L 6 U 1876/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1876/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 3. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung (behördliche Feststellung) einer weiteren Gesundheitsschädigung als Folge eines – bereits anerkannten – Arbeitsunfalls sowie einer "unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit".

Der Kläger wurde am 1963 in der Türkei geboren. Er wanderte er mit etwa 17 Jahre in die Bundesrepublik ein. Hier besuchte er noch einige Zeit eine Schule, die er ohne Abschluss verließ. Eine Berufsausbildung absolvierte er nicht. Er war seit 1991 verheiratet und wurde etwa im Jahre 2001 von seiner Ehefrau geschieden. Er hat keine Kinder. Er war als Arbeiter berufstätig. Bis etwa Herbst 2013 hatte er für mehrere Jahre eine Lebensgefährtin. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich etwa ab dieser Zeit und in zeitlichem Zusammenhang mit dem hier streitigen Arbeitsunfall massiv, wobei kognitive Einbußen im Vordergrund stehen. Der Kläger wohnt nunmehr in einem Zimmer, das ihm sein Bruder in einem Haus in B. vermietet. Es kümmert sich um ihn im Wesentlichen die Frau dieses Bruders, eine gebürtige Deutsche, die weite Teile seiner Alltagsaufgaben und Lebensgestaltung übernommen hat.

Der Kläger hatte bereits am 30. Oktober 2003 einen Arbeitsunfall erlitten, bei dem er aus ca. sechs Metern Höhe von einer Leiter gestürzt war und bei dem er eine Nasenbeinfraktur sowie multiple Wunden und Schürfungen im Gesicht, an den Knien und dem linken Ellenbogen erlitten hatte. Die Platzwunden waren damals im Klinikum O. versorgt worden. Später hatte der Kläger auch über Schulterschmerzen geklagt. Das Nasenbein war am 25. November 2003 reponiert worden. Der Kläger war ab dem 22. Dezember 2003 wieder arbeitsfähig gewesen.

Im Jahre 2014 war der Kläger bei der M. GmbH in W. als Monteur bzw. Arbeiter beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei der beklagten gewerblichen B. gesetzlich unfallversichert. Am 15. Januar 2014 gegen 9.20 Uhr stürzte er bei der Demontage eines Werbeschilds von einer Leiter und traf mit dem Gesicht einen unter der Leiter stehenden Fahrradständer. Um 9.51 Uhr stellte er sich bei Durchgangsarzt Dr. R. vor. Dieser verfasste den D-Bericht vom selben Tage. Der Kläger hatte dort angegeben, aus etwa sechs Metern Höhe gestürzt zu sein. Dr. R. gab an, bei dem Kläger hätten eine ca. 4 cm lange Platzwunde supraorbital links und multiple Schürfwunden am Unterarm rechts, der Ferse links, am Unterschenkel links und an Hand und Daumen rechts bestanden. Die Halswirbelsäule (HWS) sei frei beweglich und nicht schmerzhaft gewesen, es hätten kein Thoraxkompressionsschmerz, kein Rippendruckschmerz bestanden und beidseits ein vesikuläres (unauffälliges) Atemgeräusch, ein weicher und druckschmerzfreier Bauch und ein stabiles Becken. Dr. R. diagnostizierte ferner eine Fraktur des Sinus frontalis (Stirnhöhle) links, eine Nasenbeinstückfraktur und eine Commotio cerebri (Gehirnerschütterung). Der Kläger wurde stationär in das Krankenhaus H. aufgenommen und dort bis zum 17. Januar 2014 versorgt. Der Entlassungsbericht von Dr. R. nennt die beiden Frakturen als Diagnosen und eine unauffällige Neurologie und Vigilanz. Eine operative Therapie der Nasenbeinfraktur war hno-ärztlich nicht für notwendig gehalten worden (vgl. Konsiliarberichte von Dr. S.), es wurde zur Verhinderung einer Entzündung eine antibiotische Therapie eingeleitet.

Die Beklagte erfuhr durch die ärztlichen Berichte von dem Arbeitsunfall. Auf ihre Aufforderung hin erstattete der Arbeitgeber unter dem 31. Januar 2014 Unfallanzeige. Er gab die Sturzhöhe mit zwei bis drei Metern an und schilderte die näheren Umstände des Unfalls.

Der Kläger stellte sich in den folgenden Wochen mehrfach bei Dr. S. in B. vor. Dieser veranlasste das Kernspintomogramm (CT) des Schädels vom 21. Januar 2014 bei Dr. R., wonach die anteriore Begrenzung des linken Sinus frontalis frakturiert und leicht imprimiert sei, der Sinus selbst sei aber nicht verlegt, es liege auch keine Einblutung vor, der rechte Abschnitt des Sinus frontalis sowie die übrigen Nasennebenhöhlen seien intakt, ebenso sei das Neurokranium (Gehirnschädel) unauffällig ohne Hinweise auf eine kontusionsbedingte Pathologie. Es lägen Zahngranulome vor. Nachdem auch auf Grund dieser Feststellung der Verdacht eines traumatischen Schadens der Vorderzähne entstanden war, teilte Zahnarzt Dr. B. noch am 21. Januar 2014 mit, der allgemeine Gebisszustand sei desolat mit genereller massiver Entzündung, auch an den Vorderzähnen habe sich bildgebend keine Fraktur gezeigt, sondern nur Konkremente (harte Zahnbeläge unter dem Zahnfleisch) und ein massiver Knochenabbau, der nicht traumatisch bedingt sei. In der Folgezeit teilte Dr. S. mit, es hätten zeigten sich noch eine Einblutung am Fersenbein und Beeinträchtigungen am Knie gezeigt, jedoch seien dort keine weiteren Verletzungen festzustellen, auch nicht bildgebend, sodass jeweils nur Tape-Verbände angelegt worden seien. Es sei mit noch etwa sieben bis zehn Tagen Arbeitsunfähigkeit zu rechnen, eine "MdE" (Minderung der Erwerbsfähigkeit) werde voraussichtlich nicht verbleiben (Bericht vom 30. Januar 2014). Nachdem jedoch die Schwellung am Fuß nicht zurückging und der Kläger deswegen keine Arbeitsschuhe tragen konnte, berichtete Dr. S. am 11. Februar 2014, die Arbeitsunfähigkeit werde – deswegen – noch eine Woche andauern.

Der Kläger gab in dem Unfallfragebogen vom 23. Januar 2014 an, er sei aus zwei bis drei Metern Höhe gefallen, er habe dabei einen offenen Schädelbruch, Verletzungen der Wirbelsäule und beider Sprunggelenke, Füße und Knie erlitten sowie sich die Zähne abgeschlagen, Weiteres zum Ablauf oder zur Behandlung wisse er nicht.

