nicht.
Die Schwere der bei ihr vorliegenden Beeinträchtigung ist auch nicht dem Vorliegen eines Regelbeispiels gleichzustellen. Eine Gleichstellung setzte gemäß Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO voraus, dass der Mensch mit Schwerbehinderung sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen kann, wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO genannten Personen, bei denen ein Regelbeispiel erfüllt ist. Das war der Fall, wenn ihre Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und sie sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Menschen mit Schwerbehinderung oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen können (BSG, Urteil vom 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R -, BSGE 82, 37 (38 f.)).
Zwar bereitete der Vergleichsmaßstab naturgemäß Schwierigkeiten, weil die verschiedenen, im 1. Halbsatz aufgezählten Gruppen von Menschen mit Behinderung in ihrer Wegefähigkeit nicht homogen sind und einzelne Vertretende dieser Gruppen bei gutem gesundheitlichen Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Menschen ohne Behinderung erreichen können (BSG, Urteile vom 17. Dezember 1997 - 9 RVs 16/96 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 22, S. 87 und 10. Dezember 2012 - B 9 SB 7/01 R -, BSGE 90, 180 (182)). Auf die individuelle prothetische Versorgung der aufgeführten zu vergleichenden Gruppen von Menschen mit Behinderung kam es jedoch nicht an (BSG, Urteile vom 17. Dezember 1997 - 9 RVs 16/96 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 22 und 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R -, BSGE 82, 37), zumal solche Besonderheiten angesichts des mit der Zuerkennung von "aG" bezweckten Nachteilsausgleiches nicht als Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung herangezogen werden können. Vielmehr musste sich dieser strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren, also an Satz 1 Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO beziehungsweise § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2012 - B 9 SB 7/01 R -, BSGE 90, 180 (183)).
Auf der anderen Seite war für die Gleichstellung am individuellen Restgehvermögen der Betroffenen anzusetzen. Hierzu zählten auch die einseitig Oberschenkelamputierten, die grundsätzlich prothetisch versorgt werden können. Diese Personengruppe war nicht von Halbsatz 2 ausgenommen, nur weil die beim Vorliegen der Voraussetzungen von Halbsatz 1 eintretende Vermutungswirkung nicht gegeben war. Denn diese ersetzt lediglich die individuelle Prüfung der Voraussetzungen von Satz 1, die jedoch im Rahmen der Gleichstellungsprüfung nach Halbsatz 2 durchzuführen ist. Dabei lässt sich ein den Anspruch ausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2012 - B 9 SB 7/01 R -, BSGE 90, 180). Grundsätzlich sind hierzu weder ein gesteigerter Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke (BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 9a SB 1/06 R -, juris, Rz. 18) oder prozentuale Zeitwerte geeignet. Denn die maßgeblichen Vorschriften stellten nicht darauf ab, über welche Wegstrecke sich ein Mensch mit Schwerbehinderung außerhalb seines Kraftfahrzeuges wie oft und in welcher Zeit zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist, also nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzungen praktisch vom ersten Schritt an außerhalb seines Kraftfahrzeuges erfüllt, qualifizierte sich für den Nachteilsausgleich "aG" auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. Ein an einer bestimmten Wegstrecke und einem Zeitmaß orientierter Maßstab liegt auch nicht wegen der Methode nahe, mit der die medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" festgestellt werden. Denn für den Nachteisausgleich "aG" gelten diesem gegenüber nicht gesteigerte, sondern andere Voraussetzungen (BSG, Urteile vom 13. Dezember 1994 - 9 RVs 3/94 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 11, S. 45 und 29. März 2007 - B 9a SB 1/06 R -, juris, Rz. 21 f.). Dabei können unter anderem Art und Umfang schmerz- oder erschöpfungsbedingter Pausen von Bedeutung sein (vgl. BSG, a. a. a. O., Rz. 18 f.). Denn Menschen mit Schwerbehinderung, die in ihrer Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt sind, müssen sich beim Gehen regelmäßig körperlich besonders anstrengen. Die für die Bejahung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" geforderte große körperliche Anstrengung kann etwa erst dann angenommen werden, wenn selbst bei einer Wegstreckenlimitierung von 30 m diese darauf beruht, dass Betroffene bereits nach dieser kurzen Strecke erschöpft sind und neue Kräfte sammeln müssen, bevor sie weiter gehen können (BSG, a. a. O., Rz. 24 und Urteil vom 10. Dezember 2012 - B 9 SB 7/01 R -, BSGE 90, 180 (184 f.)).
