L 4 KR 3843/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 3552/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3843/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2017 (S 10 KR 3552/15) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt, ihm eine elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild auszustellen, ihm ein Lesegerät für die elektronische Gesundheitskarte zur Verfügung zu stellen sowie sein Schreiben vom 10. Juni 2015 zu beantworten.

Der Kläger war als Bezieher von Arbeitslosengeld II bis 30. Juni 2017 versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Krankenkasse.

Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 21 April 2015 beim Kläger ein Lichtbild an, um ihm eine elektronische Gesundheitskarte ausstellen zu können. Der Kläger erhob gegen die Anforderung des Lichtbilds sowie die Speicherung von medizinischen und ärztlichen Daten auf der elektronischen Gesundheitskarte "Widerspruch" (Schreiben vom 28. April 2015). Gleichzeitig beantragte er, ihm eine elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild und Speicherfunktion sowie ein kostenloses Lesegerät für die elektronische Gesundheitskarte zuzusenden. Unter dem 4. Mai 2015 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) lehnte es die Beklagte sinngemäß ab, dem Kläger eine elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild auszufertigen, weil einer der Ausnahmefälle nicht vorliege. Der Kläger erwiderte hierauf (Schreiben vom 8. Mai 2015), er habe "gegen den Verwaltungsakt der Bildanforderung und die uneinheitliche sowie fehlerhafte Umsetzung" Widerspruch eingelegt, und legte die seiner Auffassung nach bestehenden Bedenken gegen die Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte dar. Unter dem 13. Mai 2015 teilte die Beklagte dem Kläger nochmals mit, eine elektronische Gesundheitskarte könne sie nicht herstellen, solange der Kläger ihr kein Lichtbild zusende. Mit Schreiben vom 10. Juni 2015 erhob der Kläger "Widerspruch" gegen den "Bescheid vom 13.05.2015" und bat um "schriftliche Stellungnahme und Aufklärung" zu fünf näher bezeichneten Punkten. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 4. Mai 2015 wegen der Anforderung des Lichtbilds für die elektronische Gesundheitskarte zurück (Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2015).

Der Kläger erhob wegen des Widerspruchsbescheids vom "23." (richtig 22.) Juni 2015 am 29. Juni 2015 Klage beim SG mit dem Begehren, 1. die Beklagte zu verpflichten, ihm als Härtefall sofort eine elektronische Gesundheitskarte und bis zu deren Erhalt ein gleichwertiges Ersatzdokument auszustellen, mit dem er ohne Zusatzkostenrisiko bzw. zusätzlichen (Verwaltungs-)Aufwand ärztliche medizinische Leistungen erhalten könne, 2. den Geschäftsführer der Beklagten zu verpflichten, den von ihm gestellten Aufklärungsantrag vom 10. Juni 2015 zu beantworten sowie 3. ein Lesegerät für die elektronische Gesundheitskarte herauszugeben und ihn in Form von Auszahlung seiner Versicherungsbeiträge, die die Beklagte seit Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ohne Gegenleistungen mit der elektronischen Gesundheitskarte erhalten habe, herauszugeben. Des Weiteren erhob er "alle möglichen Klagearten" und legte "alle Rechtsmittel" ein, die er auch gegen das System der elektronischen Gesundheitskarte richte.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 2. Mai 2016 unter anderem unter Vorlage einer ihm (nach Unterzeichnung einer Mehrkostenvereinbarung über eine Wurzelkanalbehandlung) von einem Zahnarzt gestellten Rechnung über EUR 149,04, diese Kosten einer Wurzelkanalbehandlung zu erstatten, was die Beklagte unter dem 2. Mai 2016 ablehnte. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 9. Mai 2016 Widerspruch. Gegenüber dem SG machte er mit Schreiben vom 11. Mai 2016 als "Klageerweiterung" geltend, die Beklagte weigere sich, eine Rechnung über eine Zahnwurzelbehandlung in Höhe von EUR 149,04 trotz Kenntnis seiner belegten Härtefallsituation zu übernehmen.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2017 ab. Als sinngemäßen Antrag des Klägers legte es zugrunde, den Bescheid vom 4. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild auszustellen, ein Lesegerät für eine elektronische Gesundheitskarte auszuhändigen und Auskunft zu erteilen. Aufgrund der Angaben des Vertreters der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung, der Kläger habe zum 1. Juli 2017 die Krankenkasse gewechselt, könne er nicht mehr gegen die Beklagte geltend machen, ihm eine elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild auszustellen und eine Lesegerät für die elektronische Gesundheitskarte auszuhändigen. Der Kläger habe auch weder Anspruch auf Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte ohne Lichtbild noch auf Herausgabe eines Lesegerät für die elektronische Gesundheitskarte noch auf Erteilung einer Auskunft.

Gegen das ihm am 7. September 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Oktober 2017 "alle Rechtsmittel" eingelegt. Das Urteil verstoße gegen Rechtsnormen.