Dr. S. bescheinigte die Arbeitsunfähigkeit bis zum 17. Februar 2014. Danach erteilte Zahnarzt Dr. B. dem Kläger eine AU-Bescheinigung bis zum 28. Februar 2014, nach seiner ergänzenden Mitteilung an die Beklagte vom 7. Mai 2014 beruhte diese auf den Zahnschäden, die aber nicht traumatisch, sondern durch Parodontose und Karies verursacht seien. Der Arbeitgeber gab am 5. März 2014 an, der Kläger habe die Arbeit noch nicht wieder aufgenommen, da sein neues Gebiss noch nicht fertiggestellt sei, er habe deshalb auf eigene Kosten Urlaub zur Genesung genommen.

Sechs Monate nach dem Unfall, am 24. Juni 2014, stellte sich der Kläger erneut bei Dr. S. vor und gab an, er leide an unklaren Missempfindungen im Bereich des Gesichtsschädels, an zeitweiliger Verwirrtheit und an Schmerzen im linken Sprunggelenk. Dr. S. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit ab diesem Tage, wobei unklar ist, ob er eine Wiedererkrankung zu Lasten der Beklagten annahm. Jedenfalls gewährte die Beklagte ab diesem Tage wieder Verletztengeld (vgl. späteres Schreiben vom 2. Oktober 2014 an die A.).

Am folgenden Tage war der Kläger mit einer Begleitung - seiner (damaligen) Lebensgefährtin oder seiner Schwägerin – wieder bei Dr. S ... Beide teilten mit, der Kläger sei hochgradig verwirrt, wisse nicht mehr, was er tue, habe am Vortag seine Kündigung unterschrieben, könne sich daran aber nicht mehr erinnern. Ein neues CT am 25. Juni 2014 bei Dr. R. ergab einen unauffälligen Befund bei Konsolidation der Fraktur des linken Sinus frontalis und freier Belüftung. Dr. R. gab als Diagnose einen "Zustand nach linksfrontaler Schädelkontusion" an. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. untersuchte den Kläger am 26. Juli 2014 und teilte dazu mit, es beständen eine "Schädelhirnverletzung bei Gesichtsfrakturen, der Verdacht auf eine Commotio cerebri und der Verdacht auf ein hirnorganisches Psychosyndrom". Neurologisch hätten sich mit Ausnahme vom Kläger angegebener Hypästhesien der linken Schädeldecke keine Befunde ergeben. Im psychischen Befund führte Dr. F. aus, der Kläger habe durchaus geordnet gesprochen, wirke jedoch hilflos, schwimme völlig bei Fragen zur Orientierung, habe den aktuellen Monat mit Januar angegeben, sei zu Ort und Wochentag nicht orientiert, habe seinen Wohnort nur stockend angeben können. Er habe über Vergesslichkeit geklagt. Er fahre selbst Auto, wisse aber nach eigenen Angaben bei der Ankunft nicht mehr, wie er gefahren sei. Die Angaben des Klägers zur Reduzierung seiner Hirnleistung, so Dr. F., seien glaubhaft. Es sei eine magnetresonanztomografische Untersuchung (MRT) notwendig. Dieses MRT wurde sodann am 8. Juli 2014 bei Dr. K. (Praxis Dr. R.) durchgeführt. Es ergab ein normal weites, mittelständiges Ventrikelsystem ohne Zeichen einer Liquorflussstörung, eine regelrechte Rindenfurchung im Groß- und Kleinhirn, eine regelrechte Mark-Rinden-Differenzierung, ferner hätten sich Stammganglien, Hirnstamm und Kleinhirn ohne Nachweis pathologischer Signalveränderungen gezeigt. Insgesamt sei das MRT altersentsprechend und unauffällig, es gebe keine Hinweise auf Blutungen, Raumforderungen oder Liquorzirkulationsstörungen. Es bestehe eine akute Sinusitis.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Untersuchung im Zentrum für Nervenheilkunde in L ... Hierzu berichte Dr. H. am 22. Juli 2014, der Kläger habe erhebliche kognitive Einschränkungen geschildert, seine Schwägerin, die ihn begleitet habe, einen erheblichen Persönlichkeitswandel mit Apathie, Interessenlosigkeit und Gleichgültigkeit angegeben. Der objektivierbare neurologische Befund zeige kein relevantes Defizit, das EEG sei unauffällig, es sei noch eine ergänzende MRT-Untersuchung mit "blutungssensitiver Sequenz" durchzuführen. Diese ergänzende MRT-Untersuchung wurde bei Dr. P. (Praxis Dr. R.) am 1. August 2014 durchgeführt. Sie ergab keine wesentliche Befundänderung gegenüber der vorherigen Untersuchung und insbesondere intracerebral weiterhin keinen Befund, insbesondere kein entzündliches Geschehen, keine Schrankenstörung, kein frisches Infektareal und keine Blutung. Hierzu teilte Dr. S. mit, die Verwirrtheitszustände des Klägers nähmen zu, es sei bei dem "wie erwartet unauffälligen" MRT-Befund von einem "Durchgangssyndrom" bzw. einer "posttraumatischen Verarbeitungsstörung" auszugehen.