Ob die danach erforderlichen großen körperlichen Anstrengungen beim Gehen dauerhaft vorliegen, ist Gegenstand tatrichterlicher Würdigung, die sich auf alle verfügbaren Beweismittel wie Befundberichte der behandelnden Ärzte, Sachverständigengutachten oder einen dem Gericht persönlich vermittelten Eindruck stützen kann. Dabei stellt das alleinige Abstellen auf ein einzelnes, starres Kriterium vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes in Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in der Regel keine sachgerechte Beurteilung dar, weil es eine Gesamtschau aller relevanten Umstände eher verhindert (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SB 5/06 R -, juris, Rz. 17).
An dieser Rechtslage für die Anerkennung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "aG" hatte sich auch durch die UN-Behindertenrechtskonvention nichts geändert (BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 2/14 R -, juris, Rz. 23 m. w. N.). Allerdings konnte sie als Auslegungshilfe orientierend herangezogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 -, BVerfGE 128, 282 (306); BSG, Urteil vom 24. Mai 2012 - B 9 V 2/11 R -, BSGE 111, 79 (88)). Insoweit war entsprechend Art. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention, wie bereits in § 2 Abs. 1 SGB IX vorgesehen, die individuelle Beeinträchtigung des Menschen mit Behinderung an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen haben bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkeichens "aG" auch nach der früheren Rechtslage nicht vorgelegen. Es ist bereits nicht nachgewiesen, dass ihr Gehvermögen auf das schwerste eingeschränkt gewesen ist, wobei hierfür am ehesten dasjenige der Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 2/14 R -, juris, Rz. 24). Sie ist nicht von den ersten Metern an in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt gewesen. Die von ihr ohne fremde Hilfe zu bewältigende Gehstrecke ohne Unterbrechung reduzierte sich zwar von 200 m noch im November 2015, was Dr. W. mitgeteilt hat. Sie beträgt aber immer noch zwischen 50 und 70 m, erst danach muss sie wegen ihrer Beschwerden eine Pause einlegen, wie Dr. P. im erstinstanzlichen Verfahren bestätigt hat. Der leichte Schwindel führt lediglich zu einem eingeschränkten, hinkenden Gangbild, weswegen die Klägerin zumutbar einen Gehstock einsetzen kann. Dieser mag zwar nach der Bekundung von Dr. P. wegen der Fingerpolyarthrose nicht mehr sehr sicher gegriffen werden können. Nach den Erhebungen der Sachverständigen G. im August 2017 waren beide Hände trotz der von der Klägerin angeführten Fehlstellungen an beiden Handgelenken indes noch uneingeschränkt einzusetzen, weshalb die Beeinträchtigungen nicht derart ausgeprägt sind, dass auf dieses Hilfsmittel oder einen Rollator, welche immerhin noch für Gehübungen genutzt wird, nicht mehr zurückgegriffen werden könnte. Der Einsatz eines Toilettenstuhls zur Fortbewegung im häuslichen Bereich begründet noch nicht die Notwendigkeit eines rollenden Untersatzes zur Fortbewegung, zumal Dr. P. eine Rollstuhlpflicht verneint hat. KardiopU.onale Funktionsstörungen, die sich auf die Gehfähigkeit auswirken, sind nicht vorhanden. Bei der gutachtlichen Untersuchung durch die Sachverständige G. wurde der Blutdruck mit normgerechten 130/70 mmHg gemessen. Der Puls war mit 72 rhythmischen und kräftigen Schlägen in der Minute normal. Ödeme in den Unterschenkeln treten nur am Abend auf. Eine Atemnot wurde nicht beobachtet. Wegen der Schmerzen, des Kraftmangels, des geschädigten Patellarsehnenreflexes, der Polyneuropathie, der hochgradigen Polyarthrosen und des Duchenne-Hinkens mit positivem Trendelenburg-Zeichen könne sie zwar nach eigenen Angaben jederzeit in den Knien wegsacken. Es bestehe eine ständige Sturzgefahr. Diese Umstände belegen allerdings noch keine außergewöhnliche Gehbehinderung aufgrund von tatsächlich bestehenden Funktionseinschränkungen. Das beschriebene beschwerliche Begehen einer Treppe und die Umstände beim Baden gibt hierauf keinen hinreichenden Hinweis.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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