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2015 eine elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild auszustellen, ihm ein Lesegerät für die elektronische Gesundheitskarte auszuhändigen sowie sein Schreiben vom 10. Juni 2015 zu beantworten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Klagegrund sei entfallen, weil die strittige Kartenversorgung Aufgabe der jetzt zuständigen Krankenkasse sei.

Mit Urteil vom 30. Juni 2017 hat das SG die Klage des Klägers im Klageverfahren S 10 KR 2015/16 abgewiesen, in welchem es als sinngemäßen Antrag des Klägers unter anderem zugrunde legte, die Beklagte zu verurteilen, ihm EUR 149,04 zu erstatten. Die gegen dieses Urteil vom Kläger sinngemäß eingelegte Berufung wird unter dem Aktenzeichen L 4 KR 3847/17 geführt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

II.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

2. Der Senat wertet das Schreiben des Klägers vom 2. Oktober 2017 als Berufung gegen das im Klageverfahren S 10 KR 3552/15 ergangene Urteil des SG vom 30. Juni 2017, weil als sachdienliches Rechtsmittel allein die Berufung in Betracht kommt. Soweit der Kläger im Schreiben vom 2. Oktober 2017 als Entscheidungsdatum auch den 5. September 2017 angibt, ist eine Entscheidung in dem oben genannten Klageverfahren unter diesem Datum nicht erkennbar. Der Kläger hat nach Hinweis des Senats auch keine Entscheidung benannt.

3. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die Begehren des Klägers (dazu unter 4.) betreffen weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.

4. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Begehren des Klägers, 1. ihm eine elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild auszustellen, 2. ihm ein Lesegerät für die elektronische Gesundheitskarte auszuhändigen sowie 3. sowie sein Schreiben vom 10. Juni 2015 zu beantworten. Diese Begehren erhob der Kläger mit seiner Klageschrift vom 29. Juni 2015.

Nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahren ist das Begehren des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, ihm EUR 149,04 zu erstatten. Hierüber entschied das SG nicht in dem im vorliegenden Berufungsverfahren angefochtenen Urteil, sondern in dem im Berufungsverfahren L 4 KR 3847/17 angefochtenen Urteil.

5. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

a) Soweit der Kläger begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ihm eine elektronische Gesundheitskarte auszustellen, ist die Klage unzulässig geworden. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2015 ist nicht mehr wirksam. Denn wegen des Endes der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten zum 30. Juni 2017 erledigten sich diese Bescheide auf andere Weise (§ 39 Abs. 2 SGB X; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Mai 2011 – B 3 KR 7/10 R – juris, Rn. 21). Die Beklagte muss die vom Kläger begehrte Handlung (Aushändigung einer elektronischen Gesundheitskarte) nicht mehr erbringen, weil sie nicht mehr leistungspflichtig ist (§ 19 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]). Einer der Ausnahmefälle des § 19 Abs. 1a bis 3 SGB V liegt nicht vor.

Die Gründe, die zum Ende der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten führten, sind nicht entscheidungserheblich. Wegen des Endes der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten braucht auch nicht mehr entschieden zu werden, welche Anforderungen an das Lichtbild – auch das Passgesetz (PassG) und die Verordnung zur Durchführung des PassG (PassV) verwenden den Begriff "Lichtbild" (z.B. § 4 Abs. 1 Satz 1 PassG; § 5 PassV) – für die elektronische Gesundheitskarte zu stellen sind.

b) Unzulässig geworden ist ebenfalls die Klage des Klägers, soweit er begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Lesegerät für die elektronische Gesundheitskarte auszuhändigen. Da sich wegen des Endes der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten zum 30. Juni 2017 das Begehren auf Aushändigung einer elektronischen Gesundheitskarte erledigt hat, ist ein Lesegerät für die elektronische Gesundheitskarte – unabhängig von der fehlenden Anspruchsgrundlage für die Aushändigung – nicht mehr erforderlich.

c) Eine Anspruchsgrundlage, dass die Beklagte Schreiben des Klägers – vorliegend das Schreiben vom 10. Juni 2015 – beantwortet, fehlt. Auf § 13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach die Leistungsträger, ihre Verbände und die sonstigen in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären, kann der Kläger sein Begehren nicht stützen. Diese Vorschrift begründet grundsätzlich kein subjektives Recht des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger. Die Pflicht zur Aufklärung besteht lediglich gegenüber der Allgemeinheit, nicht gegenüber dem Betroffenen (BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 7 SF 1/03 R – juris, Rn. 21).

Im Übrigen kam die Beklagte der ihr nach § 13 SGB I obliegenden allgemeinen Pflicht nach, indem sie den Kläger bereits vor dessen Schreiben vom 10. Juni 2015 über die ihm obliegende Pflicht, die elektronische Gesundheitskarte zu verwenden, informierte.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

7. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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