Die Beklagte veranlasste eine neuropsychologische Untersuchung bei Dipl.-Psych. K ... Diese führte in ihrem Bericht vom 10. November 2014 aus, der Kläger zeige abseitiges Verhalten. Bei der Untersuchung seien durchgängig Mund- und Schluckbewegungen zu beobachten gewesen, das Atmen sei geräuschvoll und angestrengt gewesen, der Kläger habe sich oft über das Gesicht gerieben, das linke Auge zugekniffen oder mit der Hand zugehalten. Der Kläger habe bei der Anamnese viele Fragen nicht beantworten können bzw. sich Hilfe suchend an seine Schwägerin gewandt. Er sei in seinen biografischen Daten stark, in der gegenwärtigen Orientierung in allen Dimensionen etwas geringer eingeschränkt gewesen. Andere inhaltliche Denkstörungen hätten nicht vorgelegen. Eingeschränkt seien aber die Auffassungsgabe und der Antrieb, auch der Sprachantrieb, ferner die Psychomotorik, die affektive Befindlichkeit und die Schwingungsfähigkeit. Dipl.-Psych. K. führte mehrere psychische Testungen durch, darunter auch solche zur Symptomvalidierung. Dabei erzielte der Kläger im SFSS (Strukturierter Fragebogen Simulierter Symptome) in einigen Subskalen (neurologische Beeinträchtigungen, affektive Störungen, Intelligenz, Amnesie) auffällige Werte, in anderen nicht. Insgesamt habe der SFSS mit 40 Punkten sehr weit über dem kritischen Wert ("cut off") für eine bewusste Simulation und Aggravation gelegen. Klinischen Erfahrungen widerspreche es auch, dass der Kläger persönlich relevante Angaben schwerer erinnere als die aktuelle zeitliche und örtliche Orientierung. Die Testungen zur kognitiven Leistungsfähigkeit (Mini Mental Status und Uhrentest) habe der Kläger fehlerfrei bewältigt, sodass keine demenzielle Entwicklung zu verzeichnen sei. In der Bewertung, so Frau K., seien die Ergebnisse der Validierungstests zu berücksichtigen. Auch die Angaben des Klägers seien nur zum Teil stimmig mit einer Schädel-Hirn-Verletzung (Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit, Veränderung des Geruchs- und Geschmackssinns), zum Teil aber auch nicht. Auch die differenzialdiagnostisch zu erwägende Demenz sei auszuschließen gewesen, zumal sie angesichts der vom Kläger gezeigten oder geklagten Symptome so weit fortgeschritten sein müsste, dass sie auch schon bildgebend hätte nachgewiesen werden müssen. Insgesamt, so Frau K., sei die Ursache des gezeigten Verhaltens nicht erkennbar. Eine Diagnose könne nicht gestellt werden, ein Schädel-Hirn-Trauma sei aber auszuschließen. Es sei aber davon auszugehen, dass der Kläger die beschriebenen Beeinträchtigungen selbst als solche erlebe.

Dr. S. bemühte sich nach Erhalt des Berichts von Dipl.-Psych. K. um eine stationäre psychiatrische Behandlung. Er teilte am 25. November 2014 mit, der Kläger sei definitiv psychisch auffällig, es sei aber unklar, ob es sich wirklich um eine posttraumatische Verarbeitungsstörung handle oder um eine psychische Affektion, die mit dem Unfall nichts zu tun habe. Es sei eine Spezialklinik vonnöten.

Der Kläger wurde daraufhin vom 13. bis zum 16. April 2015 in der Klinik am R. in B. untersucht und behandelt. Dr. Dr. W. führte in dem neurologisch-psychia¬trischen Befundbericht vom 24. April 2015 unter Auswertung auch einer Testdiagnostik bei Dipl.-Psych. K. aus, die neurologische Untersuchung habe keinen Befund ergeben, jedoch lägen eine teilweise Desorientierung, ein weitschweifiges Reden, Gedächtnisstörungen und eine Wesensveränderung mit Apathie und Interessenlosigkeit vor. Diese Störungen seien angesichts der unauffälligen bildgebenden Befunde des Gehirns und der Ergebnisse der neuropsychologischen Testungen nicht auf den Unfall zurückzuführen. Insgesamt beständen deutliche Diskrepanzen zwischen den Schilderungen des Klägers einer- und den objektiv feststellbaren Einschränkungen und den klinischen Erfahrungen andererseits. Die Wirkstoffspiegelbestimmung des Blutes habe für die verordneten und nach Angaben des Klägers eingenommenen Medikamente (Mir¬ta¬zapin und Ibuprofen) Werte unter der Nachweisgrenze ergeben.

Die Beklagte erhob abschließend die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 26. Mai 2015. Dieser führte aus, der Kläger habe sich keine unfallbedingte Hirnverletzung zugezogen. Die in der Folgezeit aufgetretenen und progredient verlaufenden bizarren Verhaltensweisen korrelierten nicht mit einer bekannten organisch-psychischen Störung und seien daher als unfallunabhängig einzustufen. Der Leidensdruck sei als gering einzustufen, was daraus folge, dass der Kläger nach den Wirkstoffspiegelmessungen in B. die verordneten Medikamente nicht einnehme.

Der Kläger, nunmehr anwaltlich vertreten, suchte am 29. April 2015 Dipl.-Psych. S. auf. Dieser teilte in dem Arztbrief vom 15. Juni 2015 mit, es handle sich um eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung sowie um eine "Verbitterungsstörung". Alle Störungen ständen in funktionalem und kausalem Zusammenhang mit dem Unfall vom 15. Januar 2014. Differenzialdiagnostisch könnten Simulation oder Aggravation gesichert ausgeschlossen werden. Es sei bei ihm eine ambulante Psychotherapie auf Kosten der zuständigen B. dringend indiziert, damit eine Chronifizierung verhindert werden könne.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2015, dem eine Widerspruchsbelehrung beigefügt war, stellte die Beklagte die Zahlung laufenden Verletztengeldes mit dem 11. Juli 2015 ein. Der Bescheid wurde dem Verfahrensbevollmächtigten übersandt. Rechtsbehelfe wurden nicht eingelegt.

Mit weiterem Bescheid vom 4. September 2015 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 15. Januar 2014 als Arbeitsunfall, als daraus folgende Gesundheitsschäden eine Gehirnerschütterung, eine Nasenbeinfraktur und eine Fraktur im Stirnbereich sowie eine "unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 28. Februar 2014" an. Die "darüber hinaus bestehende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit" sei auf eine unfallunabhängige Erkrankung zurückzuführen. Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet seien nicht nachzuweisen. Bei der Wesensänderung unklarer Genese bestünden keine Anhaltspunkte für posttraumatische Anteile.

Gegen diesen Bescheid vom 4. September 2015 erhob der Kläger über seinen Verfahrensbevollmächtigten 2015 Widerspruch. Nach mehreren Erinnerungen und Fristsetzungen teilte er zur Begründung mit, er begehre die Anerkennung "jeglicher derzeitiger Gesundheitsbeeinträchtigungen" als Unfallfolgen, alle Menschen, die ihn kennen würden, könnten bestätigen, dass er nach dem Unfall sein Wesen verändert habe. Ferner reichte der Kläger den vorläufigen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 20. April 2016 über einen dortigen stationären Aufenthalt im März und April 2016 zur Akte (Verdacht auf organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma; unauffälliges CT am 30. März 2016 ohne Hinweise auf Läsionen, Raumforderungen, Blutungen; ausführliche neurologische Testung empfohlen). Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2016 zurück. Die weiter geltend gemachten Gesundheitsschäden seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Das Fehlen einer psychischen Vorerkrankung und ein zeitliches Zusammentreffen des Beginns der Symptomatik mit dem Unfall reichten insoweit nicht aus.

Hiergegen hat der Kläger am 29. November 2016 Klage beim Sozialgericht K. (SG) erhoben. Nachdem eine Begründung nicht erfolgt und auch die angeforderte Schweigepflichtentbindung nicht eingegangen ist, hat das SG am 8. Februar 2017 die Präklusion verspäteten Vorbringens nach dem 3. März 2017 angedroht. Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 3. März 2017 vorbringen lassen, es gehe ihm – auch – um die Zahlung von "Verletztengeld über den 11. Juli 2015 hinaus". Er hat dabei auf parallel anhängige Klageverfahren wegen der Anerkennung einer Schwerbehinderung sowie wegen der Gewährung einer Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung hingewiesen.

Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 3. Mai 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, der Kläger begehre die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer andauernden Persönlichkeitsveränderung, eines hirnorganischen Psychosyndroms und einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion als weiterer Folgen des Unfalls vom 15. Januar 2014 sowie die Anerkennung einer "unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit auch für die Zeit ab dem 24. Juni 2014". Insoweit sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen seien nach den Ermittlungen der Beklagten nicht durch den Unfall verursacht. Für eine PTBS fehle es überdies an einem geeigneten Ereignis, da ein Sturz von der Leiter aus zwei bis drei Metern Höhe keine außergewöhnliche Bedrohung und kein Ereignis katastrophalen Ausmaßes darstelle, das bei fast jedem Menschen eine tiefe Verzweiflung verursachen würde, wie der Kammer (des SG) aus zahlreichen Verfahren in rund drei Jahrzehnten richterlicher Tätigkeit hinreichend bekannt sei. Insoweit sei der Kläger auch nicht über dem 28. Februar 2014 hinaus unfallbedingt arbeitsunfähig oder behandlungsbedürftig gewesen, denn die Unfallfolgen seien bis zu diesem Zeitpunkt ausgeheilt gewesen, zumal der Kläger seine Berufstätigkeit am 3. März 2014 wieder aufgenommen habe.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10. Mai 2017 Berufung beim Landessozialgericht B. (LSG) erhoben. Nach mehreren Erinnerungen und letztlicher Fristsetzung zum 30. August 2017 hat der Kläger an diesem Tage zur Begründung ausgeführt, in einem weiteren anhängigen Klageverfahren gegen die Pflegekasse bei der A. habe Dr. M. als Gerichtssachverständiger ein schwergradiges organisches Psychosyndrom bestätigt, weswegen er von der Pflegekasse Leistungen bei Pflegestufe 0 bzw. 1 beziehe. Ferner habe in dem bereits vorgetragenen schwerbehindertenrechtlichen Klageverfahren das dort beklagte Land B. wegen eines "hirnorganischen Psychosyndroms bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma 2003 und Schädel-Hirn-Verletzung 2014" einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie die Nachteilsausgleiche "G" und "B" zuerkannt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 3. Mai 2017 aufzuheben, den Bescheid vom 4. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2016 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung, ein hirnorganisches Psychosyndrom sowie eine Anpassungsstörung mit längerer Depression als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 15. Januar 2014 sowie eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit auch für die Zeit ab dem 24. Juni 2014 anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat beim SG die Akten der Klageverfahren S 13 P 2695/16 gegen die Pflegekasse und S 2 SB 657/16 gegen das Land B. beigezogen und die dort eingeholten Aussagen der behandelnden Ärzte sowie die dort erhobenen Gutachten zum Gegenstand des laufenden Berufungsverfahrens gemacht.

In dem pflegeversicherungsrechtlichen Gutachten vom 6. Februar 2017 führte Dr. M. - gestützt auf nicht im Einzelnen genannte ärztliche Berichte - aus, der Kläger sei in seinem Leben zweimal, 2003 und 2014, aus größerer Höhe gestürzt und habe jeweils Schädel-Hirn-Traumata erlitten. Auch während des jüngsten Krankenhausaufenthalts sei die "Verdachtsdiagnose eines organischen Psychosyndroms bestätigt" worden. Eigene Untersuchungen zur Diagnostik führte Dr. M. nicht durch. Zur pflegerischen Lage teilte er mit, der Kläger werde unter der Woche von seiner Schwägerin und am Wochenende von seinem – anderen – Bruder betreut und versorgt. Bei einem Ortstermin habe sich der Kläger in der Wohnung als ausreichend mobil, jedoch mit Unterstützungsbedarf beim Einsteigen in die Badewanne gezeigt, er sei weiterhin verwirrt gewesen, er sei desorientiert und laufe ohne zu schauen auf die Straße, es habe bereits gefährliche Situationen gegeben, er sei aber nicht weglaufgefährdet. Dr. M. gab in dem Gutachten den Grundpflegebedarf mit 50 min täglich an. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28. April 2017 bezifferte er ihn dann mit 46 min täglich und schlug vor, deswegen Pflegestufe 1 anzuerkennen. Das SG folgte dem jedoch nicht, sondern wies die Klage gegen die Pflegekasse bei der A. mit Urteil vom 29. Juni 2017 ab. Dabei ging es zwar vom Vorhandensein eines organischen Psychosyndroms aus, bezifferte jedoch den grundpflegerischen Bedarf nur mit 41 min täglich. Insoweit hat der Kläger Berufung zum LSG B. erhoben (L 4 P 2719/17), über die noch nicht entschieden ist.

In dem schwerbehindertenrechtlichen Verfahren hatte das SG den endgültigen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 17. Mai 2016 über den bereits bekannten Aufenthalt des Klägers im März und April 2016 eingeholt. Dieser nennt ein organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma als gesicherte Diagnose. Von drei durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen zur Feststellung kognitiver Defizite sei nur der "DemTec" auffällig gewesen, während der MMST und der Uhrentest weiterhin unauffällige Ergebnisse gehabt hätten. Das SG vernahm dort ferner die medizinischen Behandler des Klägers schriftlich als Zeugen. Während Dipl.-Psych. S. (12. Dezember 2016) von einer PTBS und weiteren psychiatrischen Diagnosen (aber keinem hirnorganischen Psychosyndrom) ausging, gab Dr. U. (18. Januar 2017) an, es liege ein sehr ausgeprägtes Verhalten vor, wobei der Kläger zum Teil eine hervorragende Performance habe, konzentriert und auf den Punkt genau antworte und reagiere, zum anderen Teil aber man einen Patienten vorfinde, der "nicht bis drei zählen" könne. Zu diagnostizieren seien eine Anpassungsstörung und der Verdacht auf eine histrionische Persönlichkeit (so Dr. U.s Bericht an Dr. W. vom 11. Dezember 2015). Das SG zog dann in dem schwerbehindertenrechtlichen Verfahren das bereits genannte Gutachten von Dr. M. aus dem pflegeversicherungsrechtlichen Verfahren bei. Gestützt darauf gab das Land das vom Kläger genannte Anerkenntnis über einen GdB von 80 und die Nachteilsausgleiche "G" und "B" ab, das der Kläger angenommen hat.

Nachdem der Kläger beantragt hat, auf seine Kosten bei Dr. M. ein weiteres, unfallversicherungsrechtliches Gutachten einzuholen, hat der Senat am 13. September 2017 Frist zur Einzahlung des Kostenvorschusses bis zum 30. Oktober 2017 gesetzt. Der Kläger hat am 27. Oktober 2017 beantragt, diese Frist bis zum 30. November 2017 zu verlängern. Der Senat hat ihm am 2. November 2017 mitgeteilt, dass diesem Gesuch nicht entsprochen werde.

Nach Erhalt der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 18. Januar 2018 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2017 mitgeteilt, er sei mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Die Beklagte hat das entsprechende Einverständnis mit Schreiben vom 8. Januar 2018 erteilt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Akten der beigezogenen Gerichtsverfahren gegen die Pflegekasse und das Land B. verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einvernehmen mit den Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.

Eine Entscheidung in der Sache ist möglich, ohne das vom Kläger beantragte Wahlgutachten bei Dr. M. einzuholen. Der entsprechende Antrag hat sich erledigt, als der Kläger mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2017 einem Urteil des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt hat (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 109 Rz. 8). Außerdem hätte der Senat den Antrag wegen Verzögerung nach § 109 Abs. 2 SGG ablehnen müssen, weil der angeforderte Kostenvorschuss nicht, insbesondere nicht innerhalb der gesetzten Frist eingezahlt worden ist.

Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, denn der Kläger begehrt keine Geld-, Sach- oder Dienstleistungen im Sinne dieser Vorschrift, sondern behördliche Feststellungen. Sie ist auch im Übrigen zulässig, vor allem hat sie der Kläger form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben.

Sie ist aber nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Anträge des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung von Gesundheitsschäden als Unfallfolgen und auf eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit abgewiesen.

Dabei war die Klage, soweit sie auf eine Verpflichtung zur Anerkennung einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit gerichtet war, bereits unzulässig. Bei der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit eines Versicherten handelt es sich nur um Elemente möglicher Leistungsansprüche, nämlich etwaiger Ansprüche auf Verletztengeld (§ 45 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]) oder – bestimmte – Heilbehandlungsmaßnahmen im Sinne der §§ 26 ff. SGB VII. Die (gerichtliche oder behördliche) Feststellung einzelner Elemente eines Leistungsanspruchs kann nicht isoliert verlangt werden (vgl. Urteil des Senats vom 21. Mai 2015 – L 6 U 3246/14 –, juris, Rz. 34). Für eine solche Feststellungsklage fehlt das Feststellungsinteresse, ferner ist sie gegenüber einer Anfechtungs- und Leistungsklage auf Zahlung von Verletztengeld subsidiär (vgl. hierzu Keller, a.a.O., § 55 Rz. 9, 19 f.). Nur in den Ausnahmefällen des § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 SGG, vor allem der dortigen Nr. 3, kann die gerichtliche Feststellung bestimmter Elemente eines Leistungsanspruchs begehrt werden. In gleicher Weise fehlt einer Verpflichtungsklage auf eine entsprechende behördliche Feststellung das Allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, wenn nicht eine entsprechende Feststellung durch Vorschriften des Verfahrens- oder Prozessrechts ausnahmsweise zugelassen wird. Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind in solchen Ausnahmeregelungen jedoch nicht erwähnt (vgl. im Einzelnen Urteil des Senats vom 28. Juli 2016 – L 6 U 124/14 –, juris, Rz. 35). Dieser Teil der Klage kann auch nicht in eine zulässige Leistungsklage umgedeutet werden. Soweit der Kläger die Zahlung von Verletztengeld ab Beginn der Wiedererkrankung am 24. Juni 2014 begehrte, wäre die Klage unzulässig, weil die Beklagte über Verletztengeld in dem angegriffenen Bescheid vom 4. September 2015 nicht entschieden hat, während der Kläger den Bescheid vom 10. Juli 2015, mit dem die Zahlung von Verletztengeld eingestellt worden war, nicht mit Widerspruch und Klage angefochten hatte. Und soweit der Kläger eine Heilbehandlung erhalten möchte, müsste er zumindest die Art der begehrten Behandlung näher umschreiben, weil eine Klage auf Heilbehandlung allgemein selbst im Rahmen eines Grundurteils nach § 130 Abs. 1 SGG wegen Unbestimmtheit nach § 92 Abs. 1 SGG unzulässig ist (vgl. dazu Urteil des Senats vom 15. Dezember 2016 – L 6 U 1099/16 –, juris, Rz. 38).

Im Übrigen ist die Klage dagegen zulässig. Die Feststellung, dass bestimmte Gesundheitsschäden Folge eines Arbeitsunfalls seien, kann nach der gesetzlichen Wertung in § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG verlangt werden. In diesen Fällen ist auch eine Verpflichtungsklage auf eine entsprechende behördliche Feststellung zulässig. Auch für einen solchen Antrag besteht ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis, denn ein Versicherter ist nicht auf eine gerichtliche Feststellung beschränkt. Er kann zwischen beiden Klagearten wählen (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rz. 12; Beschluss des Senats vom 17. Februar 2016 – L 6 U 4089/15 –, juris, Rz. 28). Einer solchen Verpflichtungsklage auf eine behördliche Feststellung liegt eine ausreichende Klagebefugnis im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG zu Grunde, weil das Unfallversicherungsrecht mit § 102 SGB VII i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) eine Anspruchsgrundlage für derartige Feststellungen der Versicherungsträger bereithält (vgl. Urteil des Senats vom 9. März 2017 – L 6 U 2131/16 –, juris, Rz. 36). Die streitigen Gesundheitsschäden waren auch Gegenstand des Verwaltungs- und des Widerspruchsverfahrens (§ 78 Abs. 1 SGG). Der Senat hat den Bescheid vom 4. September 2015 nach dem Regelungsgehalt und dem objektiven Empfängerhorizont dahingehend ausgelegt, dass die Beklagte 2015 hinreichend deutlich die Anerkennung der jetzt geltend gemachten Gesundheitsschäden als Unfallfolgen abgelehnt hat, indem sie umfassend "Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet" ausgeschlossen hat.

Dieser Klageantrag ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII kann ein Versicherter die Feststellung eines Arbeitsunfalls einschließlich des begrifflich dazu gehörenden Erstschadens sowie weiterer daraus folgender Gesundheitsschäden (Folgeschäden) verlangen, wenn sie "in Folge" des Unfalls entstanden sind. Wenn ein Arbeitsunfall mit Gesundheitserstschäden – hier die Gehirnerschütterung, eine Nasenbeinfraktur und eine Fraktur im Stirnbereich – schon anerkannt sind, kann er auch nur die Anerkennung weiterer Erstschäden oder inzwischen dazu gekommener Folgeschäden verlangen.

In diesen Fällen einer "isolierten" Feststellung weiterer Gesundheitsschäden bei schon anerkanntem Arbeitsunfall müssen die versicherte Tätigkeit und das Art und das Ausmaß des Unfallereignisses nicht mehr im Einzelnen überprüft werden. Die Anerkennung durch den Unfallversicherungsträger, sofern sie bestandskräftig ist, hat zwar keine konstitutive Wirkung, da es sich um Tatsachen bzw. Rechtstatsachen handelt, gleichwohl bindet dieser Feststellung die Beteiligten untereinander (§ 77 SGG). Es bleibt zu entscheiden, ob die geltend gemachten Gesundheitsschäden vorliegen und ob sie als Erst- oder als Folgeschaden auf den Unfall zurückzuführen sind,

Vor diesem Hintergrund müssen zunächst die behaupteten Gesundheitsschäden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Die materielle bzw. objektive Beweislast auch für diese Schäden, seien es Erst-, seien es Folgeschäden, trägt dabei grundsätzlich der Versicherte. Dagegen ist für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rz. 17). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes. Auf der materiellen, wertenden Ebene der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, ist zu entscheiden, ob der Unfall die wesentliche Bedingung für den Gesundheitsschaden war. Hiernach werden als - rechtserheblich - kausal nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese "wesentlich" und damit Ursache im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder "Auslöser" bezeichnet werden" (Urteil des Senats vom 4. Mai 2017 – L 6 U 1007/16 –, juris, Rz. 56 ff.). Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. zu allem auch Urteil des Senats vom 13. Juli 2017 – L 6 U 2225/16 –, juris, Rz. 60).

Der Kläger begehrt in diesem Verfahren die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer andauernden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung, eines hirnorganischen Psychosyndroms sowie einer Anpassungsstörung mit längerer Depression. Diese Gesundheitsschäden können zum Teil bereits nicht festgestellt werden, und insgesamt beruhen sie nicht mit Wahrscheinlichkeit auf dem anerkannten Unfall.

Eine PTBS liegt nicht vor, was schon das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend fertiggestellt hat.

Der Senat hat sich bei der Beurteilung der Frage, ob eine PTBS vorliegt, in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 23. Juni 2016 - L 6 VH 4633/14 - juris, Rz. 34 ff.) an den gängigen Diagnosesystemen entsprechend der Nomenklatur der ICD-10 GM (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme, herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation [WHO], Deutsche Fassung, zurzeit in 10. Auflage) und der DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, herausgegeben von der American Psychiatric Association [APM]) orientiert. Denn die konkret zu bezeichnenden Krankheiten bilden die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens zu beurteilen ist (so auch BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - juris). Das DSM lag bis 2013 in seiner vierten Ausgabe (DSM-IV-TR) vor. Insoweit konnte es neben der ICD-10 herangezogen werden. Dagegen bestehen gegen die zwischenzeitlich seit Mai 2013 als Nachfolgerin des DSM-IV-TR nunmehr in deutscher Sprache vorliegende 5. Auflage (DSM-5) Bedenken hinsichtlich ihrer Validität (vgl. im Einzelnen Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14, juris, Rz. 40, 41 ff.), die jedoch hier offen bleiben können, da sie in den für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Punkten - hier dem Vermeidungsverhalten des traumatisierten Opfers - nicht von den DSM-IV TR abweichen.

Die PTBS (F43.1 nach der ICD-10 GM) entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (A-Kriterium). Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten (Intrusionen, B-Kriterium). Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten (C-Kriterium). Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0 nach der ICD-10 GM) über.

Ähnlich beschreibt DSM-IV-TR 309.81 das Traumaerleben.

Vor diesem Hintergrund kann sich der Senat nach beiden Klassifikationssystemen nicht von einer PTBS überzeugen. Es ist bereits kein Ereignis im Leben des Klägers ersichtlich, das die Vor-aussetzungen des A-Kriteriums erfüllen könnte. Der hier angeschuldigte Sturz von einer Leiter aus zwei bis drei Metern Höhe gehört dazu jedenfalls nicht. Bei dieser Wertung ist die geschichtliche Herkunft der Diagnose "PTBS" als Beschreibung der Folgen von Traumata zu berücksichtigen, die Soldaten in Kampfeinsätzen erlebt haben, z.B. im Vietnam-Krieg der USA Ende der 1960-er und Anfang der 1970-er Jahre. Auch Dipl.-Psych. S., der - als einziger Behandler - die Diagnose einer PTBS gestellt hat (Arztbrief vom 15. Juni 2015), hat kein geeignetes Trauma genannt. Das Gleiche gilt letztlich für die beiden weiteren Hauptkriterien einer PTBS. Der Kläger hat nirgendwo von Wiedererinnerungen oder Alpträumen im Hinblick auf ein traumatisches Ereignis berichtet, er zeigt vielmehr im Gegenteil Vergesslichkeit und Gedächtnisausfälle. Das von Herrn S. zur Untermauerung des B-Kriteriums wiedergegebene Zitat des Kläger ("ich kann alles vergessen, nur nicht den Sturz von der Leiter") reicht insoweit zur objektiven Feststellung von Wiedererinnerungen nicht aus, nachdem der Kläger auch während der stationären Rehabilitationen solche Symptome nicht geklagt hat. In gleicher Weise zeigt sich kein signifikantes, auf ein bestimmtes Trauma beschränktes Vermeidungsverhalten. Dass der Kläger nicht mehr auf Leitern steigt, ist z.B. der Aufgabe seiner Berufstätigkeit und seinem weitgehenden sozialen Rückzug geschuldet und erfüllt daher nicht das C-Kriterium. Auch Herr S. hat zu diesem Kriterium nichts mitgeteilt, sondern Symptome geschildert (Gefühl der Leere und Hoffnungslosigkeit, sozialer Rückzug, Misstrauen), die eher zu einer depressiven Erkrankung als zu einer PTBS passen (vgl. F32.- und F33.- ICD-10 GM).

Auch die vom Kläger daneben oder alternativ geltend gemachte andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden.

Hierbei handelt es sich (vgl. F62.0 ICD-10 GM) um eine andauernde, wenigstens über zwei Jahre bestehende Persönlichkeitsänderung, die einer Belastung katastrophalen Ausmaßes folgt. Die Belastung muss so extrem sein, dass die Vulnerabilität der betreffenden Person als Erklärung für die tief greifende Auswirkung auf die Persönlichkeit nicht in Erwägung gezogen werden muss. Die Störung ist durch eine feindliche oder misstrauische Haltung gegenüber der Welt, durch sozialen Rückzug, Gefühle der Leere oder Hoffnungslosigkeit, ein chronisches Gefühl der Anspannung wie bei ständigem Bedrohtsein und Entfremdungsgefühl gekennzeichnet. Eine PTBS nach F43.1 ICD-10 GM kann dieser Form der Persönlichkeitsänderung vorausgegangen sein. Als lebensbedrohliche Situationen, die eine solche Persönlichkeitsänderung verursachen können, kommen Situationen als Opfer von Terrorismus, einer andauernden Gefangenschaft mit unmittelbarer Todesgefahr, von Folter, Katastrophen oder Konzentrationslagererfahrungen in Betracht. Liegen solche Auslöser nicht vor, kommen - nur - andere Formen der Persönlichkeitsveränderung in Betracht, z.B. nach einer psychischen Krankheit (F62.1 ICD-10 GM) oder nach chronischem Schmerzsyndrom (F62.80 ICD-10 GM).

Beim Kläger fehlt es an einem Auslöser, der die Voraussetzungen dieser Diagnose erfüllen würde. Es ist kein Ereignis in seinem Leben bekannt, bei dem er Opfer eines Terroranschlags, einer Gefangenschaft oder einer ähnlich katastrophalen Einwirkung mit Lebensgefahr ausgesetzt gewesen wäre. Daher kann offenbleiben, ob bei ihm überhaupt eine Persönlichkeitsänderung vorliegt. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass nach den Einschätzungen der Behandler und z.B. auch den Schilderungen eine Wesensveränderung vorliegt. Aber ob diese derart ausgeprägt ist, um schon als Persönlichkeitsveränderung eingestuft werden zu können, oder ob wesentliche der heute gezeigten Persönlichkeitszüge schon immer vorlagen (vgl. F60.- und F61.- ICD-10 GM), ist nicht geklärt. Ferner sind letzte Zweifel am tatsächlichen Ausmaß der pathologischen Verhaltensweisen des Klägers nicht ausgeräumt. Dies gilt insbesondere für die kognitiven Einschränkungen, vor allem die Vergesslichkeit und die Verwirrtheit, die der Kläger in den Vordergrund rückt. Zweifel daran gründen sich insbesondere auf die Feststellungen und Schlussfolgerungen, die Dipl.-Psych. K. in ihrem Bericht vom 10. November 2014 nach der psychologischen Untersuchung des Klägers dargestellt hat. Sie beruhen nicht in erster Linie auf den sehr auffälligen Ergebnissen des Klägers in den Validierungstests, vor allem in dem SFSS, weil die Ergebnisse dieser Testungen grundsätzlich nur Anhaltspunkte geben können. Auffälliger sind eher die Diskrepanzen bei den Einzelheiten der geklagten Symptome. Frau K. hat - bestätigt durch die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. - überzeugend darauf hingewiesen, dass nach klinischer Erfahrung kognitive Einbußen hinsichtlich aktueller Umstände, wie der gegenwärtigen Orientierung in Raum und Zeit, stärker sind als hinsichtlich biografischer Erinnerungen an Lebensumstände, die für den Probanden wichtig sind. Der Kläger hatte dagegen auffällig viele falsche Antworten zu seiner Biografie (Lebensdaten seiner Eltern, Übersiedlung nach Deutschland, Beginn und Dauer der Ehe) angegeben.

Der Senat kann sich ebenso nicht davon überzeugen, dass bei dem Kläger ein "Organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma" gesichert vorliegt. Diese Diagnose wurde in der Zeit nach dem Unfall zunächst als Verdachtsdiagnose geäußert und dann mehrfach von späteren Behandlern übernommen, ohne dass entsprechende diagnostische Untersuchungen durchgeführt worden wären. Zuletzt hatte das Psychiatrische Zentrum N. nach der Behandlung des Klägers im März und April 2016 diese Diagnose gestellt, allerdings in dem vorläufigen Entlassungsbericht vom 20. April 2016 noch als Verdachtsdiagnose und erst in dem endgültigen Bericht vom 17. Mai 2016 als gesichert.

Die Diagnose eines organischen Psychosyndroms nach Schädelhirntrauma setzt nach F07.2 ICD-10 GM ein Schädeltrauma voraus, das meist schwer genug ist, um zur Bewusstlosigkeit zu führen. Es besteht aus einer Reihe verschiedenartiger Symptome, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfung, Reizbarkeit, Schwierigkeiten bei Konzentration und geistigen Leistungen, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen und verminderter Belastungsfähigkeit für Stress, emotionale Reize oder Alkohol. Ein solches Psychosyndrom darf nicht diagnostiziert werden, wenn stattdessen die Voraussetzungen einer akuten Gehirnerschütterung (S06.0 ICD-10 GM) vorliegen (vgl. im Einzelnen auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 188 ff.).

Bei dem Kläger liegt zwar mit der Commotio cerebri nach dem Sturz von der Leiter am 15. Januar 2014 ein - erstgradiges - Schädel-Hirn-Trauma vor. Daraus ist jedoch kein organisches Psychosyndrom entstanden.

Zum einen war das Ereignis dafür nicht schwer genug. Unmittelbar nach dem Sturz ist keine Bewusstlosigkeit dokumentiert. Bei der Erstbehandlung bei Dr. R. spätestens 31 Minuten nach dem Sturz war er wach, ansprechbar und orientiert und konnte Angaben zum Unfallhergang machen. Auch bei der stationären Behandlung im Krankenhaus H. wurde keine Bewusstlosigkeit festgestellt, bei der Entlassung am 17. Januar 2014 wurden eine unauffällige Neurologie und Vigilanz beschrieben.

Ferner liegen keinerlei Schädigungen der Struktur oder Funktionsfähigkeit des Gehirns vor, die ein organisches Psychosyndrom darstellen könnten. Bei dem Kläger wurden insoweit alle Untersuchungen durchgeführt, die zur Diagnose eines Schädel-Hirn-Traumas notwendig sind, aber sie waren unauffällig. Insbesondere reicht ein CT zum Nachweis nicht aus, weil es eine substanzielle oder axonale Hirnschädigung nicht feststellen kann. Insoweit ist zusätzlich ein MRT durchzuführen, das sowohl akut als auch bei einer späteren Begutachtung durch den Nachweis erfolgter Mikroblutungen auch eine axonale Schädigung nachweisen kann (Schönberger/Mehr-tens/Valentin, a.a.O., S. 193). Bei dem Kläger hatte nicht nur bereits das unfallnächste CT des Schädels vom 21. Januar 2014 bei Dr. R. ein vollständig unauffälliges Neurokranium (Gehirnschädel) ohne Hinweise auf eine kontusionsbedingte Pathologie gezeigt. Auch das MRT vom 8. Juli 2014 bei Dr. K. (Praxis Dr. R.) hatte ein normal weites, mittelständiges Ventrikelsystem ohne Zeichen einer Liquorflussstörung, eine regelrechte Rindenfurchung im Groß- und Kleinhirn und eine regelrechte Mark-Rinden-Differenzierung gezeigt und keine pathologischen Signalveränderungen bei den Stammganglien, dem Hirnstamm oder dem Kleinhirn aufgewiesen, die auf Blutungen, Raumforderungen oder Liquorzirkulationsstörungen hätten hindeuten können.

Entsprechend diesen Befunden hat beim Kläger anfangs auch kein behandelnder Arzt ein hirnorganisches Psychosyndrom als gesicherte Diagnose angenommen. Auch das Psychiatrische Zentrum N. hat bei der CT-Untersuchung dort am 30. März 2016 keine Hinweise auf Läsionen, Raumforderungen oder Blutungen feststellen können. Es ist daher unklar, auf welcher Grundlage es hieraus auf ein organisches Psychosyndrom geschlossen hat. Ein Nachweis dafür liegt jedenfalls nicht vor.

Unabhängig vom Vorliegen eines organischen Psychosyndroms kann auch nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen den - dauerhaften - Symptomen des Klägers und dem angeschuldigten Arbeitsunfall besteht. Wie ausgeführt, lag beim Kläger nur ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma vor, entsprechend war unfallnah eine Gehirnerschütterung diagnostiziert worden, die die Beklagte auch als Unfallfolge anerkannt hat. Leichte Schädel-Hirn-Traumata im Sinne einer Gehirnerschütterung heilen jedoch nach medizinischer Erfahrung binnen Tagen, maximal in einigen Wochen, wieder ab (Schönberger/Mehr¬tens/Va¬lentin, a.a.O., S. 199). Es wird zwar auch erwogen, dass bei einigen Betroffenen die Symptome im Sinne eines chronischen posttraumatischen Syndroms (CPS) für mehr als zwölf Wochen andauern können, in diesen Fällen ist aber ein besonders sorgfältiger Nachweis des Ursachenzusammenhangs zu fordern, da die Symptome sehr unspezifisch sind, die Übergänge zu anderen Erkrankungen, auch auf psychiatrischem Gebiet, fließend sind, und oftmals eine Erwartungshaltung der Patienten nicht ausgeschlossen werden kann (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 200). Vor diesem Hintergrund kann vor allem angesichts der langen Latenz bis zum Auftreten der Symptome Ende Juni 2014 und der zwischenzeitlich wieder erreichten Arbeitsfähigkeit des Klägers ab Anfang März 2014 - dass der Kläger nicht sofort wieder gearbeitet hatte, lag an dem genommenen Urlaub wegen der Gebissbehandlung - nicht von einer Verursachung ausgegangen werden.

Letztlich kann beim Kläger auch keine "Anpassungsstörung mit längerer Depression", wie geltend gemacht, als Unfallfolge anerkannt werden.

Hierbei lässt der Senat offen, ob beim Kläger zeitweise eine Anpassungsstörung vorlag. Die Symptome, die der Kläger ab etwa Juni 2014 gezeigt hat, können zwar durchaus diese Diagnose stützen (vgl. im Einzelnen F43.2 ICD-10 GM: "depressive Stimmung, Angst oder Sorge, ein Gefühl, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können, Störungen des Sozialverhaltens). Ebenso kann der Leitersturz durchaus als "belastendes Lebensereignis" im Sinne dieser Klassifikation eingestuft werden.

Jedenfalls beruht diese Gesundheitsstörung, die bei dem Kläger ab dem 24. Juni 2014 erneut zu Arbeitsunfähigkeit geführt hat, nicht auf dem Unfall. Es ist nicht mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Sturz die wesentliche Ursache dieser Erkrankung war. Ein Ursachenzusammenhang ist nur wahrscheinlich, wenn die Symptome nach längstens drei Monaten aufgetreten sind. Hierzu kommt, dass Anpassungsstörungen selten länger als sechs Monate andauern und diese Diagnose längstens für zwei Jahre ab dem belastenden Ereignis gestellt werden kann (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 152). Beim Kläger liegt der erste Nachweis für die geklagten Symptome für den 24. Juni 2014 vor, also einen Zeitpunkt mehr als sechs Monate nach dem Sturz von der Leiter. Auch hier ist ferner die zwischenzeitlich wieder erlangte Arbeitsfähigkeit zu berücksichtigen. Und vor allem haben sich die Symptome nicht, wie es die Diagnose einer Anpassungsstörung verlangt, in längstens zwei Jahren wieder zurückgebildet. Sie sind heute noch vorhanden, wie der Senat zuletzt dem Bericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 17. Mai 2016 entnimmt. Die Symptomatik des Klägers ist progredient verlaufen, sie hat sich im Laufe der Zeit mehr und mehr verstärkt. Auf diesen ungewöhnlichen Punkt hat bereits Dr. H. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26. Mai 2015 hingewiesen.

Soweit der Kläger mit seinem Antrag auch oder anstelle einer Anpassungsstörung eine depressive Erkrankung (F32.- ICD-10 GM) geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass kein Behandler, auch nicht Dipl.-Psych. S., diese Diagnose je gestellt hat. Auch in den stationären Behandlungen, zuletzt im Psychiatrischen Zentrum N., wurden jeweils andere Diagnosen angenommen oder erwogen. Es ist daher nicht relevant, ob eine solche Erkrankung auf einen Unfall wie hier zurückgeführt werden könnte oder ob depressive Erkrankungen multifaktoriell bedingt sind, sodass relativ geringfügige Traumata wie hier nicht als wesentliche Ursache in Betracht kommen.

Weitere Gesundheitsschäden als Folge des Arbeitsunfalls macht der Kläger nicht geltend.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved